dungen des Vorredners gegen den zweiten Absatz anbelange, so bleibe er dabei, daß von einer Verschärfung des Gesetzes durchaus keine Rede sei und verweise er auf die ganze Hal⸗ tung der Kommission, welche diesen Verdacht ausschließe. Die Kommission habe im Gegentheil sich bemüht, das Gesetz zu mildern. Er bitte also, in beiden Beziehungen dem Antrage der Kommission beizustimmen.
Der 5. 1 der Kommission wurde angenommen, das Amen⸗ dement Sonnemann abgelehnt.
Der §. 2 lautet nach der Fassung der Kommission:
Die Dauer der Geltung des Gesetzes gegen die gemeingefähr— lichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 (Reichs ˖ Gesetzbl. S. 351) wird, unter Abänderung des 5§. 30 diefes Gesetzes, bis zum 30. September 1884 hierdurch verlängert. (Die Regierungsvorlage hatte die Dauer des Gesetzes bis zum 31. März 1886 festgesetzt).
Hierzu beantragte der Abg. von Ludwig:
. Der Reichstag wolle beschließen: dem §. 2 noch folgenden Zu⸗ satz hinzuzufügen: „Zugleich wird das Gesetz auf alle diejenigen Bestrebungunn ausgedehnt, welche, auch ohne sich als spezißisch sozialdemokralische, sozialistische oder kommunistische darzustellen, in analoger Weise die Untergrabung der christlichen und mon— archischen Grundlagen der bestehenden Staats und Gesellschafts⸗ ordnung bezwecken.“
Der Referent Abg. Dr. Marquardsen befürwortete den Kommissionsbeschluß. In Betreff des gewählten Termins habe die Rücksicht vorgewaltet, daß möglicherweise eine Auf— lösung des Reichstages zu einer Zeit erfolgen könnte, wo die Geltung des Sozialistengesetzes, wenn man etwa drei Jahre nähme, in Frage stände. Es würde für die Zeit der Wahlen dann möglicherweise eintreten, daß der Termin abliefe, und um dies zu verhindern, sei in der Kommission noch eine Zeit von drei Monaten zugegeben worden. Das sei ein einstimmig gefaßter Beschluß, wie überhaupt der 5§. 2 einstimmig ange— nommen worden sei. Ueber das Amendement Ludwig habe er natürlich von Kommissionswegen dem Hause keine Be⸗ urtheilung zu unterstellen.
Der Abg. Frhr. von Marschall erklärte, die Frage, ob das Gesetz verlängert werden solle, hänge auch davon ab, ob die Befürchtungen begründet gewesen seien, die man gegen das Gesetz geltend gemacht habe, und ob es wirklich eine Waffe sei, die auch gegen andere Parteien und deren berechtigte Be— strebungen angewendet worden sei. Die Mehrheit der Kom— mission habe sich für seine Verlängerung ausgesprochen. Seine Freunde und er ständen den Bedenken nicht dier gültig gegenüber, glaubten aber, daß solchen Gefahren gegenüber die Interessen aller Parteien gleiche seien. Der Abg. Hänel habe es sich leicht gemacht; derselbe habe gesagt, die polizeilichen Maßregeln
hätten keinen Unterschied zwischen den berechtigten und den un⸗ berechtigten Bestrebungen gemacht. Er sei auch der Ansicht, daß man den berechtigten sozialen Bestrebungen etwas mehr ent⸗ gegenkommen sollte; allein er könne nicht anerkennen, daß die Sozialdemokratie, wie sie sich heute in Deutschland ent— wickelt habe, berechtigte Bestrebungen verfolge. Es sei bei ihr alles Mittel zum Zweck geworden. Glaube man denn, daß die Sozialisten bei der Gründung von geselligen Vereinen jemals ihr Hauptziel aus den Augen verlören? Wenn man das verkennen wollte, so würde man eine kurzsichtige Politik treiben. Der einzige Fall, wo eine andere Partei von dem Gesetze betroffen sei, sei der vom Abg. Sonnemann vorgetra⸗ gene Münchener Fall. Er wisse nicht, ob die von der Polizei vorgebrachten Thatsachen wahr seien, der Abg. Sonnemann habe sie ja bestritten. Er sei weit entfernt, der deutschen Volkspartei sozialistische Tendenzen unterzuschieben; aber das Eine könne man sagen, daß ihre Versammlungen stets die Sozialisten protegirt hätten und zum Theil aus Sozialisten beständen. In der Anwesenheit von Sozialdemokraten könne er nun keinen Grund erblicken, die Versammlung auf— zulösen. Das sei aber auch nicht der einzige Grund der. Auflösung. gewesen. Wenn, die. Führer der Volkspartei mit den Führern der Sozlaldemokratie eine Besprechung über die Bureaubildung gehalten hätten, so seien sie doch nicht ganz unschuldig. Höflichkeit sei eine fehr schöne Tugend, aber beim Bestehen des Sozialistengesetzes liege doch die Höflichkeit der Sozialdemokratie gegenüber etwas abseits von Wege. Jedenfalls würde die Volkspartei sich weiter ausdehnen, wenn sie den Höflichkeitsaustausch mit der Sozialdemokratie auf das engste Maß beschränken wollte. Die Münchener Parteiversammlung sei nicht aufgelöst worden, weil sozialistische Bestrebungen in ihr zu Tage getreten wären, sondern weil die Polizeibehörde darin die Abhaltung der verbotenen Volkspersammlung erblickt habe. Dieser Münch ener Fall sei der einzige, wo das Gesetz einer anderen Partei gegen— über zur Anwendung gekommen sei. Wenn man sich aüf den Boden des gemeinen Rechtes stellen wollte, wie dies der Antrag des Abg. von Ludwig, der alle gefährlichen Bestrebungen treffen wolle, beabsichtige, so würde jedenfalls ein viel schlimmerer Mißbrauch zu Tage treten. Seine Partei werde gegen die vorgeschlegene Gültigkeitsdauer einen Gegenantrag nicht stellen, indeß stehe seine Partei nach wie vor auf dem Standpunkte, daß dem Gesetze eine längere Gültigkeitsdauer gegeben werden müsse, als die Kommission sie vorgeschlagen habe, nicht als ob seine Partei das Gesetz zu einer dauernden Institution machen wollte, sondern weil sie die Ueberzeugung habe, daß, je ernster die Absicht hervortrete, diese Agitatoren nicht mehr zu dulden, desto größer auch der Erfolg der Maßregeln sein werde. Wenn die sozialistische Bewegung bestrebt sei, in den Arbeiterklassen Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zu er⸗ regen, dann sollte man nicht anstehen, solchen Agitatio nen gegenüber die Hoffnung zu beseitigen, daß die Stellung des Staates ihnen gegenüber jemals eine andere werden würde. Das 86 müsse aufrecht erhalten werden, um das zu halten, was gehalten werden müsse. Wäre es unzureichend, die Sozialdemokratie zu bekämpfen, so würde allerdings sein Fort⸗ bestehen bedenklich sein. Wenn der Abg. Bebel neulich gesagt habe, die vom Abg. von a r bezeichneten positiven Maß⸗ nahmen würden in den Kreisen der Arbeiter nur ein homeri— sches Gelächter erregen, so zeige ihm das gerade, daß man auf dem besten Wege sei. Wenn von Seiten der Sozial⸗ demokratie gesagt werde, das deutsche Handwerk sei nicht Kalten, ebenso wie das Frachtfuhrwerk unhaltbar geworden ei gegenüber der Eisenbahn, dann sollte man sich doch in allem Ernst die Frage vorlegen, ob es wirklich ein Naturgesetz sei, daß eine der wichtigsten Stützen der . Ordnung zu Grunde gehe, oder ob nicht vielmehr falsche menschliche Ordnungen an dem Niedergange des Handwerks schuld seien. Wenn von Seiten der Sozialdemokraten über Ausbeutung der nicht besitzenden Klassen geklagt werde, so sollte man‘ mit allem Eifer daran gehen, die Ausbeutung der nichtbe—
pflanzen, von denen schon mehrfach gesprochen worden sei. Die Stellung der Sozialdemokratie, welche sie endlich — und das sei auch für ihn der wichtigste Punkt — der Religion gegenüber einnehme, die zeige, wo man vornehmlich einsetzen müsse, wenn man die Sozialdemokratie besiegen wolle. Er beschränke sich auf diese kurzen Andeutungen bezüglich der positiven Wirksamkeit gegenüber der Sozialdemokratle. Hier sei der Boden, auf dem man den Vernichtungskampf gegen die Sozialdemokratie führen müsse und hier allein werde man ihn siegreich zu Ende führen können.
Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, nachdem das hohe Haus sämmtliche von ihm gestellte Anträge abgelehnt habe, sei er für seine Person nicht in der Lage, für das Gesetz stimmen. zu können. Die abgekürzte Dauer, welches es nach den Kommissionsbeschlüssen habe, bestimme jedoch manche sei⸗ ner Freunde, für dasselbe zu stimmen. Diese Aus⸗ nahmegesetzgebung, in ihren Wirkungen schlimmer als der ordentliche Belagerungszustand, habe die Sozialdemokratie vielleicht äußerlich niedergedrückt, aber innerlich gestärkt, indem es die Erbitterung vermehrt habe. Ein Geschwür heile aber am besten, wenn es geöffnet werde. Er freue sich, daß der Abg. von Marschall so sehr die Nothwendigkeit positiver Maßregeln für das Wohl der Arbeiter betont habe, und er bedauere, daß die Regierung die Initiative zu dieser Gesetzgebung in so hohem Maße dem Reichstage überlasse. Sehr zweckmäßig wäre in dieser Beziehung eine allgemeine Revision der Ge⸗ werbegesetzgebung, während man sich hier in jeder Session mit einem Stück abmühe. Die vereinigten Kassen der Arbeiter hätten die letzteren gut unterstützt. Er zweifle nicht, daß die— selben gesetzmäßig aufgelöst seien; sei das aber der Fall, dann müßte sofort nöthigenfalls aus Staatsmitteln für dieselben Zwecke Vorsorge getroffen werden. Es sei aber nichts in dieser Beziehung geschehen. Er glaube, daß die Regie⸗ rung viel in dieser Richtung durch freie Vereinbarung mit den nicht⸗sozialdemokratischen Arbeitern hätte erreichen können. Aber sie habe die christlich⸗sozialen Bestrebungen stets scheel angesehen. Die polizeiliche Repression allein nütze gegen die Sozial— demokratie nichts. Auch die Fabrikgesetzgebung bedürfe einer Aenderung. Er fordere deshalb die Regierung auf, ernsthast die Initiative zu einer richtigen Lösung der sozialen Frage zu ergreifen. Eine Hauptursache der Sozialdemokratie sei auch der unrichtige Schulunterricht, der in den letzten zehn Jahren, namentlich in Preußen, mehr Sozialdemokraten erzogen habe, als alle Agitatoren zusammen. Der Abg. von Marschall habe auch die Religion als Kampfmittel gegen die Sozialdemokratie erwähnt. Bei. der tiefen und richtigen Auffassung dieser Frage, wodurch sich dieser Abgeordnete von vielen seiner Fraktions⸗ genossen vortheilhaft unterscheide, hätte er gehofft, daß derselbe diesen Punkt näher spezialisiren würde. Der Abg, von Mar⸗ schall sei offenbar daran gehindert worden, wodurch, das wisse er nicht. Wenn die Konservativen den Kulturkampf sör— derten oder sich demselben gegenüber passiv verhielten, wenn sie sagten, theoretische Zugeständnisse nützten nichts, man wolle erst praktische Schritte abwarten, dann würde man die Sozialdemokratie nicht bezwingen. Die Sozial⸗ demokratie finde keinen Boden, wo der Katholizismus und der positiv gläubige Protestantismus herrschten, sondern nur unter dem größten Unglauben. Der falsche Liberalismus sei der Vater der Sozialdemokratie. Gebe man den Katholiken die geistlichen Orden wieder, und er stehe der Regierung da⸗ für, daß sie in deren Bezirken keinen Sozialdemokraten zu fürchten haben solle. Der Antrag von Ludwig verdiene keinen Spott, obwohl derselbe nicht annehmbar sei. Derselbe zeige deutlich, daß gegen die jetzige Sachlage ein solches Gesetz nichts helfe. Man mache ein Gesetz gegen die Symptome, der Antrag Ludwig wolle ein Gesetz gegen die Ursachen. So lange man die letzteren nicht heben wolle, werde man die Symptome nie beseitigen. Erst wenn man die Quellen des Unglaubens und des Sozialismus auf den von ihm dargelegten Wegen ver— stopft habe, werde man den Rückgang der Sozialdemokratie herbeiführen.
Der Abg. Stumm erklärte, der Vorredner habe behauptet, daß die Fortschritte der Sozialdemokratie durch den Kultur— kampf gefördert seien, während doch das Centrum es am besten in der Hand habe, zur Beendigung desselben beizutragen, in⸗ dem es sich den Gesetzen des Landes unterwerfe. Der Vorredner scheine sich seiner (es Redners) Ueberzeugung nach in einem Zirkel bewegt zu haben. Wenn derselbe auseinandergesetzt habe, daß nach seiner Ueberzeugung das Sozialistengesetz nicht blos nicht seinen Zweck erreiche, sondern umgekehrt eine große Erbitte⸗ rung hervorrufe, so hätte der Vorredner von seinem Stand⸗ punkte aus seine Anträge hierzu gar nicht stellen müssen. Denn wenn er (Redner) den Abg. Windthorst richtig verstanden habe, dann sei es seine Auffassuͤng gewesen, daß, wenn das Haus seine Anträge annehme, er schließlich für die ganze Vorlage stimmen würde. Der Abg. Windthorst werde doch nicht behaupten wollen, daß, wenn seine Anträge angenommen würden, das Gesetz dadurch an Wirksamkeit gewinnen würde. Die Wirkung wäre jedenfalls nur dieselbe; er (Redner) könne also nicht begreifen, wie man unter der Voraussetzung der Annahme für das Gesetz stimmen und doch behaupten könne, das Gesetz sei geradezu wirkungslos. Was nun den §. 2 anlange, so befinde sich seine Partei in derselben Zwangslage wie der Abg. von Marschall. Er und seine politischen Freunde stän⸗ den prinzipiell noch auf dem Boden der Regierungsvorlage von 1878, für welche sie von den Wählern hergesandt seien. So lange das Uebel vorhanden sei, müsse man auch Mittel dagegen haben. Je länger der Schutz vorhanden sei, desto eher werde der Angriff aufhören. Wäre man schon 1878 nach diesen Grundsätzen verfahren, dann hätten sich jetzt schon die wohlthätigen Folgen des Gesetzes mehr gezeigt und man hätte vielleicht heute schon eine bestimmte Zeit für seine Aufhebung vereinbaren können. Das Septennat tt man aber für dieses Gesetz ebenso bewilligen können, wie für die Präsenzstärke des Heeres. Der innere Feind sei ebenso gefährlich wie der äußere. Die stete Agitation mit dieser Frage bei den Wahlen beeinträchtige auch ihre sachliche Behandlung und gefährde den Zweck des Gesetzes selbst. Der Termin 1884 sei das Mini⸗ mum, welches die Regierung acceptiren könne, seine Partei stimme dafür in der Hoffnung, daß erforderlichenfalls der Reichstag seiner Zeit eine weltere Prolongation beschließen werde. Seine Partei stimme auch dafür in der Absicht, daß die kurze Geltungsdauer ein Sporn für die Gesetzgebung und die Arbeitgeber sein werde, positive Maßregeln fuͤr das Wohl der Arbeiter zu treffen. Er billige die Pläne der Katheder⸗ sozialisten nicht, einen Theil der sozialdemokratischen For⸗ derungen zu bewilligen. Keine dieser Forderungen sei
sitzenden Klassen da u beseitigen, wo sie wirklich bestehe, er erinnere an die Aktienfreiheit, er erinnere an das wucherische
berechtigt, mit Ausnahme derjenigen, die auch jede andere Partei stelle. Die Sozialdemokraten woll⸗
Treiben und erinnere insbesondere an rer chiedene Gift⸗
ten diese Forderungen durchsetzen gegen die Arbeit— geber, während es nur gemeinsam mit diesen möglich sei. In positiver Beziehung habe die Gesetzgebung gegen die Sozial— demokratie ihre Schuldigkeit nicht voll gethan, jedoch seien schon erhebliche Anfänge auf dem Gebiete der Gewerbe⸗Gesetzgebung gemacht. Der Schutz der Arbeiter, namentlich der jugendlichen und der af und die Aufhebung des sogenannten Truk— paragraphen seien unter diese Anfänge zu zählen. Auch hätte seine Partei den Arbeitern die Sonntagsruhe geschafft, wenn die sozialdemokratischen Abgeordneten am Platze gewesen wären. Sein diesbezüglicher Antrag sei durch Annahme des Antrages Rickert mit einer Stimme Majoritst beseitigt. Die Behauptung des Abg. von Kardorff, daß die Arbeitslöhne gestiegen seien, habe man nur negirt, nicht mit Beweifen widerlegt. Der Husammenhang dieser Thatsache mit der neuen Wirthschaftspolitik sei schwer nachweisbar, aber doch vorhanden. Für die Kranken, Invaliden, Frauen und Kinder der Arbeiter sei aber bisher noch nichts geschehen und er müsse der Regierung die Bitte wiederholen, auf diesem Gebiete im nächsten Jahre dem Hause eine Vorlage zu machen. Seine Interpellation habe leider auf der linken Seite dieses Hauses nicht das nöthige Entgegenkommen gefunden. Er glaube dem Abg. Bebel nicht, daß die Arbeiter diese Bestre⸗ bungen mit homerischem Gelächter begrüßt hätten, vielleicht sei das der Fall bei den unter dem Druck der Führer stehen⸗ den sozialdemokratischen Arbeitern, nicht bei dem größten Theil der auf gesundem Boden stehenden. Die Gesetzgebung könne in dieser Frage allein nicht helfen, die Arbeitgeber müßten mitwirken durch Herstellung eines persönlichen, patriarchali— schen Verhältnisses zu ihren Arbeitern, die sie nicht als Maschinen betrachten dürften. Das sei in der großen Stadt ebenso möglich, wie in der einsamsten Werkstätte, es werde aber durch die Sozialdemokratie verhindert. Der Fabrikherr werde nicht Unterstützungen geben, die für Agitationszwecke verwendet würden, oder Arbeiter unterstützen, die lieber seine Fabrik verbrennen würden. Der Arbeitgeber müsse auch den gesunden Geist seiner Arbeiter schützen durch Strenge und Milde zur rechten Zeit. Die Entlassung sozialdemokratischer Arbeiter sei von gutem Erfolg gewesen. Die Sozialdemokratie sei keine berechtigte Partei, sie sei eine Krankheit, die vernichtet werden müsse. Um dazu anzuspornen, stimme seine Partei sür die Kommissionsvorlage. Ueber den Antrag von Ludwig brauche er nicht zu sprechen, das werde das Haus thun. Der Abg. von Ludwig vertheidigte seinen Antrag. In der Sozialdemokratie liege ein ganz entschieden berechtigter Kern, das sei der Umstand, daß der moderne Staat den niederen arbeitenden Klassen absolut keinen gesetzlichen Halt gebe. Es gebe ja gute Arbeitgeber, die hätten Christenthum im Leibe, andere aber sorgten wohl für ihre Pferde und Ochsen, setzten aber die Arbeiter ohne irgend welche Rücksicht an die Luft. Eine Sicherheit nach dieser Richtung habe er durch den Flachszoll schaffen wollen. Der Glaube an die ausgleichende Gerechtigkeit schwinde mehr und mehr. Das Sozialistengesetz sei eine große Halbheit, es treffe nur die Schüler und honorire die Lehrer. Es gebe neben der rothen eine e n, Internationale, welche man frei und unbehelligt umher⸗ aufen lasse. Diese Ungerechtigkeit müsse vollends erbittern. Sein Antrag solle zeigen, in welches vacuum man mit diesem Sozialistengesetz hineinsteuere. Deshalb möge man seinen Antrag an eine Kommission verweisen. Alle verständigen Menschen müßten dem Antrage zustimmen, vor Allem die Konser⸗ vativen, die doch zunächst für die Monarchie eintreten müßten, wenn sie nur noch einen Tropfen konservatives Blut im Leibe hätten, ebenso das Centrum, das sich die Vertheidigung des Christenthums zur Aufgabe gemacht habe; aber es sei doch bedenklich, daß man ihm, dem einsamen Wilden, die Sache überlasse. Es fehle an entschlossenen, festen Charakteren, Alles verkrieche sich hinter Opportunitätsrücksichten. Inzwischen verblasse das Christenthum in Deutschland mehr und mehr, und durch solche Taktik werde bewirkt werden, daß die Sozial⸗ demokratie immer mehr zunehme. Der Redner ging dann zu einer Schilderung der Macht des Geldsacks über, die besonders seit dem Bestehen der Parlamente gewachsen sei. Die Wahr⸗ heiten des Sozialismus seien viel schöner schon vor 2000 Jahren durch Christus gepredigt worden; die heutigen Ge— lehrten sähen vor purer Wissenschaft den Wald vor Bäumen nicht. Wo blieben denn die versprochenen positiven Maß— regeln? Als die Wogen hochgegangen, seien Regierung und Parlament mit Versprechungen gar nicht karg ge— wesen. Jetzt sei man schon mit kleinen Anfängen ganz zufrieden. Wo bleibe die Beendigung des Kulturkam— pfes? Was der Abg. Stumm heute dazu gesagt habe, beweise nur, daß derselbe von der Religion sehr eigenthümliche Be⸗ griffe habe. Wie stehe es mit den versprochenen Steuer⸗ reformen? Hier wäre es so recht für die konservative Partei angezeigt gewesen, die Initiative zu ergreisen. Was solle ferner für Nutzen von der neuen Gerichtsorganisation er⸗ wartet werden? Durch ihre Vertheuerung der Gerichtskosten mache sie einen großen Theil des Volkes rechtlos. Den eigentlichen Sitz des Uebels, die Börse, die wage man gar nicht anzufassen. Es bedürfe einer durchgreifenden und konse⸗ quenten Reaktion gegen die gesammte liberale Gesetzgebung, wenn es besser werden solle. Die Sozialdemokratie sei weniger der Gegensatz des Proletariats zur Bourgeoisie, als der der rothen zur goldenen Internationale, zur Internationale des Geldsacks. Die krankhafte Humanität der Gegenwart lasse einen fremden Volksstamm in der deutschen Nation weiter gewähren, der nur auf die Ausbeutung des Volkes, theils durch die Börsenspekulationen, theils durch noch schlimmere Manipulationen seine Thätigkeit richte. Er bitte aus den angeführten Gründen seinen Antrag anzunehmen.
Hierauf, ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Staats⸗Minister Graf zu Eulenburg das Wort:
Wie sich voraussehen ließ, hat die Debatte über den gegenwär⸗ tig zur Diskussion stehenden Paragraphen noch einmal Erörterungen bervorgerufen, nicht allein über die Frage einer Verlängerung des Gesetzeg, sondern von Neuem alle die Erwägungen, welche in Be⸗ tracht kommen in Bezug darauf, ob ein solches Gesetz überhaupt zu erlassen zweckmäßig sei. Es ist nicht meine Absicht, in eine aus führliche Erörterung dieser Frage, die so viel schon ventilirt worden ist, in dem jetzigen Stadium der Debatte noch einmal einzugehen. Zwei Punkte indessen werden Sie mie erlauben noch bervorheben zu dürfen, zunächst anknüpfend an das, womit der letzte Herr Redner geschlossen hat. Er bat den Appell an den Reich'tag und an die Regierungen gerichtet, ob sie nicht im Wesentlichen mit seinen Anführungen und mit seinem Antrage einverstanden wären und nicht lediglich sich scheuten, dies auszusprechen. Was die verbündeten Re= gierungen anbetrifft, so kann ich darauf offen und frei mit Nein ant-⸗ worten. Die verbündeten Regierungen sind mit dem Antrage des Herrn Vorredners nicht einverstanden und zwar au folgenden Grün⸗ den; Sie erkennen mit ihm an, daß außer den sozialdemokratischen
Bestrebungen noch andere vorhanden sind, welche den Bestand der
von anderen Parteien angewendet werden.
staatlichen und gesellschaftlicken Ordnung zu gefährden geeignet sind; sie erkennen aber den großen und entscheidenden Unfterschied zwischen derartigen und den sozialdemokratischen Bestrebungen in den Mitteln und Wegen mit und auf welchen sie sich geltend machen. Gewalt und Umsturz sind die Mittel, welche die Sezialdemokratie nicht scheut; Diskussion und Polemik sind die Mittel, welche ngem Gegen die letzteren reichen die Mittel der gewöhnlichen Gesetzgebung aus, gegen die er— , Dies ist der Grund, auf welchem das ganze Gesetz beruht.
Dann, meine Herren, ist vom Hrn. Abg. Windthorst und ebenso auc schon fräher von anderer Seite ein gewißer Gegensatz auf⸗ gestellt worden — ich will die Worte des Hrn. Abg. Windthotst da⸗ bei gebrauchen — zwischen dem Kampf gegen die Symptome des Nebels und gegen die Ursachen des Uebels. Ich glaube mit Unrecht. Von diesem Tische aus ist noch niemals etwas Anderes behaurtet und erörtert worden, als daß Hand in Hand mit den Vorbeugunge⸗ maßregeln alle diejenigen Bestrebungen gehen müssen, welche darauf gerichtet sind, das Uebel an der Wurzel anzufassen. Die Meinungsverschiedenheit, welche heute auch wieder hervorgetre—⸗ sjen ist, besteht also nicht darin, ob neben den Vorbeugungsmaßregeln auch die humanitären Bestrebungen zur Geltung kommen, sendern umgekehrt darin, ob neben letzteren auch die Vorheugunge maßregeln zur Anwendung kommen sollen. Ich glaube, es läßt sich nicht bestreiten, daß wir einem Manne nicht Recht geben würden, der, wenn ein mächtiger Strom seine Ufer an— greift, zunächst darauf Bedacht nehmen würde, den Strom abzu— lenken, ohne zugleich daran zu denken, einen Damm oder eine Mauer aufzurichten, welche seine Ufer so lange schützt, bis jene anderen weitergehenden und lange dauernden Arbeiten vollendet sind. Dies zur prinzipiellen Seite der Frage.
Im Uebrigen bin ich genöthigt, auf einige thatsächliche Anfüh— rungen, welche auf die Handhabung des Gesetzes Bezug haben und in der Sitzung vom Sonnabend angeführt worden sind, mit einigen Worten einzugehen. Meine Herren, es ist die Hand— habung dieses Gesetzeß einer Kritik unterzogen worden in der Richtung, daß dieselbe der Sozialdemokratie gegenüber sich nicht in den vom Gesetze gezogenen Grenzen gehalten habe. Ich habe diese Behauptung bereits im Allgemeinen bestritten, und habe auch kein Material finden können, welches diese Behauptung bewiese, soweit nämlich die angeführten Thatsachen richtig sind; sie sind es aber entweder gar nicht, oder nur zu einem sehr kleinen Theil. In
dieser Beziehung ist auf die Entscheidungen der Reichskemmission
Die Entscheidungen einer Behörde oder eines Gerichts, welche mit einer ausführlichen Begründung versehen sind, im Einzelnen in einer parlamentarischen Ver— handlung einer Kritik zu unterziehen, ist außerordentlich schwierigß, und ich werde es nicht unternehmen, den Ver— such zu machen, einige von diesen angegriffenen Entscheidungen Ihnen vollständig vorzulesen, und den Beweis zu liefern, daß sie die Vor⸗ würfe, die ihnen gemacht worden sind, nicht verdienen; das kann an einer anderen Stelle geschehen, ist, da diese Entscheidungen fast aus nahmslos ia die Oeffentlichkeit gelangt sind, bereits vielfach ge— schehen und wird auch ferner geschehen. Aber dagegen muß ich ent— schieden Verwahrung einlegen, daß hier aus einigen ab— gerissenen Sätzen einer solchen Entscheidung versucht wird, der— selben den oden zu entziehen, und dieselbe als ungerecht⸗ fertigt darzustellen. Außerdem, meine Herren, bitte ich Sie, nicht zu vergessen, daß die Möglichkeit des Irrthums und selbst einer unzutreffenden Entscheidung auch bei der allersorgfältigsten Behand; lung der Sache nicht ausgeschlossen ist. Ein wirklicher Vorwurf gegen das Verfahren der Reichskommissien würde nur dann legrün— det sein, wenn nachgewiesen werden könnte, daß sie bei der Begrün⸗ dung ihrer Entscheidungen von den Prinzipien, welche als die rich tigen und den Intentionen des Gesetzes entsprechenden anzuerkennen sind, abgewichen sei, und dies zu beweisen, ist bisher mit Erfolg nicht versucht worden.
Auch die Handhabung dieses Gesetzes durch die Polizeibehörden hat ebenfalls eine äußerst abfällige Kritik erfahren, namentlich bin ich ge ⸗ nöthigt, auf einige von den Thatsachen zurückzukommen, welche der Abg. Hasenelever in der Sitzung vom vorigen Sonnabend vorgetragen hat. Es betrifft dies zunächst eine Broschüre, welche in Magdeburg ver⸗ breitet worden ist in einem rothen Umschlag mit einem Viereck ver= sehen und welche sich die Bekämpfung der sozialdemokratischen Be⸗ strebungen zum Zwecke macht. Dieser Broschüre ist vorgedruckt ein Schreiben des dortigen Polizei⸗Präsidenten, in welchem er auf er gangene Anfrage erklärt hat, daß seinerseits polizeilich gegen diese Broschüre nichts zu erinnern sei und zweitens eine Ankündigung un⸗ züchtiger Schriften und Bilder beigegeben worden. Beides, meine Herren, verdient volle Mißbilligung; es ist aber geschehen ohne irgend welches Zuthun der Polizeibehörde und der Polizeibehörde kann in⸗ folge dessen irgend ein Vorwurf daraus nicht gemacht werden.
Sodann ist in Beziehung auf den „Schlesischen Erzähler“ be⸗ hauptet worden, daß die Verfügung, durch welche das gegen eine Nummer disselben ergangene Verbot aufgehoben worden, zu spät er⸗ gangen und in Folge dessen der betreffenden Drucerei in Breslau Schaden zugefügt sei. Ich muß in Beziehung hierauf bemerken, daß zunächst die Behauptung unbegründet ist, daß dem Gesetz ent ⸗˖ gegen der Bescheid zu spät ergangen sei. Der Bescheid über eine Be— schwerde gegen eine Beschlagnahme soll innerhalb einer Woche er⸗ folgen. Sowohl nach der Straf⸗ wie nach der Cioilprozeßordnung wird die Woche gerechnet bis zem gleichnamigen Tage der nächsten Woche und werden Sonn und Festtage hierbei nicht mitgerechnet,
vielfach hingewiesen worden.
wähnen, welche wiederholt in der Debatte gemacht worden ist, näm⸗
den vorliegenden Fall angewandt, ist die Beschwerde rechtzeitig er⸗ ledigt worden und der Bescheid rechtzeitig ergangen. Es liegt also formell ein Grund nicht vor, in dieser Beziehung einen Vorwurf gegen die Polizeibehörde zu erheben. Nichtsdestoweniger ist aus diesem Falle Anlaß genommen worden, von Neuem die thunlichste Beschleunigung solcher Entscheide anzuemrfehlen, damit unnüße Schädigungen der Betheiligten vermieden werden. . Endlich, meine Herren, habe ich zurückiukommen auf die Be— schlagnahme von zwei Flugblättern, welche gelegentlich der jüngften Wahlen im hiesigen zweiten Reichstagswablkreise stattgefunden hat. Das eine diefer Flugblätter enthielt, wie Ihnen der Hr. Abg. Hafen— clever auseinandergesetzt hat, einen längeren Aufruf zur Wahl, ia welchem die Grundsätze des als Kandidaten empfohlenen Hrn. Körner des Näheren erörtert wurden. Dieses Wahlflugblatt ist auf Grund dts Sozialistengesetzes verboten, eine Beschwerde ist dagegen nicht erhoben., worden, das Verbot ist also rechtskräftig geworden. In diesem Flugblatte wurden in der That Bestrebungen kund gegeben, welche unter das Gesetz fallen, und unterlag in Folge dessen den Vorscriften desselben mit vollem Recht. Es ist dann noch ein zweits Flugblatt mit Beschlag belegt worden, worauf der Hr. Abg. Hasenclever als auf etwas Unerhzrtes hingewiesen und mit Beziehung darauf — dies ist der Hauptgrund, weshalh ich noch ein. mal darauf zurückkomme — der Hr. Abg. Hänel gesagt hat, das wäre ein flagranter Erzeß in Bezug auf die Anwen dung des Gesetzet. Nun ist aber in Beziehung auf das zweite Flugblatt das Sozialisten⸗ gesetz gar nicht angewandt worden, denn dieses Flugblatt ist nicht seines Inhalts wegen mit Beschlag belegt werden; der Inhalt be—⸗ schränkt sich auf Tie Empfehlung der Wahl des Körner mit mehreren Unterschriften. Dieses Fingblatt ist mit Beschlag belegt auf Grund des Preßgesetzes, wonach auf jeder Druckschrift außer dem Drucker auch der Name des Verlegers oder des Herausgebers angegeben werden soll. Das Fehlen dieser Angabe war der Grund der Be⸗ schlagnahme. Sie sehen, daß in dieler Beziehung irgend ein Exzef in Bezug auf die Vorschriften des Sozialistengesetzes in keiner Weise vorliegt.
Ich benutze diesen Anlaß, um noch eine Aeußerung zu er—
lich daß das Vertrauen in die Reichskommission so sehr verloren gegangen oder nie vorhanden gewesen sei, daß elchwerden bei der selben überhaupt nicht mehr erhoben würden. Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß diese Behauptung insbesondete von dem Herrn Abg. Hasenelever aufgestellt worden ist, während in diesem Augen- blick von ihm selbst eine Beschwerde über das Verbot des ‚Lämplein“ vorliegt. Meine Herren! ich will aber glauben, daß die Neigung, Beschwerde bei der Reichs kommission zu erheben, krine sehr große sein mag. Es liegt das eben darin, daß die Reichs⸗ kommission in Erfüllung ihrer Pflicht nicht sebr oft hat in die Lage kommen können, erhobenen Beschwerden Folge zu geben; sie hat in Kenntniß der Verhältnisse und Thatsachen allen Versuchen, das Gesetz zu umgehen und an demselben vorbeizukommen, uͤberall da, wo greifbare Thatsachen vorlagen, nicht stattgegeben, und darüber ist eine begreifliche Enttäuschung bei Denjenigen eingetreten, welche geglaubt hatten, auf diese Weise das Gesetz umgehen zu können. Beiläufig will ich erklären, daß wenn hier eine Angabe bestritten worden ist, in Bezug auf die Zahl der auf Grund dieses Gesetzes erfolgten Ausweisungen während des sogenannten kleinen Belagerunge— zustandes, ich das nicht aceeptiren kann. Bis zu Anfang April d. J., bis wohin die amtlichen Nachweisungen mir vorliegen, sind aus Ber- lin 92 und aus den ührigen Bezirken 13, zusammen 105 Personen außaewiesen worden, also, wie ich vorhin sagte, etwa die Hälfte von derjenigen Zahl, die von einem der Herren Abgeordneten heute ange⸗ geben worden ist.
Ich könnte, meine Herren, jetzt noch sehr Vieles anführen, wenn ich alles das berichtigen wollte, was zu Unrecht über das Verfahren der Polizeibehörden hier vorgetragen worden ist, namentlich in der ersten Lefung von dem Hrn. Abg. Bebel. Ich habe meiner Zusage gemäß über alle die einzelnen Behauptungen, die er hier aufgestellt hat, eine so gründliche Untersuchung anstellen lassen, als es nur möglich war, und dabei haben sich fast die sämmtlichen Behauptun⸗ gen als gänzlich und die übrigen als zum größten Theil grundlos herausgestellt. Ich will beispielsweise nur zwei Fälle anführen, welche besonders schlagend sind. Der Hr. Abg. Bebel hatte erstens behauptet, daß bei einer Haussuchung der betreffende Polizeibeamte verlangt habe, daß die Frau des Mannes, bei dem die Haussuchung stattfand, welche, als der Beamte erschien, noch im Bette lag, in feiner Gegenwart aufstehe und sich ankleiden solle. Diese Behaup⸗ tung ist absolut unrichtig.
Der Hr. Abg. Bebel hat zweitens behauptet, daß ein junger Mann, der auf der Polizei vernommen worden ist, dort zunächst durch Cigarren und Getränke berauscht und dann, nachdem er das, was man wünschte, ausgesazt, entlassen worden sei. Die Thatsachen, welche dieser Erzählung zu Grunde liegen, sind folgende: Als der Betreffende auf dem Polizeibureau erschien, mußte er eine Zeit lang warten, und erhielt während dessen von einem Schutzmann, der ihn zu beaufsichtigen hatte, eine Cigarre, welche er zur Hälfte rauchte, bis seine Vernehmung anfing; darauf entfernte er sich, begegnete mehreren seiner Genossen, besuchte mit ihnen eine Anzabl von Restau—⸗ rationen, wobei er zu viel trank, und behauptete dann, als er nach
die Getränke gereicht worden seien. Auch diefer Fall beweist, daß derartige Erzählungen von Uebergriffen der Polizei mit der größten Vorsicht aufzunehmen sind. Ich glaube in der That, daß,
Hause kam, entschuldigender Weise, daß ihm auf dem Polizeibureau
das ernsteste Bestreben darauf gerichtet ist, die nothwendigen Maß⸗ regeln in den gesetzlichen und anzemessenen Schranken zur Anwen dung zu bringen. Ist dem aber so, meine Herren, dann liegt um so weniger ein Grund vor, der Verlängerung dieses Gesetzes ent⸗ gegenzufteten. Daz ist auch sowelt zum Bewußtsein gekommen, daß, wie ich zu meiner großen Genugthuung hervorheben kann, sogar ein Theil der Mitglieder des Reichstags, welche früher gegen das Gesetz gestimmt haben, nunmehr sich entschlossen hat, für die Verlängerung zu stimmen. Es ist das in der That eine äußerst erfreuliche Erscheinung. Dann aber, meine Herren, ist das gewiß nicht wohlgethan, über den Zeitraum, für welchen das Gesetz weitere Geltung haben soll, sich in ein⸗ schränkende Erörterungen einzulassen. Wohl hat der Hr. Abg. Windthorst mit Recht hervorgehoben, die Grenze, die dem Gesetz hinzugefügt werde in Bezug auf die Zeit, könne nicht den Sinn haben, als ob damit der Augenblick vorausgesagt werden solle, an welchem das Gesetz vollständig werde entbehrlich werden, sondern es solle damit nur ein Markstein geseht werden, an welchem von Neuem eine Prüfung sowohl der Noth⸗ wendigkeit der Verlängerung als der Art der Hans habung des Ge⸗ setzes rorgenommen werden könne. Aber, meine Herren, dies zuge⸗= geben, kann ich nur dem Hrn. Abg. Stumm daria vollständig bei⸗ stimmen, daß die von der Regierung beanspruchte Geltungsdauer von fünf Jꝛhren in der That so gering bemessen ist, daß ich nur wün⸗ schen kann, dieselbe möge angenommen werden. ö. Hierauf wurde die Diskussion geschlossen. Nach einigen persönlichen Bemerkungen der Abgg. Sonnemann und Bebel befürwortete der Referent Abg. Hr. Marquardsen nochmals den Kommissionsbeschluß. Die Kommission habe sich mit der größten Mehrheit für die im §. 2 festgesetzte Frist gusge⸗ sprochen. Er hoffe, daß die Vorredner, auch wenn sie sich iheilweise gegen bie Kommissionsfassung ausgesprochen hätten, doch nicht gegen dieselbe stinmen würden, so daß es bei der Fristbestimmung, welche di Kommission vorgeschlagen, sein BVewenden haben werde. In Deutschland könne, ebenso wie in England, ein solches Ausnahmegesetz immer nur auf Zeit, d. h— auf so lange gegeben werden, wie die dasselbe verursachenden Ausnahmezustände dauerten. Wenn diese Ausnahmeverhält⸗ nisse nach Ablauf des Gesetzes noch so lägen wie heute, so werde auch der künftige Reichstag die Verlängerung des Ge⸗ setzes beschließen müssen. Wenn aber, wie er wünsche, die Verhältnisse sich bis dahin so gestaltet hätten, daß es der Ausnahmemaßregel nicht mehr bedürfe, so würden auch die Konservativen zum Zustande des gemeinen Rechts zurückkehren. Er empfehle dem Hause also, den 5. 2 nach dem Vorschlage der Kommission anzunehmen. ö
Nachdem der Abg. von Ludwig seinen Antrag zurück⸗ gezogen hatte, wurde der 5. 2 in der Kommissionsfassung an⸗ genommen, womit die zweite Lesung dieses Gesetzentwurfs beendigt war. ö.
Es folgte die Berathung der Kommissionsanträge über die zu diesem Gesetze eingegangen Petitionen. Die Kom⸗ mission beantragte folgende Resolution:
Die Petition von Julius Hahn und Genossen, soweit sie sich über den Erlaß des Königlichen Polizei⸗Präsidiums zu Berlin vom 6. November 1878 beschwert, in der Erwägung, daß das im § 16 des Gesetzeg vom 21. Oktober 1878 enthaltene Verbot sich sich nicht auf die Sammlung von Beiträgen oder die öffentliche Aufforderung zur Leistung von Beiträgen erstreckt, welche nur für die Unterstützung solcher Personen bestimmt sind, denen in Aus⸗ führung des §. 22 oder 28 des genannten Gesetzes der Ernährer entzogen worden ist, dem Reichskanzler zur Berücksichtigung zu überweisen und im Uebrigen durch die Annahme des Gesetzentwurfs für erledigt zu erklären.
Der Abg. Auer wandte sich in einer längeren Rede gegen diese Nesolutlon, indem er auszuführen suchte, daß dieselbe einerseits den erwarteten Erfolg nicht haben werde, weil die preußischen Behörden sich um solche Resolutionen nicht zu kümmern pflegten, andererseits auch zu engherzig gefaßt sei, indem die Unterstützung der Ausgewiesenen selbst, die durch die Tusweisung in das größte Elend geriethen, nach wie vor untersagt bliebe. Redner führte darauf verschiedene Fälle an, in denen Sozialisten wegen unternommener Sammlungen zur Verantwortung gezogen und verurtheilt worden seien Das ganze Sozialistengesetz sei ein Unglück für die Nation. Er werde es sich indeß ebensowenig wie seine Parteigenossen neh⸗ men lassen, im humanitären Sinne den 5. 16 des Gesetzes zu übertreten. (Die letzte Aeußerung wurde vom Präsidenten
erügt.
; 5 Resolution wurde hierauf nach Befürwortung des Neferenten Abg. Dr. Marquardsen angenommen, und die übrigen zum Gegenstande eingegangenen Petitionen durch die gefaßten Beschlüsse für erledigt erklärt. Nachdem hierauf das Haus ohne Debatte in zweiter Lesung den Freundschafts⸗ Handels⸗, Schiffahrts-⸗ und Konsulaxrvertrgg zwischen dem Deutschen Reich und dem p der Hawaiischen Inseln genehmigt hatte, vertagte es sich
mögen Sie über das Gesetz und seine Wirkungen denken wie sie
falls das Ende der Frist auf dieselben fällt. Diese Grundsätze auf
wollen, Sie nicht verkennen können, daß sowohl hier wie anderswo,
um 41M Uhr.
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Preuß. Staats. Anzeiger und das Central⸗Handels⸗ register nimmt an: die Königliche Expedition des Neutschrn Reichs-Anzeigers und Königlich LUrrußischen Staats- Anzeigers:
Berlin 8W., Wilhelm⸗Straße Nr. 32.
Steckbriefe und Untersuchungs⸗Sachen. (9823 looo) Stec brief
Gegen den Holzhändler Fürchtegott Wiltzelm Drechfel aus Ebersdorf ist wegen Verdachts des Meineides die gerichtliche Haft beschlossen worden. Seine Festnahme hat nicht ausgeführt werden können. Es wird ersucht, den z. Drechsel im Betretungs falle festzunehmen und mit allen bei ibm sich vor⸗ findenden Gegenständen und Geldern an uns ab—
zuliefern. Beschreibnng. Alter 54 Jahte. Statur: groß und kräftig gebaut. Augen: blau. 6, gewöhnlich. ; k atermergt. aare: braun und stark grau untermeng Sprache: deutsch. . Besondere Kennzeichen: Keine. Guben, den 15. April 1880.
geladen. Bei
anwaltschaft.
l. Steckbriefe und Untersuchungs-Sachen.
2. Subhastationen, Aufgebote, Vorladungen u. dergl. ;
3. Verkäufe, Verpaehtungen, Submissionen ete
4. Verloosung, Amortisation, Zinszahlung
u. 8. w. Von öffentlichen Papieren.
Der Kommis Herrmann 3. Februar 1855 zu Rogasen, mosaisch, letzter Auf⸗ enthalt Posen, wird beschuldigt, als Wehrt flichtiger in der Absicht, sich dem Eintritte in den Dienst des stehenden Heeres oder der Flotte zu entziehen, ohne Erlaubniß das Bundesgebiet verlassen oder nach erreichtem militärpflichtigen Alter sich außer⸗ halb des nd r n r zu haben — Vergehen gegen 5§. .
Berselbe wird auf den 12. Juli 18380, Vor- mittags 97 Uhr, vor die Strafkammer des König lichen Landgerichts Posen zur
derfelbe auf Grund der nach §. 472 der Strafprozeß⸗ ordnung von der Königlichen Regierung zu über die der Anklage zu Grunde liegenden sachen ausgestellten Erklärung verurtheilt werden. Posen. den 5. April 1880. Königliche Staate⸗
2 1 . * — — 2 ( m . * 8 . 'In serate für den Deutscken Reichs. und Königl. De ffen tl ich 2 * Anzeiger ö
5. Industrielle Etablissements, und Grosshandel.
7. Literarische Anzeigen.
9. Familien-Nachrichten.
—— ——
Ladung. Zadek,
den Giri's ds Peter Gies
wechsels über 150 M beantragt. Nr. 1 Str. G. B. —
dem unterzeichneten Gerichte, im Hauptverhandlung gerichts⸗Sitzungẽesaale,
unentschuldigtem Ausbleiben wird
osen Urkunde erfolgen wird.
hat⸗ Abtheilung II. Amtsrichter.
Königliches Landgericht, Untersuchungsrichter.
Der hinter den Stellmacher sohn Joseph Bulla
aus Rosenberg O. /S. unterm 3. Bezember 1879 in Nr. 1 des Blattes erlassene Steckbrief wird bierdurch ernenert. Nosenberg O. S., den 6. April 1880. Kgl. Amtsgericht. Dr. Wanjeck.
9513)
Subhastativnen, Aufgebote, Vor⸗ ladungen und
Der Heinrich Goß ler in Frankeneck bei Neu⸗ stadt, rar bi, in der Pfalj, hat das Aufgebot eines
Beglaubigt: ergl.
Aufgebot. ;
6. Verschiedene Bekanntmachungen.
S. Theater- Anzeigen. In der Börsen- beilage. *
11. De an. 1879 4 M. Gladbach von Peter 1006 Jeffentlich 19. geb. am wiesen . . Ordre ausgestellt, auf den Bau⸗ Deffentliche Zustellung
Unternehmer H. Peters daselbst gejogen, von die⸗ sem acceptirt, am 25. März 1880 zahlbar und mit
Michels L Sohn, und der Firma Flamm ers— heim Cg Steinmann, sowie der Firma des Heinrich Goßler versehen gewesenen
anberaumten Aufgebot termine seine Rechte anzumelden und die Urkunde vorzulegen, widrigenfalls die Kraftloserklärung der
M. Gladbach, den 6. April 1880. Königliches Amtsgericht.
(gej) Lichter,
(L. 8) Bartholomsé, Amtsgerichte ⸗Sekcetär.
8 *
Inserate nehmen an: die Annoncen ⸗Expeditionen des
„JInvalidendank“, Rudolf Mosse, Haasenstein
& Bogler, G. L. Daube & Co., E. Schlotte,
Büttuer & Winter, sowie alle übrigen größeren Annoncen · Bureaus.
2 383
Fabriken
Die Kuratel über das am 14. Nobember 1878 außerehelich geborene Kind der ledigen Köchin Auna Maria Schlichter von Herzogengurach, Namens Johann Paulus, klagt gegen den ledigen Bäckergesellen Jehaun Stirnhof von Neundorf, nun unbekannten Aufenthalts, mit dem An
t : 6 Beklagten zur Anerkennung der Vaterschaft
en, des Josef
Prima⸗ Der Inhaber der
j z j den 1 ing krrtge nsensseghertz, ratte s d it ', dent e nuke, Kinde ünräne des ge.
setzlich beschränkten Erbrechts, Zahlung eines wöchentlichen, vierteljährig voraus zu entrich. tenden Alimentationsbeitrages voa 3 (, des Schulgelds und der Kur⸗ und Leichenkosten bis zum 14. Lebensjahr, dann der Handwerkserlernungt⸗ kosten sowie zur Tragung der Prozeßkosten zu verurtheilen, . und ladet denselben in die zur mündlichen Verband lung auf Samstag, den 29. Mai 1889, Früh g ühr, im Sitzungssaal Nr. 12 anberaumte Sitzung des K. Amtsgerichts Nürnberg. Nürnberg, den 15. April 1880.
Der geschästsleitende R. Gerichtsschteiber. Hacker.
früheren Handels