1880 / 124 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 May 1880 18:00:01 GMT) scan diff

Dinge gemacht habe, und es wird gleichzeitig beigefügt eine Depesche des Kardinals Staatssekretärs vom 23. März, an den Nuntius, in welcher die richtige Interpretation des Breve enthalten ist. Bei der hohen Bedeutung dieses hohen Aktenstückes kann ich in dem jetzigen Augenblick keinen Anstand nehmen, Ihnen dasselbe mitzu⸗ theilen, weil es meiner Auffassung nach die eigentliche Vertheidigung der Vorlage enthält. Ich lese es Ihnen in deutscher Uebersetzung vor, das Original ist in italienischer Sprache. Also der entscheidende Passus dieser Depesche lautet folgendermaßen:

Als Gegenleistung für die Er rr welche die Kirche begehrt, erklärt sich Se Heiligkeit von jetzt ab geneigt, die Verordnung, daß die Ordinarien, welche wieder in den Besitz der Freiheit der Aus⸗ übung ihres Hirtenamtes getreten sind, sofern es sich um eine Er— nennung inamovibler Pfarrer handelt, sich an die Regierung wen⸗ den können, um deren Ansichten oder Einwendungen in Betreff der Kandidaten, um die es sich handelt, kennen zu lernen.

Die vollständige Kenntniß dieser Materie, welche Ew. ꝛc. bei⸗ wohnt, erspart es mir, darauf hinzuweisen, daß eine folche Kon- zession niemals anders geschehen kann, als für die inamoviblen Kuraten, da niemals einer Regierung, auch nicht denen, die fich oh fen um die Kirche verdient gemacht haben, mehr zugestan“ en ist.

Es wird gar nicht schwer sein, nachzuweisen, daß dies eine histo⸗ rische Unrichtigkeit ist. ;

Um ferner mögliche Mißverständnisse zu vermeiden, wird Se. Heiligkeit Sorge tragen, darzulegen, daß die fragliche Untersuchung der Ansicht der Regierung niemals anders betrachtet werden könne, denn als eine Ermittelung des Agréments des Staats. So sehr also auch die Autorität der Kirche alles Verlangen habe, und so sebr es auch in ihrem Interesse sein wird, in den fraglichen Fällen den Staat zufrieden zu stellen, wird doch das letzte Urtheil über die Geeignet⸗ heit, die betreffenden zu erneuern, immer den Bischöfen zustehen, und im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwifchen ihnen und dem Staate, dem Oberhaupte der Kirche.

Meine Herren, die Kundgebung, die also die authentische Inter⸗ pretation der Konzession vom 4. Februar enthielt, hat nun der Re—⸗ gierung die allerernstesten Erwägungen auferlegen müssen, denn wäre eine von der kirchlichen Seite immer geforderte organische Revision der Maigesetzgebung möglich, wenn gerade bei diesem ersten fundamentalen, das innere Leben der Kirche nicht berüh— renden Punkt ein Standpunkt eingenommen wird, der fuüuͤr uns völlig unagcceptahel ist? Also ich sage, bei diesem Punkt trat bei uns die Krisis in der Erwägung ein, was weiter zu geschehen habe: sollten wir nun alles als abgebrochen ansehen, auf jede fernere Institution verzichten und die weitere thatsächliche Ent⸗ wickelung abwarten, oder sollten wir im Interesse der Herstellung des inneren Friedens selbständig und ohne uns nach einem Einver⸗ e g, 16 anderer Seite umzusehen, die gesetzgeberische Initiative ergreifen

Die Kurie hat ihrerseits den ersten Weg von ihrem Stand punkt aus vorgezogen, wie sich in der Kundgebung zeigt, wonach alles zurückgenommen wird. Meine Herren! Bie Kurie befindet sich in dieser Beziehung in einer günstigeren Lage wie der preußische Staat, das erkenne ich an, für sie ist der preußische Kirchenkonflikt eine Phase in ihrem Kampf um die Weltherrschaft, fie kann ihre Maßregeln in concrete treffen, je nach ihrem Belieben, sie kann ihrersests abwarten, sie kann unter Umständen auch den Nothstand von Millionen Katholiken für eine Zeitlang unterordnen den obersten Gesichtspunkt ihrer vatikanischen Mniverfalpolitik.

Meine Herren, auch der Staat könnte sich auf diesen Stand⸗ Punkt stellen, warum nicht, und das ist auch jetzt häufig mit großem Nachdruck betont worden, warum wollen wir nicht auch ruhig das Weitere abwarten? Wir haben ein völlig unanfechtbares System welches wir jeden Augenblick in Konflikts—⸗ wir sind in einer unangreifbaren

kirchenpolitischer Gesetze, fällen in Bewegung setzen können, Defensivstellung.

Hätte die Königliche Staatsregierung sich auf diesen Standpunkt

estellt, in konstitutionellem Sinne wäre dat voll kommen korrekt ge⸗

andelt gewesen, das erkenne ich an, aber die Regierung hat nicht nur eine politisch · ko stitutionelle Verantwortlichkeit, sie trägt auch eine fehr schwere moralische patriotische Verantwortlichkeit und diefe erblickt sie darin, daß es ihre Pflicht ist, bis an die äußerste Grenze dessen, was mit den unveräußerlichen Rechten des Staats vereinbar ist, zu gehen, um ihre katholischen Mitbürger aus ihren gegenwärtigen geistlichen Nothständen zu befreien.

Und, meine Herren, soll ich etwa hier auf diesen Jöothstand kein Gewicht legen? Ist er denn nicht vorhanden? Erlauben Sie mir, Ihnen davon eine kurze Schilderung zu machen. Von zwölf Diözesen sind nur vier unter einer ordnungsmäßigen oberkirchlichen Leitung. Die Dom kapitel schrumpfen von Tag zu Tag zusammen, über tausend Pfarrgeistliche fehlen. Ich werde Ihnen gleich aut einandersetzen, wie wir die Verantworflichkeitsfragé in diesem Punkte beantworten, so daß in ganzen Distrikten eine geordnete Seelsorge kaum oder überhaupt nicht mehr möglich ist; akademische Lehrstühke der katholischen Fakultäten veröden, der Nachwuchs an jungen Priestern fehlt, der katholische Religionsunterricht an höheren Lehr— anstalten kann häufig nicht mehr ertheilt werden. Meine Herren, das sind alles Dinge, die in einem Überaus ernsten Lichte erscheinen lassen müssen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß diese Zustände nicht ein oder zwei Jahre, sondern Jahrzehnte fortdauern, und in ihren noch vorhandenen Wirkungen don Tage zu Tage sich steigern müssen, wenn wir nicht zu einer Beruhigung der Lage gelangen.

Die Regierung weiß sich ihrerseits von jeder Verantwortung für das Entstehen dieser Zustände frei (Große Unruhe. Wider spruch) Ja, meine Herren, wenn Sie mir einen Widerspruch entgegen setzen, dann hin ich genöthigt sehr ungern hinzuzufügen, daß die Regierung sic nicht nur von dieser Verantwortung frei weiß, sondern ganz sicher ist, daß diese Verantwortung auf anderen Seiten beruht. Ich komme immer wieder darauf zurück: der ganze Kampf dreht sich in seiner Genesis und Entwickelung um rein äußere Fra⸗ gen, die das innere Leben der Kirche nicht berühren und in welchen wir absolut kein irgendwie für unsere Stellung würdiges Zugeständ⸗ niß haben erkennen können.

Meine Herren! Sie haben mich provozirt, ich würde sonst in diese Polemik nicht eingetreten fein. Alfo ich wiederhole, die Re= gierung weiß sich von jeder Verantwortung für das Entstehen diefer Zustände frei, aber das erschöpft in ihren Augen ihre Pflichten nicht; hier wiegt die moralische Verantwortung kaum leichter als die polittsche, und wenn sie einen Weg finden kann und sie erblickt ihn in dieser Vorlage der ohne die politische Verantwortung preis⸗ zugeben, die moralische erfüllen kann, so hält sie sich verpflichtet, die- sen Weg zu betreten, und sie hält unsere gewissenhafte und politische Volkevertretung verpflichtet, ihr auf diesem Wege zu folgen.

Meine Herren! Wer diesen Standpunkt theilt, den bitte ich sich nicht irre führen zu lassen durch die außergewöhnliche Form, welche der Vorlage hat gegeben werden müssen nach Lage der Sache, auch nicht durch die formale Abweisung von dem Ministerialbeschluffe vom 17. März, welcher in ihr liegt, und vor allen Dingen nicht durch das Nichteinverständniß der Kurie in dieser Frage. Ich muß auf diese drei Punkte noch etwas näher eingehen!

Es handelt sich bei Erwägung der Möglichkeit zu einem fried— lichen Verhältnisse der Staatsgewalt zu den kirchlichen Organen wieder zu gelangen, hauptsächlich um drei große Gesichtspunkte, erstens um die Möglichkeit der Wiederherstellung einer geordnelen Disze⸗ sanverwaltung, zweitens um Abhülfe des eingekretenen Priestermangels und drittens um die Möglichkeit, die auf dem Gebiete der kirchenpolitischen Gesetzgebung täglich sich vollziehenden Kollisionen und Ftonflikte in einer schonenden, den beiderseitigen Interessen entsprechenden Weise möglichst zu mildern und zu beseitigen. Ich habe vorhin die Ehre 6 auszusprechen, daß dieses Ziel in diesem Augenblick jedenfalls

urch keinerlei organische Revisson unserer Maigesetze, abgesehen von den Punkten, die in der Vorlage enthalten sind, erreicht werden kann, und daß nur die Möglichkeit dazu gegeben ist, wenn die Volks⸗ vertretung sich entschließt, den, wie ich anerkenne, nicht leichten Schritt zu thun, sei es dauernd, sei es eine Uebergangsperiode der Regie=

rung außerynrdentliche Vollmachten durch ig Vorlagen in die Hand zu geben. enn man diesen Standpunkt theilt, meine Herren, dann glaube ich, kommt man um das formale Bedenken, daß die Vorleistung, welche der r , m nn, vom 17. März fordert, noch nicht eingetreten sei, doch eigentlich sehr leicht hinweg, vorausgesetzt, daß unsere Gesetzgebung, die wir jetzt machen wollen, auch ihre Hand⸗ habung, die Garantie dafür bietet, daß den Rechten des Staats nichts nachgegeben wird, und daß wir diese Leistungen allerdings un⸗ bedingt in Anspruch nehmen und auch erhalten werden.

Und nun das Nichte inverständniß der Kurie! Daß alle unsere, und wie Sie ja wissen, treulich nach Wien mitgetheilten Erwägungen und Absichten. die ich hier rekapitulirt habe, an der entscheidenden Stelle im Vatikan keine Sympathie finden würden und gefunden haben, ja, meine Herren, das wußten wir längst, die veröffentlichten Dokumente haben Ihnen dag gezeigt. Aber wir find der Meinung n, daß es sich hier bei dem jetzigen Stadium um

onzessionen und Gegenkonzessionen nicht mehr handelt, son⸗ dern daß es sich handelt um den Entschluß der preußischen gesetz gebenden Faktoren auf den ihnen eigenthümlich und ausschließlich gehörenden Gebiete in der Gesetzgebung einen enf— scheidenden Schritt zu thun und daß wir in diefer Hinsicht weder Rücksicht zu nehmen haben, auf fremde Entschließungen noch uns von diesen besonders imponiren lassen.

Meine Herren! Man ist nun, nachdem die Aufnahme, welche unsere letzten Entschließungen in Rom gefunden haben, veröffentlicht worden ist, wonach also ein förmliches Zurückziehen der in dein Breve gegebenen Versprechungen stattgefunden hat, auf die, ich kann wirklich nur sagen, absonderliche Idee gekommen, nun werde doch die Regierung schleunigst ihre Vorlage zurückziehen. Ja, meine Herren, wer uns dessen für fähig hält, muß doch ganz wunderbare Begriffe von der Selbständigkeit der Regierung eines großen Staates haben, welche zielbewußt und in voller Unabhängigkeit ihren Weg. dahinschreitet, um zu einem bestimmten Endresultat im Intereffe der Bevölkerung zu gelangen. Die Ent— schließungen der obersten kirchlichen Behörden werden natürlich für uns und alle unsere Schritte von dem allergrößten Interesse sein, weil sie in ihrer faktischen Konsequenz es enischeiden, ob wir von gewissen Fakultäten, die wir erhalten, Gebrauch machen können oder nicht; aber die gesetzgeberische Arbeit selbst gewissermaßen zu binden, ein vorher eingeholtes Einverständaiß der Kurie, wer uns dat zumuthet, glaube ich, bringt uns recht sehr auf den verhängnißvollen Weg, von dem wir zu meinem großen Erstaunen dieser Vorlage gegenüber in den Zeitungen gelesen haben. Nein, meine Herren, wir verlangen weder, noch erwarten wir Konzessionen von der Kurie, sondern wir erwarten eine weise und verständige Erwägung der Hülfsmittel die wir in der Vorlage hier gegeben haben, um aus dem unglücklichen Zustande herauszukommen. Aber wir werden in voller Selbst⸗ ständigkeit unseren Weg einhergehen und mit Gottes und Ihrer Hülfe an das Ziel gelangen, ohne uns irgendwie irre machen zu lassen durch eine Meinungsäußerung von jens'itz der Alpen.

Meine Herren! Gestatten Sie nun nach diesen einleitenden Be— merkungen noch auf den Inhalt der Vorlage selbst einzugehen. Ich werde, da ja vermuthlich die weiteren Berathungen, namentlich die zweite, die technischen Gesichtspunkte noch auf das Ausgiebigste be— leuchten wird, um Ihre Zeit nicht zu lange in Anspruch zu nehmen, mich darauf beschränken, die dominirenden politischen Gesichtspunkte der Vorlage Ihnen in ganz kurzen Zügen, soweit das nicht schon vor— her geschehen ist, an der Hand der einzelnen Bestimmungen vor— zuführen versuchen.

Ich sagte schon vorhin: der Hauptgesichtspunkt, welcher uns jetzt beschãaͤftigen muß, wenn wir den augenblicklichen Zuständen einen Ab⸗— schluß gewähren wollen, ist die Frage nach der Wiederherstellung ge— ordneter Diözesanverhältnisse. Wir mögen uns eine Lösung den ken welche es sei, hier liegt der Kernpunkt der Frage. Ohne Erledigung ger Seditvakanzen ist der Ausgleich unmöglich und deshalb werden Sie es nicht nur begreiflich, sondern absolut nothwendig finden, daß die Vorlage sich in ihren wichtigsten Bestandtheilen mit dieser Frage beschäftigt.

Nun meine Herren, 12 Bisthümer haben wir in Preußen, von ihnen sind 5 dadurch erledigt, daß durch das Urtheil des kirchlichen Gerichtshofes ihre bisherigen Inhaber aus ihrem Amte entlassen sind; eine andere Anzahl ist durch den Tod erledigt; eine kleine Minder' zahl, Kulm, Ermeland und Hildesheim sind augenblicklich noch ord⸗ nungsmäßig besetzt und Fulda genießt den Vorzug einer geord⸗ neten Verwaltung eines schon vor den Maigesetzen ein⸗ gesetzten Kapitel verwesers. Nun. wollen Sie sich vergegen—⸗ wärtigen, daß die noch unter wirklich oberhirilicher Leitung stehenden Viözesen sowohl der Größe als der Seelenzahl nach eine ganz ver⸗ schwin dende Minderzahl bilden; die Mehrzahl entbehrt ihres Ober— hirten, und es ist also die erste Folge, sich die Frage vorzulegen: wie ist diesem großen kirchlichen Rothstande abzuhelfem?

Die Regierung hat bei Erwägung dieser Frage die Möglichkeit, einen oder den anderen der aus dem Amte entlassenen Bischöfe in sein Amt zurückkehren lassen zu dürfen, absolut nicht außer Er— wägung lassen können, und dies zu ermöglichen ist der Zweck des Art. 4, der sich nach seinem Wortlaut ausdrücklich darstellt als eine lediglich auf diese Herren berechnete Vorschrift, denn er spricht nur bon denjenigen katholischen Bischöfen, welche durch ein Urtheil des kirchlichen Gexichtshofes aus ihrem Amte berests entlassen sind. Wer überhaupt die Meinung theilt, daß der Staat das leisten könne, einen der entlassenen Bischöfe auf seinen früheren Sitz zurückkehren zu lassen, der wird auch die Form billigen, in der die Regierung diese Möglichkeit zu realisiren beabsichtigt. Die Regiernng ist der Meinung gewesen, daß die Befugniß, dieses aue zusprechen, aus dem Rahmen des landesherrlichen Begnadigungsrechtes herausfalle, daß es dazu einer besonderen landesgesetzlichen Bestimmung bedürfe.

Meine Herren! Sie werden ja diese Bestimmungen sorgfältig

prüfen und danach Ihre Entschlüsse fassen. Ich habe hier nur her⸗ vorheben wollen,; daß die Möglichkeit, einen oder den anderen der entlassenen Bischöfe auf seinen Sitz zurückkehren zu lassen, nach Lage der Sache unbedingt aus dem Kreise der ganzen Erwägungen nicht ausgeschlossen werden kann, und deshalb muß die Regierung auch auf die Annahme dieses Artikels in dieser oder einer amendirten Form ein ganz entscheidendes Gewicht legen. . Art. 5, der sich auch mit diefem Theil des Dilemma be— schäftigt, ist ja auch von großer Bedeutung, wenn auch nicht von so fundamentaler, wie der Art 4. Es wird ja möglicher, vielleicht wahrscheinlicherweise der Fall eintreten, daß es mit der ordnungs⸗ mäßigen Erledigung der Sedisrakanzen nicht so rasch gehen wird, und daß, wie auch die Geschichte der kirchenpolitischen Beziehungen der katholischen Kirche in Deutschland genügend zeigt, man zu dem temporären Auskunftsmittel von Bisthumsverwesern wird schreiten müssen. Das, meine Herren, ist der Zweck des Art. 5, welcher den Hauptanstoß, den die katholisch ⸗kirchlichen Organe in dieser Beziehung nach ihrer ganzen Stellung nehmen müssen, zu beseitigen versucht, indem er die Möglichkeit gewährt, die etwaigen Bistbums ver weser von dem vorgeschriebenen Staatseide zu entbinden.

Ferner ist es nothwendig, dem eingetretenen und von Tag zu Tag sich vergrößernden Mangel an geistlichem Personal ein Ende zu machen. Diesem Gesichtspunkt dient der Art. 1 mit denjenigen Dig⸗ pensbefugnissen, welche durch ihn in die Hand der Regierung gelegt werden sollen, und zwar ist jede Fürsorge getroffen, daß einseitige Anschauungen in der Beziehung nicht zum Burchbruch kommen kön⸗ nen, indem mit Königlicher Ermächtigung durch dag Staats. Mini⸗ sterium diejenigen Grundsätze festgestellt werden sollen, nach denen zu verfahren ist. Meine Herren! Was diefen Punkt betrifft, so ist es ja sehr interessant, abgesehen von dee Ziffer, um die ez sich hier handelt, und die ich Ihnen vorhin mittheilte, sich ein— mal, die Kategorie von Klerikern zu vergegenwärtigen, welche eventuell unter Art. 1 fallen würden, das heißt zu Gunsten deren Digpensbefugnisse von dem Maturitãätszeugnisse, von dem akademischen Triennium und eventuell auch von der wissen · schaftlichen Staatsprüfung gegeben werden sollen. Ez würden bei der Wiederausfüllung der Lücken im geistlichen Stande, vorauszesetzt,

daß wir im Stande sind, Art. 1 der Vorlage in Anwendung zu

bringen, folgende Kategorien in Betracht kommen:

erstens diejenigen Geistlichen, welche bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 15. Mai 1573 sich ihre theokogifche Ausbildung vollstän⸗ ö erworben, aber noch keine Berufung ju einem geistlichen Amte erhalten haben, 2 Diejenigen, welche nach Inkrafttreten des erst· genannten Gesetzes und bis zur Schließung der Klerikalseminare diese besucht haren, aber mit Rücksicht auf den kirchenpolitischen Kon= flikt eine Anstellung nicht finden konnten,

sodann diejenigen Geistlichen und deren Zahl ist eine große = welche zwar auf deutschen Universitäten ein theologisches Studium absolvirt, aber ihre weitere Ausbildung dem nächft außer Landes ge⸗ nossen haben,

ferner diejenigen Geistlichen, welche ihre Vorbildung von An— fang an in ausländischen Universitäten oder AÄnstalten genossen haben, aber welche schon, nachdem der Konflikt ausgebrochen war, ihre Ausbildung genossen haben, und

endlich solche jungen Kleriker, welche nach dem eventuellen In⸗ krafttreten der Vorlage in die Stadien ihrer theologischen Ausdil— dung erst eintreten würden.

Alle diese Kategorien, meine Herren, wenigstens die allermeisten ich brauche bier auf ein Detail nicht einzugehen würden solche darstellen, zu deren Gunsten die Regierung von den Vollmachten des Art. 1 Gebrauch machen würde.

Nun, meine Herren, handelt es sich ja ferner noch um die Frage, die Möglichkeit zu schaffen, diejenigen Härten und Kollisionen zu vermeiden, welche eine unbedingte Anwendung der koerztiven Bestimmungen der Maigesetzgebung zur Folge haben. Wollen der Staat und die kirchlichen Organe es erreichen, in einem freundlichen und wohlwollenden Verhältnisse zu stehen und zu bleiben, und kann dies nicht geschehen in einer auf gemeinsamer Rechtsüberzeugung be— rnhenden organischen Gestaltung unferer Gesetzgebung, so bleibt in der That doch nichts anderes übrig, als die Sache vom politischen Gesichtspunkt aus zu betrachten und der Regierung diejenige Mög- lichkeit zu verschaffen, welche nöthig ist, um die große Mehrzahl dieser Bestimmungen in einem Sinne zu handhaben, der nicht den Konflikt täglich aufs neue auf die Bühne bringt.

Das, meine Herren, sind die wesentlichsten, ich möchte sagen, die ausschließlichen Tendenzen der Art. 2, 7 und 9. Namentlich der letzte Artikel ist ja einer, von dem ich allerdings sagen muß, daß er eine starke Zumuthung an einen gewissenhaften Gesetzgeber stellt. Es soll die Möglichkeit konstruirt werden, von der ordnungs mäßigen Handhabung der Strafiustiz im öffentlichen Interesse abzusehen, gewissermaßen also auf diesem Gebiet die Justiz der Verwaltung unterzuordnen. Es läßt sich dies aber nicht vermeiden. Jeder weiß, worum es sich handelt. Wenn die Regierung sich dazu entschkossen hat, diesen Schritt Ihnen vorzuschlagen, so ist es auch wiederum lediglich die Frwägung, daß et sich in diesem ganzen Cyklus von Gesetzen doch ganz mwesentlich um solche Handlungen handelt, die an sich von dem moralischen Gefühl aus meist nichts strasbares enthalten, sondern die daju gemacht werden müssen, im Interesse einer korrekten Regulirung des Grenzzebietes zwischen Staat und Kirche. Wenn man das anerkennt, dann glaube ich, wird man sehr leicht und ich habe das ja auch in diesem hohen Hause schon vor mehreren Monaten unter dem Beifall der Majorität des Hauses ausgeführt zu der Erwägung kommen können und kommen müssen, daß die Strafgesetze, welche in der Maigesetzgebung sanktionirt sind, doch in der That sich ihrem ganzen Wesen nach von dem reinen Strafrecht ungemein weit unterscheiden, daß sie im wesentlichen auf politischen Momenten beruhen, und daß die Möglichkeit vorhanden fein muß, namentlich ehe man im Stande ist, sich über eine allgemeine Aende⸗ rung der Gesetzgebung zu verständigen, wenn Überhaupt der tägliche Zusammenstoß und das Aufladen des Konflikts in jedem Falle und an jedem Orte vermieden werden soll, auch vom politischen Stand punkt aus die Frage zu beurtheilen, ob in dem einzelnen Falle ge⸗ straft werden soll oder nicht. Weil Vollmachten in diesem Sinne im Interesse der Wiederherstellung friedlicher Zustände in der jetzigen Zeit nicht zu entbehren find, aus diesen Gründen muß die Regierung guf den Art.) entschiedenes Gewicht legen. Ich will hier gleich beim Art. 9 eine Einschränkung und Einschaltung machen, nämlich dahin, daß der Artikel niemals, dazu lassen Sie mich den Ausdruck ge⸗ brauchen gemißbraucht werden wird, um diejenigen Aktionen kirchlicher Oberen zu decken bei ihren künftigen Amtshandlungen, die geradezu gegen das Staatsinteresse und die ihnen gesetzlich obliegen · den Pflichten etwa angehen sollten. Ich will“ alfo sagen, die Strafen von ihnen fern zu halten, wenn sie der gesetzlichen Anzeige⸗ pflicht nicht genügen. Das betrachte ich als selbstverständlich, und unter diesem Vorbehalt würde ich wenigstens, so lange ich verant- wortlicher Minister bin, den Art. 9 nur zur Anwendung zu bringen vermögen. Nun enthält die Vorlage außerdem noch einzelne Ver—⸗ besserungen im Interesse der katholischen Bevölkerung, die ich hier übergehen werde. Ich will nur noch erinnern an den Art. 10, der wohl im hohen Hause ungetheilten Beifall finden wird, indem er Gelegenheit giebt, die gemeinnützige Thätigkeit der der Krankenpflege sich widmenden Orden nach Kräften zu fördern und zu erweitern.

Nun, meine Herren, werden Sie mich schließlich fragen, welchen Gebrauch die Reglerung eventuell von mir gewährten Vollmachten zu machen gedenke, und wie sie sich die prattische Eatwickelung und die fernere Gestaltung unserer kirchenpolitischen Verhältnisse nach eventueller Annahme der Vorlage vorstellt. Hierauf möchte ich mir erlauben, Folgendes zu erwidern: Zunächst liegt in der Annahme der Vorlage ein ganz eminenter Vortheil, sei es, daß Sie sie in unver⸗ änderter, sei es, daß Sie sie in amendirter Form annehmen, vorauk⸗ gesetzt, daß ihre wesentlichen Bestimmungen unberührt bleiben. Die Vorlage bringt nämlich in dieser Beziehung den unläugbaren Vor⸗ theil mit sich, daß die Regierung dadurch in den Besitz einer ganz festen, landesgesetzlich fixirken Basis gelangt, von der aus sie für künftige Fälle ihre Vorschläge mit der Wirkang machen kann, daß gegebenen Falls die Ausführung der Borschläge sofort und unverzũg⸗ lich eintreten kann, daß namentlich die konkrete Behandlung der Fälle in den einzelnen Diözesen, die ja der Zeit nach au einander liegen wird, je nach der Lage des Falles sich wird gestalten können, je nach der Lage der Verständigung über gewisse Fundamentalpunkte. Werden ihr diese Vollmachten verfagt, meine Herren, so entbehrt sie dieser Grundlage und ist in jedem einzelnen Fall hingewiesen auf den unbestimmbaren unsicheren Weg der Einholung einer künftigen par— lamentarischen Bewilligung, die vielleicht erst nach Monaten ein treten kann und die zur Folge hat, daß die ganze Konjunktur, die man zu benutzen in der Lage sein würde, zum großen Nachtheil der Regelung der Sache verloren ginge.

Fa, meine Herren, das kommt Ihnen wahrschzinlich etwas stark diplomatisch vor, aber es ist so; Sie können die Regelung nicht an⸗ ders als auf diesem Wege erlangen, und deshalb trage ich gar kein Bedenken, Ihnen die Gedanken vorzuführen, die in dieser Beziehung die Regierung erfüllen. Aber, wird man nun sagen, ja mein Gott, nach diesen Erfahrungen, die ihr ja gemacht habt, nachdem alles ab⸗ gelehnt ist, nachdem Ihr selbst hier erklärt, es sei die Hoffnung einstwelen aufzugeben, auf die Basis einer faktischen Ver ständigung zu gelangen, nach diesen Erfahrungen glaubt Ihr nun mit Eff ekt eine Vorlage gebrauchen zu können, die Euch auf diesem Wege weiter bringen soll? Es wird ja gar nicht möglich fein, daß, nachdem jetzt durch die letzten Kundgebungen festgestellt ist, daß auch dle kleinste Konzession zurückgegangen ist, man sich zu einer Verständigung auf ener Seite wird entschließen können. Meine Herren, das ist mög⸗ lich, aber ich, gebe keinegzwegs zu, daß die Voraussetzungen, bon denen die Regierung ihrerseits ausgeht, unter keinen Umständen eintreten werden. Meine Herren, die Kurie hat in ihrem bisherigen Verhalten gezeigt, daß sie ihre Entschlüsse ändert je nach der veränderten Sit ation, und weshalb sollte nicht bei weiser Erwägung der Sachlage auch eine solche Aenderung wieder ju Gunsten friedlicher Auffassungen eintreten und zwar bald ein⸗ treten? Und dabei bitte ich, das Eine noch befonderg ins Auge zu fassen, diese letzte Kundgebung, welche also in nicht mißzuver stehender Weise die Thür der Verhandlungen zuzuschließen scheint, ist geschehen vor Kenntniß unserer Vorlage. Die Depesche, welche den Pro⸗

nuntius anweist, unserem Botschafter zu erklären, daß der von der preußischen Regierung vorgeschlagene Weg der Fakultäten nicht den Beifall der Kurie habe und daß auf Grund dessen die Zusage des Breve rom 24. zurückgenommen sei, datirt vom 14. Mai und ist bereits am 19. hier in unseren Händen gewesen, bevor ich die Ehre hatte, die Vorlage einzubringen, woraus Sie auch schon ersehen können, daß wir mit vollem Bewußtsein der Sachlage uns zur Ein⸗ bringung entschlossen haben. Da bin ich doch wohl berechtigt, zu ftagen, wird es denn so ganz aus geschlossen sein, daß, wenn die Landesvertretung die Regierung in die Lage setzt, faktisch auf dieser Basis vorzugehen, und wenn die Regierung demgemäß nach der anderen Seite hin ihre geeigneten Eröffnungen macht, daß dies auf fruchtbareren Boden als bisher fällt? Es muß deshalb betont werden, daß die Regierung den allergrößten Werth darauf legt, die Möglichkeit zu 6 . auf ein solches Entgegenkommen von der anderen Seite zu provozren. -

Was nun die praktische Entwickelung der Dinge auf dem Boden der Vorlage betrifft so tritt ja in allererster Reihe die Frage heran: wie werden diejenigen Prälaten, welche auf Grund dieser Vorlage in den Diözesen fungiren werden, ihre Stellung zur Regie⸗ rung auffassen? In dieser Beziehung habe ich zu bemerken, daß, so weit umfassend auch die Vollmachten sind, welche die Regierung von Ihnen verlangt, doch diejenige sich nicht darunter befindet, daß von der Anzeigepflicht dispensirt werden kann.

Sie wissen ja Alle, meine Herren, daß der Streit um die An⸗ zeigepflicht der springende Punkt in unserem kirchenpolitischen Kampfe ist, weil die kirchlichen Organe sich nicht dazu entschließen können, diesen einfachen Akt zu begehen, den sie fast allen anderen Staaten gegen⸗ Über zu befolgen kein Bedenken tragen. Daher sind alle Wirrnisse entstanden, daher die Sedisvakanzen, die Lücken in den Reihen der katholischen Geistlichen und der Verfall der kirchlichen Zustände.

Also, wenn wir so Vieles und so Schweres haben über uns er⸗ gehen lassen, um den Preis dieser fundamentalen Errungenschaft der neuesten Zeit nicht fallen zu lassen, so können Sie sich wohl denken, daß wir unter keinen Umständen uns darauf einlassen können oder eingelassen haben, jemals darauf zu verzichten. Aber es wäre auch ein solcher Verzicht deshalb nicht möglich, weil 5. 17 des Gesetzes vom 11. Mai 1873, der unberührt bleibt, ausdrücklich erklärt:

Die Uebertragung eines geistlichen Amtes, welche der Vor— schrift des 8. 1 zuwiderläuft, oder welche vor Ablauf der im 5. 16 für die Erhebung des Einspruchs gewährten Frist erfolgt, gilt als nicht geschehen. .

Also die Regierung würde, selbst wenn sie so nachgiebig wäre, in einzelnen Fällen von der Anzeigepflicht dis pensiren zu wollen, da⸗ mit einen rechtsungültigen Zustand schaffen müssen und davon kann nun und nimmermehr die Rede sein.

Nun glaube ich, daß ein jeder kirchlicher Obere, der vor die Frage gestellt wird, ob er oberhirtliche Funktionen in den Diözesen ausüben will, nach diesen meinen Erläuterungen und wenn dieses Gesetz zu Stande kommt, sich die Frage wird vorlegen müssen: Wie werde ich mein Verhalten der Staatsregierung gegenüber ein— zurichten haben, und, die Regierung wird ich betone dies aus- drücklich sich in jedem einzelnen Falle die Gewißheit und Ga— rantie dafür verschaffen müssen, daß dieser Pflicht auch genügt wird. Meine Herren, ich sollte meinen, ein Bischof, welcher unter solchen Umständen in seine Diözese zurückkehrt, thut es nicht wenn ich mich eines transzendentalen Ausdrucks bedienen darf, der in diesen Tagen durch die Zeitungen gegangen ist wahrbaftig nicht als Triumpha / tor, sondern als ein Mann, dem ernste Erfahrungen der früheren Zeit die Ueberzeugung aufgedrängt haben der Nothwendigkeit, sich mit der Staatsregierung in friedliches Enverstãndniß zu setzen. Wäre es denkbar, meine Herzen, daß diese Erwägung in irgend einem Falle nicht Platz griffe, so würden wir ja darauf können Sie sich sicher verlassen, daß wir dieser Pflicht genügen wür— den vollkommen die Fakultät in der Hand haben, dem Gesetz volle Geltung zu verschaffen. Ich glaube Ihnen also nachgewiesen zu haben, daß die Vorlage, wie sie sich Ihnen darstellt, alle Elemente dazu enthält, um einerseits ein fried⸗ liches Weiterleben im Staate und im Verhältniß des Staates zur Kirche zu garantiren und dem Nothstande, welcher sich auf dem katholischen Kirchengebiete geltend gemacht hat, im Interesse unserer Bürger ein Ende zu bereiten und zugleich der Würde und der Macht- stellung des Staates nicht das Mindeste zu vergeben. Daß diese Vorlage ernstliche Bedenken ihrer außergewöhnlichen Form wegen hervorrufen wird, das weiß die Regierung und sie ist bereit, in die sorgsamste gemeinschaftliche Erwägung mit Ihnen darüber einzu— treten, wie und in welchem Theile diesem Bedenken Abhülfe ge⸗ schaffen werden kann, aber auf Annahme des Kerns das wieder- hole ich bleibt sie bestehen und muß darauf den äußersten Werth legen. Und so, meine Herren, empfehle ich Ihnen denn die Annahme der Vorlage. Wir bieten sie unsererseits an dem Friedensbedürfniß unserer katholischen Mitbürger, der Friedensliebe aller politischen Parteien im Lande und der reifen Erwägung derjenigen Stelle, von welcher in letzter Instanz das Verhalten der katholischen kirchlichen Organe abhängig ist. Wir unsererseits möchten nicht gerne vor der Geschichte und vor unserem Gewissen die Verantwortung dafür über⸗ nehmen, irgend eiwas unterlaffen zu haben, was unter Wahrung der Machtstellung des Staats geschehen kann, um den inneren Frieden . herzustellen, dessen unser Vaterland wahrhaftig dringend genug

edarf.

Der Abg. Dr, Falk erklärte sich gegen die Vorlage. Der Kultus⸗Minister habe in zutreffendster Weise hervorgeboben, daß der Staats⸗Ministerial⸗Beschluß vom 17. März d. J. hochwichtig sei. Wenn man sich den Inhalt desselben und das, was der Minister noch authentisch über denselben mit⸗ getheilt habe, vergegenwärtige, so werde man sofort die Folgerung gerechtfertigt finden, daß der Standpunkt, der in dem Beschluß niedergelegt sei, durchaus mit dem übereinstimme, der an dieser Stelle in vergangenen

eiten mehr als einmal zum Ausdruck gekommen sei und daß dieser frühere Standpunkt in dem Ministerial⸗ beschluß einen sehr prägnanten Ausdruck bekommen habe, denn es werde für das Vorgehen der Regierung als Voraussetzung gefordert der sichtlich und in Thatsachen ausgedrückte Beweis dafür, daß den versöhnlichen Absichten Sr. Heiligkeit des Papstes praktische Folge gegeben würde. Vor Allem werde von einem Verhalten der Geistlichkeit gesprochen, das eines Entgegenkommens würdig wäre. Der Minister habe weiter darin Recht, daß, mit Ausnahme einer einzigen, in allen Parteien dieser Beschluß volle Billigung ge⸗ funden habe, und daß man jene Voraussetzungen nicht nur für das Eine oder das Andere in Anspruch nehmen müsse, sondern für das Ganze. Er habe daher auch nur gemeint, daß in Bezug auf das Ganze der frühere Standpunkt festgehalten worden sei. Die klare und präzise Fassung des Beschlusses, das energische und doch maßvolle Gefüge der Sätze dränge zu der Annahme, daß bei seiner Formulirung die Feder des mächtigen Mannes thätig gewesen sei, der an der Spitze der Regierung stehe, und der es wiederholt ausgesprochen habe, daß, wenn die Lücken der Gesetzgebung erst durch Gesetze er— gänzt seien, die Regierung sich hinter diesem Bollwerk aus⸗ dauernd und abwartend in die Defensive stellen könne, bis von der anderen Seite ein friedliebender einsichtigerer Mann käme, als der gewesen sei, der damals die Geschicke der rö⸗ mischen Kirche geleitet habe. Am 12. oder 13. April sei dieser Beschluß veröffentlicht worden; damals habe derselbe un⸗ zweifelhaft noch dem Standpunkt der Regierung entsprochen. Auch die Depesche vom 20. April stehe noch ganz auf dem⸗

spreche von Konzessionen, die pari passu gehen sollten. Was hätte man also zu erwarten gehabt? Eine Anweisung des Papstes an die Bischöfe, nach jenem Breve an den Herrn Paulus Mel⸗ chers (Rufe im Centrum: An den Erzbischof) Anzeige zu machen und sodann ein weiteres Entgegenkommen auf Seiten der Re⸗ gierung. Sei die Geistlichkeit nun entgegengekommen? Denke man nur an die Dortmunder Versammlung! Von diesem Entgegenkommen sei aber gar keine Rede, im Gegentheil suche die neueste päpstliche Aeußerung jedes freundliche Erwidern zu vermeiden. Die Voraussetzungen also, an welche jener Ministerialbeschluß eine ähnliche Vorlage wie die heutige knüpfe, seien in keiner Weise erfüllt. Der Entwurf wolle nun an die Stelle bestimmter Gesetze das Ermessen der Ver⸗ waltungsbehörden setzen. Dem könne er sich nicht anschließen. Für jede Aenderung der kirchenpolitischen Gesetze sei auch die Voraussetzung gewesen, daß man eine Garantie für den Er⸗ folg haben müsse. Andernfalls das sei wiederholt ausge⸗ führt würde man die gewonnene Position aufgehen und sich in derselben Lage befinden wie vorher. Es sei stets er⸗ kannt worden, daß das von den bedauerlichsten Fol—⸗ gen sein würde. Das päpstliche Brevy vom 24. April beweise z. B. klar, daß mit der Anzeige der designirten Geistlichen nichts gefordert werde, was irgendwie im Gegen⸗ satz stehe zu den Anforderungen des kirchlichen Glaubens. Gleichwohl solle die Anzeige nicht erfolgen, weil eben die Kirche resp. deren herrschende Organe jedes Entgegenkommen perhorreszirten. Er frage sich, welche Gründe für die Staats—⸗ regierung wohl vorgelegen hätten, die bisher inne gehabte Stellung aufzugeben. Er habe keine anderen gefunden, als die, welche er gestern in einem hiesigen Blatte gelesen habe, dessen Beziehungen zur Königlichen Staatsregierung wohl nicht geleugnet werden könnten, nachdem inzwischen die Publi⸗ kation einer ganzen Reihe von kirchenpolitischen Aktenstücken Seitens der Regierung in diesem Organ erfolgt sei. Aber gerade nach diesem Briefwechsel sei es ihm unerklärlich, wie es möglich gewesen sei, das heutige Gesetz dem Hause vorzulegen. Die Regierung fühle, die Verpflichtung, ihre Liebe zum Frieden ernstlich zu bethätigen. Drei Momente sprängen aus jenem Communiqué der „Nordd. Allg Ztg.“ in die Augen. Das eine sei, die Regierung müsse doch dem Papste mit Sicherheit sagen können, was sie ihm entgegen bringen könne; darum die Vorlage und darum auch die Eile der Vorlage. Db dieser Gesichtspunkt einmal in der Vergangenheit zugetroffen habe, wolle er nicht untersuchen; aber in diesem Augenblick, darüber seien wohl alle Parteien einig, treffe derselbe nicht mehr zu. Sodann werde von der Pflicht der Regierung, ihre Friedensliebe zu bethätigen, ge— sprochen; hierauf komme er später zurück. Endlich werde als Hauptgrund ein Gedanke bezeichnet, der auch heute, aber Gott sei Dank in einer andern Weise die Rede des Kultus-Ministers durch zogen habe, nämlich, daß der Staat diese Dinge nur durch die Staatsgesetzgebung regeln könne. Es sei da gesagt, die Staats— regierung habe den Muth gehabt, sich lediglich auf den Boden der Staatsgesetze zu stellen. Aber wohin komme man, wenn man das schon als Muth bezeichne, was selbstverständlich sei? Das sei und müsse unbestreitbar bleiben, daß lediglich der Staat innerhalb seines Gebietes zu bestimmen habe. Die Vorlage der Regierung habe in weiten Kreisen der Bevölke— rung tiefen Eindruck gemacht und die größten Besorgnisse hervorgerufen, welche ihm aber durchaus gerechtfertigt erschie⸗ nen. Bisher habe man von Seiten der Kurie nur Worte des Friedens vernommen, eine entsprechende That sei nirgends wahrgenommen worden, obgleich der oben erwähnte Staats⸗ Ministerialbeschluß ausdrücklich deutlich erkennbares versoöhn— liches Entgegenkommen von Seiten der Kurie verlangt habe. Nun aber erfahre man aus der letzten Kundgebung des Papstes sogar, daß es eigentlich für die Kurie sogar selbstverständlich sei, nicht nachzugeben und Alles zu fordern, um fast Alles zu er⸗ reichen. Da sei es doch unbegreiflich, daß dem Hause die Vor⸗ lage von der Regierung gemacht werde, welche der Kirche mehr zubillige, als sie je beansprucht habe. Da müsse man doch den Eindruck gewinnen, als ob der Staat nicht mehr das Vertrauen zu sich selbst habe, als ob derselbe die zähe Aus⸗ dauer verloren habe, welche der Staat ganz besonders brauche, durch welche gerade Rom so oft so große Siege erfochten habe. Die größte Erregung rufe es hervor, daß, als ein zwingender Punkt dieses Gesetzes das Recht zur Rückberufung der ausgewiesenen Geistlichen angesehen werde. Die Motive begründeten diesen Artikel mit Bezugnahme auf das Begna— digungsrecht der Krone, und in der That liege die Gestattung der Rückkehr und die Anerkennung der Bischöfe in der Aus⸗ übung Königlicher Gnade. Das Mindeste, was aber für die Ausübung einer Begnadigung gefordert werden müsse, sei doch die Gewißheit, daß in Zukunft ein gesetzliches Verhalten eintreten werde. Diese Voraussetzung sei aber in keiner Weise erfüllt, sie sei lediglich ein frommer Wunsch. Der Kultus⸗ Minister habe zwar gesagt, irre man sich in der künfti⸗ gen Würdigung des Bischofs, so. könne man ja auf Das zurückgreifen, was das Gesetz Unfähigkeit im Amte nenne, um die Entfernung wieder herbeizuführen. Wer könne das aber für möglich halten? Sei es wirklich denkbar, daß man die Sache heute so und morgen so machen könne? Man denke an die Vergangenheit! Die Zeit der Kölner Wirren sei im Lande nicht vergessen und die Ereignisse der letzten Jahre hätten das Gedächtniß an sie wieder aufgefrischt. Erinnere man sich an die Erzbischöfe Dunin und von Droste⸗Vischering und vergleiche man die Entsetzungsurtheile mit denen aus den letzten Jahren. Wie wenig habe Droste gethan, und wie schwer hätten sich die andern versündigt! Und Droste sei nicht wieder auf seinen Stuhl gekommen, diese Bischöfe aber sollten wieder eingesetzt werden? Nach einem solchen Schritt sei es wohl erklärlich, daß sich die Ueberzeugung, die unhewußte Emfin⸗ dung geltend mache, daß der Staat doch am Ende nicht hoch genug von sich selber denke nicht vom Inhalt seiner Ge⸗ setze, denn diese seien wandelbar —, aber nicht hoch genug von der Souveränetät seiner Gesetze. Diese Bestimmung werfe einen Schatten auf das ganze Gesetz. Er sei nicht der Meinung, dieser Gesichtspunkt könne etwa nur in diplomatischen Kreisen er wolle direkt sagen von Eindruck sein, sondern er sei überzeugt, daß derselbe . alle Selbstdenkenden Eindruck machen würde, insbesondere au denienigen Theil der katholischen Bevölkerung, der bisher zur Staatsregierung gestanden habe. Das sei seine Ueberzeugung: Damit sei die Wirkung zu Ende und dahin trage sie nicht, wo sie allein von Bedeutung sein könne, auf die große Menge der Katholiken in Deutschland, die bisher das Centrum in die parlamentarischen Versammlungen geschickt habe. Es sei ja schlimm, wenn man Wünsche, die man selbst gern theilen

keit der Haltung der Staatsregierung? Nun, liege es denn

nicht, wenn man die Vergangenheit der letzten 7 Jahre be⸗ denke, vor aller Augen, daß es der politischen Centrumspartei,

daß es der Geistlichkeit gelungen sei, die irrige Auffassung in

der katholischen Bevölkerung zu erzeugen und zu festigen, es

handle sich um einen Kampf gegen den katholischen Glauben.

Es sei recht schwer geworden, die katholische Bevölkerung in

diesem Glauben zu erhalten, sie zu bestärken, daß man in

Folge dessen kämpfen und dulden müsse, denn damit allein

komme man zum Ziele. Bis vor Jahr und Tag habe man

keine Thatsachen bringen können, daß ein solches Verhalten

zum Ziele führen könnte. Vor Jahr und Tag aber hätten

sich Entwickelungen gefunden, die dem Centrum allerdings

seine Arbeit erleichtert und seinen Erfolg vermehrt

hätten. Dies konstatire die Regierung selbst. Es

heiße in, einem Schreiben vom 20. April d. J., seit

dem Antritte des jetzigen Kultus-Ministers seien erhebliche Kon⸗

zessionen Seitens des Staates g macht worden, ohne daß die

andere Seite etwas gethan hätte. Und nun sollte es dem

Centrum nicht das leichteste Spiel bereiten, dieser Bevölkerung

klar zu machen: Das sei der Erfolg des Kämpfens? Und

man gebe sich solchen Thatsachen gegenüber der Hoffnung hin,

es könnte ein Dankgefühl der katholischen Bevölkerung für

den Inhalt der Regierungsvorlage kommen. Eg sei traurig,

daß man solche Hoffnungen nicht hegen könne, aber es sei

nothwendig, auf diese Täuschung in der Argumentation des Kultus⸗Ministers aufmerksam zu machen. Als einen Erfolg werde man es auffassen, als einen ersten Schritt des Gegners, der endlich seine Schuld einsehe. Daraus entspringe dann

auf jener Seite die Ueberzeugung, daß das weitere Aus— harren auch weitere gute Früchte bringen müsse, dar— aus entspringe nicht Friede, sondern weiterer Kampf.

So weit er die Stimmen der gegnerischen Seite sehe, bethätige sich diese Auffassung bereits. Es sei vor kurzer Zeit ein an⸗ gebliches Wort des päpstlichen Nuntius zu Paris durch die Zeitungen gegangen: „Die Kurie habe den Fürsten Bismarck mürbe gemacht, solle man sich da vor Grévy und Gambetta fürchten?“ Er wisse nicht, ob der Nuntius das gesagt habe, er wisse aber, daß das mit dem Mürbemachen des Fürsten von Bismarck eine Thorheit sei. Sehe man doch die Depe schen, die derselbe geschrieben habe, an; aber auf das, was wirklich sei, komme es hierbei nicht an, sondern auf die feststehende Ueberzeugung der Menge, von dem was sei, und dies scheine ihm der Standpunkt der Depeschen, die würdig seien der Staats⸗ regierung und des Mannes, der sie geschrieben. Die katho⸗ lische Bevölkerung, von der er gesprochen habe, lese diese Depeschen nicht, sie sehe ein Nachgeben des Staates gegenüber den Drohungen des Papstes, sehe, daß der Papst auf seinem Standpunkte beharre, und ziehe daher den Schluß, daß auch die Regierung auf dem ihrigen beharren müsse. Er wisse nicht, was aus der Vorlage werden würde, aber selbst, wenn sie verworfen würde, so fürchte er, daß damit der Schaden, der durch die thatsächliche Einbringung der Vorlage verursacht werde, nicht geheilt fei. Wer von allen Mitgliedern dieses Hauses möchte in Bezug auf den Mangel an Seel— sorgern, der vorliege, nicht die Sympathien haben, die in dem Schreiben vom 20. April ausgesprochen seien, und die der Kultus-Minister weiter dargelegt habe, obwohl er nicht umhin könne, einen Zweifel dagegen zu äußern, ob das ziffermäßige Ergebniß der Vakanzen in der That ein adäquater Ausdruck für den wirklichen Mangel an Seelsorgern sei. Die Vor⸗ lage bleibe ein unauslöschliches Zeugniß für die Nachgiebigkeit des Staates. Bemühe sich der Staat, die Schuld der anderen Seite auszugleichen, so komme derselbe leicht in den Ver⸗ dacht, er sei der schuldige Theil. Wie sehr aber die Kurie schuld sei, beweise der Ausspruch eines im Kirchenrecht und in der Kirchengeschichte sehr erfahrenen Mannes, daß die Behin⸗ derung der Seelsorge durch die Kurie eine Art modernen Interdikts sei. Die Kurie richte allerdings ihre Politik nach den Thatsachen ein, wenn aber die einsichtigere Beurtheilung noch soweit im Felde stehe, und wenn der Kultus⸗Minister dieses selbst zugebe, warum ziehe man es denn nicht vor, noch etwas zu warten? Der Kultus⸗Minister habe gesagt, er er⸗ warte von der Gewissenhaftigkeit und dem Patriotismus, daß man sich seiner Auffassung anschließe. Er (Redner) hätte ge⸗ wünscht, dieser Ausdruck wäre nicht gebraucht worden; es liege darin, daß die Gegner der Vorlage nicht das Maaß von Patriotismus besäßen, er habe es für seine unausweichliche Pflicht gehalten, mit allen Kräften gegen die Vorlage zu sprechen. Selbst der Gesichtspunkt für die Vorlage, daß sie geeignet sei, das Centrum zu sprengen, sei nach der Ermittelung der letzten Tage, nachdem die Stellung des Papstes klar sei, bedeutungs⸗ los geworden. Der Hinweis auf Oesterreich, einen katholischen Staat, treffe bei Preußen, einem paritätischen Staate, nicht zu. Besorgniß errege ihm nur die Aeußerung des Reichs⸗ kanzlers, daß nach seinem Rücktritt ein konservativ⸗klerikales Ministerium den Gang nach Canossa antreten könnte. Sein Wünschen, sein Hoffen, sein Glauben gehe dahin, daß diese Perspektive Preußen nicht eröffnet werde, ebenso aber sei er davon durchdrungen, daß alle hier ertheilten Fakultäten bis auf den letzten Titel unwirksam blieben. Er sei völlig davon über⸗ zeugt, daß die Unterhändler der Kurie ein bedauerliches, riesen⸗ haftes Unverständniß für die preußischen und deutschen Verhält⸗

hältnisse bewiesen hätten; aber wenn es sich darum gehandelt

habe, Vortheile für sich zu erwerben, dann hätten die Diener der Kurie immer gewußt, durch ausdauernde Energie, Ge⸗ wandtheit, Auffindung der mannigfaltigsten Pläne, auch solcher, die nicht vor Jedermanns Augen lägen, ihre Zwecke zu erreichen. Sollte jetzt die Kurie denn auf einmal diese Eigenschaft verloren haben? Als nach Erlaß der oktroyirten Verfassungsurkunde der Staats⸗Minister von Ladenberg die Bischöfe aufgefordert habe, sich mit ihm ins Einvernehmen darüber zu setzen, wie die bekannten Verfassungsartikel wirk⸗ liches Recht werden sollten, da hätten dieselben erwidert, daß die Verfassungsartikel selber schon gegenwärtiges Recht gäben, und daß sie, die Bischöfe, nach denselben verfahren würden. Es sei nicht leicht, e de Bestimmungen, die man lange unangewendet gelassen habe, wieder anzuwenden. In der Möglichkeit, von den niedergelegten . zu jeder Zeit wieder Gebrauch zu machen, liege lein Mittel, einen Konflikt aufzuhalten. Die Waffen seien rostig geworden. Man sehe dies an dem Beispiel Frank⸗ reichs. Die Bestimmung einer Frist gebe keine Garantie da⸗ für, daß man nach Ablauf derselben die Vollmachten zurück⸗ geben könne. Sei denn die Vollmacht nicht in der That ein Definitivum? Wenn innerhalb eines Jahres die Bischöfe wiederkämen, was bleibe dann für die Verlängerung der Voll⸗ machten übrig? Man wolle eine gesetzliche Bestimmung treffen,

möchte, nicht theilen könne, sondern als fromme bezeichnen müsse.

elben Standpunkt, sie nehme auf den Beschluß Bezug und

Warum beginne an jener Stelle die Grenze für die Wirksam⸗

die obne das Entgegenkommen der Kurie kein Leben finden könne. Betrachte man doch die gegenwärtige Sachlage.