1880 / 126 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 01 Jun 1880 18:00:01 GMT) scan diff

wesen, das Obligationen⸗ und Handelsrecht, das Banknoten⸗ gesetz, das Gesetz, betreffend die Kontrolirung des Feingehaltes von Gold⸗ und Silberwaaren, und das Gesetz, betreffend die Auswanderungs⸗Agenturen. Jedenfalls wird ein großer Theil der Geschäfte bis zur Dezembersession verschoben werden.

Die zum 1. Juli d. J. dem Weltpostverein neu bei- getretenen Länder sind die central⸗amerikanische Republik Ecuador, der südamerikanische Freistaat Uruguay, die Bahama⸗ Inseln in Westindien und die zur ran zbsischen Kolonie Gabun gehörigen Faktoreien Grand⸗Bassan und Assinie.

Großbritannien und Irland. London, 29. Mai. (Allg. Corr.) Se. Königliche Hoheit der Herzog von Connaught ist zum General⸗Major und Qbersten en chef der Schützen⸗ Brigade befördert, Se. Königliche Hoheit der Prinz von Wales zum Obersten en chef der Kavallerie⸗Regimenter der Haustruppen⸗Brigade (1. und 2. Leib⸗Garde⸗Regiment) und der ö berittenen Garde (Royal Horse Guards) ernannt worden.

Aus Simla wird dem „Reuterschen Bureau“ unterm 28. d. M. gemeldet: In den Distrikten Kandahar und Kabul herrscht Ruhe. Sada Khan, einer der Chefs der Hotak Ghilzais, ist in Kandahar angekommen. Die Chefs von Kohistan sind unter sich uneinig. General Roberts, der gegenwärtig im Distrikt Maidan ein Lager bezogen hat, wird morgen den Befehl über die Truppen an General Roß über—⸗ geben, der zu seiner Ersetzung entsandt worden ist.

. „Daily News“ wird unter dem 28. d. aus Cabul

emeldet: = Das 67. Infanterie und 45. Sikh⸗Regiment sind zur Verstär⸗ kung Indullucks abgegangen und treten an Stelle der lokalen flie⸗ genden Kolonne, welche eine neue Expedition antritt. Eine Brigade der Logar ⸗Truppen wird voraussichtlich Charasiab besetzen. Abdul Rahman hat jeden Verkehr mit Turkestan abgebrochen, bis eine Zwangsanleihe von einem Lakh Rupien erhoben worden ist. Die Bevölkerung ist im höchsten Grade unzufrieden. ö Lahore wird den „Daily News“ unter dem 29. d.

emeldet:

. Abdul Rahmans Versuch, bei den Handelsleuten eine Zwangs⸗ anleihe zu erheben, hat große Unzufriedenheit hervorgerufen und nicht mehr als 40 000 Rupien eingebracht. Bis zur vollständigen Aus— zahlung der Summe hat er die Waaren mit Beschlag belegt und den Verkehr mit Cabul und Bokhara sistirt.

Abdul Rahmans Anhänger in Cabul erhalten fast täglich Briefe, welche des Sirdars freundliche Gesinnungen für England be⸗ kunden. Während General Roberts Marsch auf Maidan, ver⸗ suchte Mahomed Hussein umsonst die Bevölkerung zu einem letzten Versuch zu bewegen, da auch Mushei⸗Alam sich weigerte, irgend eine Partei zu unterstützen. General Hills treibt die Steuern im südlichen Logar⸗Thale ein. Mahomed Hussein räth der Bevölkerung die Bezahlung zu verweigern.

31. Mai. (W. T. B.) Im Unterhause erwiderte heute der Unter⸗Staatssekretär Dilke auf eine Anfrage Arnolds: Es sei nicht beabsichtigt, die Unterhandlungen mit Persien in Betreff Herats, welche von der früheren Regierung gepflogen worden, wieder aufzunehmen; die Regie⸗ rung wünsche, Herat und dessen Umgegend unter einer stabileren und friedlicheren Verwaltung zu sehen. Campbell gegenüber erklärte Dilke: Er habe heute erfahren, daß die Pforte wieder einen Kommissar für die ostrumelische Kommission ernannt habe. Der Staatssekretär des Innern, Harcourt, antwortete dem Abg. Brand: Die Regierung beabsichtige einen besonderen Ausschuß mit der Untersuchung der Frage wegen der Versorgung Londons mit Wasser zu beauftragen. Im weiteren Verlaufe der Sitzung erklärte Forster anläßlich der Debatte über das Budget: Er werde eine Vorlage einbringen, dahin gehend, den Vorschuß aus dem irischen Kirchenfond für Hülfszwecke in Irland um 75650 000 Pfd. Sterl., d. h. auf 1500 000 Pfd. Sterl., zu vermehren.

Frankreich. Paris, 30. Mai. (Fr. Corr.) In der gestrigen Sitzung des Pariser Gemeinderaths brachte Hr. von Lanessan, ein Mitarbeiter des radikalen „Réveil Social“, folgenden Antrag ein:

In Erwägung, daß die Regierung durch die beiden Dekrete vom 18. Februar und 27. Mai 5. J. (welche die gegen Hrn. Andrieux und sein Personal gerichteten Resolutionen des Gemeinderaths kas⸗ sirten) dem Pariser Gemeinderath das Recht abspricht, die Akte der Beamten der Polizeipräfektur zu kontroliren; in Erwägung, daß es aber den gewählten Vertretern der Stadt Paris zusteht, alle Inter essen ihrer Wähler zu vertheidigen; in Etwägung, daß die Agenten und Beamten der Polizeipräfektur aus dem von dem Pariser Ge⸗ meinderathe größtentheils mit Hülfe der städtischen Einnahmen votirten Budget bejahlt werden; in Erwägung, daß man unmöglich zugeben kann, daß der Gemeinderath nicht das Recht haben sollte, das Verhalten von Agenten und Beamten zu kontroliren, die aus dem Beutel der Stadt bezahlt werden, weigert sich der Gemeinderath, das Budget der Polizeipräfektur für 1881 zu votiren.

Dieser von? Gemeinderäthen unterzeichnete Antrag wurde an den Budgetausschuß verwiesen.

In Folge der gestrigen herausfordernden Ankündigung des „Citoyen“ hatte die Polizei auf dem Pére-Lachaise heute dieselben Vorkehrungen getroffen wie am letzten Sonn—⸗ tage. Es ereignete sich aber nichts, wogegen sie einzuschreiten gehabt hätte, obgleich der Friedhof wieder außerordentlich stark besucht war. Im Laufe des Vormittags waren an der Stelle, wo angeblich die Vertheidiger der Kommune ruhen, etwa zehn Kränze von gelben Immortellen niedergelegt worden, welche in schwarzen Lettern die Inschrift Souvenir trugen.

(C. Ztg.) Der Justiz-Minister richtete an die ersten Präsidenten der Appellhöfe ein Rundschreiben über die Prozessio nen. Der Minister bemerkt, daß mehrere Präsidenten ihn um Rath gefragt hätten, ob ihre Körper⸗ schaften Prozessionen in corpore und in der Amtztracht an— wohnen dürften. Der Minister erklärt, daß er jeder Gerichts⸗ person ihre Freiheit lassen müsse, daß jedoch die ersten Präsi⸗ denten sich nicht gestatten dürften, ihre Korporation aufzufor— dern, sich an den Frohnleichnamsprozessionen zu betheiligen; anders verfahren hieße einen Angriff auf die Gewissen und Freiheit machen.

Die „Ag. Hav.“ schreibt in der Angelegenheit Roche⸗ 5 rtsz: „Die Anschuldigungen des Briefes des Herrn Henri Rochefort sind unrichtig. Der Sohn Rocheforts hat sich auf

die Agenten gestürzt, welche die Kränzeträger arretirten. Er hat auf sie losgeschlagen und die verhafteten Individuen mit

Ein Agent hat blankgezogen und

Gewalt zu befreien gesucht. Dieser Agent kannte

ihn mit der flachen Klinge getroffen. ihn nicht.“

31. Mai. (W. T. B.) Der Senat nahm heute den von Baragnon , ,. Antrag auf Gleichstellung der von Staatsfakultäten ertheilten Diplome mit den von einer freien Fakultät ertheilten, mit unbedeutenden Modi⸗ fikationen an.

Italien. Rom, 31. Mai. (W. T. B.) In der heu⸗ tigen Sitzung der Deputirten kammer brachte der Minister des Innern, Depretis, einen Wahlgesetzent⸗ wurf ein und beantragte die Dringlichkeit für die Berathung desselben. Nach der Debatte darüber, wann das Gesetz be⸗ rathen werden solle, wurde der Antrag Cavallotti's, das Gesetz vor den Ferien zu berathen, mit 210 gegen 130 Stimmen angenommen.

Die Unterhandlungen zur Herstellung eines Einver⸗ nehmens zwischen den Ministeriellen und den Dissi⸗ denten dauern noch fort. Die Rechte beschloß bei der Wahl der noch zu wählenden 6 Mitglieder für die Budgetkommis— sion leere Stimmzettel abzugeben und die etwa auf sie fal— lende Wahl abzulehnen, da sie nicht gewillt ist, eine Vertre— tung anzunehmen, die der Stärke ihrer Partei nicht entspricht.

1. Juni. (B. T. B.) Die „Voce della Verita“ hringt einen Artikel, in welchem sie sich gegen die preußische Kirchengesetzvorlage ausspricht.

Türkei. Konstantinopel, 25. Mai. Wie das Reutersche Korrespondenz⸗Bureau meldet, hat Graf Dubsky anläßlich der jüngsten Beraubung des Dragomans der öster⸗ reichisch'ungarischen Botschaft in der Nähe, des Nildiz⸗Palastes eine sehr scharfe Note an die Pforte gerichtet. Er besteht darauf, daß der Verlust vergütet werde, und lenkt die Aufmerksamkeit der Regierung auf das häufige Vorkommen solcher Ausschreitungen sowie auf die allgemeine Unsicherheit der Hauptstadt und ihrer Vorstädte und fügt hinzu, daß, wenn nicht Maßregeln ergriffen würden, um diesem Stande der Dinge abzuhelfen, er sich genöthigt sehen würde, dem Personale der Botschaft die Weisung zu ertheilen, Besuche bei türkischen Beamten zu unterlassen.

29. Mai. (Wien. Ztg.) Es droht ein neuer Kon⸗ flikt zwischen der Pforte und dem Generalgouverneur von Ost⸗Rumelien Aleko Pascha auszubrechen, welcher Letzteren veranlassen dürfte, demnächst in Konstantinopel einzutreffen. Aleko Pascha weigert sich, das Verlangen der Pforte zu er— füllen, den Posten eines ostrumelischen Justizdirektors mit einem eingebornen Mohamedaner und den nach dem Rücktritte Schmids vakanten Posten eines ostrumelischen Finanzdirektors mit einem eingebornen Griechen zu besetzen.

Skutari, 29. Mai. Dem W. „Fremdenbl.“ wird von hier berichtet: Täglich treffen Arnauten von Tusi ein, welche übereinstimmend melden, daß die Kriegslust im albane⸗ sischen Lager sehr abgenommen hat. Nicht nur, daß die Zuzüge gänzlich aufgehört haben, beginnen sich auch die Be— i el, zu zerstreuen. Mehrere Tausend sind bereits ab— gegangen, so daß sich jetzt nicht viel mehr als 809000 Mann in und um Tusi befinden. Gleichzeitig beginnt die Bevölkerung der umliegenden Distrikte unzufrieden zu werden; die Kontri⸗ butionen müssen zwangsweise eingetrieben werden. Es ist möglich, daß die Führer sich hierdurch zu Gewaltschritten fort— reißen lassen. Die Montenegriner halten Kucsi-Krajna und Podgoritza mit beträchtlichen Truppen besetzt, so daß ein Angriff der Albcknesen kaum irgend welchen Erfolg hätte. Der W. „Deutschen Zeitung“ meldet man von hier: Zwischen den christlichen und mohamedanischen Mit— gliedern des Centralcomités der Liga ist ein ernster Konflikt ausgebrochen. Die Ersteren drängen zum Angriff gegen Montenegro, während die Letzteren ruhig abwarten wollen, bis die Situation durch die Beschlüsse der Mächte ge⸗ klärt ist. Die christlichen Stammesältesten behaupten, es sei Ali Pascha nicht Ernst mit der Vertheidigung des Sem⸗ gebiets, weil dasselbe größtentheils von christlichen Albanesen bewohnt sei. Prenk Bib Doda droht die Miriditen gänz— lich zurückzuziehen; nur den Bemühungen des Bischofs Pov— ten gelang es, den Rückmarsch der 2000 in Skutari liegen— den Miriditen vorläufig zu verhindern, nachdem das Geld zur Verpflegung der um Tusi stehenden Liga⸗-Truppen von den christlichen Bankiers Bianchi und Paruzza vorgestreckt wird. Es ist nicht unmöglich, daß die Mohamedaner nachgeben und die Offensive gegen Montenegro ergriffen wird. Morgen hide im Eski⸗Seraj eine Berathung über diese Angelegen⸗ eit statt.

Bnlgarien. Sofia, 29. Mai. (Pest. .) In Folge der von Rumänien und Serbien erhobenen und von Oesterreich⸗Ungarn, England und Frankreich unterstützten Reklamationen bezüglich des der bulgarischen Kammer vorzulegenden Gesetzes wegen Aufnahme in den bulgarischen Staatsverband der in der Dobrudscha und dem ehemaligen Donau—-Vilajet lebenden Bulgaren hat der bulgarische Minister Zankoff erklärt, diesen Gesetzentwurf zurückzuziehen, sich jedoch vor— behalten, der Kammer in der nächsten Session einen diesen Gegenstand regelnden Gesetzentwurf zu unterbreiten, demzu⸗ folge diese Naturalisationsfrage kraft einer mit Serbien und Rumänien abzuschließenden Konvention geregelt werden soll. Unmittelbar nach Schluß der Kammer, die am 20. Juni erfolgt, reist der Fürst von Bulgarien nach Belgrad.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 1. Juni. (W. T. B.) Das „Journal de St. Péter sbourg“ ver⸗ öffentlicht eine ihm von der hiesigen türkischen Botschaft übersandte Depesche aus Konstantinopel, vom 29. Mai, über einen in dem Vilayet von Salonichi stattgehabten Zu⸗ sammen stoß zwischen türkischen Truppen und einer bulga— rischen Räuberbande. Letztere soll gänzlich aufgerieben worden sein, wobei die Türken bei den Leichen der Bul⸗ garen Medaillen mit revolutionären Inschriften und in französischer Sprache abgefaßte Petitionen an die Vertreter der Mächte in enn aufgefunden haben sollen. Dies lasse die bisher an die Mächte gerichteten Petitionen in eine m neuen hellen Lichte erscheinen. Das „Journal de St. Péters⸗ burg“ läßt der obigen Drpesche einige ironische Bemerkungen folgen, in welchem darauf hingewiesen wird, daß die türkischen Behörden etwas Besseres zu thun hätten, als an Europa der⸗ artige Demonstrationen zu adressiren, da Europa seine Infor— mationen anderwärts, als aus Berichten türkischer Gouverneure schöpfen werde. ;

St. Pet. Itg.) Beim Kriegs-Ministerium ist, wie die „Mosk. Ztg. erfährt, eine besondere Kommission ge⸗ bildet worden, welche über die Frage der Ausdehnung der allgemeinen Wehrpflicht auf die russische Bevölkerung des Gebiets von Turkestan in Schlußberathung treten soll.

Danemark. Kopenhagen, 25. Mai. (C. Ztg.) Die dänische Flotte soll nach Angabe des Marine⸗Ministers im Landsthing bestehen aus: 8 Panzerbatterien, 4 großen ungepan⸗ zerten schwerem Geschütz und 30

sein sollen. Die zu Neubauten nöthige Summe ist für den

e orpedobooten, im Ganzen aus Schiffen, 10 Korvetten und Schonern, 12 Kanonenbooten mit 64 Fahrzeugen, die nach 10 Jahren vollständig vorhanden

genannten Zeitraum auf 1 709 000 Kr. jährlich festgesetzt; demnach werden die jährlichen Ausgaben für die Flotte 61, Millionen Kronen betragen, außer den für Instandhaltung und Erstattung nöthigen Summen.

Amerika. Washington, 27. Mai. (Allg. Corr.) Der Senat bestätigte heute die Ernennung des früheren General⸗Postmeisters, Mr. Key, zum Bundesrichter.

Der Versuch, die Session des Kongresses am 31. ds. zu schließen, ist wegen der vielen unerledigten Geschäfte auf⸗— gegeben worden.

Die demokratische Konvention von Kansas hat

zehn ungebundene Abgeordnete gewählt, von denen mehrere die Kandidatur Mr. Tildens begünstigen sollen. Längs der atlantischen See küste herrscht intensive Hitze; in manchen Gegenden ist das Thermometer bis auf 100 Grad Fahrenheit gestiegen und werden zahlreiche Fälle von Sonnen⸗ stich gemeldet. Eine solche Hitze im Mai sst bis jetzt nicht dagewesen.

Cincinnati, 31. Mai. (W. T. B.) Die hier statt⸗ findende Internationale Müller⸗Ausstellung ist heute eröffnet worden. Eine von dem deutschen Ausstellungs⸗ kommissar, van den Wyngaert, gehaltene Rede wurde sehr beifällig aufgenommen. Die Ausstellung ist nur erst theil⸗ weise fertig gestellt.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Prag, Dienstag, 1. Juni. Se. Majestät der Keiser Franz Josef ist hier heute ö. eingetroffen und von der Bevölkerung mit enthusiastischen Kundgebungen begrüßt worden. Der Kaiser hat in der Hofburg Wohnung genommen, woselbst er die Ver⸗ tretungen des Klerus, des Adels und der Stadt, sowie zahl— reiche Deputationen empfing.

Neichstags⸗Angelegenheiten.

Kyritz, 1. Juni. (W. T. B.). Bei der Reichstag sersatz⸗ wahl im 24Potsdamer Wahlbezirke (Ostpriegnitz wurden nach amtlicher Feststellöng 3630 Stimmen abgegeben, wovon der Reichsgerichts Rath von Grävenitz in Leipzig (konservativ) 3666 Stimmen erhielt. Ein Gegenkandidat war nicht aufgestellt worden.

Landtags⸗Angelegenheiten.

Die XVIII. Kommission des Abgeordnetenhauses zur Vorberathung des Gesetzentwurft, betreffend Abänderungen der kirchenpolitischen Gesetze hat sich wie folgt konstituirt: v. Rauchhaupt, Landrath, Vor sitzender; Schmidt (Sagan), Justiz⸗ Rath a. D. und dritt? ml gb Stellvertreter des Vorsätzen den; Freiherr v. Hammerstein, Rittergutsbesitzer, Schriftführer; Graf zu Limburg⸗Stirum, Gesandter, Schrift führer; Dr. Franz, Chef-⸗Redacteur, Schriftführer; Freiherr v. Zedlitz und Neukirch (Berlin), Landrath a. D.; Graf Wintzinge—⸗ rode, Landes ⸗Direktor; v. Wedell⸗ Malchow, Ritterschafts- Direktor; Dr. Grimm, Justiz-Rath, Rechtsanwalt; Dr. v. Stablewskt (Wreschen), Propst; Dr. Windthorst, Staats-⸗Minister a. D.; Dr. Reichent perger (Cöln), Appellationsgerichts⸗Rath a. D.; Dr. Brüel, Geheimer Regierungs Rath a. D.; Freiherr v. Schorlemer ⸗Alst, Premier ⸗Lieutenant a. D., Rittergutsbesitzer und Kreisdeputirter; Dr.. Gneist, Professor, Ober · Verwaltungsgerichts Kath; v. Bennigsen, Landes -Direktor; Dr. v. Cuny, Appellationsgerichts-⸗ Rath 4. D. und Professor der Rechte; Kieschke, Geheimer Ober⸗Regierungs Rath a. De; Dr. Weber (Erfurt), Stadtrath; Klotz, Landgerichts-⸗Rath; Dr. Bergenroth, Gymnastal⸗Oberlehrer a. D.

Gewerbe und Handel.

Nach amtlichen Nachrichten aus Konstantinopel ist die Zoll⸗ freiheit für die Einfuhr von Getreide und Mehl in das Vilayet Tripolis (Afrika) aufgehoben worden. Die Ausfuhr von Butter aus dieser Provinz ist von jetzt ab wieder gestattet.

Die am 29. v. M abgehaltene Generalversammlung der Kreditanstalt für Industrie und Handel in Dresden ertheilte der Verwaltung Decharge. Zu Punkt 3 der Tagesordnung: Beschlußfassung über Reduktion des Aktienkapitals, bezw. über Ver⸗ wendung der bei 673 9½' inkl. Stückzinsen zurückgekauften 810 Stück Aktien war die Generalversammlung, da nicht das volle Drittheil der Aktien vertreten war, nicht beschlußfähig. Aus der Mitte der Generalversammlung wurde der Vorschlag eingebracht, die zur Kom— pletirung auf 1000 Stück erforderlichen (90 Stück Aktien bestmög⸗ lichst bezw. unter einem Limitum von 85 9 zuzukaufen. Man einigte sich aber dahin, die Beschlußfassung über diese Angelegenheit bis zur nächsten Generalversammlung auszusetzen.

London, 31 Mai. (W. T. B.) Das hiesige Haus Hambro

fordert zur Subskription auf eine 4prozentige schwedische An⸗— leihe im Betrage von 2290 900 Pfd. Sterl. auf. Die Anleihe soll hauptsächlich zur Amortisation der 45. und 5projentigen An⸗ . dienen. Der Subfkriptionspreis ist auf 7 Pfd. Sterl. fest⸗ gesetzt. Wien, 1. Juni. (W. T. B.) Der „Presse“ zufolge stebt die österreichische Kreditanstalt im Begriffe die 5prozentigen Goldpfandbriefe in 45 prozentige zu konvertiren. Sie wird zu diesem Zwecke die 5 prozentigen Pfandbriefe rasch einberufen be— ziehungsweise in außerordentlichen Ziehungen verloosen. Mit der deutschen Vereinsbank in Frankfurt a4. M. ist bereits wegen Verkaufs der 45 prozentigen Pfandbriefe ein Abkommen getroffen und hat die Vereinsbank 19 Millionen Fl. fix und 20 Millionen in Option über nommen.

Wa shington, 27. Mai. (Allg. Corr.) Die Massenverwalter der falliten Reading Railroad Company wurden heute vom Gerichtshofe der Ver. Staaten zur Aufnahme einer Anleihe von L Million Dollars behufs Deckung der am 1. Juni fälligen Zinsen und Löhne ermächtigt.

Verkehrs ⸗Anstalten.

Plymouth, 51. Mai. (W. T. B;) Der Hamburger Postdampfer . Westph alia“ ist hier eingetroffen.

Southampton, 31. Mai. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd . Weer. ist hier eingetroffen.

New⸗JYork, 31. Mai. (W. T. B.) Ver Dampfer Holland“ von der Na tional⸗-Dampfschiffs⸗Compagnie (C. Messingsche Linie) ist hier eingetroffen.

Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. El gner. Sechs Beilagen leinschließlich Börsen⸗Beilage).

Redacteur:

Berlin:

3 a..

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Srste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

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Aichtamtliches.

Preußen. Berlin, 1. Juni. Im weiteren Verlaufe der gestrigen (76.) Sitzung setzte das Haus der Ab⸗ geordneten die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, be— treffend die Organisation der allgemeinen Landes— verwaltung fort. Die 85. 8 und 9 wurden ohne Debatte unverändert angenommen. 5. 10 lautet nach dem Beschlusse der zweiten Lesung:

Der Provpinzialrath besteht aus dem Ober -Präsidenten, bezie—⸗ hungsweise dessen Stellvertreter als Vorsitzenden, aus einem von dem Minister des Innern auf die Dauer seines Hauptamtes am Sitze des Ober-Präsidenten ernannten höheren Verwaltungsbeam— ten, beziehungsweise dessen Stellvertreter und aus fünf Mitgliedern, welche vom Provinzialausschusse aus der Zahl der zum Provinzial Landtage wählbaren Provinzialangehörigen gewählt werden. Für die letzteren werden in gleicher Weise fünf Stellvertreter gewählt.

Von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind der Ober⸗-Präsident, die Regierungs-Präsidenten, die Vorsteher Königlicher Polizeibehör⸗ den, die Landräthe und die Beamten des Provinzialverbandes.

Die Abgg. Graf von Wintzingerode, Rickert und Genossen beantragten:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

Alinea 1 des §. 10 in der Fassung der Regierungevorlage anzunehmen.

Der Abg. Rickert befürwortete seinen Antrag. Der Abg. Graf Wintzingerode habe mit Recht hervorgehoben, daß die Herren, welche die Vereinigung der kommunalen und staat⸗ lichen Funktionen in einem Organe wünschten, sich der An— nahme dieses Antrages nicht widersetzen könnten. Unerklärlich sei aber, wenn selbst Herren, welche sogar die Entscheidung Über Rechtsfragen denjenigen Mitgliedern, die in kommunalen oder staatlichen Körperschaften säßen, geben wollten, sich der Kombination widersetzten, wie sie die Provinzialordnung gewollt habe. Nach der Vorlage des Vorgängers des jetzigen Ministers hätte der Provinzialausschuß sowohl die kommunalen als staatlichen Funktionen übernehmen sollen und nur der Vorsitzende hätte dabei wechseln sollen. Das Haus habe sich damals nur, weil das Herrenhaus auf diesen Gedanken nicht habe eingehen wollen, fügen müssen, aber die Richtigkeit des Prinzips der Regierungsvorlage hervor— gehoben. Wolle man nun die Trennung vornehmen, die nie beabsichtigt gewesen sei? Der Abg. von Benda habe die Konsequenzen des gegenwärtigen Zustandes beklagt, daß in einer Provinz von den 9 Mitgliedern des Provinzialaus— schusses, da 2 Landräthe darunter seien, die nicht in den Provinzialrath gewählt werden könnten, 5. Mitglieder, ge⸗ borene Mitglieder des Provinzialraths seien. Einmal sei dies kein Unglück, da man sie nur wählen werde, wenn sie geeignet seien; die Darstellung entspreche aber auch nicht den That⸗ sachen, da nach 8. 10 der Regierungsvorlage die Mitglieder gewählt werden könnten. Der Abg. von Rauchhaupt habe eigentlich nur angeführt, daß man es unmöglich mache, daß gar zu viele Landräthe in die Provinzialausschüsse kämen. Sei denn das ein Unglück? Die Herren seien ja immer in den Propinzialrath und auch in den Ausschuß getreten; es wäre doch aber nicht richtig, wenn die Provinzialausschüsse fast nur aus Landräthen bestehen sollten, und in dieser Be⸗ stimmung sei ein kleines Hinderniß dagegen enthalten. Er bitte, die Regierungsvorlage im §5. 10 wieder herzüstellen.

Der Abg. Grumbrecht glaubte, daß der Abg. Rickert nur durch besondere Verhältnisse der Provinz, der er angehöre, zu seinem Antrage veranlaßt worden sei. Da man den Wunsch haben müsse, den Provinzialrath möglichst mit den geeignetsten Personen zu besetzen, dürfe man dieselben nicht nur aus den Mitgliedern des Provinzialausschusses wählen lassen; er bitte die Beschlüsse der zweiten Lesung aufrecht zu erhalten.

Der Abg. Graf von Wintzingerode beantragte die Ve—⸗ stimmung zu streichen, daß die Beamten des Provinzialver⸗ bandes in den Propinzialrath nicht wählbar sein sollten. Es sei ja erklärlich, daß man den Ober-⸗Präsidenten und den Re⸗ gierungs⸗-Präsidenten nicht im Provinzialrath haben wolle, weil dieselben durch ihre Stellung einen zu großen Einfluß auf die Entscheidungen desselben ausüben könnten, in manchen Sachen auch Partei sein würden. Ganz anders sei die Stel⸗ lung der Beamten des Provinzialverbandes, deren Sachkennt⸗ niß sie für die Arbeiten des Provinzialrathes ganz besonders geeignet erscheinen lasse.

Der Abg. von Rauchhaupt bemerkte, während der Graf von Wintzingerode nur theoretische Gründe für seinen Antrag an— geführt habe, habe der Abg. Rickert etwas aus der Schule geplaudert. Die Absicht des Abg. Rickert scheine ihm zu sein, die Landräthe von dem Provinzialrath fern zu halten. Un— bequem mögen die Landräthe ja zuweilen im Provinzialrath sein, jedenfalls verständen sie aber das Verwalten, was man von den Landesdirektoren nicht immer behaupten könne. Wenn man aber darauf hinarbeite, die Landräthe auch vollends aus dem Provinzialausschusse herauszumanövriren, so glaube er, daß man dem Lande ebensowenig damit einen Dienst leiste, wie dadurch, daß man die Landräthe von dem Bezirksverwal⸗ tungsgericht ausgeschlossen habe. Die Landräthe wären gerabe wohl geeignet, eine gewisse Uebereinstimmung der Verwalkungs⸗ grundsätze auch in den Streitsachen aufrecht zu erhalten. Daß die Landräthe dem Verwaltungsgerichte 4 Instanz an⸗ eff: sei kein durchschlagender Grund, dieselben ganz aus⸗ zuschließen, da der betreffende Tandrath einfach bei den Sachen ausscheiden könne, wo sein Kreis betheiligt sei. Er kenne auch Mitglieder der liberalen Partei, die ihm wiederholt ge⸗ sagt hätten, daß es in der That sehr zu bedauern sei, daß gegenwärtig die Landräthe von den Bezirksverwaltungsgerich⸗ ten gausgeschlossen seien, weil dieselben mit voller Kenntniß der Verwaltung Recht gesprochen hätten. Er könne deshalb weder aus dem allgemeinen prinzipiellen Gesichtspunkte des Abg, Grafen Wintzingerode, noch von dem Tendenzstandpunkte des Abg. Rickert aus dem Antrage des Grafen Wintzin⸗ gerode folgen. Die Wahl sei gegenwärtig durch den 5§. 62 der zrovinzialordnung allerdings so beschränkt, daß nur wirkliche Mitglieder des Provinzialausschusses in den Pro⸗ vinzialrath gewählt werden könnten, nicht auch stellvertre⸗ tende Mitglieder des Provinzialausschusses. Denn es stehe im §. 62, daß der Provinzialausschuß aus seiner Mitte die

Berlin, Dienstag, den 1. Juni

Mitglieder des Provinzialraths wählen solle, und der Schluß⸗ satz: Stellvertreter für die weiteren 5 Mitglieder würden in gleicher Weise aus der Zahl der Mitglieder des Proyvinzial⸗ ausschuffes und deren Stellvertreter gewählt, deute implieite darauf hin, daß die stellvertretenden Mitglieder des Provin⸗ zialausschusses nicht in den Provinzialrath gewählt werden könnten. Deshalb sei der Kreis der Wählbaren ein so un⸗ gemein beschränkter, daß er wirklich wiederholt bitten müsse, den Antrag Graf Wintzingerode abzulehnen.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, er müsse sich voltständig auf den Boden der Regierungsvorlage stellen. Man sehe daraus, daß die Fortschrittspartei, das Gute, was die Regierung vorschlage, gern annehme, denn sie sei auch konservativ. Die Regierungsvorlage trage dem Prinzip Rech— nung, das seine Partei bei Berathung der Provinzialordnung vertreten habe und suche einigermaßen den Zusammenhang zwischen Provinzialrath und Provinzialausschuß aufrecht zu erhalten. Er gestehe offen, daß neben dem prinzipiellen Ge— sichtszunkte ihn die Nebenrücksicht leite, den Landrath nicht allzumächtig werden zu lassen. Der Landrath habe ja die herrlichste Stellung im ganzen Staate, derselbe habe ja ein so wichtiges Arbeitsfeld und könne so segensreich wirken, aber das Alles werde gefährdet, sobald derselbe aus dem Kreise heraustrete. Seine Partei habe schon durchgesetzt, daß der Landrath nicht im Verwaltungsgericht und Provinzialaus⸗ schuß sitze, damit sei derselbe auch aus dem Provinzialrath ausgeschieden, und dieses Hinderniß solle nun beseitigt wer— den. Er (Redner) bleibe aber dabei, der Landrath sei im Provinzialrath nicht an seinem Platz. Man habe ja jetzt schon Provinziallandtage, in denen die besoldetEn Beamten, Landräthe und Bürgermeister die geborene Majorität bildeten. Der Landrath sei abhängig von seinem Ober-Präsidenten, derselbe avancire und wechsele seinen Wohnsitz und sei daher nicht der geeignete Mann für den Provinzialrath.

Der Abg. von Benda glaubte, daß die Bedeutung der Frage überschätzt werde. Die Beschlüsse der zweiten Lesung ständen nicht in besonderem Gegensatz zur Regierungsvorlage. Die Neigung, Landräthe in den Provinzialrath zu wählen, habe er noch nicht bemerkt. Die Ansicht des Abg. Rickert, daß auch die Stellvertreter zum Provinzialausschuß in den Provinzialrath gewählt werden könnten, sei falsch.

Der Abg. Dr. Wehr erklärte, daß er die Ansichten des Abg. von Rauchhaupt theile, auch die Beamten des Provin⸗ zialverbandes von der Wähibarkeit zum Provinzialrath aus— geschlossen wissen wolle.

Der Abg. Frhr. von Heereman trat für die Beschlüsse der zweiten Lesung ein.

Der Abg. Graf von Wintzingerode verwahrte sich gegen die Unterschiebung, daß er die Rendenz habe, die Landräthe vom Provinzialrath fern zu halten.

Der Abg. von Meyer⸗Arnswalde fand es befremdlich, daß nicht auch die Bürgexmeister der vom Kreise eximirten Städte gleich den Landräthen von der Wählbarkeit zum Provinzial⸗ rath ausgeschlossen seien. Er verzichte darauf, ein entsprechen⸗ des Amendement einzubringen, da er gegen das ganze Gesetz stimmen werde.

Der Abg. Rickert machte darauf aufmerksam, daß die Landräthe Staatsbeamte seien, die Bürgermeister aber nicht. Er habe nicht aus der Schule plaudern können, da ihm die Absicht, die Landräthe vom Provinzialrath auszuschließen, fern liege. So lange der Provinzialrath als ein Theil des Pro—⸗ vinzialausschusses aufgefaßt worden sei, habe der Provinzial— rath mit demselben stets gleichzeitig getagt und die Kosten der Provinz seien dadurch verringert worden; das würde in Zu⸗ kunft nicht mehr möglich sein, wenn der Antrag des Grafen von Wintzingerode abgelehnt würde.

Nach einigen weikereren Bemerkungen der Abgg. Richter, Frhr. von Zedlitz und Neukirch und von Rauchhaupt wurde §. 10 unter Ablehnung des Antrages Wintzingerode⸗Rickert nach dem Beschlusse der zweiten Lesung angenommen; ebenso die 55. 11—22.

§8. 23 lautet nach der Fassung der 2. Lesung:

Im Uebrigen bleibt die bisherige Verfassung der Regierungen mit der Maßgabe bestehen, daß der Regierungs⸗Präsident befugt ist, Beschlüsse der Regierung oder einer Abtheilung derselben, mit welchen er nicht einverstanden ist, außer Kraft zu setzen, und, sofern er den Aufenthalt in der Sache für nachtheilig erachtet, auf seine Verantwortung anzuordnen, daß nach seiner Ansicht verfahren werde. Andernfalls ist böhere Entscheidung einzuholen.

Auch ist der Regierungs ⸗Präsident befugt, in den zur Zu— ständigkeit der Regierung gehörigen Angelegenheiten an Stelle des Kollegiums unter persönlicher Verantwortlichkeit Verfügungen zu treffen, wenn er die Sache für eilbedürftig oder, im Falle seiner Anwesenheit an Ort und Stelle, eine sofortige Anordnung für erforderlich erachtet.

Dieser Paragraph wurde ohne weitere Debatte nach dem Antrage der Abgg. Rickert und Zelle in folgender Fassung angenommen: ;

. Nebhrigen bleibt die bisherige Verfassung der Regierungen estehen.

Der Regierungs ⸗Präsident ist befugt, in den zur Zuständigkeit der Regierung gehörigen Angelegenheiten an Stelle des Kollegiums unter persönlicher Verantwortlichkeit Verfügungen zu treffen, wenn er die Sache für eilbedürftig oder im Falle seiner Anwesen⸗ 9 Ort und Stelle eine sofortige Anordnung für erforderlich erachleß.

Die §5§. 24—34 wurden ohne Debatte unverändert an⸗ genommen.

Zu F. 35 beantragte der Abg. Zelle folgenden 5§. 35a. einzuschalten: Das Haus der Abzeordneten wolle beschließen: Hinter 5§. 35 folgenden neuen vor 5. 36 zur Berathung und Beschlußnahme zu bringenden Paragraphen einzuschalten: §. 35 a. Der Bezirksrath besteht aus dem Ober ⸗Präsidenten beziehungsweise dessen Stellvertreter als Vorsitzenden, aus einem vom Minister des Innern auf die Dauer seines Hauptamtes in Berlin ernannten höheren Verwaltungsbeamten beziehungsweise dessen Stellvertreter und aus vier Mitgliedern, welche von dem Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung in gemeinschaft⸗ licher Sitzung unter dem a des Bürgermeisters aus der Zahl der zur Theilnahme an den Wahlen der Stadtoerordnetenversamm⸗ lung berechtigten Bürgern gewählt werden. Für die letzteren vier Mitglieder werden in gleicher Weise vier Stellvertreter gewählt.

1889.

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Von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind der Ober ⸗Präsident, der Polizei⸗Präsident, die Mitglieder des Magistratz und der Stadt verordnetenversammlung.

Der Abg. Zelle befürwortete seinen Antrag. Der Minister des Innern habe in zweiter Lesung seinem Antrag einen sehr entschiedenen Widerspruch entgegengesetzt. Mit Recht habe der Minister es für einen Widersinn erklärt, einem solchen Bezirksrath die eigentliche kommunale Aussicht übergeben zu wollen. Unter kommunaler Aufsicht habe man doch wohl die Aussicht über die Geschäftsführung der Kommunalbehbrden und der einzelnen Mitglieder des Magistrats zu verftehen. Von einem Verlangen nach solcher kommunalen Aussicht sei aber nicht die Rede gewesen. Der Minister habe den Aus⸗ druck auf Materien angewandt, die kaum in den Begriff der Kommunalaufsicht gezogen werden könnten. In diesem Sinne werde das Wort nicht in Anwendung kommen. Der Minister hahe auch ein sehr einschneidendes Moment außer Acht ge⸗ lassen, daß nämlich Leute, welche in eine obere Behörde aht seien, sehr bald einen esprit de corps empfänden, der sie zwinge, an Entscheidungen der unteren Instanzen Kritik anzulegen. Man erkenne das täglich an den Differenzen zwischen dem von der Stadtverordnetenversammlung gewählten Bürger⸗ meister und der Wählerschaft. Man könne ohne Gefahr dem Bezirksrath die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Magistrat und Stadtverordneten überlassen. Sei derselbe doch von beiden gewählt und ein ganz unpartelischer Schieds⸗ richter. Der Minister habe ferner eingewendet, daß für die gewerblichen und wirthschaftlichen Angelegenheiten statt des Bezirksraths der Stadtausschuß eintreten könne und deshalb der Bezirksrath für Berlin entbehrlich sei. Abgesehen von den Gründen, die er schon in zweiter Lesung dagegen angeführt habe, gebe es noch viele Hauptfälle, in denen der Stadtaus⸗ ausschuß statt des Bezirksraths aus inneren Gründen gar nicht entscheiden könne. Der Stadtausschuß habe z. B. die Genehmigung zu gewerblichen Anlagen zu geben und wenn derselbe an Stelle des Bezirksraths treten solle, der Stadt⸗ ausschuß gleichzeitig darüber befinde, ob die Anlagen zu sistiren seien, wenn sie Nachtheile für das allgemeine Wohl involvirten. Der Stadtausschuß werde auch nicht geeignet sein zur Entscheidung über Genehmigung von Ortsstatuten für gewerbliche Angelegenheiten. Alle die Gründe für eine solche Scheidung der Behörden würden später bei Berathung des Kompetenzgesetzes den Wünschen Berlins entgegen gesetzt werden, wenn es sich darum handele, diese Dinge dem Stadtausschuß zu übergeben. Wenn der Minister sage, es sei doch eine Unmöglichkeit, daß der Bezirksrath bei Konflikten zwischen Polizei und städtischen Be⸗ hörden entscheide, so weise er auf die Beispiele hin, aus denen hervorgehe, daß nur selten ein solcher Konflikt bei diesen Dingen entstehe. Der Minister habe endlich den Bezirks⸗ rath als e fuß der städtischen Behörden bezeichnet. Es sollten doch aber Mitglieder des Magistrats und der Stadt⸗ verordneten für diesen Verwaltungskörper gar nicht wählbar sein! Von solchen gewählten Mitgliedern der Selbstverwal⸗ tungsbehörden würden die öffentlichen Rechte besser wahr⸗ genommen werden, als es in den Bureaus des Polizeipräsi⸗ diums geschehe. Er erinnere nur an den Fall, wo die Kom⸗ munalbehörden zu ihrem Schreck in einer sehr engen Straße ein Gebäude bis zum sechsten Stock in die Höhe hätten wachsen sehen, obwohl die Baupolizeiordnung nur ein halb so hohes Gebäude zulasse. Die Polizeibehörde habe auf die Anfrage gemeint, es sei ja eine Verbreiterung der Straße es han⸗ delte sich um die Wallstraße vorgesehen. Ein Selbstver⸗ waltungskörper würde auf einen solchen Einwand die einzig richtige Antwort gegeben haben, daß die Herren, welche dabei berathen hätten, wahrscheinlich das Inslebentreten der Ver⸗ breiterung nicht erleben würden. Eine Gefahr für ein staat⸗ liches Interesse könne ein solcher Verwaltungskörper schon darum nicht in sich bergen, weil bei jeder Entscheidung desselben die Instanz des betreffenden Ministers angerufen werden könne. Dies erwägend, werde man der Stadt Berlin dieses bescheidene Maß von Selbstverwaltung wohl gönnen.

Der Abg. von Heppe führte aus, nach der Abstimmung in zweiter Lesung sei es nicht zu verwundern, daß die Herren auf den Vorschlag zurückkämen, dieses Organ der Selbstver⸗ waltung für Berlin zu schaffen. Der durchschlagende Grund gegen die Absicht, die Befugnisse des Bezirksraths für Berlin einer von den städtischen Behörden zu wählenden Körperschaft zu übertragen, bestehe in dem Mangel an einer unabhängigen Wahlkörperschaft. Er frage den Abg. Richter, ob es liberal sei, einer solchen Körperschaft die Entscheidung über städtische An⸗ gelegenheiten in höherer Instanz zu übertragen? Der Abg. Richter eifere ja sonst immer gegen Ueberschreitung der Be⸗ fugnisse der Behörden, hier aber heiße es: „Bauer, das sei etwas Anderes.“ Der Abg. Zelle habe die Befugnisse des Be⸗ zirksraths als sehr unbedeutend hingestellt, man wisse aber, daß dieselben durch das Kompetenzgesetz erheblich erweitert werden sollten; dann werde man wieder dieselbe Melodie hören, Berlin nicht schlechter zu stellen, als andere Städte. Abgesehen aber von den Dingen, wo zur Zeit die Entscheidung dieser Selbstverwaltungsorgane in rein städtischen Angelegen⸗ heiten erfolge oder später erfolgen solle, gebe es noch ein großes Gebiet von Angelegenheiten des Bezirksraths und Provinzialraths, wo eine indirekte Betheiligung der betheilig⸗ ten Städte in höchstem Maße vorhanden sei. Er wolle dem Hause dies nur an einem einzigen Beispiele näher darlegen. Schon vor Beginn dieser Sitzungsperiode sei dem Hause eine Petition der Direktion des hiesigen Aktienviehhofes zugegan⸗ gen, worin dieselbe um Schutz bitte, gegenüber der drohenden Vergewaltigung Seitens der Stadt, und zwar aus Anlaß des zur Berathung stehenden dusabges ce zum Schlacht⸗ hausgesetze. Aber auch ie stadtischen Behörden hätten aus dieser Veranlassung eine Petition an das Abgeordnetenhaus gerichtet. Dieselben hätten sich darin aller⸗ dings darauf beschränkt, die enorme igt ee der Sache her⸗ vorzuheben und gebeten, doch ja in dieser Session die Ange⸗ legenheit zur Beschlußfassung zu bringen. Es sei klar, daß hier ein ernster schwerer Konflikt vorliege. Die Frage, welche zu entscheiden sei, werde eine sehr schwierige sein. Aber diese schwere Frage werde man doch versuchen müssen auf dem Wege