1880 / 295 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 15 Dec 1880 18:00:01 GMT) scan diff

Sodann wies der Papst darauf hin, daß die Symptome für die baldige Rückkehr der orientalischen Christen in den Schooß der römischen Kirche mehr und mehr zunähmen, gedachte an⸗ erkennend der Verdienste des Patriarchen Hassun um die Bei⸗ legung des armenischen Schismas und erklärte, in Hassun, welchem er die Kardinalswürde verleihe, alle orientalischen Christen ehren zu wollen.

16. Dezember. (W. T. B) Der Minister⸗Präsident Cairoli hat in der Kammer eine Vorlage, betreffend die Verlängerung der Handelskonventionen mit England, Belgien, Frankreich, Deutschland und der Schweiz, eingebracht.

Türkei. Konstantinopel, 15. Dezember. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach hätte die Pforte die Absicht aufge— geben, ein Rundschreiben in der griechischen Frage an die Mächte zu richten.

Die „Agence Havas“ vom 14. läßt sich aus Sato⸗ more melden: Matowowitsch hatte sich nach Skutari be— geben, um die Angelegenheit betreffend den Besitz der beiden Dörfer Lescovatz und Kaliman, unweit Bulcigno, zu regeln, deren Herausgabe die Türken verweigern. Derselbe ist aber wieder abgereist ohne ein Einverständniß erzielt zu haben und hat die Unterzeichnung der Deklaration betreffend die Besitzergreifung Dulcignos abgelehnt.

Philippopel, 6. Dezember. Der W. „Pr.“ schreibt man von hier: „In einigen Gebirgsdistrikten Sstrumeliens macht sich abermals eine stärkere Gährung unter der mahome danischen Bevölkerung bemerkbar. Die Mahomedaner von Ruptschus an der Rhodope⸗-Grenze und von Newrekop an der mazedonischen Grenze, wollen von ihrer Ein⸗— verleibung in Ostrumelien nichts igen Aus dem Kirdschali⸗ Gebiete wird das Auftauchen bewaffneter Banden signalisirt, deren stärkste unter dem Kommando Deli Ibrahims, eines Schwiegersohnes des von der ersten Erhebung der Mahomedaner im Kirdschali-Gebiete her bekannten Agitators, des Mollah Durham, 206 Mann zaählt, welche mit Martiny⸗Gewehren bewaffnet sind. Die ostrume— lische Regierung, welche sofort energische Maßregeln zur Unter— drückung dieser Bewegung ergriffen hat, hofft ihrer um so bestimmter Herrin zu werden, als es ihr gelungen ist, des Mollah Durham in Hoschikla habhaft zu werden, worauf der⸗ selbe in Haskiöm im Spitale als irrsinnig internirt wurde. Die ostrumelische Regierung glaubt aus diesen Vorgängen die Nothwendigkeit einer raschen Lösung der Grenzberichtigungs⸗ frage deduciren zu sollen, weil im anderen Falle die Bewegung um sich greifen und in eine allgemeine Schilderhebung aus— arten könnte.“

Rumänien. Bukarest, 14. Dezember. (W. T. B.) Der Minister Bratiano wurde heute Abend beim Verlassen der Deputirtenkammer von einem mit einem Küchenmesser be⸗ waffneten Individuum überfallen und verwundet. Der Stoß war gegen das Herz des Ministers gerichtet. Bratiano parirte den Stoß und erhielt nur eine leichte Wunde im Gesicht an der linken Backe. Der Attentäter wurde von Bratiano selbst festgehalten, bis Hülfe herbeikam. Derselbe ist ein untergeordneter Beamter des Finanz-Ministeriums und ist nach seiner eigenen Angabe Mitglied einer Verschwö— rung, welche Bratiano bereits vor einiger Zeit schriftlich mit dem Tode bedroht hat. Von 50 Verschworenen wurde er durch das Logs zur Ausführung des Mordanschlags be— stimmt. Die Aufregung in der Stadt ist sehr groß. Die Untersuchung ist eingeleitet. Eine anderweite Meldung des W. T. B. über diesen Vorfall lautet: Als Ministerprästdent Bratiano heute Abend den Sitzungssaal der Deputirtenkammer verlassen hatte, wurde er von einem Individuum, Namens Petraru, mit einem Messer angegriffen. Bratiano faßte den Angreifenden an dem Arm, so daß das Messer durch die Kleider bis zu der Brustgegend drang. Bratiano rang einige Sekunden mit dem ziemlich kräftigen Mörder und wurde da— bei am Kopfe und Arme leicht verwundet. Der Deputirte Goga eilte zur Hülfe herbei und versetzte dem Mörder mit einem Stock einen Schlag auf den Kopf, wobei das Messer auf, den Boden fiel. Der Mörder wurde von mehreren De— putirten und dem Huissier der Kammer festgenommen. Die Wunde Bratiano's wird von den Aerzten für nicht bedenklich erklärt. Das Messer hat eine neue Klinge, ist 20 em lang und war mit Blut befleckt. Bratiano selbst hofft, morgen seine amtliche Thätigkeit fortsetzen zu können.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 14. Dezember. (W. T. B. Der „Regierungsbote“ veröffentlicht ein Kaiserliches Schreiben an den Prinzen Peter von Oldenburg anläßlich dessen 50 jährigen Dienstjubiläums. Der Kaiser drückt in dem Schreiben seinen wärmsten Dank sowie den Dank des Landes dem Jubilar für dessen verdienst⸗ volle Thätigkeit während eines halben Jahrhunderts aus.

Der Senator, Geheime Rath Baron Alexander Stakel berg ist zum Kurator des Dorpater Lehrbezirks er— nannt worden. .

Der russische Botschafter in Wien, von Oubril, ist heute Abend hier eingetroffen.

15. Dezember. (W. T. B.) Dem Prinzen Peter von Oldenburg ist anläßlich seines 5o jährigen Dienst⸗ jubiläums ein eigenhändiges Schreiben des Deutschen Kaisers mit herzlichen Glückwünschen zugegangen.

Die „Agence Russe“ bestätigt, daß in den Ver— handlungen mit China eine friedliche Wendung ein— getreten sei. 0

Amerika. Washington, 14. Dezember. (W. T. B.) Die in der Repräsentantenkammer eingebrachte Reso⸗ lution, durch welche der Naturalisationsvertrag mit Deutschland gekündigt werden soll, erklärt, daß sich der Ver— trag in Folge verschiedener Mängel und Meinungsverschieden— heiten hei der Auslegung desselben als nicht hinlänglich er⸗ wiesen habe, um die naturalisirten amerikanischen Bürger, welche sich, zeitweilig in Deutschland aufhalten, gegen Ün⸗ zuträglichkeiten zu schützen. Die Resolution bezeichnet es als wünschenswerth, von allen europäischen Regierungen die volle unzweideutige Anerkennung der Prinzipien zu erlangen, welche die Vereinigten Staaten bei dem Verfahren der Natu⸗ ralisation von Ausländern leiten. Wegen eines neuen, auf diesen Prinzipien basirten Vertrags sollen deshalb die Ver⸗ handlungen eröffnet werden.

New⸗Hork, 11. Dezember. (Allg. Corr.) Eine große organisirte Streitkraft von Grenzbewohnern aus Kanfas macht einen neuen Versuch, in der Indianer⸗Refervatian von Oklohama einzufallen und sich daselbst niederzulassen, in Folge wovon jetzt Bundestruppen die Grenze bewachen. Die Indianer drohen die Kolonisten niederzumetzeln, Falls sie ihr

Territorium betreten. Es wird die schleunige Intervention des Kongresses in der Angelegenheit verlangt.

Südamerika. Brasilien. Rio de Janeiro, 24. No vember. (Allg. Corr.) Der Senat hat den Paragraphen der Wahlreform Vorlage angenommen, welcher emancinirte Schwarze, Protestanten und naturalisirte Ausländer wahlfähig für die Kammern macht.

Asten. Persien. (Allg. Corr.) Aus Teheran wird dem „Standard“ unter dem 11. d. gemeldet: ;

Bie Teheraner Armee hat die Stadt Uchni zerstört und sämmt⸗ liche Einwohner getödtet. Hierauf griff sie Abdul Kader mit 12 000 Mann bei Mergewar an und schlug denselben. Scheich Abdullah befindet sich in Notcha und organisirt ein neues Heer für einen Angriff im Frühling, Scheich Saddik ist todt.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Am 13. d. M. verschied hierselbst der Direktor der Königlichen Kunstschule, Prof. Martin Gropius. Der Verstorbene (geboren am 11. Auguft 1824), Jahre lang Lehrer an der Königlichen Bau⸗ akademie, hat sich als prattischer Architekt in Gemeinschaft mit dem Baumeister Schmieden durch eine Reihe bedeutender öffentlicher und privater Bauwerke einen hervorragenden Namen gemacht. Eines seiner vollendetsten Werke, das Königliche Kunstgewerbemuseum, wir d demnächst seiner Bestimmung übergeben werden. h

Von den im Verlage von Franz Vahlen hierselbst erschei⸗ nenden Beiträgen zur Erläuterung des deut chen Rechts“ in besonderer Bejiehung auf das preußische Recht mit Einschluß des Handels- und Wechselrechts, begründet von Dr. J. A. Gruchot, herausgegeben von Rassow, Reichsgerichts ⸗Rath, und Küntzel, Landgerichts Rath“, ist das sechste Heft des vierten Jahrganges (der ganzen Reihe der Beiträge XXIV. Jahrgang) ausgegeben worden. An Abhandlungen enthält das vorliegende Heft folgende fünf: ) Ueber Auslegung der Gesetze. Kritische Bemerkungen von dem Amtsrichter Dr. Deutschmann in Stuhm. 2) Zur Klage aus der! nützlichen Verwendung nach 5§5§. 262 ff. J. 13 des preußischen allge⸗ meinen Landrechta. Von einem preußischen Juristen. 3) Zur Auslegung des 5. 13 Nr. 3 des preußischen Gefetzes vom J. Jult 1875, betreffend die Anlegung und Veränderung der Straßen und Plätze und ländlichen Ortschaften, von dem Reichsgerichts-Rath Schwarz in Läpzig. 4) Findet §. 337 Abs. 1 der C. P. O. auch Anwendung, wenn die Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht statt⸗ finden soll? Von dem Lantrichter Fischer in Conitz. 3) Die Be— fugniß des Gerichts zur Trennung der Verhandlung und Entschei⸗ dung nach der deutschen Civilprojeßordnung. (Schluß.) Von dem Landrichter Schepers in Dortmund.

Das Preußische Kirchengesetz vom 14. Juli 1880 nebst den Gesetzen vom 7. Juni 1876 und 15. Februar 1878, heraus⸗ gegeben mit Kommentar von Dr. P. Hinschlus, ord. Professor des Kirchenrechts an der Universität Berlin. Nachtragsheft zu den Kom— mentaren der Preußischen Kirchengesetze der Jahre 1873, 1874 und 1875. Berlin und Leipzig. Verlag von J. Guttentag (D. Collin). Die Preußischen Kirchengesetze der Jahre 1873 bis 1875, welche der Verfasser 1873 und 1875, mit Kommentaren versehen, herausgegeben hat, sind durch das neue Gesetz vom 14. Juli d. J. in einzelnen Be— stimmungen abgeändert worden. Das vorliegende Nachtragsheft bringt die stattgehabten Aenderungen durch eine eingehende Besprechung der einjelnen Vorschriften des neuen Gesetzes, sowie durch die übersicht— liche Zusammenstellung der von demselben betroffenen Bestimmungen der älteren Gesetze zur Anschauung, und erhält dadurch die früheren Kommentare auch noch gegenüber der heutigen Lage der Gesetzgebung brauchbar. Auch hat der Verfasser diefer Ausgabe des neuen Gesetzes die beiden Kirchengesetze von 1876 und von 1878, welche in den früheren Kommentaren noch keine Aufnahme finden konnten, beige— geben, so daß die Sammlung nunmehr alle kirchenpolitischen Gesetze Preußens, so weit sie nicht ausschließlich die seit 1573 unternommene Neu Regelung der Verfassungs-Einrichtungen der evangelischen Kirch= betreffen, umfaßt.

Im Verlage von Eugen Grosser hierselbst ist erschi nen Das Patentgesetz für das Deutsche Reich vom 25. Mai 1877 durch die bisher ergangenen Instruktionen, Verfügungen, Ent— scheidungen ꝛc. erläutert von Hugo Knoblauch, Ingenieur und Königlicher Feldmesser, Inhaber eines Patent, und Technischen Bureaus in Berlin. Ven dem Buche, welches in dem von dem genannten Verlage herausgegebenen Sammelwerke „Grossers Gesetz⸗ Sammlung“ die Nummer 61 bildet, liegt das 1. Heft vor. Selt dem 1. Juli 1877 bereits ist das Patentgesetz für das Deutsche Reich in Kraft. Während dieses dreijährigen Zeitraums hat die praktische Ausführung des Gesetzes wiederholt gezeigt, daß die bisher erschic— nenen Kommentare, so hohen Werth dieselben auch immer be— halten werden, vielfach nicht ausreichten, um den betreffenden Kreisen ein rolles Verständniß und eine richtige Auslegung der einzelnen Paragraphen jederzeit zu schaffen. Wenn auch drei Jahre für die Ein⸗ und Durchführung eines neugeschaffenen Gesetzts kein langer Zeitraum sind, so hat doch bereits die sorafältige praktische Ausführung des Patentgesetzes in den verschiedensten Fällen, durch alle Stadien hindurch, von der ersten Beschlußfassung des Patentamtes bis zum endgültigen Urtbeilsspruch des Reichsgerichts, ein bedeutendes Wort gesprochen. Diese Beschlüsse, Entscheidungen, Urtheile, Gutachten und wissenschaftlichen Abhandlungen über wich— tige Fragen des Patentwesens geben die besten Erläuterungen zum Patentgesetz, und diese hat daher der Verfasser in der vorliegenden Arbeit sorgfältig zusammengestellt und bei den betreffenden Para⸗ graphen des Gesetzes, auf Grund deren die Entscheidungen oder Ver— fügungen getroffen wurden, mit den erforderlichen Erklärungen mit— getheilt. Das Buch ist demnach eine sachgemäße Zusammenstellung des vorhandenen Materials, welche dazu beitragen kann, die bigber leicht möglich gewesene, zweifelbafte Auskegung einzelner Paragraphen des Patentgesetzes zu vermeiden und den Sinn des Gesetzes klar darzustellen, und dürfte so die Arbeit ein praktisches Nachschlagebuch für alle Diejenigen sein, welche mit Patentsachen zu thun haben.

Die Harmonie der Farben von G. Guich ard, Architekt= Decorateur, Ritter der Ehrenlegion 2c. Autorisirte deutsche Ausgabe. 144 Farbentafeln mit Text von Dr. G. Krebs. Frankfurt a. M. Verlag von Wilh. Rommel. (Paris, Ad. Gou baud et fils) Man bat längst die Beobachtung gemacht, daß eine Farke erst den Söhe—⸗ punkt der Intensität erreicht, wenn sie in die Nähe ihrer Ergänzungt⸗ (Komplementär ⸗) Farbe gebracht wird. Demzufolge bringt Roth, welches sich neben Grün befindet, eine Steigerung des Effetts der letzteren Farbe hervor, wie es seinerfrits ebenfalls eine solche Steigerung erfährt. Wendet man nun dieses Gesetz der Farbenkontraste auf die Kleidung an, fo ergiebt sich beispielsweise, daß ein rother Hut dem Gesicht eine grünliche

arbe giebt, ein grüner dagegen dasselbe ziegelroth erscheinen läßt.

er Erfinder der vorliegenden Tafeln, Architekt. Decorateur Guichard, empfiehlt deshalb komplementäre Farben nebeneinander bei der Toi⸗ lette zu vermeiden. Was von dieser, gilt aber auch für die , dekoration. Sind die Farben an sich schon grell, fo werden sie durch den Kontrast noch mehr verschärft. Man muß also die Wirkung der komplementären Farben aufeinander dadurch abzuschwächen suchen, daß man Zwischenfarben in richtiger Abtönung einschaltet, welche mit den Komplementärfarben zusammen die Harmonie wieder her⸗ stellen. Man findet nun in den Guichardschen Tafeln immer 9

arben vereinigt: der untere breiteste Streif für die Tapete, dar⸗ über der Ton für die Vorhänge und Portisren, dann der für die Thüren, Lambrequins und Karniesse, und ganz oben für die Haupt⸗ farbe der passenden Frauenkleidung. Ursprünglich sonach für die innere Dekoration entworfen, giebt jedoch auch jede einzelne Tafel für sich willtommenen Aufschluß über eine harmonische Farben⸗ zusammenstellung der Damentoilekte, und zwar lassen sich mit Hülfe der 144 Tafeln, welche das Werk umfassen wird, im Ganzen 1256

Kombinationen machen. Die Guichardschen Tafeln können nach alle⸗ dem zur Geschmacksbildung, aleichwie zur praktischen Anwendung den Kunstindustriellen empfohlen werden.

Gewerbe und Hande.

London, 14. Dezember. (W. T. B.) Die heute hier abge⸗ haltene Versammlung von Besitzern peruanischer Bonds bat eine Resolution angenommen, in welcher das mit der chilenischen Regierung abgeschlossene Arrangement gutgeheißen und der Ausschuß ermächtigt wird, am Ende des Krieges bei der chilenischen Regierung Schritte zu thun, um das Arrangement zu einem definitiven zu machen. In den Spinnereien von Nord- und Nordost⸗ Lancasbire sind die Löhne um Hoso erhöht worden.

New York, 13. Dezember. (W. T. B) Weizen verschiffungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Vereinigten Staaten nach England 96 000, do., nach dem Kontinent 60 006. do. von Kalifornien und Oregon nach England 40 000 QOrtrs. Visible Supply an Weizen A 060 009 Bufhel, do. do. an Mals 15 812000 Busphel.

Berlin, 15. Dezember 1880.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute fortgesetzten Ziehung der 3. Klas⸗— 163. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen:

2 Gewinne von 15 000 ½υ auf Nr. 83 179. 90 444.

2 Gewinne von 6000 ½Æ½ auf Nr. 4241. 88 762.

3 Gewinne von 3000 S auf Nr. 5860. 43 889. 75 552.

3 Gewinne von 1800 M auf Nr. 169. 52 548.

ö. ö von 900 M auf Nr. 42 640. 57 3185. 62296.

2

5 Gewinne von 300 MS auf Nr. 1358. 63 786. 70 147. 71 898. 77 746.

Heute Nachmittag 3 Uhr fand in dem Trauerhause, Voß— straße 10, die feierliche Einsegnung der Leiche des am 13. d. M. hier verschiedenen Königlich württembergischen Gesandten und ö zum Bundesrath, Freiherrn von Spitzem⸗

erg statt.

Der schwere Metallsarg war im Speisesaal zwischen Pal— men und Blattpflanzen aufgebahrt. Reicher Blumenschmuck deckte ihn. Am Fußende lag unter zahlreichen Kränzen ein pracht⸗ voller mit Kamelien durchzogener Lorbeerkranz, den Ihre Majestät die Kaiserin übersendet hatte. Auch Se. Königliche Hoheit der Prinz Alexander hatte Seiner Theilnahme durch Ueber⸗ sendung eines Lorbeerkranzes Ausdruck verliehen. Bereits Tags vorher waren die nächsten Leidtragenden, unter ihnen des Verewigten Bruder, General der Infanterie Frhr. von Spitzem⸗ berg, General⸗Adjutant Sr. Masjestät des Königs von Würt⸗ temberg, hier eingetroffen, um der trauernden Wittwe und den verwaisten beiden Kindern des Verewigten tröstend zur Seite zu stehen.

Kurz nach 2 Uhr begannen sich die Trauerräume zu füllen. Unter den Erschienenen befanden sich der SOberst— Kämmerer Graf von Redern, der Vize⸗Präsident des Staats— Ministeriums Graf zu Stolberg, und die sämmtlichen Staats⸗ Minister; aus der nächsten Umgebung Sr. Majestät des Kaisers der General⸗Adjutant Frhr. von Losn, die Flügel⸗Adjutanten Graf von Lehndorff und von Lindequist, der Vize-Ober-Stall⸗ meistecr von Rauch. Das diplomatische Eorps hatte sich nahezu vollzählig eingefunden, ebenso die Vertreter der obersten Reichs⸗ behörden und die Bevollmächtigten zum Bundesrath. Kurz vor 3 Uhr erschienen Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Alexander, Georg, August von Württemberg sowie Se. Durchlaucht der Prinz Friedrich von Hohenzollern, und Punkt 3 Uhr Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kron⸗ prinz, Höchstwelcher der trauernden Wittwe uns den übrigen Leidtragenden persönlich Sein Beileid ausdrückte. Die Feierlichkeit nahm nunmehr ihren Anfang. Die Trauerrede hielt der Divi⸗ sionsprediger Parmet. Die Ueberführung der Leiche nach Stuttgart wird heute Nacht erfolgen.

In der Versammlung der Delegirten der deutschen Bühnengenossenschaft erschien gestern um 23 Uhr der General- Intendant von Hülsen, um die Delegirten zu begrüßen und das Ka— pital der eingegangenen „Perseverantia“ in Höhe von 70 600 M der Gengssenschaft zu Überwelsen. Im Namen der Versammlung dankte der Präsident Berndal und schloß mit einem dreifachen Hoch auf Hrn. von Hülsen, in welches die Versammlung begeistert einstimmte. Heute beschäftigte sich die Delegirtenversammlung mit den Angelegenheiten der Genossenschaft. Dem Rechenschaftsbericht ent⸗ nehmen wir, daß die Zahl der Mitglieder sich im verflossenen Geschäftsjahr von. 3436 auf 3274 also um 162, vermindert hat. Die Einnahmen, darunter 5586 M Mitaliederbeiträge, betrugen 6011 1, die Ausgaben 6518 S Laufende Unterstützungen wurden in Ge— sammthöhe von 1264 ½υο, einmalige im Betrage von 1226 . ge⸗ währt. 3863 M gewährte Darlehen wurden als uneinziehbar nieder⸗ geschlagen. Der Genossenschaftsfonds hat sich in Folge der Mehr⸗ ausgabe um 506 MS von 22 892 M6 auf 22 385 S verringert. 6223 6 sind Kaar vorhanden, 10 4865 in Effekten; 19 6577 0 sind zinsfrei an 129 Mitglieder ausgeliehen. Die Zeitung ‚Deutsche Bühnengenossenschaft' hatte, einschließlich 168 Bestanb, 17739 4 Einnahme, 165 929 * Ausgabe, schließt also ihre Rechnung mit dem erfreulichen Bestande von 1819 ½6 ab. Die Wittwen und Waisen⸗Pensions-⸗Anstalt hatte eine Einnahme von 85. 84 M 27 . eine Ausgabe von 516 M, hat also ihr Vermögen um 8068 6 auf 10 749 M erhöht. Eine längere Debatte schloß sich an. Es folgte alsdann die Berathung des vom Delegirten Dr. Krücke⸗Hamburg vor⸗ gelegten neuen Statutenentwurfs der Genossenschast.

Im Arnimschen Saale (Hotel Imperial) fand gestern Abend das Wohlthätigkeitskonzert statt, welches alljiährst um die Weihnachtszeit von der Gesanglehrerin am Sternschen Konservatorium hierselbst; Frl. Jenny Meer, mit ihrer Gesangsklasse gegeben wird. Der überfüllte Saal bewies auch in diesem Jahre die Be⸗ liebtheit des Konzerts. Die diesmaligen Leistungen deg Chors und der Solisten entsprachen voll den Erwartungen. Eine natürliche, gesunde Entwickelung der menschlichen Stimme, Reinheit rer Inso= nation und hervorragend schöne Ausbildung ber Kopfstimme, sowie Belebtheit des Vortrages sind die Eigenschaften dieser Gesangsschule. Das reichhaltige Korjertprogramm enthielt 9 Solonummern und 3 Frauenchöre, welche letztere durch Hrn. Kapellmeister Rob. Radecke einstudirt, jedoch gestern Abend in Vertretung desselben durch Hrn. Kapellmeister Mannstädt geleitet wurden.

w. Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel) . Druck W. Elz ner.

Vier Beilagen leinschließlich Börsen⸗ Beilage).

Berlin:

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

2 295 8 7 *

3 0 .

4

ö 1

Per sonalver änderungen.

Königlich Preusische Armee.

Grnennungen, Beförderungen und Versetznnger. Im aktiven Heere. Berlin, 7. Deßember. Graf v. Haeseler, Dberst und Abtbeil. Chef im Großen Generalstabe, unter Stellung Tja cuits des Geueralstabes der Armee, mit der Führung der 12. Kav. Brig. beauftragt. Vogel v. Falckenstein, Oberst ⸗Lt, aggreg. dem Generalftabe der Armee, unter Enthindung von seinem Kommando bei dem Gouvernement in Straßburg i. E. und unter Wieder einrangirung in den Generalstab der Armee, zum Abtheil. Chef im Großen Generalstabe ernannt. Frbr. v. Dornberg, Majer und etatsmäßiger Stabtgffizier rom Ulanen- Regiment Nr. 5, mit der Führung des Dꝛagoner Regiments Nr. 14. unter Stellung 3 la suite dessel en, beauftragt. Frhr. v. Linien, Major vom Hus. Regt. Nr. 8 unter Entbindung von dem Kommando als Adjut. bei dem Gen. Kommando des III. Armer Corpz als etatg⸗ mäß. Stabsosfiz, in das Ulan. Regt. Nr. 5 versetzt. v. Brünneck, Rittm. à Ja suite des 1. Garde⸗DVrag. Regis, unter Wie derein ran girung in dieseg Regt, als Adiut. zur Gen. Kommando des VIII. Armer⸗Corps kommandirt. v. Kalckstein, Hauptm. à Ia saite des 4. Garde ⸗Rerts. z. F., unter Entbind. von dem Kommando als Adint. bei der 30. Miyxision, dem gedachten Rat. aggreg. und zur Tienstleist. als persönl, Adjut. bei detz Prinzen Friedrich Carl ven Preußen Königliche Hoheit, Frhr. v. Boenigk, Hauptm; und Cemy. Chef vom Inf. Regt. Nr. 8. als Adjut, zur 30. Div. lommandirt. Harte, Hauxtm. vom Inf. Regt. Nr. 78, zum Comp. Chef ernannt. v. Mentz, See. Li. von dems. Regt., zum Pr. Lt., vorläufig ohne Patent, befördert. v. Schmidt, Hauptm. 6 la suite Fes General⸗ stabes der Armee und vom Nebenetat des Großen Generalstabes, ein vom 18. Septbr. er. datirtes Patent siner Charge, v. Sobbe, Major z. D. Und Bez. Commandeur des 2. Bats. dan dw. Regts. Ne. 26, ein Patent seiner Charge, verliehen. v. Ro senberg⸗ Gruszvnski, Sec. Lt. vom Inf. Regt. Nr. 51, auf 6 Monate zur Dienst leist. bei der Schloßgarde⸗ Comp. kommandirt. 11. Dezem- ber. v. Thile, Gen. Lt. und Commandeur der 21. Div, jum kommanbirenden. General deg VIII. Armee Corps ernannt. v. Bo ehn, Generagl⸗Mojor und Commanderr der 58. Infanterie⸗ Brig, mit der Führung der 21. Dip, v. Reibnätz, Oberst und Commandeur deß Gren, Negts. Nr. 8, unter Stellung à la suite dieses Regtés,, mit der Führung der 58. Inf. Brig., Graf Fin ck v. Finckenstein, Oberst⸗ Lt, und Cammandeur des Garde⸗FJäger⸗ Vats, anter Belassung in feinem Verhältniß als Flügel Adjuz. Sr. Majestät des Kaisers und Köngs, mit der Fůhrung des Gren. Regts. Nr. 8, unter Stellung à la suite desselben beauftragt. Frhr. von Wilezeck, Major vom Garte-Füs. Regt. zum Commandeur des Garde⸗Jäger⸗Bataillons, von der Mülbe, Major vom Garde— Füsilier⸗Regiment, zum ctate mäßigen Stahsoffitien, ernannt. Frhr. v. Fircks, Major, aggregirt. dem Garde Füsilter ⸗Re⸗ giment, in die älteste Hauptmannsstelle dieses Regiments einrangirt. v. Gélieun, Oberst à la suite des Inf. Regts. Nr. 94 und Kom— mandant von Neu ⸗Breisach, mit den Geschäften als erster Komman— dant von Coblenz und Ehrenbreitstein beauftragt. Seelemann, Oberst und Commandeur des Gren. Regts. Nr. 3, unter Verleihung des Charakters als Gen. Major, zum Kommandant von Neun · Sreisach ernannt. Ha kewessell, Oberst vom Inf, Regt. Nr. 32, mit der Führung des Gren. Regts,. Nr. 8, unter Stellung à la snite desselben, beauftragt. v. Alvensleben, Maior vom Inf. Regt. Nr. 32, zum etatsmäß. Stabsoffiz; ernannt. v. Man stenn, Major, aggreg. dem Inf. Regt. Nr. 32, in die älteste Hauptmannsstelle dieses Regts. einrangirt.

n en nrrtgan gen Im aktiven Heere. Berlin, 7. Dejember. v. Knobloch, Gen. Major und Commandeur der 12. Kav. Brig., mit Pens. zur Disp. gestellt. Vogt, Oberst ⸗Lt. und Commandenr des Drag. Regts. Nr. 14, mit Pens. der Abfchted bewilligt. 11. Dezember. v. Beyer, Gen. der Inf. und Gouverneur von Coblenz und Ehrenbreitstein, in Genebm. seines Abschiedsgesuchek, unter Belass. in seinem Verhältniß als Chef des Füs. Regté. Nr. 39, mit Pens. zur Visp. gestellt.

Fönlglich Banerktsche Armee. nennungen, Beförderungen und Versetzungen. tiven Heere. 9. Dezember. Körber, Pr. Lt. des . ger⸗Bats., auf die Dauer eines Jahres aus dem aktiven Dienst ntlassen und à la snite des gen. Truppentheils gestellt.

Durch Verfügung des KriegsMinisteriumg. 9. Dezem ber. Hollerbaum, Sec. Lt. des Inf. Leib⸗Regts., von seinem Kom— mando zur Intend. J. Armee ⸗Corps vom 1. Januar k. J. enthoben.

Abschiedsbewilligun gen. Im aktiven Heere. 6. De⸗ zember. Dreykorn, See, Lt. a. D., der Anspruch auf Anstel⸗ lung im Milit. Verwalt. Dienst ausnabmsweise verliehen. 8. Dezember. Graf v. Reigers berg, Sec. Lt. a. D., zuletzt beim 8. Inf. Regt., die Erlaubniß zum Tragen der Unif. des 1. Jäger⸗ Bats. ertheilt.

XIII. (FRöniglich Bürttembergisches) Armee ⸗Corpz.

Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im attiven Heere. 6. Dezember. Habermaas, außer⸗ etatsmsß. Sec. Lt. im Pion. Bat. Nr. 13, zum Ingen. Offiz., v. Vischer, Major a. D., zuletzt im 3. Inf. Regt. Nr. 121, unter Stellung zur Diäp., zum Bei. Commandeur des 1. Bats. Landw. Regt. Nr. 125, ernannt, Blaich, See. Lt. im Inf. Regt. Nr. 124, zum Pr. Lt, unter Vorbehalt der Patentirung, befördert. v. Gräpenttz, Hauptm. und Comp. Chef im Inf. Regt. Nr. 122, in das Inf. Regt. Nr. 126, Roth, Hauptm. und Comp. Chef im Inf. Regt. Nr. 126, in das Inf. Regt. Nr. 122, versetzt.

Im Beurlaubtenstande. 6. Dezem ber. Evtel, Sec. Lt. von den Landw. Pion. des Res. Landw. Bats. Nr. 127, Sei⸗ fried, Sec. Lt. von der Landw. Kav. dess. Bais, Dieterlen, Sec. Lt. von der Landw. Kav. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 126 Walser, Sec. Lf. von der Landw. Kav. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 125, Frhr. v. Süßtin d- Schwendi, See Lt. von der Landw. Kav. des J. Bats. Landw. Regts. Nr. 126, zu Pr. Lts. befördert.

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 6. De⸗ zember. Plochmann, See Lt. im Inf. Regt. Nr. 124, aus allen Milifärverhältnissen entlassen. Maaß, See. Lt. im Jaf. Regt. Nr. 120, der Abschied, behufs Uebertritis in Königl. sächf. Dien ste, Frhr. v. Palm II., Sec. Lt. im Ulan. Regt. Nr. 19, der Abschied, behufs Uebertritts in Königl. preuß. Dienste, bewilligt.

Im Beurlaubtenstande. 6. Dezember. Renner, See. Lt. von der Landw. Inf. des Nes. Landw. Bats. Nr. 127, Lemcke, Sec. Lt. von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regt. Nr. 124, der Abschied bewilligt.

Herzoglich Braunschweigisches Kontiugent.

6. Dezember. von der Mülbe, Majer und Egeadr. Cbef im Hus. Regt. Nr. 17, in Genehm. seines Abschiedsgesucheg mit der gesetzl. Pens. der Erlaubniß zum Tragen der Regts. Unif. und der Auesicht auf Civilanstellung zur di gestellt. Dom mes, Ser. Lt. in dems. Regt., zum Pr. Lt, Krüger, Kybitz, von Schütz, See. Ltg. der Res. des Inf. Regts. Nr. 92, zu Pr. Ets. der Res. beförd it.

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N 1

sittwech, den 15. Dezemher

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Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 15. Dezember. Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sitzung des Herren hauses gab zunächst der Referent der Agrar-Kommission über den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Ausführung des Reichsgesetzes über die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen, Graf von Zieten-Schwerin, eine vergleichende Uebersicht der Bestimmungen im preußischen Gesetz von 1875 und dem Reichsgesetz, welches am 1. April 1851 in Kraft treten soll. Zu demselben Termin solle auch das Ausführungsgesetz in Kraft treten. Die Kommission habe nur gerlnge, meist redaktionelle Aenderungen einzelner Paragraphen vorgenommen, nur im 5. 22 die Bestimmung gestrichen, nach welcher die Entschädigung für ein an der Pockenseuche gefallenes Schaf in keinem Falle 50 S6 für ein einzelnes Thier übersteigen dürfe, und im 8. 25 die Bestim⸗ mungen über die Kostenverpflichtung der Gemeinden und selbständigen Gutsbezirke für alle Fälle präziser formulirt.

Zur Generaldiskussion nahm Niemand das Wort, ebenso— wenig zu den redaktionellen Aenderungen zu den 85. 13 und 13, die sämmtlich ohne Debatte genehmigt wurden. Erst bei . 23 entwickelte sich eine Diskussion. Ber Staats⸗Minister Dr. Lucius führte aus, daß der 8. 22 ein Entgegenkommen gegen die großen Schafzüchter der Provinzen Brandenburg und Pommern enthalte, wo man noch immer an dem Gedanken festhalte, daß die Schaspockenimpfung ein Präservativ gegen die Pockenfeuche bilbe, obwohl deren Verbot im Reichstage eine fehr große Majorität gefunden habe. Die Aufnahme einer Entschädi⸗ gungspflicht bedeute somit einen Vortheil für die Landwirth— schaft. Wenn man nun in dem Gesetz auch die Maximal— grenze streichen wollte, so könne man deswegen den Pio⸗ vinzialverbänden, welche die Enischädigung zahlen sollen, nicht verwehren, ihrerseits eine solche zu normiren. Er stelle es dem Hause anheim, den Antrag der Kommission anzunehmen,

Herr von Winterfeld sprach die Ansicht aus, daß eigentlich die Staatsregierung zur Uebernahme der Entschädi— gung verpflichtet sei, da sie durch Aufhebung der Lämmer⸗ impfung die Schafzucht positiv geschädigt habe. Es sei sehr zweifelhaft, ob die Provinz Brandenburg einen Verband zur Entschädigung bilden werde. Mit dem Maximalsatz werde nicht entfernt der eventuelle Schaden gedeckt, der den Stamm— schäfsreien durch Verlust der theuren Mutterschafe erwachse, das Maximum von 50 M sei vollends unbedeutend und fiele besser die ganze Bestimmung aus dem Rahmen des Gesetzes weg.

Der Antrag der Kommission zu §. 22 wurde angenom⸗ men; ebenso wurden die redaktionellen Aenderungen, welche die Kommission für die Fassung des §. 25 vorgeschlagen, mit einigen lediglich redaktionellen Aenderungen des Herrn von Simpson-Georgenburg angenommen, und schließlich das ganze Fesetz in der veränberten Fassung genehmigt. .

Der dritte Gegenstand der Tagesordnung war die ein— malige Schlußberathung über den Gesetzentwurf, betreffend die Wiederzulassung der Vermittelung der Renten— banken zur Ablösung der Reallasten. Der Berxicht— erstatter Herr von Schuhmann stellte den Antrag, dem Gesetz⸗ entwurse in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeord⸗ neten unverändert die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen, und das Haus schloß sich diesem Antrage an.

Den vierten Gegenstand der Tagesordnung hildete die einmalige Schlußberathung über den Entwurf eines Er— gänzungsgesetzes zu dem Gesetze vom 9. März 1872 über die den Medizinalbeamten zu gewährenden Vergütungen. Der Berichterstatter Herr von Winterfeld beantragte, dem Gesetzentwurfe in der vorliegenden Fassung die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen, und das Haus trat diesem Antrage ohne Debatte bei.

Hierauf berichtete Graf v. d. Schulenburg⸗Angern über den von der Staatsregierung, vorgelegten Rechen⸗ schaftsbericht über die weitere Ausführung des Gesetzes vom 19. Dezember 1869, betreffend die Kon solidation preußischer Staatsanleihen, und stellte den Antrag, die im . 8 des Gesetzes vom 19. Dezember 1869, betreffend die Konsolidation preußischer Staatsanleihen, vorgeschriebene Rechenschaft durch den Bericht des Finanz⸗-Ministers als geführt anzuerkennen. Auch dieser Antrag fand die Zustim— mung des Hauses, womit die Tagesordnung erledigt war.

Der Präsident schloß die Sitzung um A Uhr.

Im weiteren Verlaufe der gestrigen (27) Sitzung setzte das Haus der Abgeordneten die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats pro 1881/82 mit dem Etat des Ministeriums der geistlichen, Unter— richts und Medizinal⸗Angelegenheiten (Dauernde Ausgaben Kap. 120, Gymnasien und Realschulen Titel H fort. Der Regierungskommissar Ministerial⸗Direktor Greiff erklärte, schon in der vorigen Session sei die jetzt an⸗ geregte Sache zur Sprache gekommen, und man habe damals verlangt, der Staat solle die Anstalten, von denen der Titel spreche, ganz übernehmen; da⸗ gegen sprächen zum Theil finanzielle, zum Theil auch sachliche Gründe, wie schon in voriger Session der Kultus⸗-Minister ausgeführt habe. Gegen den jetzt vom Vorredner gemachten Vorschlag lasse sich einwenden, daß so fundamentale Aende—⸗ rungen wohl nur durch Gesetz getroffen werden könnten. Die Ungleichheiten hätten darin ihren Grund, daß in vielen Fällen die Kommunen gar keine Unterstützung verlangt hätten, und daß in anderen Fällen die Höhe der gewährten Unter⸗ stützung von den jeweiligen finanziellen Zuständen des Staats abgehangen hätte, gerade bei dem vom Vorredner angeführten Fall von Gladbach sei die Zusage der Unterstützung in günstigen Zeiten geschehen und müsse denn auch in ungünstiger Zeit erfüllt werden. Gegen eine Regelung der Materie im Sinne des Vorredners spreche die Schwierigkeit der dazu nölhigen Voraussetzungen, die finanziellen Verhältnisse der betheiligten Gemeinden gegen einander genau abzuwägen. ;

Der Abg. Dr. Röckerath wies den in den Worten des Abg. von Eynern liegenden Vorwurf, als ob die leistungs⸗ fähigen Städte Cöln und Aachen gleichsam auf Kosten der Steuerkraft des ganzen Staats in ihrem höheren Unterrichts—

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1880.

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wesen unverhältnißmäßig unterstützt würden, zurück. Er be⸗ streite, daß die Höhe des Kommunalsteuerprozentsatzes ein geeigneter Maßstab für die Vertheilung der Staatszuschüsse sei. Cöln zahle vielmehr ein 10 Mal so großes Quantum an Staatseinkommensteuer wie Barmen und müsse deshalb auch einen 10 Mal so großen Staatszuschuß erhalten. Uebrigens sei es den Cölnern ganz angenehm, wenn überhaupt gar kein Staatszuschuß gewährt würde, da sie allein die Mittel besäßen, ihre Unterrichtsanstalten zu erhalten.

Der Abg. von Eynern wies darauf hin, daß Cöln zu den ältesten und reichsten Patrizierstädten gehöre, das aller⸗ dings wohl in der Lage sei bedeutend mehr Staattzeinkommen— steuer zu zahlen, als Barmen, dessen Bevölkerung zu 2 aus Arbeitern bestehe und das die daselbst reichgewordenen Fabri⸗ kanten immer möglichst schnell mit einem anderen angeneh— meren Aufenthalte vertauschten.

Der Titel 4 wurde bewilligt.

Beim Titel 5 (Zur Erfüllung des Normaletats vom 20. April 1872 bei den Gymnasien und Realschulen 1. Ordnung 34861 M) rügte der Abg. Dr. Weber, daß der für diese Zwecke bestimmte Fonds nicht im vollen Umfange verwendet, sondern Ersparungen gemacht würden. Die Gehalteverhält⸗ nisse der Lehrer an den höheren Lehranstalten feien immer noch nicht geordnet, und es gebe noch immer eine große Anzahl städtischer Lehranstalten, deren Lehrer noch nicht den normalen Wohnungsgeldzuschuß empfingen. Die von diesem Hause zu diesem Zweck bewilligten Dispositionsgelder seien nur zum geringen Theil zur Ver⸗ wendung gekommen, man habe den größten Theil zu den Er⸗ sparnissen geschrieben. Dieses Verfahren entspreche aber in keiner Weise den Intentionen, in denen diese Gelder vom Hause bewilligt und von der Regierung gefordert worden seien. Nachdem einmal der Normaletat aufgestellt worden sei, sollte die Unterrichtsverwaltung doch ein großes Interesse an seiner Durchführung haben, sonst hätte sie nicht erst Hoff⸗ nungen erwecken sollen, deren Nichterfüllung nur böses Blut mache. Der Finanz⸗Minister, an dessen Widerspruch die Ver⸗ wendung der bewilligten Mittel wohl gescheitert sein möge, thäte wirklich besser, diese Sache mit Wohlwollen zu behan⸗ deln, als Steuererlasse für ein Jahr vorzuschlagen, die in der Finanzlage nicht gerechtfertigt seien.

Der Regierungskommissar Geh. Finanz⸗Nath Schulze erwi⸗ derte, an dem Wohlwollen des Finanz⸗Ministers für die Erfüllung des Normaletats dürfe man, wie er versichern könne, nicht zweifeln. Für die Wohnungsgeldzuschüsse müßten in erster Linie die Gemeinden einstehen und nur, wenn in einzelnen Fällen eine Stadt nachweislich nicht die dazu nöthigen Mittel aufbringen könne, trete der Staat ein. So sei bis jetzt ver⸗ fahren worden und müsse auch ferner verfahren werden.

Der Abg. Schmidt (Stettin) fand den Gegensatz zwischen dem Unterrichts- und Finanz-Ministerium betreffs der Woh⸗ nungsgelder darin ausgesprochen, daß ersteres schon vor mehreren Jahren das höchste Interesse bekundet habe, so schnell wie möglich die Lehrer in den Besitz des Wohnungs⸗

geldzuschufses zu setzen, und damit einem Nothstande abzu⸗

helfen. Ein öffentliches Aergerniß liege darin, daß der Landtag jährlich Summen bewillige, die nicht Verwendung fänden. Nach dem Ordinarium des Etats sei die Finanz⸗ lage durch die beabsichtigte Vertheilung von 14 Millionen eine sehr günstige, nach dem Extraordinarium dagegen eine sehr ungünstige, so daß Auskunft darüber erwünscht sei, ob nach solcher Finanzpraxis ohne Balancirung des Ordinariums und des Extraordinariums des Etats der preußische Staat sich der Gunst oder Ungunst eines Ueberschusses oder eines Defizits erfreue. Sonst werde man von einem Jahre zum anderen auf das Wohlwollen der Staatsregierung vertröstet, das nie einen praktischen Ausdruck finde.

Dir Regierungskommissar Geheime Regierungs⸗Rath Bohtz konstatirte, daß die Unterrichtsverwaltung den Uebel⸗ stand nicht verkenne, daß die Lehrer an städtischen Anstalten noch nicht alle den normalen Wohnungsgeldzuschuß er⸗ hielten. Die Regierung habe sich bemüht, die Kom⸗ munen zur Erfüllung des Normaletats zu bewegen, sei aber namentlich in kleinen Städten, die Realschulen zweiter Ord⸗ nung und Progymnasien mit Mühe unterhielten, auf große Schwierigkeiten gestoßen. In Torgau, Stendal und Frankfurt hätten die Verhandlungen ein günstiges Resultat gehabt. Di Zuschüsse könnten nur mit Vewilligung der Kommunalbe⸗ hörden erfolgen, denn da die Wohnungsgelder auch pensions⸗ berechtigt seien, würden die Lehrer mit ihren Pensionsan⸗ sprüchen in der Lust schweben, wenn die Zuschüsse ohne Zu⸗ stimmung der Kommunen erfolgen würden.

Der Titel wurde darauf genehmigt; desgleichen ohne Debatte Tit. 6 (Dispositionsfonds zu sonstigen Ausgaben für das höhere Unterrichtswesen 50 006 S6). Tit. 7 Gu unvor⸗ hergesehenen baulichen. Bedürfnissen höherer Lehranstalten 30 0009 ). Tit. 8 (Stipendium für bedürftige Symnasiasten und Realschüler 22 397 4 19 3). Zu Tit. 9 (Zuschüsse zur Unterhaltung höherer Mädchenschulen 80 000 6) brachte der Abg. Dr. Reichensperger (Cöln) noch einmal die Frage der Ueberbürdung zur Sprache. Der Lehrstoff in den Mäd⸗ chenschulen dürfe nicht zu sehr anwachsen, denn es komme bei der Mädchenerziehung hauptsächlich darauf an, daß Gemüth und Charakter ausgebildet würden. Darin würden ihm Alle beistimmen, die eine Frau hätten oder haben wollten. Die höheren Mädchenschulen seien aber jetzt in einem ordentlichen Wettkampf begriffen, den Mädchen möglichst viel Wissen ein⸗ zupauken. Er sei erstaunt und erschrocken, was im Lehre⸗ rinnenexamen alles verlangt werde. Er fiele durch das Exa⸗ men, wenn der vierte Theil von ihm verlangt würde. Bleibe denn da noch Zeit zur Aneignung der praktischen Kenntnisse, die jedes Mädchen brauche, um einst einem Saus halte vorstehen zu können? Dazu kämen noch die modernen Methoden, die von Theoretikern ausgeklügelt seien. Ein Vater oder Großvater könne jetzt ein Kind gar nicht mehr im ABC oder im Sprechen und Schreiben unterrichten. Eine nagelneue Orthographie habe man ja jetzt auch noch. Möge die Staatsregierung dafür sorgen, daß man kräftige, gesunde und gemüthvolle Mädchen habe, aber keine Blaustrümpfe.

Der Regierungskommissar Geh. Ober⸗Regierungs⸗Rath