1880 / 101 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 30 Apr 1880 18:00:01 GMT) scan diff

Der Abg. Rickert bemerkte, der Vorredner habe au die Wahl hingewiesen und das Anwach enf der Sozialdemokratie als eine Konsequenz des Börsen⸗

verkehrs , Wie 1. man nur dazu, einen solchen Zusammenhang ei en Börse und . zu behaupten? Wer habe denn den Haß gegen das Kapital gepredigt und die Reden gehalten, die heran den sozialistischen Bestrebungen Nahrung gegeben hätten? Welche Presse trage diesen Haß in ausgeprägtester Weise vor? Doch nicht die so— zialistische allein? Den Hauptsitz der sozialistischen Bestrebun⸗ ken bildeten die Industriebezirke in Sachsen. Sei das auch

ie Börse? Und sei man denn sicher, daß jene Bestrebungen, die man gemeinsam bekämpfen sollte, nicht auch in die länd⸗ lichen Kreise Eingang finden würden, und würde man das dann dem Kapitale vorwerfen, welches im ländlichen Betriebe arbeite? Es gehe doch über das ri tig Maß hinaus, wenn man Ausdrücke brauche, wie: Die Börse bediene sich der Presse, um das Publikum auszuheuten. Wer bediene sich denn jetzt der Presse, um nachzuweisen, daß die indirekte Be⸗ steuerung des armen Mannes durchaus nothwendig sei, um den Grundbesitz zu entlasten? Er würde den Ausdruck „aus⸗ beuten“ gar nicht wagen. Er finde es ja ganz korrekt, wenn jedes Interesse sich in der * . irgendwie ein Organ schaffe, aber mit Ausdrücken wie „systematische Ausbeutung“ werde der Haß der untersten Voll lassen genährt. Das sei eine Unwahrheit, und der Abg. von Mirbach werde nicht behaupten können, daß der legitime Handel, daß die Börse sich der Presse bediene, um das Publikum auszubeuten. (Der Prä⸗ sident bemerkte, um jeder Weiterung vorzubeugen, daß er den Ausdruck „Unwahrheit“ nicht als im subjektiven Sinn gegen den Abg. von Mirbach gebraucht, aufgefaßt habe.) Selbstver⸗ ständlich handele es sich nur um die objektive Aeußerung, die gemacht worden sei. Dem Abg. von Mirbach irgendwie in dieser Beziehung einen persönlichen Vor⸗ wurf zu machen, liege ihm überhaupt fern. Er und seine politischen Freunde seien bereit, die Börsengeschäfte mit einer Steuer zu belegen, unter der Voraussetzung, daß eine Garantie dafür gegeben werde, daß die Transaktionen des Immobilienvermögens sich wohlfeiler gestalteten. Wolle man diese Garantie nicht geben, dann habe er keinen Grund, diese Steuer zu bewilligen. Betreffs der Börsensteuer müsse er erklären: wenn dieselbe eine Fassung finde, in welcher sie den Verkehr zu schädigen geeignet sei, dann sei sie für ihn unannehmbar. Im Uebrigen stehe er auf dem Standpunkt, den er bei der ersten Berathung des Etats dargelegt habe, daß die jetzige Zeit für die Fortführung des Steuerreform⸗-Plans nicht ge— eignet sei schon um deshalb nicht, weil das preußische Ver⸗ wendungsgesetz noch nicht zu Stande gekommen sei. Ihm sei von vornherein nicht klar, was die preußische Regierung eigentlich beabsichtige. Gegenüber dem bekannten Programm des Reichs⸗ kanzlers, welches in einer Ueberschätzung des Werthes der in⸗ direkten Steuern gipfele, habe seiner Zeit der preußische Finanz-Minister betont, welch hohen Werth derselbe auf die direkten Steuern lege. Was solle nun für das Reich maßgebend sein? Bevor nicht zudem der preußische Finanz⸗ Minister über das Gebiet des Allgemeinen hingusgehe und sage, was er positiv wolle, könne er (Redner) sich seiner Politik nicht unumwunden anschließen. Der preußische Finanz⸗Minister habe Steuererleichterungen für Preußen aus den Ueberschüssen des Reichs in Aussicht ge⸗ stellt, und er werde im Beginn der Nachsession des Landtags die Frage zur Erwägung stellen, was mit den disponiblen Mitteln gemacht werden solle, die über den Etat hinaus vor⸗ handen seien. Er möchte vor allen Dingen erst Klarheit haben, ob die 130 Millionen Zölle und neue Sieuern nicht wenigstens in beschränktem Maße das Finanzprogramm, Er— leichterung der direkten Steuern, zur Ausführung würden bringen lassen. Auch der Abg. von Benda habe darauf hin⸗ gewiesen, daß ein fester Reformplan fehle. Die Mairede des Reichskanzlers habe als Ziel die Beseitigung der Klassen⸗ steuer, Einkommensteuer bis zu 2000 Thlr., Beseitigung der Einkommensteuer für alle Beamte, Uebertragung der Grund⸗ und Gebäudesteuer an die Kommunen sich gesteckt. Es seien ungefähr 120 Millionen, die man in Preußen zu beseitigen, resp. zu übertragen habe. Bayern, Sachsen, Württemberg hätten doch auch derartige Bedürfnisse. Diese würden sagen: möge doch Preußen für sich selber sorgen und wenn es indirekte Steuern wolle, diese auf seinem Gebiet einführen. Zunächst solle es sich um die Ueberweisung der Hälfte der Grund⸗ und Gebäudesteuer handeln. Nun, wenn der Abg. von Kardorff in seinem Kreise das Exempel machen würde, dann würde dort eine merkwürdige Abkühlung eintreten. Ueberweise man z. B. dem Kreis Deutsch⸗Krone, bezüglich dessen er die statistischen Angaben vor sich habe, die Hälfte jener Steuer, mit etwa 50 000 S, dann werde diese Maßregel zunächst wirken, daß die Klassen⸗ und Einkommensteuer, welche der Kreis jetzt im Be⸗ trage von 64 Proz. erhebe, auf 32 Proz., der Zuschlag zur Grundsteuer von 32 Proz. auf 16 Proz. sich herabmin⸗ dere. Was müßten die Kreiseingesessenen aber dafür über⸗ nehmen? Sehe man sich die Fülle von indirekten Steuern an, die man brauche, um diese winzigen Erleichterungen herbeizuführen. Die direkten Staatssteuern seien in Preußen heute geringer als vor 20 Jahren. Die gesammten Gemeindeabgaben, welche in Preußen erhoben würden, betrügen 139 Millionen; hiervon brächten die Städte 84, das platte Land 55 Millionen auf. Die Kreisabgaben in Preußen brächten im Ganzen noch keine 23 Millionen. Sehe man die Vertheilung an, so seien die Städte dreimal so hoch belastet als die Landgemeinden. Das stehe eben⸗ falls in dem Buche von eirfurth Welche Entlastung bringe nun diese Reform den Städten? Gar keine! In seiner Vaterstadt Danzig werde damit nur der elfte Theil der direk⸗ ten Kommunal⸗Einkommensteuer beseitigt, 10/91 blieben, 1 werde frei. In Berlin werde die Sache noch geringer und bei den armen Städten in den Kreisen werde sehr wenig zu merken sein. Es werde nämlich jeder Bürgermeister und Stadtrath einer kleinen Stadt sagen, daß die Kreisabgaben nicht so hoch seien, um die Hauptsteuerlast für die einzelnen Stadtgemeinden zu bringen. Wie er also auch dieses Steuer⸗ programm sich in Ziffern übersetze, er könne die großen Segnungen dieser , noch nicht finden. Den Abg. von Kardorff möchte er wirklich zu einer besonderen Diskussion einladen; denn es werde ihm schließlich etwas ängstlich, vor Deutschen nur von preußischen Angelegenheiten zu sprechen. Er möchte diese Punkte mit dem Abg. von Kardorff ziffer⸗ mäßig dan e f nur fürchte er, daß der Abg. von Kardorff alsdann in seinen Wahlreden nicht mehr so viel Auf⸗ hebens von dieser Steuerreform machen könne. Man verlange allerdings noch 200 lillionen weiterer indirekter Steuern; ehe diese aber bewilligt würden, werde

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man . , m 1 wůre aus der ö. , i n, wenn Stag immer die vorgelegten Sten 533 von 1867 an adoptit y och der fi Grundsatz aller Steuer⸗ und Finanzpolitik, daß man nicht

er das nothwendigste Bedürfniß hinausgehe. Er hoffe, der Reichstag werde bei der Steuerbewilligung genau so zäh und vorsichtig sein und bleiben, wie derselbe es bigher gewesen sei. Ueber den Entwurf sei, wie er glaube, bereits genug gesprochen. Der nahe bevorstehende Schluß der Session werde das Reich hoffentlich vor weiteren derartigen Experimenten bewahren, die eine Gefahr für die gesammte Finanzgebahrung bildeten. Die Einsetzung einer Kommission halte er für überflüssig, da dieselbe doch nicht im Stande sein werde, in den wenigen Tagen vor Pfingsten einen Bericht über diese schwierige Frage zu erstatten. Wenn man in Preußen nicht einmal das harmlose Verwendungs⸗ 96 zugestehen wolle, das unter Zustimmung der Krone im

bgeordnetenhause angenommen sei, um eine Entlastung der direkten Steuern herbeizuführen, dann wisse er nicht, woher man Lust bekommen solle, auf dem Wege der Steuerreform weiter zu gehen. Dazu verlange man, daß der Reichstag künftig nur alle zwei Jahre zusammenkommen solle. Immer mehr Steuern, immer weniger Rechte des Volkes! Das sei ein Programm, welches niemals durchzuführen sei. Stelle man sich mit seiner Partei auf gemeinsamen Boden; gebe man dem Reichstag konstitutionelle Garantien, daß das, was man hier bewillige, Zug um Zug den Einzelstaaten zu Gute komme. So lange dies nicht geschehe, würden er und seine politischen Freunde auf weitere Steuerreform nicht eingehen.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Unter⸗Staatssekretär Scholz das Wort:

Der preußische Herr Finanz⸗Minister bedauert sehr, daß es ihm vor 2 Uhr nicht mehr möglich gewesen ist, das Wort zu erbitten, um in einer Beziehung dem Herrn Vorredner zu antworten. Er hat zu dieser Stunde das Haus verlassen müssen und ich folge seinem Ersuchen, indem ich Nameng desselben erkläre, die Steuerreform für Preußen ist in Bearbeitung begriffen; auf die Einzelheiten derselben kann hier natürlich nicht eingegangen werden; es wird aber gehofft, die Steuerreform dem preußischen Landtage im Herbst dieses Jahres vorzulegen.

Ich benutze die Gelegenheit zugleich, um dem Angriffe zu be gegnen, den der Hr. Abg. Rickert auf mich persönlich gemacht hat, daß ich vorgestern und heute über diese speziellen preußischen Ver⸗ hältnisse hier so ausführlich gesprochen hätte; ich bitte die Herren sich zu vergegenwärtigen, was dieser Vorwurf in der Sache nun eigentlich beweist.

Ich habe vorgestern die Ehre gehabt, auszuführen, daß die Details der Finanzreform, die in den einzelnen Staaten mit den Erträgnissen der indirekten Steuer durchgeführt werden soll, hier nicht erörtert werden könne, daß das den Einzelstaaten und den Landtagen zukomme. Wenn nun der Hr. Abg. Rickert sagt: wir können doch hier nicht immer von Preußen sprechen, wir können nicht die bayerischen, badischen u. s. w. Spezialbedürfnisse hier zur Sprache bringen, es ist ja unmöglich, das im Reichstage zum Austrage zu bringen, so freue ich mich also aufrichtig dieser vollständigen Ueber⸗ einstimmung mit der Auffassung der Regie ung, die nicht blos im vorigen, sondern auch in diesem Jahre wiederholt gerade ebenso geltend ge⸗ macht worden ist. Aber so wie von dieser Voraussetzung nun aus⸗ gegangen wird und die Regierung die 25 detaillirten Programmg nicht in der Lage ist, Ihnen hier vorzulegen, erhebt sich sofort der Vorwurf: mit lauter all semeinen Redensarten werden die Ziele nur angedeutet, wenn wir nicht ein ziffernmäßiges genaueg Programm haben, bewilligen wir keine Steuern.

In diesem ritiösen Zirkel bewegen wir uns; und es wäre da⸗ nach freilich natürlich, daß das endgültige Verdikt ausgesprochen würde, über den Versuch überhaupt, Einnahmequellen dem Reich zu schaffen, um den Einzelstaaten zu helfen.

Der Abg. Dr. Schröder (Friedberg) erklärte, er stehe im Ganzen auf dem Boden des Abg. Rickert, dem Reiche dürften durchaus die nöthigen Bedürfnisse nicht versagt werden, in⸗ dessen drohe die Gefahr, daß die Liebe zu dem Reiche im ge⸗ bildeten Bürgerstande immer mehr abnehme, da der Unmuth und die Verstimmung über die fortwährende Forderung neuer Steuern stetig wachse. Man dürfe nicht mehr stückweise

Steuer auf Steuer bewilligen, es müsse durchaus ein be⸗ Derartige Vorlagen

stimmter Steuerplan vorgelegt werden. seien nicht geeignet; das Ansehen der Regierungen zu fördern. Die Vorlage sei auch von den verbündeten Regierungen nach der Geschäftslage dieses Hauses für diese Session zu spät ein⸗ gebracht. Alle Worte, die hier über die Vorlage gefallen seien, seien nur Aeußerungen des berechtigten Unmuthes, der Ver— stimmung und der Kritik über das Gesammtvorgehen der Regierung gewesen. Er wolle auch die mobilen Werthe an der Börse entsprechend versteuern, das sei aber kein Akt der Steuer⸗ reform, sondern der ausgleichenden Gerechtigkeit. Er müsse aber dem Irrthum entgegentreten, als würde durch diese Steuer der Grundbesitz wesentlich entlastet; die Pfandbriefe bildeten einen beträchtlichen Theil des stempelpflichtigen Börsenverkehrs. Man habe in seinem Heimathslande mit nicht zu drückenden direkten Steuern ohne Defizit regiert, wenn das in Preußen nicht möglich sei, so liege das hauptsächlich an dem mangel⸗ haften Budgetrecht des preußischen Abgeordnetenhauses. Die Einzelheiten dieser Vorlage bedürften einer kommissarischen Prüfung. Die Quittungssteuer habe im Volke eine schwere Verstimmung erregt, man halte sie für eine vexatorische Steuer namentlich für die kleinen Leute. Diese Steuer sei auch auf allen Seiten des Hauses mißbilligt worden. Wenn die Regierung so wenig Fühlung mit dem Reichstage habe, daß sie dieses Resultat nicht vorausgesehen habe, so könne er das nur bedauern. Die Lombardsteuer werde namentlich das mittlere Kapital schwer treffen. In Betreff des Stempels ö. Lotterieloose müsse er doch die Anomalie hervorheben, daß man trotz dieser Steuer das Lotteriespiel in anderen Bundesstaaten verbiete. Er wünsche, daß diese Vorlage an eine Kommission gehe und daß man in dieser Session nichts mehr von derselben höre.

Der Bundeskommissar Geh. Ober⸗Finanz⸗Rath Girth ent⸗ gegnete, es sei richtig, daß die jetzige Dorlage in wesentlichen Punkten von den früher gemachten abweiche und zwar zunächst in Betreff der Schlußnoten und der ausländischen Werthpapiere. Die früheren Vorlagen hätten für die Schlußnoten feste Sätze von 10 bis 25 3 gehabt. Ein solcher Satz hätte aber nicht der immer mehr im Volke sich geltend machenden Ansicht ent⸗ sprochen, daß eine Besteuerung der Börsengeschäfte im if. der ausgleichenden Gerechtigkeit erfolgen müsse. Gebe man das zu, so komme man nothwendig auf die im Entwurf vor⸗ gelegte Abstufung, die die Regierung ftir durchaus durch⸗ führbar halte. Das wäre aber nicht der Fah wenn von den Schlußnoten eine unbegrenzte prozentuale Abgabe erhoben würde. Das hätten die Erfahrungen anderer Länder be⸗ wiesen. Ein solches Verfahren würde die Anwendung ge⸗ stempelter Formulare nicht gestatten und so den Börsen⸗ verkehr einer schwierigen und lästigen Kontrole unterwerfen. Man habe den Ertrag dieser Abgabe auf Schlußnoten in

. .

gehabt.

21* 5 ö , 1

Frankreich auf 154 Millionen Francs , Das könne

nicht richtig sein, denn 1873 hätten in Frankreich sämmt⸗ liche Stempeleinnahmen nur 137 Millionen Francs betragen. Eine solche Angabe lasse sich überhaupt nicht machen, weil die Natur der Erhebung durch Stempelmarken es ausschließe zu konstatiren, wie viel für eine bestimmte Art von Urkunden verwendet worden sei. So könne man auch für England nur den Verbrauch sämmtlicher Pennystempel konstatiren, der 1875 circa 16 293 000 S½ꝰ betragen in In Betreff der inlän⸗ dischen Werthpapiere habe man den Vorwurf erhoben, daß die Schuldverschreibungen auf den Inhaber des Grundbesitzes und der kommunalen Verbände einer höheren Steuer als bisher unterworfen würden. Diese Erhöhung würde aber mehr als ausgeglichen durch die Verbesserung der Lage dieser Effekten, welche aus der gleich hohen Besteuerung aller aus⸗ ländischen Effekten resultire. Zudem sei der für den Grund⸗ besitz so wichtige Hypothekarkredit trotz der Besteuerung der auswärtigen Papiere in dieser Vorlage nicht schlechter als bisher in der Stempelsteuer gestellt worden. Man habe ge⸗ klagt, daß die . fremder Werthpapiere durch diese Vor⸗ lage schwer getroffen würden, dadurch, daß sie eine rück⸗ wirkende Kraft habe. Das treffe nicht zu. Es handele sich hier nur um eine Umsatzsteuer. Der bisherige Besitzer habe die Steuer erst zu zahlen, wenn derselbe seine ausländischen Papiere verkaufe; derselbe habe sogar in dieser Vorlage einen ewissen Schutzzoll gegen die nach dem Inkrafttreten des Ge⸗ e, aus dem Auslande eingeführten fremden Werth⸗ Für die von allen Seiten angegriffene Quittungs⸗ steuer müsse er noch eintreten. Man sage, sie treffe vorzugs— weise den kleinen Verkehr. Das sei unrichtig. Sie treffe den Gewerbetreibenden und diejenigen, welche Erträge aus Grundbesitz und Zinsen von Kapitalien bezögen. Der Beamte und der Arbeiter käme nur selten in die Lage, eine Quittung auszustellen, denn der gesammte Geschäftsverkehr gegen Baar sei ja von der Steuer frei. In England bestehe die Quittungssteuer seit Jahrzehnten, in Frankreich sei sie jünger. Man habe dort ihren Ertrag im Budget von 1873 auf 10 Mill. Francs veranschlagt, thatsächlich habe sie 1875 schon 14 251 060 Francs gebracht. Das sei ein Beweis, mit welcher Leichtigkeit der Berkehr sich an diese schwer erzwing⸗ bare Abgabe gewöhne. Gegenüber den Bedenken theoretischer Natur sollte man diese praktischen Ergebnisse nicht unterschätzen. Die Quittungssteuer sei eine billige und gerechte Abgabe und eine zweckmäßige Ergänzung der übrigen vorgeschlagenen Stempelsteuern. Er em⸗ pfehle sie der wohlwollenden Erwägung dieses Hauses. Man habe ferner die Art der Kontrole bemängelt, welche die Vor⸗ lage vorschlagen. In Frankreich müßten zum Zwecke der Stempelrevision ebenfalls, wie die verbündeten Regierungen es hier verlangten, sämmtliche Versicherungs⸗ und Aktien⸗ gesellschaften auf Erfordern ihre Bücher dem Vorsteher des Enregistrementsbureaus vorlegen. Aehnliche Vorschriften be—

papiere.

ständen, ohne große Belästigung zu verursachen, in verschiede⸗

nen deutschen Bundesstaaten. Es handele sich dabei ja mehr um die Konstatirung von Irrthümern als von Kontraventionen. Es sei auch kein Eindringen in Privatangelegenheiten, denn die Verwaltung solcher Institute unterliege auch sonst einer gewissen öffentlichen Kontrole. In der Kemmission werde er jede weitere Auskunft über die Details und namentlich über die ausländischen Stempelgesetzgebungen geben.

Der Abg. von Kardorff erklärte, er glaube nicht, daß das außerordentlich schwierige Gesetz, das einer gründlichen Kommissionsberathung bedürfe, noch in diesem Jahre zu Stande komme. Er sei persönlich ein Anhänger der Quittungs⸗ steuer, obwohl seine Fraktion viele Gegner derselben zähle. Die ubrigen Theile des Gesetzes aber werde dieselbe annehmen. Der Abg. Rickert habe mit Unrecht behauptet, die preußischen direkten Steuern von 1820 seien nicht höher gewesen, wie die

heutigen; vergesse derselbe denn, wie ungeheuere Kommunal⸗ steuern in der Zeit hinzugekommen seien? In der Statistik von Herrfurth, mit der derselbe beweisen wolle, daß die Städte von den Kommunalsteuern schärfer gedrückt würden als das platte Land, seien sämmtliche ländliche Gutsbezirke, deren es in Preußen 15 2650 gebe, ausgelassen. Er lebe in einer Gemeinde von

seit 25 Jahren. Niemals habe diese eine öffentliche Armenpflege Das liege zum Theil an dem schönen Familiensinn der Einwohner, die ihre Angehörigen selbst verpflegten, zum Theil aber auch daran, daß er von den 50 Familien seines Gutsbezirks keinen Arbeiter wegen Alters oder Arbeittzunfähigkeit auf die Straße gesetzt habe; dadurch habe er doch auch ein Stück Armenpflege getragen, von der in dem Buche von Herrfurth nichts stehe. Er verzichte also auf die Statistik des Abg. Rickert, bis derselbe ihm (dem Redner) nachgewiesen habe, daß er über die Sache gründlicher nachgedacht habe und mehr davon wisse, als er bisher bewiesen habe. Der Abg. Rickert meine, eine Ueberweisung von 50 Prozent der Grundsteuer sei fast gar nichts; frage man doch die einzelnen Kreise, sie würden sagen, daß sie das für eine sehr große und wirkfame Erleichterung hielten. Der Abg. Rickert setze voraus, daß das preußische Gesetz über die Verwendung der Reichs⸗ Üüberschüsse auf Schwierigkeiten stoßen würde; ihm (dem Redner) sei nichts davon bewußt und seine Partei habe sei⸗ nen Standpunkt dien Gesetz gegenüber immer unter⸗ stützt. Der Abg. Rickert habe es endlich für etwas unerhörtes gehalten, daß seine Partei die Regierung dazu dränge, die direkten Steuern durch indirekte zu ersetzen. Das sei aber der Weg, den alle civilisirten Länder zu ihrem größten Vortheil gegangen seien. Frankreich würde die hohe Steuerlast jetzt gar nicht ertragen können, wenn es sich nicht eines so ausgebildeten Systems von indirekten Steuern er⸗ freute. Wenn der Reichskanzler nur mit einem festen Pro⸗ gramm hervortreten möchte, in welchem die Ueberweisung von Grund⸗ und Gebäudesteuer an die Kommunen, und die Er⸗ mäßigung der , , . auf ein Drittel, wohei er (Redner) die unterste Stufe nicht befreit wünsche, in Aussicht gestellt und klar ausgesprochen würde, durch welche indirekten Steuern diese direkten zu ersetzen seien, dann möchte er wissen, ob der Reichskanzler Recht behalten würde oder die liberale Partei mit ihren Doktrinen.

Die Diskussion wurde geschlossen und nach einigen persön⸗ lichen Bemerkungen die Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen.

Es folgte die zweite m , des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Küstenfrachtfahrt. Die §§. 1, 2 und 4 wur⸗ den gemeinsam berathen; dieselben lauten:

§. 1. Das Recht, Güter in einem deutschen Seehafen zu

Fladen und nach einem anderen deutschen Seehafen zu befördern,

um sie daselbst auszuladen (Küstenfrachtfahrt), steht ausschließlich deutschen Schiffen zu. 1

00 Einwohnern s Gemeinde in dieser Zeit

S8. 23. Ausländißhen Schiffen kann dieses Recht durcb Staatz Antrage vorgesehen. Er hätte gern die Regierung noch mehr

vertrag oder durch Kaiserst Bundezraths eingerãumt . mit Zustimmung deg

5. 4. Bestehende vertragszmäßi Küftenfrachtfahrt werden 8 Heer n erer 66

ierzu beantragten die Äbgg. Br. Roggemann und Schlu⸗ 2 ö . 1 und 2 der gare. zu ö und als §. 1 In' einem deutschen Seehafen geladene Güt i =

deren deutschen Seehafen zu . ö 33. .

, ist ausländischen Schiffen gleich den deuffchen

Es kann jedoch durch Kaiserliche Verordnung mit Zustim— mung des Bundesraths für Schiffe , ,, 2 hegt n. deutschen Schiffe von der Küstenfrachtfahrt gan oder theilweise ausschließen oder ihnen dieselbe nur unter erschwerenden Bedin. . die Küstenfrachtfahrt ganz oder theilweife unter⸗ Der Abg., Dr. Beseler beantragte: 1) 8. 1 das Wort „ausschließlich« zu streichen; 2) 5. 2 als . Absatz hin⸗ zuzufügen: „Bei der Einräumung dieses Rechts foll in der Regel der Grundsatz der Gegenseiligkeit Anwendung finden.“

Der Abg. Udo Graf zu Stolberg beantragte statt „aus— schließlich“ im 5. 1J zu setzen „allen“ und den Antrag Beseler ub 3 folgendermaßen 9 fassen „Dieses Recht soll in der Regel ausländischen Schiffen eingeräumt werden, wenn und insoweit dasselbe in deren Heimathslande deutschen Schiffen in gleichem Umfange kund ohne erschwerende Bedingungen ge⸗ währt wird.“

Der Referent Abg. Mosle bemerkte, die Kommission habe nach eingehender Erwägung der Nothwendigkeit und Zweck— mäßigkeit des Gesetzes beschlossen, die Regierungsvorlage un⸗ verändert anzunehmen, und zwar mit 5 gegen 4 Stimmen. Die der Kommission vorgelegten Anträge, die aber nicht so— weit gegangen seien, als die heute gestellten neuen Anträge, seien von der Kommission mit demselben Stimmenverhält⸗ niß verworfen worden. Der sogenannte commerce dq'echelle oder Staffelhandel werde von dem Gesetze nicht berührt. Gegen die Nothwendigkeit, die einschlägige Gesetzgebung Deutsch— lands einheitlich zu regeln, habe fich hier und in der Kom⸗ mission bisher keine Stimme erhoben. Dagegen sei man nicht in gleicher Weise einig gewesen über die Zweckmäßigkeit gewisser in den drei hier zur Diskussion stehenden Para⸗ , g enthaltener Bestimmungen. Ein Antrag auf gänz— iche Freigebung der Küstensrachtfahrt sei nicht gestellt worden, obgleich dies hier in der ersten Lesung besprochen sei und eine Reihe von Petitionen, namentlich von den Handelskammern an der Ostsee, von Königsberg und Danzig, auch vom Vor— stand des nordischen Vereins in Danzig es beantragt hätten. Dagegen habe die Kommission das Gegenseitigkeitsprinzip im Gesetz als vornehmsten Punkt hinstellen wollen, um dadurch dem Reichstage das Recht zu wahren, wenn das Gegenseitigkeits⸗ prinzip nicht beobachtet würde, die Regierung zu interpelliren, weshalb dies nicht geschehen sei. Die Betheiligung der frem—

den Schiffe an der deutschen Küstenfrachtfahrt sei faktisch nur

eine ganz unbedeutende, gegenüber den 20006 deutschen Schiffen, die 1876—1878 im Durchschnitt gefahren hätten, ständen 1620 fremde, darunter 1050 dänische Schiffe, letztere meist wahre Nußschalen, die an der schleswig-holsteinischen und dänischen Küste hin⸗ und herführen. Im Jahre 18783 sei die Betheiligung der fremden Schiffe an der deutschen Küsten⸗ frachtfahrt 5is. Prozent der Segelschiffe und 3 bis 4 Prozent der Dampfschiffe gewesen. Wie könne man da behaupten, daß, wenn eins dieser Schiffe von der Küstenfahrt aus— geschlossen würde, die Konsumenten leiden, die Fracht⸗ beträge steigen würden, zumal die deutsche Segelschiffahrt, wie allseitig zugegeben werde, an Mangel an Beschäfti⸗ gung leide. In diesem Punkte hätten die Petitionen aus einer Mücke einen Elephanten gemacht. Auch wegen der be— fürchteten Repressalien könne er das Haus beruhigen. Die Kommission wolle Niemanden zu nahe treten, der Deutschland nicht selbst zu nahe trete und er wüßte nicht die Repressalien anzugeben, die Deutschland drücken könnten. Mit China und Japan seien Verträge festgestellt und gleichzeitig mit England und Amerika verabredet; ein Bruch derselben würde wahr—⸗ scheinlich einen Krieg Chinas mit der ganzen civilisirten Welt herbeiführen. In den Vereinigten Staaten, Frankreich, Spanien und Portugal sei die Anwendung des Gesetzes ver⸗ boten, mit Italien, Schweden und Oesterreich habe Deutsch⸗ land Verträge, die dem Deutschen Reiche die Meistbegünsti⸗ gung sicherten. vor Repressalien fürchten. Das Recht des Reichstags, die Re— gierung wegen Nichteinräumung des Meistbegünstigungsrechts an eine Nation zu interpelliren, bleibe auch bei , Fassung des Gesetzes bestehen. Aber eine solche Frage an die Re⸗ ierung würde den Reichstag in eine schiefe Lage bringen, elbst wenn die Frage durch eine Erhöhung der Frachten be⸗ gründet wäre. Das Prinzip dieses Gesetzes sei auch bei der Fischerei festgehalten; das unbefugte Fischen in deutschen Ge⸗ wässern sei im Strafgesetzbuch verboten. Der Antrag Beseler gäbe dem §. J einen nichtssagenden Wortlaut. Auch den An⸗ trag des Grafen Stolberg halte er für einen verfehlten, da es sehr schwer sei, festzustellen, ob die Gegenseitigkeit in einem anderen Lande in jeder Beziehung gewahrt sei. Wie der An⸗ trag Roggemann motivirt würde, werde er abwarten; er könne

nach dem Gesagten nur rathen, alle Anträge abzulehnen und

die 5§. 1, 2 und 4 unverändert anzunehmen.

Der Abg. Dr. Roggemann befürwortete seinen Antrag. Die Vorlage wähle von den drei Wegen zur Regelung der deulschen Rhederei an der Küste den allerschlechtesten; selbst vom Standpunkt des Schutzes der nationalen Arbeit aus könne man ihn nicht vertheidigen. Nach den Tabellen, welche die Theilnahme der fremden Flaggen an der heimischen Küsten⸗ fraͤchtfahrt ersichtlich machten, betrage der Antheil 7 Proz. und man werde doch nicht im Ernste glauben, mit diesen der deut⸗ schen Rhederei überhaupt aufhelfen zu können. Selbst die englische und 6 m Konkurrenz habe nichts Erschreck⸗ liches. Sein Antrag habe den Vorzug, daß derselbe sich an die in den europäischen Staaten bestehenden Zustände an⸗ schließe. Außerdem würde nach der Regierungsvorlage die Regierung ir ig sein, ein Verzeichniß Derer zu mn , denen die Küstenfrachtfahrt gestattet sei. Das sei aber sehr schwer. Es sei doch sehr e n , im §. 1 den Grundsatz auszusprechen, daß ausländische Schiffe von der Küstenfrachtfahrt auszuschließen seien. Die deutsche Rhederei habe doch das rößte Interesse daran, daß überall die Küstenfrachtfahrt frei ei, man begreife daher gar nicht, daß die Regierung dieses

nteresse so verkenne, um das entgegengesetzte Prinzip zum usdruck zu bringen. Es möge ja in einzelnen Fällen wün⸗ schenswerth sein, bestimmte inge, von der Küstenfrachtfahrt auszunehmen, und diese Möglichkeit habe er auch in seinem

Man solle überhaupt sich nicht immer so sehr

vinkullrt, da er nicht die Vertrauengseligkeit des Referenten besitze, er habe aber den Antrag so formuliren wollen, daß derselbe eine möglichst große Majorität finden könne. In der Kommission habe er einen Antrag gestellt, welcher das Prinzip der nackten Reziprozität zum Ausdruck gebracht habe, dagegen sei eingewendet, daß es sehr schwer sein würde, in einzelnen Fällen festzustellen, ob wirklich die materielle Reziprozität gewährt werde. Er habe das nicht für so schwer gehalten. Gegen seinen Antrag sei vielleicht der Einwand zu machen, daß ein Staat, dessen Flagge von Deutschland nach Maßgabe des Absatzes 2 von der Küstenfrachtfahrt ausgeschlossen werde, darin eine Feindseligkeit erblicke. Er denke aber, man könne es nicht als einen Akt der Feindseligkeit auffassen, wenn einem das verweigert werde, was man selbst nicht gewähre. Was seinen Antrag von der Vorlage unterscheide, sei, daß die Re⸗ gierung nicht andere politische Vortheile als die Gewährun

der Küstenfrachtfahrt von einem anderen Staate für die Frei⸗

gabe derselben an den deutschen Küsten ausbedingen könne

und so auf Kosten der deutschen Rhederei andere politische wecke erreichen könne. Sein Antrag schließe sich an das be⸗ tehende Prinzip an, welches in allen Staatsverträgen über die Frachtfahrt zum Ausdruck gekommen sei. Gerade die⸗ jenigen Kreise, denen mit diesem Gesetze ein beneficium er— wiesen werden solle, hätten sich mit Ausnahme einer einzigen Petition im Sinne seines Antrages ausgesprochen und er bitte das Haus ganz dringend, demselben zuzustimmen. ö nr n nf ergriff der Staats-Minister Hofmann das ort: Meine Herren, gestatten Sie mir, mit wenig Worten die Stel⸗ lung der Regierung zu den vorliegenden Abänderungsanträgen zu be⸗ zeichnen, und zwar zunächst zu dem Antrage, den der Herr Vor⸗ redner begründet hat. Ich gebe dabei von vorn herein zu, daß, wenn dieser Antrag angenommen, und das Gesetz in dieser Weise erlassen werden sollte, der schließliche praktische Effekt fast derselbe fein würde, wie wenn das Gesetz in der Form der Regierungsvorlage angenommen wird. Denn, meine Herren, ob man den Grundsatz der Freiheit der Küstenfrachtfahrt an die Spitze stellt, und der Re⸗ gierung das Recht giebt, Ausnahmen zu machen, oder ob man, wie die Regierungsvorlage es thut, die Ausschließung der fremden Schiffe, unter Vorbehalt der Küstenfrachtfahrt für die na— tionale Flagge an die Spitze stellt und der Regierung die Möglichkeit gewährt, von diesem Prinzip Ausnahmen zu machen, das kann schließlich zu demselben Resultat führen, und da für die Re—⸗ gierung in der Regel die Reziprozität der Maßstab sein würde, nach dem sie fremde Schiffe behandelt, so glaube ich in der That, daß be— züglich der künftigen Gestaltung unserer Küstenfrachtfahrt ein wesent— licher praktischer Unterschied zwischen dem Vorschlage der Hrn. Abgg. Dr. Roggemann, Schlutow und Genossen und der Regierungs⸗ vorlage nicht besteht. Demnach, meine Herren, bitte ich Sie, diesen Antrag zu verwerfen, und zwar aus fol— genden Gründen. Den ersten Einwand, den ich dagegen zu erheben habe, hat der 4. Vorredner selbst bereits bezeichnet; er besteht darin, daß, wenn Sie diesen Antrag annehmen, die Regie—⸗ rung immer in die Lage kommt, von der ihr hier gegebenen Befug⸗ niß in der Richtung Gebrauch machen zu müßen, daß sie einen be— stimmten Staat ausschließt von der Wohlthat, die das Gesetz gewährt, während umgekehrt nach dem Vorschlage der Regierung die Regierung in der Lage ist, fremde Staaten zur Ausübung einer Befugniß zu zulassen, welche das Gesetz ihnen nicht gewährt. Es liegt auf flacher Hand, daß für unser Verhältniß zu fremden Staaten der Zu stand, wie die Regierungsvorlage ähn schaffen will, bei weitem der erwünschtere ist.

Der Hr. Abg. Dr. Roggemann hat auf die Schwierigkelten hin gewiesen, ein Verzeichniß der Staaten aufzustellen, deren Schiffe zur Küstenfrachtfahrt in Deutschland zugelassen werden sollen. Ich glaube nicht, daß solche Schwierigkeiten bestehen, und jedenfalls werden sie nicht so groß sein, daß es sich deshalb empfehlen könnte, die Regierungsvorlage abzulehnen. Es wird der Regierung keine Schwierigkeit machen, diejenigen Staaten zu be— zeichnen, und sie wird sich dabei von dem Grundsatz der Rezi⸗ prozität als der Regel leiten lassen deren Schiffe ohne weiteres zuzulassen sind. Sie braucht dann diejenigen Staaten, die sie aus

schließen will, nicht zu nennen, und das ist ein Vortheil für die Ausführung des Gesetzes.

Es kommt aber mit hinzu, daß der An⸗ trag Roggemann und Genossen die Regierung zu sehr bindet. Es ist von dem Herrn Vorredner selbst der Ausdruck gebraucht worden, er hätte am liebsten gesehen, wenn man die Regierung in ibrem Verhältniß zu fremden Staaten noch mehr hätte binden können. Gebunden wäre die Re⸗ gierung nach dem vorliegenden Antrag dadurch, daß es ihr nicht ge⸗ stattet sein soll, fremde Schiffe von der Küstenfrachtfahrt in Deutsch⸗

land auszuschließen, sobald der fremde Staat die Reziprozität ge—⸗

währt. Hiernach würde der fremde Staat selbst darüber zu entschei⸗ den haben, ob seine Schiffe zur Küstenfrachtfahrt in Deutschland zugelassen werden, er braucht nur unsere Schiffe bei sich zuzulassen. Das letztere hat vielleicht für uns wenig oder keinen Werth; trotzdem müssen wir seine Schiffe zulassen, obgleich er uns in anderen Dingen vielleicht durchaus feindselig gegenüber tritt.

Der Herr Vorredner hat weiter gemeint, eg könnte von der Befugniß, wie sie von der Regierung nach dem Entwurf beigelegt werden soll, zum Nachtheil der Rhederei Gehrauch gemacht werden, indem man von fremden Staaten sich andere Vortheile, die nicht auf dem Gebiet der Schiffahrt liegen, ausbedingen wolle und als Mittel dazu die Verweigerung der Zulassung zur Küstenfrachtfahrt benutze. Der Herr Vorredner ist dabei, wie mir scheint, von einer mißver⸗ ständlichen Auffassung ausgegangen; denn wenn die Regierung einem fremden Staat die Zulassung zur. Küstenfracht⸗ fahrt in Deutschland verweigert, so geschieht das doch nicht auf Kosten der dentschen Rhederei. Der Rhederei kann es immer nur nützen, wenn die Konkurrenz der fremden Schiffe ausgeschlossen ist, wiewohl ich das keineswegs als Motiv des Gesxetzes binstellen will; das habe ich schon bei der ersten Berathung gesagt. Ob die deutsche Rhederei durch den Ausschluß der fremden Erg. von der Küstenfrachtfahrt wirklich einen großen Vortheil haben wird, lasse ich ganz dahingestellt. Denn ich muß ja zugeben: die Betheili⸗ gung der fremden Schiffe bei der Cabotage an den deutschen Küsten ist sehr gering; ob es 7o/so oder etwas mehr oder weniger sind, darauf kommt es nicht an; ich gebe zu, die Betheiligung ist minimal. Aber gerade deshalb ist auch die Befürchtung, mit der man immer operirt, daß nun die fremden Staaten in Folge dieses Gesetzes, wie es die Regierung vorschlägt, ihrerseits zu Repressalien vorgehen würden, unbegründet. Wenn Sie die beiden Verzeichnisse ansehen, die der Vorlnge beigefügt sind, so werden Sie finden, daß gerade die fremden Staaten, an deren Küsten die deutschen Schiffe stark bei der Cabotage betheiligt n namentlich also die trangatlantischen Länder, an den deutschen Küsten überhaupt keine Schiffahrt betrei⸗ ben, daß sie also von diesem Gesetze überhaupt nicht berührt werden. Ich möchte Sie bitten, meine Herren, lassen Sie sich durch die Be⸗ fürchtung, daß etwa China oder daß die westindischen Inseln Länder, die von diesem Gesetze überhaupt nicht berührt werden Repressalien gegen un ergreifen könnten, lassen Sie sich durch diese Befürchtungen nicht abhalten, dem Entwurfe beizustimmen.

Wenn die , die Vollmacht bekommt, die sie in dem Entwurfe, wünscht, so ist es ihr möglich, in einer durchaus freundschaftlichen Weise das Verhältniß zu allen Staaten zu ordnen, während, wenn der Antrag des Hrn. Abg. Dr. Roggemann angenommen würde, die Regierung von vornherein in eine feindselige Stellung gegen diejenigen Staaten gebracht würde, welchen sie die Zulassung zur Küstenfrachtfahrt verwelgern muß.

Meine Herren! Ich habe mir bereits zu bemerken erlaubt, daß materiell die Regierung damit einverstanden ist, wenn als Regel der

Grundsatz der Renipronttät befolgt werde. Wenn Sie aber wünschen, daß dieser Grundsatz in dem Gesetz Ausdruck finde, dann möchte ich bitten, es nicht in der Form des Roggemannschen Antrags zu thun, gegen den die von mir schon erwähnten Bedenken sprechen, sondern vielmehr in der Form, die durch die Abänderung anträge der Herren Abgg. Dr. Beseler und Graf zu Stolberg bezeichnet ist.

Was den Antrag Beseler betrifft, in dem ersten Paragraphen das Wort ausschließlich zu streichen, so hat Ihnen der Herr Re ferent schon die Gründe angegeben, autz denen ein solcher Antrag kei⸗ nen Beifall finden könne. Denn, wenn man das Wort augschließ⸗ lich wegläßt, so hat der 5. 1 in der That keinen rechten Sinn. keine Bedeutung mehr, er verliert vollständig seine Schneide, wenn ich mich so augdrücken darf. Das hat auch der Hr. Abg. Graf zu Stolberg gefühlt und deshalb vorgeschlagen, an die Stelle des Wortes austzschließlich? das Wort alle“ zu setzen. Dadurch wurde nur wiederholt, was als Grundsatz schon in Art. 54 der Verfassung steht. Ich halte es nicht für zweckmäßig, dassenige, waß in der Verfassung vollständig klar und deutlich ausgesproch en ist, nochmals im Gesetze auszusprechen. Ich möchte deshalb Ihnen anheim geben, den ersten Antrag des Hrn. Abg. Beseler und auch den erssen Antrag des Hrn. Abg. Grafen Stolberg nicht anzuneh⸗ men, vielmehr §. 1 des Gesetzes, so wie ihn die Vorlage enthält, an- zunehmen. Vorausgesetzt, daß Sie das Gesetz nur unter der Bedingung an⸗ nehmen wollen, daß das Prinzip der Gegenseitigkeit darin ausgedrückt wird, so wird es sich weiter fragen, ob dies geschehen soll in der Form, die der Hr. Abg. Beseler vorgeschlagen hat, oder in der⸗ jenigen, die in Nr. 139 der Drucksachen vom Hrn. Abg. Grafen Stol⸗ berg Wernigerode beantragt ist. In dieser Beziehung würde es für die Regierung gleichgültig sein, welche Fassung Sie wählen, indessen scheint mir diejenige des Hrn. Grafen Stolberg Wernigerode ihrer größeren Präzision wegen sich mehr zu empfehlen. Ich möchte also, meine Herren, mich dahin resumiren, daß ich natürlich in erster Linie, dem Kommissionsantrage entsprechend, Sie bitte, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Wollen Sie aber dem Entwurf nur unter der Bedingung zustimmen, daß der Grundsatz der Reziprozität darin aufgestellt wird, so stelle ich anheim, dies in der Form zu thun, welche der Hr. Graf Stolberg Wernigerode beantragt hat.

Der Abg. Dr. Beseler erklärte, die Aufregung, welche in den betheiligten Kreisen durch die Regierungsvorlage hervor⸗ ere, sei, könne nur dadurch beseitigt werden, daß man das

rinzip der Reziprozität voll und ganz zur Durchführung bringe. Die Fassung des Antrages des Abg. Roggemann könne er für keine glückliche halten, da die der Regierung darin gewährte Befugniß eine zu große sei. Gegen seinen Antrag, betreffend die Einschiebung des Wortes „ausschließ⸗ lich“ habe sich Widerspruch erhoben, doch könne er sich mit dem Antrag Stolberg, das Wort „allen“ statt dessen einzu⸗ schieben, einverstanden erklären. Er bitte den Antrag des Grafen Stolberg anzunehmen und ziehe er daher seinen An⸗ trag zurück.

Der Abg. Udo Graf zu Stolberg-Wernigerode empfahl seinen Antrag. Er könne sich um so kürzer fassen, da ja be⸗ reits der Abg. Beseler denselben als eine redaktionelle Ver⸗ besserung des von ihm (dem Abg. Beseler) gestellten Antrages be⸗ zeichnet und den seinigen zu dessen Gunsten zurückgezogen habe. Im Uehrigen glaube er (Redner), daß das Gesetz auf der linken Seite dieses Hauses nur darum solchem Mißwollen begegne, weil ein gewisser Schmerz über den im vorigen Jahre be⸗ schlossenen Zolltarif noch nachklänge. Das sei zwar psycho⸗ logisch erklärlich, aber sachlich unbegründet. Er bitte daher das Gesetz mit seinem Antrage anzunehmen.

Hierauf wurde die Diskussion geschlossen; nach einem kurzen Schlußwort des Referenten Abg. Mosle, wurde der Antrag Roggemann angenommen, womit die übrigen Anträge und der Kommissionsantrag erledigt waren. Auch die übrigen Paragraphen wurden ohne Debatte nach der Vorlage unver⸗ ändert genehmigt und die bezüglichen Petitionen durch diesen . erledigt erklärt. Hierauf vertagte sich das Haus um ö.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Von dem Prachtwerk Spanien, in Schilderungen von Theodor Simons, illustrirt von Prof. Alexander Wagner in München (Berlin, Verlag von Gebrüder Pätel. Preis 2 M pro Lieferung) ist die 3. und 4. Lieferung erschienen. Dieselben enthalten die Schilde⸗ rung von Zarggoza und Madrid. Die Textillustrationen zeigen die Wappen und Ansichten dieser Städte, sowie die interessantesten Bau⸗ denkmäler, Typen u. s. w. Als Tondruckbilder sind beigefügt: spa—⸗ nische Post bei Toledo, Kreujgang von der Kirche San Juan de los Reyes, Portal des Hospieio in Toledo, Aesopus, Gemälde von Velasquez in der Gallerie zu Madrid.

Joseph Bger K Co. in Frankfurt a. M. und in Paris haben soeben ein Supplement zu Lagerkatatez LXIX. u. LXX.: Stgatswissenschaft und Nationalskonomie“ ausgegeben. Dasselbe reicht von Nr. 10828 bis 11863 und enthält ein Verzeichniß von mehr als 1000 Schriften aus den genannten Ge- bieten. Dieselben betreffen Staatgwissenschaft und Nationalökonomie im Allgemeinen und verschiedene Zweige dieser Wissenschaften, Staats recht (.. B. absolutes Fürstenrecht), Statistik, Landeskulturgesetz gebung, Landwirthschaft, Gewerbe⸗ nebst Handwerkerordnungen und Zunftwesen, Handel. Geld., und Bankwesen, Finanzwesen (3. B. Steuer verfassungen, Staattzschulden, Zollwesen ꝛc. ). Muͤnzwesen, stän dische Verhältnisse (Verhandlungen der Landtage, Verfassungè kämpfe), Fürsten, hoher und niederer Adel, Städtewesen, Bauernrecht, Leib eigenschaft z. Sie beziehen sich theils auf Europa im Allgemeinen, (europ. Völkerrecht, europ. Staatsausgaben), tbeils auf die einzelnen Länder und Staaten Europas, wie guf Deutschland im Allgemeinen lallerhand deutsche Verhältnisse im Mittelalter, staatsrechtliche Ver- hältnifsse im 18. und 19. Jahrh. bis zum Wiener Kongreß und während der Zeit des Deutschen Bundes, sowie im Jahre 1848). die Verhandlungen der Bundes versammlung, sowie die des deutschen Parlament, Zollverein, auf mehrere deutsche Staaten zusammen diplom. Archiv der deutschen Bundesstaaten, Staatsr⸗ bt der deut- schen Reichslande), sowie auf einzelne deutsche Staaten, besonders den preuß. Staat (im Allgemeinen und die einzelnen Provinzen), außerdem auf Bayern, Württemberg, Sachsen, Baden, Hessen⸗Cassel, Hessen Darmstadt, Nassau, S.⸗Weimar, Schwarzb.Rudolstadt, das ehem. Königreich Westfalen, die Pfalz, die Hansestädte, und auf einige deutsche Städte (Nürnberg, Cöln u. s. w.), ferner auf die übrigen Staaten Europas (Oesterreich und Ungarn, Frankreich, England, Ita⸗ lien, Spanien, Portugal, Belgien, die Niederlande, Dänemark, Nor⸗ wetzen und Schweden, Rußland, Polen, Griechenland), endlich auf einige Stagten von Amerika (die Vereinigten Freistaaten von Nord amerika, Brasilien) und von Asien (China). Einige Schriften be⸗ treffen das alte Griechenland und das alte römische Reich. Die meisten der aufgeführten Werke gehören dem 19. Jahrhundert an; ziemlich viele sind aus dem 18, einige aus dem 17. und 16. Jahr- hundert. Sie sind in deutscher, französischer, englischer, italie⸗ nischer, spanischer, holländischer oder dänischer Sprache ver⸗ faßt. Unter ihnen befinden sich viele werthvolle, sowie auch mehrere seltene Schriften. Unter anderen finden sich hier die Werke von Carey, H. Grotiug, J. G. Hoffmann, List, Machiavelli, Mirabeau. Montes quieu, J. J. Moser, Martineau's Illastrations of Taration Eond. 1834. 5 vols), Neckers Compte rendu, Oldenburgerg Pan- dectae juris publ. Imperii Rom.- Germ. (1670), Pũtters Entwickelung d. Staat verfasf. d. teutschen Reichs (Us86), Schlözers Staate anzeigen (18 Bde.,), Süßmilchs Göttl. Ordnung in den Verände⸗ rungen des menschl. Geschlechts (4. . Stumpf Reichskanzler, Sylverius Germanus: Teutscher Reichs⸗Staat (2. Aufl. 1709), die Schriften von A. Smith, v. Treitschke, Zöpfl u. s. w.