1880 / 101 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 30 Apr 1880 18:00:01 GMT) scan diff

nuar 1880 in Venedig) gewidmet und umfaßt, Dank den Bemühungen des Orn. Jerdan und der Bereitwilligkeit der Besitzer einen beden⸗ tenden Theil des känstlerischen Nachlasses von dem früp Dahin⸗ geschiedenen. In dem ersten großen Hauptsaale erhebt sich in Mitten von Blattpflaugen und Blumen Über einem plätschernden Brunnen seine Büste, geschmückt mit dem Lorbeerkranze, den ihm die Mitwelt verweigert hat. Erkennt sie doch nur den Erfolg an, während die Nachwelt pietätvoller Weise auch dem Wollen gerecht werden soll. Daß das gesammte Streben des Verstorbenen auf bohe Ziele ge⸗ richtet war, das lehrt der hier gen, und chronologisch eordnete Nachlaß. Er hatte in der Reife seines Schaffens ich die gewiß nicht geringe Aufgabe gestellt, für die Antike und ibren plastischen Charakter den modernen malerijschen Ausdruck zu finden, und wie ernstlich er suchte, wie er sich selbst selten genügte, das bezeugen die außerordentlich fleißigen Studien, welche mehrere der kleinen Säle füllen und die häufigen Aenderungen der Kompositionen. Wenn ihm das n . liche nicht gelang, so kann das seine künstlerisch vornehme Erschei⸗ nung wahrlich nicht herabsetzen. Feuerbach war eben bei allem Idealismus des Wolleng in den Ausdrucksmitteln modern realistisch. Finen ihm zusagenden Styl fand der Lernende auf den Akademien Deutschlande nicht; er suchte ihn deshalb nach der grundlegenden italienischen Reife in Aniwerpen und Paris. Das aber gab seiner ohnebin stark reflexlven Anlage noch mehr des Schwankenden und wurde geradezu verhängnißvoll für ihn, denn er suchte nun die anti⸗ ken Gestalten seiner Idee in rubens⸗michelangeleske Formen zu bringen und das ganze in der doktrinären kräaklichen neufranzösichen Malweise in die Erscheinung zu setzen. Es erfüllt den Beschauer mit tiefem Bedauern den so hochbegabten Künstler auf diesem Wege wandeln zu sehen, den er auch selbst häufig erkannt hat, wie die mehrfach unvollendet gebliebenen Werke bezeugen. Sie machen uns zu Zeugen seines unaufbörlichen Ringens mit dem Stoff, seiner Gewissenhaftigkeit, aber auch seines Schwan⸗ kens und seiner die Ausführung hemmenden Reflexion. Dieser Ernst, mit dem er die Kunst betrieb, war es auch, der ihn zu früh in das Grab brachte: er konnte die abfällige Kritik, welche fein Titanensturz“ auf der großen internationalen Kunstausstellung in München erfuhr, nicht verwinden und starh an gebrochenem Künstlerstolz. Der von Hrn. Direktor Jordan verfaßte Katalog macht den Besucher mit den Hauptmomenten aus dem Leben des Verblichenen vertraut, welche aus den ihm gewidmeten Nekrologen der Tagesblätter den Lesern noch gegenwärtig sein werden. Was die Ausstellung selbst betrifft, so finden wir im ersten Saale ein in Paris 1852 entstandenes Gemälde, „‚Hafis in der Schenken“, das ihn ganz „im Fahrwasser der Franzosen“ zeigt. Im Gegensatz zu der deutschen Spitpinselei“, wie er sich aur drückt, von breiter, paftoser Behandlung ist die Komposition „Aretins Tod“, die jedoch schon an die Malweise der Spät-⸗Venetianer erinnert. Im Jahre 1855 ging er denn auch gemeinschaftlich mit Viktor Scheffel selbst nach der Lagunenstadt, wozu ihm die Munificenz des Großher⸗ zogs von Baden die Mittel gewährte. Eine Kopie der Assunta“, der Himmelsahrt Mariä, von Tizian und ein eigenes Werk, eine allego⸗ rische Figur, die musikalische Poesie darstellend, welches sich noch be⸗ fangen an den Styl des älteren Palma anlehnt, waren die Früchte feiner Studien. An den Wänden der langen Galerie, in die der Be⸗ fucher fodann tritt, hat ein Jugendwerk, Kompositionen zu Shake spear'es Sturm“, Platz gefunden, Blätter, die bei aller Schüler⸗ haftigkeit doch schon die „Richtung auf das Bedeutende und Stylvolle erkennen lassen, welcher er in allen Wandlungen seines Künstlerlebens treu geblieben ist.“ Thun wir damit einen Schritt in die Jugendzeit des Künstlers zurück, so führen uns zwei Gemälde aus dem Jahre 1857 „Dante in Ravenna“ und „Dante's Tod“, mit ihm nach Florenz. In ihnen wirken noch die von den venezianischen Koloristen erhaltenen Ein drücke nach, in den nun folgenden Schöpfungen aber erhebt sich Feuerbach, ohne die Vorzüge feines Kolorits aufzugeben, zu jener maßvollen Schönheit, die den klärenden Einfluß der großen Klassizisten, vor Allen Rafaels empfinden läßt. In dieser Be iehung stellt die wahrhaft ergreifende, von edelstem Formensinn zeugende Piet (aus dem Jahre 1861) einen Gipfelpunkt seines Schaffens dar, den er auf dem später gewählten Gebiete nicht wieder erreicht hat. Die Werke dieser Pe⸗ riode, zu denen auch die gleichfalls ausgestellte ‚Francesca da Rimini gehört, wurden unter der Gönnerschaft des kunstsin nigen Grafen von Schach gezeitigt. Von da ab „wird man Schritt für Schritt des künstlerischen Weges inne, auf welchem sich ein ganz modern empfindender Geist mit dem aus der An⸗ schauung der Antike gesogenen Stylbedürfniß zu versöhnen sucht.“ Die beiden „Iphigenien“ (von 1862 und 1871), „Orpheus und Eurydice“ (i869), das „Urtheil des Paris“ (1876) und „Medea“ (1873) zeigen ihn aber auch in dieser Richtung eigenthümlich eklektisch. Während die ältere Iphigenie noch die traditionelle Auf⸗ fassung der Antike durch die italiänischen Klassizisten zeigt, ist die spätere viel freier und selbständiger und namentlich in der Ge— wandung echter, in den Linien der Zeichnung dagegen durch⸗ aus nicht so glücklich und auch im Uebrigen mehr eine modern ⸗sentimentale Dame als eine antike Seroine. Am interessantesten kommt sein Streben nach einer malerischen Formensprache för die Antike unstreitig in ‚„Orpheus und Eurydice“ und in der trauernd an der Urne sitzenden Medea von 1873 zum Ausdruck; freilich sind sie darum aber auch die herbsten und können nur von Demjenigen verstanden und gewürdigt werden, der die Ziele des Künstlers im Auge behält. Sie haben eben etwas von dem strengen Charakter des antiken Reliefs an sich. Die meisten dieser Schöpfungen gleich wie die folgenden entstanden übrigens auch unter der unmittelbaren Berührung mit den monumentalen Kunstwerken des klassischen Alterthums, in der ewigen Roma. Waren die bhishe— rigen Werke mehr lyrischer Art, so wandte sich der gereifte Mann jetzt der Darstellung leidenschaftlicher Affekte zu. „Auch hier kenn⸗ zeichnet ihn meist ein längeres Suchen nach dem triftigen Abschluß und die Eigenthümlichkeit, Hauptgestalten der werdenden Komposi⸗ tion, welche seine Phantasie beschäftigten, variirend durchzubilden.“ Den Stoff entlehnte er nun ausschließlich der griechischen Welt. Das sogenannte „Gastmahl des Platon“, im Besitze der Nationalgalerie, zeigt besonders deutlich wieder jene, schon vorhin erwähnte, der Antike angepaßte Rückbildung seines Kolorits ins Kältere und Plastische. Die erste Darstellung entstand 1867; das große Bild der National⸗ galerie wurde, mit Veränderungen und unter Hinzufügung eines reich ornamentirten gemalten Rahmens, im Jahre 1873 vollendet. Ver⸗ gleicht man übrigens jenen früheren in Photographie aus⸗ gestellten Entwurf mit dem letzteren, so möchte man diese Ueberladung, die dem Ganzen etwas Unruhiges giebt, fast beklagen. Die verschiedenen Wandlungen, welche das Thema der Tragödie Medeens in Feuerbachs Phantasie durchmachte, läßt sich in den Hauptstadien an den ausgestellten Studien und Gemälden erkennen. Die im Jahre 1870 vollendete Komposition „Medea, zur Flucht gerüstet“ zu der sich ein Entwurf in Oel in der Ausstellung befindet (allerdings mit ganz modern gekleideten neapolitanischen Schiffern) ist bekanntlich von Sr. Majestät dem Könige von Bayern für die Pinakothek in München erworben worden. Im letzten , n. Saale nimmt neben den schon erwähnten Iphigenien ie ‚Amazonenschlacht! das Hauptinteresse in Anspruch. Das kolossale Bild ist hier nicht neu; schon bald nach der Entstehung wurde es in Berlin zur Ausstellung gebracht und erregte ebenso viel Aufsehen als Widerspruch. Den außerordentlichen Künstler ver⸗= kannte darin Niemand, aber ebenso wenig das Zerfallen der Kom⸗ position in einzelne, wenn auch sehr schöne Gruppen und jenes retar⸗ dirende Moment, welches wie ein vom Künstler sich selbst auferlegtes Gesetz die in den Motipen liegende Krastäußerung abschwächt. Ver⸗ hängnißvoll ward auch die Wahl der Modelle und die Uebergewissen haftigteit ihrer Benutzung, der man sehr bald nachaespürt hatte, während die absichtlich antikistrende Form der Profile als eckig und häßlich ihre Tadler fand. Von den monumentalen Arbeiten aus der letzten Zeit des Schaffens unseres Künstlers, die für den Plafond des

mene), sowie ein Entwurf zu jenem leidigen Titanensturz“, der ihm so schwere Kränkung bereitete. Schon vorher hatte er seine Wirksamkeit in Wien aufgegeben und war nach Venedig gegangen. Hier entstand ein großes Gemälde für den Ratbhaussaal in Nürnberg; „Kaiser Ludwig der Baper empfängt die Huldigung der Nürnberger“, dessen Entwurf ebenfalls ausgestellt ist und welches ihm viele Anerkennung einbrachte. Mit dem „Concert“ (vier musistrende venetianische Mädchen), welches auch den Schlußpunkt der Ausstellung bildet, beschloß er seine künst⸗ lerssche Thätigkest. „In diesem Gleichniß höherer Harmonie ist sein Geist verklungen.“

Der interessanten Ausstellung, zu welcher Hr. Direktor Jordan einen mit Helischnitten reich auagestatteten Katalog besorgt hat, ift ein recht zahlreicher Besuch zu wünschen.

Wir haben bereits vor einiger Zeit über eine von dem Frhrn. von Weber verfaßte Studie über die Wasserstraßen Englands berichtet. Auch über die Wasserstraßen Schwe dens ist als Ergebniß einer im Auf⸗ trage des Ministers der öffentlichen Arbeiten von dem Frhrn. M. M. von Weber im Jahre 1879 nach Schweden ausgeführten Dienst⸗ reife, in dem ‚Bersiner Lith. Institut‘ vor Kurzem eine Schrift er⸗ schienen. Der Inhalt des Buches, welchem 5 Karten beigegeben find, ist in folgende acht Abschnitte geordnet: Ginflüsse der Physis des Landes auf das Wasserstraßenwesen; Ge schichte der Wasserstraßen; Finamirung, Aufbringung und Ver— zinsung des Anlagekapitals; Verhältniß der Wasserstraßen jum Staate; Verhältnifse zwischen Wasserstraßen und Eisenbahnen und anderen Verkehrtanstalten; Verkehrs ⸗Renkabilität; Technik; Resul⸗ tate und Schlußfolgerungen. Indem wir die sorgfältige, instruktive Arbeit den für den Gegenstand sich Interessirenden bestens empfeh⸗ len, entnehmen wir über die Geschichte der Wasserstraßen in Schwe den dem zweiten Abschnitte der Schrift folgende kurze Angaben: Die Ueberlandverbindung gewann für Schweden von der Zelt ab, wo die Hansa dem Verkehr auf allen Theilen der Ostsee Gesetze vorschrleb und der Friede von Stralsund 1370 derselben auch den Sund in die Hände gab, ein überaus erhöhtes Interesse. Die Aufmerk—⸗ samkeit lenkte sich schon damals arf die Herstellung einer Verbindung der Ost⸗ und Nordsee mittels der in einer langen Reihe durch das Land sich hinziehenden großen Seen: Wener, Wetter, Wik, Roxen und Glan der Motala⸗Elf und der tief in das Land einschneidenden Bucht von Brävik. Der Plan scheiterte aber damals theils an der Unzulänglichkeit der technischen Hülfsmittel, vornehmlich aber an den unbesiegbaren Einflüssen der Hansa auf die schwedischen Könige von Hakon und Magnus an bis zu Gustav Wasa. Diesem, seit 1523 erwäͤhlter König von Schweden, war es vorbehalten, den Plan wieder aufzunehmen, durch welchen der maritime Einfluß der Hansa in Schweden, mittelsst einer Wasserstraße durch das Land, gebrochen werden sollte. Schon 1516 hatte der katholische Bischof von Linköping, Haas Brask, ein Projekt zur Verbindung der Ost! und Nordsee, mit Be . nutzung der Scen Wener, Hielmar und Mälar, bearbeiten lassen und unterbreitete es dem Könige bald nach dessen Thronbesteigun g Der König adoptirte denselben im weitesten Sinne und begann dessen Ausführung durch Lie Gründung der Stadt Lödöse am Ausfluß der Göta⸗Elf in das Kattegat, des heutigen so blühenden Gothenburg. Auch die Regulirung der Göta⸗Elf wurde unter ihm noch angefangen, sowie die Herstellung des Hafeng von Jönköping, dieses Schlässels zur Schiffahrt auf dem Wettersee (1940 4Rm groß). Karl IX., dritter Sohn Gustav Wasa's, richtete seine Ausmerksamkeit ausschließlich auf bie Verbindung der beiden Seen Wener und Wetter mit dem Kattegat, ließ zu diesem Zwecke den Karlsgraben (Karlsgraf) herstellen, der eine Bucht des Wenersee mit der Göta⸗Elf verbindet und jetzt noch einen bedeutsamen Theil des Trollhätta⸗Kanals bildet, und gründete die Städte Martestad und Karlstad am Wenersee. Sein Sohn, der große Gustav Adolf, ließ mitten aus den Kämpfen des dreißig⸗ jährigen Krieges von Deutschland her den Befehl nach Schweden ge— langen, nach seiner eigenen Idee die westöstliche Durchfahrt durch Schweden direkt auf Stockholm zu führen und zu diesem Zwecke un⸗ gesäumt den Hielmar⸗ und. Mälar⸗See durch einen Kanal zu berbinden. Bieses Werk, jetzt Kanal von Arboga nach dieser damals bedeutenden Handelsstadt genannt, wurde mit seinen zwölf Schleusen während der Minderjährigkeit seiner Tochter Christine vollendet, doch wurde dieser nach ungenügenden Prinzipien aus- geführte Kanal im Jahre 1691 unter Karl XI. durch aus Holland berufene Ingenieure und 130 Jahre später zum dritten Male um— gebaut. Die größte technische Schwiecigkeit der Herstellung einer Verbindung von Ostsee und Kattegat wurde durch die Wildheit des Ausflusses des Wenersees in letzteres gebildet. Dieser Ausfluß, Göta⸗Elf genannt, bildete bei Trollhätta und Rännum zwei große Kataraktgruppen die, unter dem Namen der Trollhätta⸗ und Rännum⸗ Fälle bekannt sind und zusammen eine Höhe von 42 m haben. Die kühne Idee, diese gewaltigen Krtarakte, deren Wassermasse die des Rheinfalls bei Schaffhausen weit über⸗ trifft, mittelst einer Schleusentreppe zu umgehen und die (Bta-Elf in diesem Theile schiffbar zu machen, ging von Emanuel von Sweden borg aus. Dieser wußte König Karl XII. für den Plan des damals in Wasserwerken berühmten Ingenieurs Polhem zu gewinnen, die Göta⸗ Elf⸗Fälle mittels einer in Granit gesprengten Schleusentreppe zu umgehen. Das Projekt wurde dann auf die Herstellung der inter⸗ maritimen Verbindung unter Benutzung der Seen Wener, Wetter, Baren und Roxen ausgedehnt. Der Plan Polhems ging dahin, durch einen mächtigen Damm einen Theil der Gefälle bei Troll hätta azufangen und so ein großes Bassin zu bilden, durch dag die Verbindung zwischen den drei großen in den Felsen gesprengten Schleusen hergestellt werden sollte. Ber Tod des Königs Karl XII. im Jahre 1718 verzögerte die Ausführung des Kanals bis zum Jahre 1748, wo der Plan wieder aufgenommen und jetzt die Bucht von Södertöping als Ostende des Kanals ins Auge gefaßt wurde. Damit erhielt die Wasserstraße in ihrer Gesammtheit die jetzt eingehaltene ausgeführte Richtung. 1755 waren die Hauptschleusen bei Trollhätta vollendet. Der gewaltige Damm aber, Flotiberg⸗ Damm genannt, der zur Bildung eines Ver⸗ bindungsbassins von 34 Fuß Wassertiefe hergestellt worden, wurde bei einer Hochfluth durchbrochen und total zerstört. Daniel Thunberg, ein Schüler Folhems und hervorragender Ingenieur, bearbeitete schon 1757 ein Projekt zu einer Schleusentreppe für die Umgehung der Troll⸗ hättafälle, das auf vorsichtigeren Berechnungen und solideren Grund lagen, als das Polhemsche basirt, in der That 59 Jahre später aus geführt worden ist. Dieses große Werk, welchetß das mächtige Binnenmeer des Wenersee mit 5475 4Rm Fläche und einem Litteral von mehr als 1000 kim Ausdehnung endlich mit dem Kattegat in schiffbare Verbindung brachte, wurde unter Leitung des Ingenieurs C. Iordwall 795 begonnen und 1800 vollendet. Die Höhendiffe⸗ renz zwischen dem Wenersee und der Nordsee beträgt 14835 Fuß engl. Die Schleusen haben 120 Fuß Länge, 22 96 Breite und die mittlere Wassertiefe des Kanals ist 3 Fuß, fällt aber bei niederem Wasserstande auf 6. Ueber die Weiterführung der Wasserverbindung vom Wenersee bis zur Ostsee begann im Jahre Is96 in Folge eines wirksam geschriebenen Pamphlets des Freiherrn Bogislaus von Platen ö, Minister, Graf) eine lebhafte Agita⸗ tson. Es wurde der von Thunberg in den Jahren 1780 - 84 ausge⸗ arbeitete Entwurf zu dem Werke zu Grunde gelegt, jedoch zu dessen Prüfung vom Grafen Platen der damals berühmte englische Tech⸗ niker Thomaß Telford im Jahre 1808 nach Schweden berufen. Das Refultat der Erörterungen Telfords war eine fast ausnahmélose Billigung der Entwürfe feines schwedischen Fachgenossen. 1809 wurde der Plan dem Reichstage vorgelegt und von demselben genehmigt. Eine Gesellschaft von Interessenten unternahm die Ausführung. Das derselben am 11. Aprit 1810 ertheilte Privilegium (Konzesston) enthält u. A. folgende Bestimmungen: daß der Kanal vom Wenersee aus durch den Wiken⸗, Wetter⸗, Boren⸗, Roxen⸗ und Asplangen⸗See nach der Ostfee geführt werden solle; daß er 48 engl. Fuß im Boden breit und daß der Winkel seiner Böschungen nicht über 50 Grad be—⸗ tragen solle, er aber im Felsen schmäler, wenn auch nicht unter 24 * im Boden breit sein dürfe; daß die Wassertiefe zu allen Jahre. zeiten 107 betragen müsse; daß die Schleusen 120 lang, 24 breit sein sollten. Ferner solle die Schiffahrt auf dem Kanal Jeder⸗

8 der Wiener Akademie bestimmt waren, sind 4 unvollendete elgemälde ausgestellt (Gaeg, Prometheus, Uranos, Venus Anadyo⸗

mann für alle Fahrzeuge und Frachtgattungen, wie auf dem

offenen Meere, vollkommen frei stehen, gegen Entrichtung vom Könige zu sanktionirender Kanalzölle. Die Wasserstraße kostete bis zum Jabre 1834 9200 000 Reichstbaler (- 112 Pfennige deutscher Reichsmünze) an Baukosten und 1300000 an apital⸗ zinsen, von welcher Summe der Staat ungefähr drei Fünftel äà fonds perda bejablt hat. 1813 wurde die Theilstrecke des Kanals vom Wener nach dem Wiken⸗See eröffnet. Dieser letztere bildet mit einer Erbebung von 308,æ Fuß über dem Meere und 163 Fuß über dem Wener See den Scheltelpunkt des ganzen Kanals. 1822 wurde die Vereinigung der fünf großen Seen hergestellt, aber erst 1832 war der ganje 370 zm lange Binnenwasserweg zwischen Ost⸗ und Nordsee vollendet.

Man kann mit Sicherheit annebmen, daß vor dem Schlusse des 16. Jahrhunderts Kanäle mit Schleusen in Schweden nicht bestan . den haben. Zwischen den Jahren 1596— 1606 ist böchst wahrschein⸗ lich die erste Wasserstraße mit Schleusen angelegt worden. Es war dies ein nur kurzer Kanal, der mittels dreier hölzerner Schleusen, deren Gesammterhebung 26 Fuß engl. betrug, die Wasserfälle von Thorshaälla umging. Der Kanal hatt: den Zweck, die Stadt Eskil⸗ stuna, am Flusse gleichen Namens gelegen, die damals der Hauptplatz Schwedens für Eisen ! und Stahlfabrikation war, mit dem Mälarsee und durch ihn mit Stockholm und dem Meere in Bejiehung zu bringen. In neuerer Zeit ist der Kanal nach, modernen Prinzipien umgebaut worden. Als die zweitälteste schwedische Schleusenwasserstraße ist der zuerst zwischen 1629 und 1639 erbaute, später mehrfach, zuletzt von 1821 bis 1830 vom Ingenieur Edström umgestaltete Hjelmar⸗Kanal zu betrachten, der, mit einer gebauten Länge von 12,55 Km, den Hjelmarsee mit dem Arbogaflusse und durch diesen mit dem Malarsee in Verbindung bringt, so das ganze Litteral jenes Sees mit seiner Industrie dem Meerverkehr erschließend. Seine Scheitelhöhe liegt 7“ über dem Meere. Zeitgenosse der früheren Anlagen des Göfa⸗Kanals ist der Strömeholm⸗LKanal, der in den Jahren 1787 bis 1795 errichtet wurde. Dieser Kanal, der die reichsten Bergbau⸗Distrikte der Provinzen West⸗ manland und Orebro mit dem Mälar in Vertindung setzt, gehört zu den kühnsten Wasserstraßen Schwedent. Er steigt auf einer Fahrlänge von 87 km mittels 25 Schleusen von dem, im sogenannten Hoch⸗ lande von Westmanland gelegenen See Borken, der bei den Berg⸗ städten Selisberg und Engelsberg 3364 Fuß über dem Mãälar liegt, zu diesem herab, den Bergproduktenverkehr mit dem Meere ver⸗ mittelnd. Vor der Zeit der Cisenbahnen war er eine Lebensader des schwedischen Bergbaues. In den Jahren 1842 —60 ist er neun konstruirt worden. Der Södertelje⸗Kanal ist einer der kürzesten, aber wichtigsten Schwedens. Zwischen 1306 und 1819 ausgeführt, hat er die bedeutsame Aufgabe, den Mälarsee und Stockholm selbst mit der Ostsee zu verbinden. Ganz neuen Datums ist die Herstellung des Dalt land. und des Kinda⸗Kanals. Durch beide Kanäle sind mittels verhältnißmäßig sebr kleiner gebauter Kanalstrecken große Fahrlängen auf aneinander gereihten Seen mit einem bedeutenden Areale erschlossen worden. Die durch diese Kanäle erschlossene natürliche Wasserstraßen-⸗ länge ist bei dem Dalsland⸗Kanal 8 Mal, bei dem Kinda⸗Kanal 23 Mal so lang, als die gebaute Strecke. Der Dalsland ⸗Kanal ist von Niels Erikson, welcher, sowie sein Bruder John, der Erfinder der kalorischen Maschine, zu den bervorragendsten Ingenieuren Schwedens zählt, in den Jahren 1864 68 ausgeführte worden. Er verbindet mittels Schleusentreppen die von den Aklängen«, Laxen⸗, Lelangen⸗ Stora Lee⸗, Silen. und Animmen⸗Seen, die in sehr verschiedenen Höhen, mit einer Scheitelhöhe von 200 Fuß engl. über den Wenersee liegen, gebildeten Seereihen mit dem Wenersee. Dieser Kanal enthält, nahe bei feiner Ausmündung in letzteren, eines der kühnsten und schönsten Werke der schwedischen Hydrotechnik: die Ueberführung des Kang! über den o Katarakt von Hoverud. Der an den Felswänden des Thals der Aklängen⸗-Elf hinlaufende Kanal überschreitet hier diesen Fluß in einer Höhe von (0 Fuß über dem⸗ selben mittels eines zwischen die Felsen eingelegten, eisernen Aqua—⸗ dukts in parabolischer Kastenform von I6 m Spannweite. Der nedeste von den Hauptkanälen Schwedens ist der Kindakanal, der einen südlichen Arm des Götakanals, von diesem im Roxen⸗ See abzweigend, bildet. Diese Wasserstraße ist durch die Kanalisation der Staäng⸗Elf geschaffen, durch deren Katarakte die Rengen-Jernlanden⸗ und Asunden. Seen, die sich fast 80 Rm weit di⸗ rekt südlich mitten in die Provinz Linköping strecken, sich in den Roxen⸗See ergossen. Der Kanal ist in den Jahren 1865— 75 vom Ingenieur Grafström erbaut, meisterhaft ausgeführt und erschließt einen mittleren Theil der reichen Provinz Linköping, der bisher von Eisenbahnen noch nicht berührt worden ist, dem Verkehre. Der Rengen⸗See, die höchstgelegene unter den durch die Wasserstraße verbundenen Wasserflächen, liegt 1764 über dem Roxen⸗See und diese Differenz ist durch 15 Schleusen, deren größte eine Hubhöhe von 16,5 hat, ausgeglichen werden. Der Kanal mündet im Roxen—⸗ See in eine bedeutende Hafenanlage.

Zur Zeit und seit ungefähr 4 Jahren ist der Kanalbau in Schweden vollständig ins Stocken gerathen. Die Regierung wird, sagt der Verfasser der vorliegenden Studie, neue Unternehmungen dieser Art kaum noch subventioniren und so ständen denn, außer einigen unbedeutenden Verbindungen von Seen, Wasserstraßenherstellungen in Schweden nicht in Aussicht. Es sei dies auch, bei der verhältniß mäßig rapiden Eisenbahnentwickelung in diesem nicht reichen Lande, nicht gut weiter möglich. Wenn auch hier die Stagtsbahnen seit 5 Jahren kaum um 160 km an Länge zugenommen hätten, so hätte sich dagegen die Länge der Privatbahnen um fast 1400 km vergrößert und im Jahre 1878 habe die Länge der letzteren die der er steren um mehr als das doppelte überflügelt. Auch in diesem für den Wasserverkehr physikalisch so prädestinirten Lande sei das Moment der Trankportschnelligkeit so mächtig zu Geltung gekommen, daß es auch hier das Eisenbahnwesen, als das Trangportmittel der Gegen—⸗ wart, in den Vordergrund gestellt habe.

Haders leben, 28. April. Es sind in den letzten drei Tagen für Rechnung eines Herrn Meyer aus den Vereinigten Staaten Nordamerikaz eines geborenen Haderslebeners an der schles⸗ wigfchen Küste des kleinen Belts, von Gravenshoved bis Holkhoved, sowie südlich, von der Insel Aarö 1250000 kleine und 60 060 große amerikanische Austern, zur Bildung von Auster⸗ bänken außgelegt worden. Diese Austern waren in der Newark -⸗Bai, in der Chafepeak⸗Bai und in der Prince⸗Bai gefischt, und sollen die Salzverhältnisse der dortigen Gewässer denen im Belt ziemlich gleich sein. Wenn, wie gehofft wird, dies Unternehmen einen guten Erfolg hat, beabsichtigt ein Konsortium, aus Amerikanern und Deutschen bestehend, 14 Millionen Austern mehr bier auszulegen. Daß vor Jahrhunderten an der hiesigen Ostküste größere und zahlreiche Austern-= Fänke gewesen sind, dafür sprechen noch manche Umstände. Es wird beabsichtigt, die jetzt gelegten Austern im Herbst des nächsten Jahres wieder aufzunehmen.

Nachdem nun alle Vorbereitungen beendet sind, findet die erste Auffübrung des Schwanks „Der Zuzvogel“, von G. v. Moser und F. v. Schönthan morgen, Sonnabend, im Wallner ⸗Theat er bestimmt statt.

Im Krollschen Theater geht morgen, Sonnabend, eine der besten dramatischen Arbeiten Hugo Müllers, welche früher im Wallner Theater großen Erfolg hatte, das Lebensbild mit Gesang: „Heydemann und Sohn / zum ersten Mal in Scene. Das heitere Stück ist mit neuen zeitgemäßen Couplets ausgestattet.

Redacteur: Riedel. Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner.

Fünf Beilagen (einschließlich Börsen · Beilage).

Berlin:

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Aichtamtlich es.

Preußen. Berlin, 30. April. In der gestrigen (l) Sitzung setzte der Reichstag die erste . . Gesetzentwurfs, betreffend die Erhebung von Reichs⸗ stempelabgaben, fort. Der Abg. von Hoelder erkannte an, daß die Besteuerung der Werthpapiere in gewisser Hin⸗ sicht gerechtfertigt sei; seines Erachtens bedürfe aber der Entwurf auch hier bedeutender Verbesserungen, insbesondere müßten die Steuersätze ermäßigt und vereinfacht werden. Alle Vorschläge, welche darüber hinausgingen, seien für ihn unan— nehmbar und zwar im Wesentlichsten aus den Gründen, welche in der Denkschrist der Handelskammern geltend ge— macht und vom Abg. Sonnemann neulich entwickelt seien. Der Stempel auf Rechnungen würde vielfach eine wiederholte Besteuerung . Rechtsgeschäfts in den verschiedenen Stadien seiner Entwickelung zur Folge haben, derjenige auf Lombarddarlehne die bedingte Kreditgewährung in eine schlim— mere Lage setzen, als die unbedingte, der Stempel auf Giri einen Verkehr mit einer Steuer belasten, dessen Ent⸗ wickelung vom volkswirthschaftlichen Standpunkte aus die Motive selbst als wünschenswerth bezeichnet hätten. Wenn der Entwurf sodann auch Quittungen einer Besteuerung unter⸗ werfen wolle, so schneide derselbe damit tief und schwer ver— letzend in das ganze Verkehrsleben der Nation ein. Zu den Vorschlägen so drückender Steueranschläge trete die schwere Belastung der Geschäfte, welche jene mit sich brächten, träten die vielen Untersuchungen, die schweren Strafen. Es sei in den Motiven darauf hingewiesen, daß die Börse, das mobile Kapital, zur Zeit noch keiner besonderen Besteuerung unter⸗ worfen sei, wie es beispielsweise mit dem Grundbesitze der 9 sei. Nun, wenn der steuerlose Zustand eines Gegen⸗ tandes als Abnormität hingestellt werde, wenn von Denen, welche einer Steuer widersprächen, der Beweis verlangt werde, daß sie unbegründet sei, dann allerdings sei es nicht schwer, immer wieder mit neuen Anträgen auf Steuerbewilli⸗ gungen hervorzutreten Dann bitte er aber, noch eins zu erwägen: sei denn das finanzielle Ergebniß, das diese Steuern gewähren würden, wirklich die Unzufriedenheit werth, welche durch die⸗ selben aller Orten hervorgerufen werde? Viele Gegenden des deutschen Vaterlandes seien bisher von Stempelgesetzen ver—⸗ schont geblieben, insbesondere seine württembergische Heimath habe seit 60 Jahren keine Stempelgesetze gekannt, und von seiner Heimath sei deshalb die dringende Aufforderung an ihn ergangen, dieser Gesetzgebung nachhaltigen Widerstand ent⸗ gegen zu setzen. Man habe vom Bundesrathstische aus esagt, die vorliegenden Steuergesetze bildeten einen Theil des Finanzreformplans der Regierung, welchem die Majorität des Reichstags durch Bewilligung des Zolltarifs seine Zustimmung gegeben habe. Nun, er für seine Person habe von einem zu⸗ stimmenden Beschlusse dieser hohen Körperschaft zu jenem Finanzplane nichts vernommen; jedenfalls müsse er sich aber gegen die Unterstellung verwahren, als ob er durch sein Votum für die Finanzgesetze der vorjährigen Session sich zu Gunsten weiter gehender Pläne der Reichsregierung hätte engagiren wollen. Es sei darauf hingewiesen worden, daß die Finanzen der Einzelstaaten durch die wandelbaren Matrikularbeiträge fortwährender Beunruhigung ausgesetzt seien, und daß des⸗ halb das Reich daraus Veranlassung nehmen müsse, sich die— jenigen Steuerquellen zu eröffnen, die es selbständig zu machen im Stande seien. Er halte ein derartiges Vorgehen aber doch für sehr bedenklich; wenn man nicht wisse, wieviel man zu bezahlen habe, dann sei es prekär, Zahlungsmittel anzu⸗ weisen. Mindestens sei aber zu fordern, daß bei diesen An⸗ weifungen die möglichste Sparsamkeit beobachtet werde. Es müsse dem Reichstag bezüglich gewisser Steuern das Recht eingeräumt werden, je nach Bedarf einen höheren oder ge⸗ ringeren Betrag derselben zu bewilligen, Zudem müsse er sich mit Entschiedenheit gegen das allmähliche und stückweise Vorlegen von Steuergesetzen erklären, die zugestandenermaßen in den Rahmen eines Gesammtplanes hineingehörten. Eine Steuerreform im Reiche sei überhaupt nur möglich, wenn dem Reichstage dieser Plan selbst vorgelegt und vorher mit den Einzelstaaten eine Verständigung herbei⸗ geführt sei. Wie groß sei nun aber der Bedarf, um das Reich auf eigene Füße zu stellen? Die Matrikularbeiträge ätten im laufenden Jahre 8i 000 000 S betragen; davon eien aber die uneigentlich als Matrikularbeiträge bezeichneten Aversen denn diese seien ja nur die Beiträge der Brau⸗ und Branntweinsteuer, welche auf die betreffenden Einzelstaaten entfallen würden, wenn diese Steuern Reichssteuern wären abzuziehen mit 17 000 000 6 Ziehe man, von den übrig bleibenden 64 000 000 M noch ab, was die Zölle und Steuern in Zukunft, wenn erst wieder regelmäßige Verhältnisse ein⸗ getreten sein würden, mehr eintragen würden, so würde sich für das Reich ein Bedarf von ca. 50 60 009 000 ergeben. Diese Zahl sei unsicher, indessen sei das ein Motiv mehr, nicht allzu rasch vorzugehen mit der Bewilligung neuer Steuern. Man müsse erst einen festen Boden gewinnen, man müsse erst sicher wissen, wie viel die schon bewilligten Steuern einbrächten. laube aber nicht, daß die 6 n. des Reiches eine solche ei, daß es der Einführung einer so lästigen Stempelabgabe bebürfe. Er bitte daher die Vorlage abzulehnen, . Der Abg. von Benda erklärte sich im Namen seiner politischen Freunde mit Ausnahme der Quittungssteuer im Ganzen für die Vorlage. Die Ungerechtigkeit, welche darin liege, daß der Mobilienverkehr nicht besteuert, der Immobilien⸗ verkehr aber der Besteuerung unterworfen würde sei schon früher anerkannt worden; das damalige Projekt sei nur ge⸗ scheitert an der Gesellschaft der anderen Steuervorlagen, mit denen zusammen es vorgelegt worden sei. Von einem Be⸗ dürfniß nach neuen Steuern 39 nicht die Rede. Man . aber neulich von dem Bundegkommissar gehört, daß eines Theils das Defizit der Einzelstaaten, anderen Theils das Programm des Reichskanzlers vom 2. Mai 1879 ein Grund für die Vorlage sei. In den süddeutschen Staaten seien die Defizits zum Theil durch Steuern gedeckt; in Preußen sei für 1I8798 360 bas Defizit von 30 40 000 009 6. durch Anleihen gedeckt; im neuesten Etat sei das Defizit mit Zuhülfe⸗

Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

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* 2 9 * Berlin, Freitag, den 30. April

schüssen des Reiches erhalte, wenigstens im Ordinarium be⸗ seitigt. Da nun die Matrikularbeiträge im laufenden Etat um 3 000 000 S gegen den Voranschlag vermindert seien, da ferner der Zollertrag bedeutend höher sein werde, als der Anschlag, so werde das Defizit in Preußen ganz verschwunden sein, auch wenn man den alten preußischen Grundsatz aufrecht erhalten wolle, daß auch ein Theil des Extraordinariums aus den laufenden Einnahmen zu decken sei. Das Defizit der Einzelstaaten sei also kein Grund für die Vorlage. Anders stehe es mit dem Programm des Reichskanzlers. Zu dessen Erfüllung würden allerdings die schon genehmigten Steuervor⸗ lagen nicht ausreichen. Der Bundeskommissar habe bei der Be⸗ sprechung des Programms des Reichskanzlers dasselbe nicht mehr blos als ein ideales, sondern als ein praktisches, in der kürzesten Zeit zu erfüllendes bezeichnet. Am 2. Mai 1879 habe der Reichskanzler gesagt, daß sein Plan sich nicht sofort und nicht vollständig realisiren lasse. Er sehe davon ab, welche Erforder⸗ nisse dazu gehören würden, um das Programm des Reichskanzlers zu erfüllen; für Preußen allein wären ca. 100 000 900 6 noth⸗ wendig. Im preußischen Landtage habe man sich mit der Frage der Entlastung der Steuerzahler beschäftigt und einen umfangreichen Bericht darüber erstattet. Er halte die beabsich⸗ tigte Entlastung der Gemeinden für bedenklich und unausführ⸗ bar; indessen sei die Majorität anderer Meinung gewesen, sie habe auch die Ueberweisung eines Theils der Grund⸗ und Gebäudesteuer an die Kreise und Kommunen in den damali— gen Beschluß mit aufgenommen. Aber er müsse sich dagegen verwahren, daß man aus diesen Beschlüssen in Bezug auf die Verwendung der Steuererträge die Konsequenz ziehen könne, daß der Reichstag so extravagante Forderungen zu genehmigen ver⸗ pflichtet sei, weil sie zur Erfüllung des Programms nothwendig seien. Zu neuen Bewilligungen und zur Erfüllung weiterer Verheißungen könne man erst dann schreiten, wenn die Wirkung der neuen Steuern und Zölle zu Üühersehen sei. Er verwahre sich gegen solche Konsequenzen, wie sie von Sei—⸗ ten des Bundetrathstisches betont worden seien. Dagegen ver⸗ schließe er sich nicht der Ueberzeugung, daß bei der erfolgten Bewilligung der neuen Ausgaben für das Militär auch für neue Deckung gesorgt werden müsse, wenn nicht alle Vortheile der neuen Zoll- und Steuergesetze wieder absorbirt werden sollten. Die Vorlage solle einen Ertrag von 20 0090 000 6 ergeben, nach Abzug der Quittungssteuer 14 900 900 6 Allein dies sei nicht ganz ein Mehrertrag für das Reich, denn durch die geplante Steuer würden manche in den Einzelstaaten be⸗ stehenden Steuern beseitigt. Er wolle in der Generaldiskussion auf die Spezialien der Vorlage nicht weiter eingehen. Nur das wiederhole er, daß die Quittungssteuer für seine Partei unannehmbar sei. Einer so lästigen und drückenden Steuer könne man in der That nur zustimmen, wenn ein außerordentlicher in anderer Weise gar nicht zu deckender finanzieller Nothstand vorläge. Das sei aber nicht der Fall. Und wenn es wäre, so würde doch immer die Brausteuer bleiben, welche seine Partei nur abgelehnt habe, weil der Branntwein unbesteuert geblieben sei, im Nothfalle glaube er, werde auch die Rechte nicht gegen eine Brannt⸗ wein⸗-Konfumtionssteuer sein, was ja auch Abg. Graf zu Stol⸗ berg bereits zugegeben habe. Was sonst an der Vorlage noch amendirungsfähig sei, dürfe man vertrauensvoll der Kommis⸗ sion überlassen. Er beantrage eine solche von 21 Mitgliedern. Freilich müsse man darauf verzichten, das Gesetz noch in dieser Session zu Stande zu bringen, indessen erhalte man jeden⸗ falls noch den Bericht der Kommission, auf dessen Basis das Fortarbeiten im nächsten Jahre leichter sei. Das aber müsse er noch aussprechen, daß wenn die Regierung darauf rechnen wolle, das Gesetz durchzubringen, sie sich durchaus entschließen müsse, dem Reichstage einen klaren und bestimmten Steuer⸗ reformplan vorzulegen.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Unter⸗Staatssekretär Scholz das Wort:

Meine Herren! Gestatten Sie mir nach den Ausführungen der beiden Herren Vorredner nur wenige Worte noch nachzuholen zur Erörterung der Bedürfnißfrage. Beide Redner, die heute ge⸗ sprochen haben, begegnen sich in dem Vermissen eines festen Zieles, und wenn ich dankbar anzuerkennen habe, daß Hr. von Benda in einem, wenn auch beschränktem Umfange doch immerhin ein Bedürf, niß für das vorliegende Gesetz anerkannt hat, so ist er doch auch mit Hrn. von Hölder der Meinung, daß ein weitergehendes Bedürf⸗ niß, wie ich in meinem einleitenden Vertrage dargelegt habe, nicht anzuerkennen sei. Hr. von Benda hat zunächst das Vor- handenfein von unbedeckten Defizits in den Einzelstaaten in Zweifel gezogen, er hat eine Rechnung aufgemacht wonach in Preu⸗ Fen dieses Defizit im Schwinden begriffen sei und hinzugefügt, daß s in Suüddeutschland auch schon nach weiteren Maßnahmen aus der Welt geschafft werden werde. Ich kann nicht leugnen, daß der Ein druck dieser Ausführung des Hrn. von Benda auf mich der gewesen ist, als ob die Anschauung eine etwas rosige ist, die ihr zu Grunde liegt, und wenn ich noch erinnern darf an das, war Hr. Richter (Hagen) bei der ersten Berathung des Etats, wo er auch eine Umschau hielt darüber, wie es in den Einzelstaaten mit den Flnanzen staͤnde, damals ausgeführt hat, dann würde ich des Nachweises überhoben sein, daß diese Auffassung des Hrn. von Benda nicht eine allgemeine und Überall getbeilte ist.

Hr. von Benda hat dann aber noch hervorgehoben, daß zwischen dem Programm, welches der Herr Reichskanzler am 2. Mai v. J. hier dargelegt, und dem, was ich neulich in Erinnerung daran die Ghre gehabt babe, dem hohen Hause vorzutragen, ein ,. Unterschled hervorgetreten sei. Der stenographische Bericht hat ibm noch nicht vorgelegen und bei der Unruhe, die tbeilweise neulich im bohen Hause . als wir zur Berathung des Stempelgesetzes übergingen, kann ich es mir wohl erklären, daß er meine Worte nicht ganz genau aufgefaßt hat. Er bat gesagt, ich hätte das Ziel der Steuerreform . ein n. in der kürzesten et und sobald als möglich zu erstrebendes hingestellt, während es in den Ausführungen deg Herrn Reichskanzlers mehr als ein ideales, der tun angehören des und nicht abfolutes bejeichnet worden sei. Ein solcher Unterschled zwischen diefen belden Grörterungen besteht aber in der That gar nicht Ich habe gesagt, der Herr Reichskanzler babe dieses Ziel nicht als ein blos ideales, sondern als ein wirkliches, praktisches im Auge, habe aber hinzugefügt, als ein ir welches jedoch keines wegs sofork und in vollem Umfange durchgesetzt werden müsse, son⸗ dern namentlich nach Maßgabe der Mittel, die zu seiner Realisirung ju erreichen waren. Wenn ich nur ein Wort, was mir in bestimmter Er⸗ innerung ist und das auch Hr. von Benda eben erwähnt hat, hervor hebe, daß der Herr Reichskanzler selbst am 2. Mai gesagt hat; dies ist das

dingt darin ein praktisches Ziel, denn auf ein anderes als ein . 56 wird Niemand, am wenigsten der Herr Reichskanzler, inarbeiten.

Ich möchte mir dann noch erlauben, gegenüber dem, was Hr. von Hölder in längerem Vortrage i fake hat, zu bemerken, daß ich, ohne auf die Cinzelbeiten der von ihm angelegten Herechnung einzugehen, im Großen und Ganzen auch glauben würde, daß man den Satz wobl nicht bestreiten darf: die Finanzlage des Reichs bedarf dieser Dermehrung der eigenen Cinnahmen nicht, wenn man das nämlich fo aufzufaffen bat: das Reich, abgesondert von aller Verbindung mit den Einzelstaaten, würde an den Mi teln, die aut seinen eigenen Quellen fließen, allenfalls genug haben, um seine eigenen Ausgaben zu decken; ich kann im Augenblick die Rechnung nicht ganz speziell prüfen, ich glaube aber, im großen Ganzen trifft es zu. Allein damit würde in der That nichts Anderes ausgeführt sein, als daß man den Plan, der im vorigen Jahre für die ganze Reform hier vorgeführt und als Motiv dargelegt wurde, jetzt verwirft; denn blos um das Reich auf eigene Füße zu stellen, sind die vorjährigen Vorlagen nicht ge⸗ macht und vertreten worden. Untrennbar davon ist gleich in dem⸗ selben Augenblick hinzugesetzt, und um das Reich in den Stand zu setzen, aus seinen Mitteln den Einzelstaaten das zuzuführen, was sie zur wirksamen Steuerreform bedürfen. Man hätte diese Reform ber indirekten Besteuerung für das Reich in dem Umfange nicht unternommen, wenn man nicht dieses weitere Ziel immer im Auge gehabt härte: die Entlastong von den drückenden direkten Steuern in den Einzelstaaten. Wenn Sie dieses Ziel jetzt ignoriren wollen, ja, darüber läßt sich ja nicht rechten, aber ein konsequenter Standpunkt ist das nicht. Das Bedürfniß ist in der That vorhanden, in dieser Weise den Einzelstaaten zu helfen, well die Quellen, aus denen eine solche Einnahme beschafft werden kann, eben nur von der Reichsgesetzgebung weiter erschlossen werden können, und weil es unmöglich ist, nach dem Bedürfniß der Einzel⸗ staaten, die ihnen verbliebenen Quellen ergiebiger zu machen. Ich glaube, wenn es auch vielleicht ls ein ideales Ziel anzuerkennen sein würde, eine finanzielle Unabhängigkeit herzustellen zwischen dem Reich und den Einzelftaaten, daß das doch nur ein absolut ideales Ziel fein kann und bleiben muß; praktisch ist es nicht zu erreichen, praktisch wird die Unzertrennlichkeit und die Wirkung der beider⸗ feitigen Etats aufeinander immer vorhanden sein, wie es auch früher der Fall gewesen ist, und wenn der Hr. Abg. von Hölder gesagt hat, er habe gezeigt, wie man jenem Ziele näher kommen würde, so kann ich nicht anerkennen, daß das ein praktischer Weg wäre, auf dem man jenes Ziel wirklich erreichte, den er vorgeschlagen hat.

Der Abg. Frhr. von Mirbach erklärte, er stehe nicht auf dem Standpunkte des Abg. von Benda, der die Vorlage ad calendas graecas vertagen . wollen scheine, und sei erfreut über die Erklärung der Regierung, daß diese Vorlage die Steuer- und Wirthschaftspolitik des Reichskanzlers wesentlich ergänzen solle. Mit dem Abg. Sonnemann sei er insofern einverstanden, als auch er einen Emissionsstempel für Aktien wünsche; nur wünsche er ihn in Höhe von /a Prozent, wäh⸗ rend der Abg. Sonnemann nur 16 Prozent wolle, ebenso stimme er diesem Abgeordneten darin bei, daß es unrecht wäre, eine so hohe Einführungssteuer für ausländische Papiere zu bewilligen, wie verlangt werde. Er bedauere nur, daß die

Vorlage 3 spät an das Haus gelangt sei, und er fürchte, sie werde in dieser Session nicht zur Erledi⸗ gung kommen können, sodann weil er in den Mo⸗ fiven die einschlägige Gesetzgebung anderer Länder, besonders Frankreichs, Italiens, Englands vermisse. Er wünsche eine Ergänzung der Motive in dieser Hinsicht und eine Statistik über die Erträge dieser Steuergesetze in jenen Ländern. Nach seinen Ermittelungen bringe die Börsensteuer in Frankreich 144 Millionen Francs ein und er sei erstaunt, daß sie in Deutschland nur 20 Millionen Mark bringen solle. Das italienische Gesetz besteuere die Börse in allen Effektgeschäften nach einer aufsteigenden Skala. Die Durchführung einer sol⸗ chen Skala werde nur schwierig bei den Differenzgeschãften sein, wenn aber durch dieses Gesetz darauf hingewirkt werde, daß diese Geschäfte restringirt würden, würde man gewiß da⸗ mit zufrieden sein. Er verkenne die Nützlichkeit und Nothwen⸗ digkeit der Börsen durchaus nicht und wisse sich von jeder Animosität gegen dieselben frei. Er halte einen raschen und gesicherten Umsatz des mobilen Kapitals durch den centralisirten Handel an den Börsen für drin⸗ gend nothwendig und belämpfe auch die Spekulation nicht, so lange sie auf effektive Werthe basirt sei, und mit ihnen rechne. Aber die Ausschreitungen der Börse einzu⸗ dämmen, werde er stets bemüht und zufrieden sein, daß durch dieses Gesetz jene Äusschreitungen wirksam bekämpft werden sollten. Denn das durch die Spekulation beschäftigte Kapital werde der produktiven Arbeit entzogen. Dazu komme, daß bei einem Würfelspiel alle Theilnehmer gleiche Chanzen hätten, bei dem Börsenspiel aber habe der Börsianer die Fäden in der Hand, derselbe kenne die Würfel, das unwissende Publi⸗ kum sei stets der Verlierer. Auch der liberalen Partei sei dieser Gedanke nicht fremd. Er erinnere nur an die Aeuße⸗ rungen des Abg. Lasker, als derselbe bei seinem Vorgehen gegen einen geringen Theil solcher Gründungen, bei denen

ein politisches Interesse für den Angreifenden mitgespielt habe, erklärt habe, daß die Börsen Akademien für Umgehung und Uebertretung der Gesetze seien. Die Presse werde von der Börfe benutzt, um diejenige Meinung zu bilden, durch welche sie das Publikum auszubeuten wünsche. Es bilde sich dort eine systematische Beraubung des Publikums heraus, dort gingen die katilinarischen Existenzen hervor, dort werde der Haß gegen die Besitzenden gepflanzt, von dort er⸗

66 der Sozialismus neue Nahrung. An dem Ausfall der

ahl in einer norddeutschen Handelsstadt habe man gesehen,

wo der Sozialismus am besten gedeihe. Die Billigkeit er⸗ fordere es, daß man die Transaktionen des mobilen Kapitals ebenso besteuere wie die des immobilen. Ein solches Steuer⸗ privilegium könne er und seine politischen Freunde den legi⸗ timen Transaktionen nicht gewähren, wie viel weniger den

Differenzgeschäften. Um Gesetzesübertretungen zu e, ge,

würden er und seine politischen Freunde, wie dies in ngland

eschehe, den ungestempelten Urkunden die Beweiskraft entziehen. ie in Italien follten auch in Deutschland nur staatlich vereidete

Makler n, w . vermitteln. Die Herren von der linken

Seite hätten geklagt, daß bei der Steuer⸗ und Wirthschaftspolitik

nur der arme Mann belastet werde; durch das vorliegende

Gesetz solle nun der reiche Mann getroffen werden; er dürfe

daher wohl bei dieser Vorlage auf die Unterstüͤtzung der linken

Seite diefes Hauses rechnen; und bitte ebenfalls die Vorlage

nahme der M 000 000 S, welche Preußen aus den Zollüber⸗

Ziel, auf das ich hin arbeite, dann, glaube ich, liegt doch unbe⸗

an eine Kommisfion von 21 Mitgliedern zu überweisen.