Sehr ernste Nachrichten hat die Regierung auch vom Kriegsschauplatze im Basutolande empfangen. Einer Depesche des Gouverneurs aus der Kapkolonie zufolge haben die Kolonialstreitkräfte (Burghers) eine Niederlage im Felde in die Pondos erlitten. Die Kapbehörden finden, daß das
riegstheater so bedeutende Dimensionen annimmt, daß es absolut gebieterisch geworden ist, die heimische Regierung um Entsendung britischer Truppen anzugehen. Ein solches Gesuch soll dem Vernehmen nach im Kriegs-Ministerium in London bereits eingegangen sein.
Aus der Kapstadt wird dem Reuterschen Bureau unterm 17. ds. gemeldet:
Die neuesten Nachrichten aus Mafeteng melden einige Gefechte zwischen den Basutos und den Kolonial⸗Streitkräften unter Oberst Carrington. Die letzteren befanden sich auf einem Streifzuge in der Richtung auf Golah und Baleka, wobei die Truppen in zwei Ko⸗ lonnen getbeilt waren, deren eine vom Kapitän Brabant und die an— dere vom Oberst Carrington selber befehligt wurde. Der Kolonne Kapitän Brabants gelang es, Ajariels Dorf einzunehmen; aber die Abtheilung unter Carrington stieß auf eine 3005 Mann starke Streitkraft Basutos, vor der sie sich zurückziehen mußte. Die Kolonne Kapitän Brabants machte zu derselben Zeit eine rückgängige Bewegung und bewirkte ihre Vereinigung mit Oberst Carrington, so daß die Gesammtstreitkraft das Lager erreichte. Ver ganze Verlust der Kolonialtruppen während dieser Operationen betrug zwei Todte und acht Verwundete; der Verlust des Feindes konnte nicht ermittelt werden. Gegen die Tembus, welche die An—= höhen von Engoho besetzt halten, wurde ein Angriff ausgeführt, der erfolglos blieb. Nquiliso hat Versicherungen über seine freundlichen Absichten gegeben.
Aus Teheran wird dem Reuterschen Bureau vom 20. ds. gemeldet:
Aus Herat hier eingegangenen Nachrichten zufolge wünschte Ayub Khan, nachdem er die Mittheilung erhalten, daß die Stämme im Distrikt Kushk revoltirt hätten, seine Streitkraft gegen dieselben zu entsenden; aber seine Truppen weigerten sich, zu mar— schiren, da ihnen seit längerer Zeit kein Sold bezahlt worden.
Aus Bom bay berichtet dasselbe Bureau unterm 20 ds;
Unter den Pergunnahs im Sonthal-Lande ist jüngst in Folge der für den nächstjaͤhrigen Census getroffenen Vorbereitungen Ünzu— friedenheit entstanden. Die Aufregung, welche vor einiger Zeit einen diohenden Aspekt annahm, hat indeß jetzt nachgelassen. Die Bhownagar⸗Eisenbabn wurde heute von Sir James Ferguson, dem Gouverneur von Bombay, eröffnet. und Chandos, der bisherige Gouverneur von Madras, tritt heute die Rückreise nach England an.
— 22. Dezember. (W. T. B.) Der Kabinetsrath ist auf den 30. d. M. einberufen worden.
Die irische Landliga zu Bantry (Irland) hat Befehle erlassen, um Barrett und Godfrey, zwei Beamte auf dem Gute des Ober⸗Kammerherrn Lord Kenmare, einzuschüchtern. Mehrere Pächter und Diener Barretts haben Befehle erhal⸗ ten, Barrett zu verlassen, und den Kaufleuten ist verboten worden, ihm etwas zu verkaufen.
— 23. Dezember. (W. T. B.) Nach einer amtlichen Meldung aus der Kapstadt, vom gestrigen Tage, hat Oberst Baker den Häuptling des Pondomesensiammes, Umhlonhlo, vollständig geschlagen. Der Feind verlor gegen 300 Mann. Die Engländer erbeuteten eine große Menge Vieh. Umhlonhlo entkam. Der Verlust der Engländer betruͤg einen Offizier und drei Mann todt und 10 Verwundete.
Wie die „Times“ erfährt, stände die Demission des Vizekönigs von Indien, Lord Ripon, nahe bevor, weil derselbe außer Stande ist, das Klima zu ertragen. Die „Times“ dringt auf sofortige Ernennung eines Nachfolgers und empfiehlt Lord Dufferin als die geeignetste Perfönlich⸗ keit. — Der Unter⸗Staatssekretär dès Innern hat aus Gesundheitsrücksichten um seine Entlassung nachgesucht.
Frankreich. Paris, 22. Dezember. (W. T. B.) Der Senat hat das Ausgabebudget mit den von der Deputirten— kammer beschlossenen Positionen definitiv angenommen.
Italien. Rom, 22. Dezember. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer beendigte heute die Berathung des Budgets, nahm sodann den Gesetzentwurf, betreffend die Ver⸗ längerung der Handels- und Schiffahrtsverträge mit Belgien, Frankreich, Deutschland, England und der Schweiz, ohne De⸗ batte an, genehmigte ebenso die Handels- und Schiffahrts— konvention mit Rumänien und vertagte sich schließlich bis zum 24. Februar k. J.
Griechenland. Athen, 22. Dezember. Das, Reutersche Bureau“ läßt sich von . welden, Commuunduros habe an die Vertreter Griechenlands im Auslande ein Eir— kular erlassen, in welchem dieselben angewiesen werden, ein Schiedsgericht in der griechischen Grenzregulirungsfrage, wenn ein solches angeboten werden sollte, abzulehnen.
— Aus Rom, 20. Dezember, wird der „Pol. C.“ ge— meldet; Das Auftreten des philhellenischen Comité in Rom hat der italienischen Regierung Veranlassung gegeben, dem türkischen Geschäftsträger in der italienischen Hauptstadt die formelle Versicherung zu ertheilen, daß sie sich ihrer inter⸗ nationalen Verpflichtungen gegen die Pforte bewußt und entschlossen sei, nichts zuzulassen, was einem feindseligen Akte gegen eine befreundete Regierung gleichkäme. Im gleichen Sinne sprach sich die italienische Regierung auch in Athen aus, wie sie denn überhaupt keine Gelegenheit vorübergehen lasse, um der griechischen Regierung zur Mäßigung zu rathen und sie vor Illusionen in Betreff einer eventuellen faktischen Unterstützung zu warnen.
Serbien. Belgrad, 21. Dezember. (Pol. C) Die Fürstliche Regierung hat ihren Vertretern in Wien die von den Letzteren erbetenen neuen, Instruktionen in der Angelegenheit des zwischen Oesterreich⸗Ungarn und Serbien abzu— schließenden Handelsvertrages bereits zugeschickt. Man gieht sich in serbischen Regierungskreisen der Hoffnung hin, daß die modifizirten Instruktionen sich als geeignet er— weisen werden, die bei den Handelsvertragsverhandlungen aufgetauchten Schwierigkeiten zu beseitigen und einen raschen Abschluß des Vertrages herbeizuführen, so daß letzterer der im ,. zusammentretenden Skupschtina bereits zum Zwecke der Ratifikation unterbreitet werden könnte.
Bulgarien. Sofig, 22. Dezember. (W. T. B. In der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung beant—⸗ wortete der Conseils⸗Präsident Karaveloff eine Inter⸗ pellation, betreffend die Eisenbahnen dahin, daß die Regierung mit der Prüfung der Eisenbahnfrage beschäftigt sei und zwar von dem Gesichtspunkte eines allgemeinen but⸗ garischen Eisenbahnnetzes aus, welches die Linien Rustschuk— Tirnowa⸗Yenizajra, Sofia⸗Tirnowa, Sofia⸗Widdin, Sofia⸗ Vakarelle und Soßfia⸗Kustendje umfasse. Die Versammlung
Der Herjog von Buckingham
linie, welche das europäische Eisenbahnnetz mit dem orienta⸗ lischen verbindet und den Bedürfnissen Bulgariens entspricht, fortzusetzen und erforderlichen Falls behufs Lösung der Eisen⸗ bahnfrage die Nationalversammlung zu einer außerordent⸗ lichen Session einzuberufen.
Amerika. Washington, 20. Dezember. (Allg. Corr.) Beide Häuser des Kongresses haben beschlossen, am nächsten Mittwoch sich für zwei Wochen zu vertagen. Das Repräsentantenhaus hat das Budget für den Konsulardienst genehmigt.
Landtags⸗Angelegenheiten.
Dem Hause der Abgeordneten ist folgender Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Verwendung der in Folge wei terer Reichssteuerreformen an Preußen zu über weisenden Geldsummen, vorgelegt worden.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtags der Mon⸗
archie, was folgt: Erster la rt.
Unter Aufrechterhaltung der Bestimmungen des Gesetzes vom 16. Juli 18806 (GesetzSamml. S. 287) bezüglich der Verwendung der dem preußischen Staate aus dem Ertrage der Tabakssteuer und Zölle nach 8. 8 des Reichsgesetzes vom 15. Juli 1879 (Reichsgesetz— blatt S. 207) jährlich zu Üüberweisenden Geldfummen, sollen die- jenigen Mittel, welche in Folge der Einführung neuer oder der Er— höhung bestehender Reichsstenern an Preußen überwiesen werden, un=— verkürzt zu den nachstehend in 558. 2— “ bezeichneten Zwecken ver— wendet werden. ‚.
S. 2.
Die Klassensteuer wird für die vier untersten Stufen außer Hebung gesetzt, für die übrigen Stufen aber — soweit sie nicht nach dem Gesetze vom 16. Juli 1880 unerhoben bleibt — den Kreisen überwiesen.
In Betreff der jährlichen Veranlagung, sowie der Erhebung der Klassensteuerbeträge für die zuletzt genannten Stufen verbleibt es bei den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen.
Von den, den Kreisen überwiesenen Klassensteuerbeträgen findet die Gewährung einer Gebühr (Gesetz vom 2. Januar 1874 5. Gesetz˖⸗Samml. S. 9 an die Gemeinden nicht statt. In denjenigen Landestheilen, in welchen die örtliche Erhebung der Klasseasteuer durch Staatsorgane erfolgt, haben die Kreise von den ihnen über— ö Beträgen 30½ als Beitrag zu den Erhebungskosten zu ent— richten.
In der Provinz Hannover erfolgt bis zur Einführung der ,, die Ueberweisung an die Amtsverbände und selbftändi⸗ gen adte.
3
Die Grund,. und Gebäudesteuer wird behufs Erleichterung der Steuerlast der Kommunalverbände bis zur Hälfte des etatsmäßigen Betrages an die in 5. 2 bezeichneten Kommunalverbände überwöefen.
Die nach vorstehender Bestimmung, sowie nach 5 2 zu überwei— senden Beträge sind zunächst zum Erlaß der Kreisabgaben des be⸗ treffenden EtatsjahretJ mit Einschluß der auf die Kreife vertheilten Provinzialabgaben zu verwenden. Im Falle einer Mehr oder Min—⸗ derbelastung einzelner Kreistheile hat ein gleichmäßiger Erlaß der Abgaben einzutreten.
Ueber die Verwendung des die Summe der bezeichneten Kreis. abgaben übersteigenden Betrages hat die Kreisvertretung mit Zustim · mung des Bezirksratht., beziehungsweise bis zur Einführung desselben die Bezirksregierung (Landdrostei Bestimmung zu treffen.
Durch Beschlußfassung der in §. 2 bezeichneten Kommunal— verbände kann mit Genehmigung des Bezirksraths, beziehungsweise der Bezirksregierung (Landdrosteh, der Erlaß der vorstehend in Absatz 2 bezeichneten Kreisabgaben unterbleiben und eine anderweite Ver? wendung zur Befriedigung kommunaler Bedürfnisse oder zu sonstigen gemeinnützigen Zwecken erfolgen.
6.
Die Erhebung von Kommunalzuschlägen zu den direkten Staate— steuern beziehungsweise die Vertheilung von Kommunallasten nach denselben hat, ohne Rücksicht auf die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes eintretenden Außerhebungsetzungen oder Ueberweisungen, lediglich nach Maßgabe des Veranlagungssolls der betreffenden Steuern zu erfolgen.
Desgleichen soll in allen denjenigen Fällen, in welchen eine aktive oder passive Wahlberechtigung von der Entrichtung gewisser Steuer⸗ beträge abhängig gemacht ist oder wo die Ausübung eines Wahl⸗ rechtes nach Maßgabe der Besteuerung geregelt ist, der bezüglichen Berechnung das Veranlagungssoll zu Geunde gelegt werden.
Zweiter Abschnitt. 5
Die Verwendung der durch Einführung neuer oder Erhöhung bestehender Reichssteuern zu gewinnenden Mittel, soweit sie an Preußen überwiesen werden, erfolgt nach Maßgabe der folgenden Be⸗ stimmungen. ;
Von den dem preußischen Staate zu überweisenden Geldsummen (5. 3) ist. — rach Absetzung des auf die Hohenzollernschen Lande (S. 9) entfallenden Antheils, —
L, ein Drittheil zunächst dem nach dem Gesetze vom 16. Juli 1880 verfüabaren, auf die vier untersten Stufen der Klassensteuer entfallenden Erlaßbetrage zuzurechnen und mit demselben zum Erlaß der Steuer dieser Stufen bis zu deren vollem Jahresbetrage in analoger Anwendung der §5§. 2 bis 6 des gedachten Gesetzes zu verwenden, der dadurch nicht erschöpfte Ueberschuß aber auf die in §. 2 bezeichneten Kommunalverbände nach dem Verhält⸗ niß des Veranlagungssolls an Klassensteuer der fünften pis jwölften Steuerstufe für das betreffende Jahr zu vertheilen. Die zu diesem Zwecke verfügbaren Beträge werden durch den Staate— haushalts ⸗ Etat festgesetzt; die Vertheilung und Ueberweisung an die in §. 2 bezeichneten Kommunalverbände hat der Finanz⸗Minister zu veranlassen.
II. Der verbleibende Betrag der dem preußischen Staate über⸗ wiesenen Geldsummen (§. I) ist auf die in §. 2 bezeichneten Kom⸗ munalverbände, nach dem Verhältnisse deß Veranlagungssolls an Grund und Gebäudesteuer für das Jahr, in welchem ' die Ver⸗ theilung stattfindet und zwar bis auf Höhe der Hälfte des efats— mäßigen Sollbetrages der Grund ⸗ und Gebäudesteuer zu vertheilen. Der hiernach zu vertheilende Betrag wird durch den Finanz⸗ Minister auf Grund der im Artikel 39 der Reichs verfassung er⸗ wähnten Jahresabschlüsse und der diesen gemäß stattfindenden Abrech⸗ nungen festgestellt. Die aus den definitiven Abrechnungen sich er⸗ gebenden Berichtigungen werden bei der nächstfolgenden Festsetzung durch Zu beziehungsweise Abrechnung ausgeglichen. Das Ergebniß der Feststellung und Vertheilung ist alljährlich zur Kenntniß des Landtages zu bringen.
Die Auszahlung der überwiesenen Beträge hat der Finanz⸗ Minister unmittelbar nach Sete o der Vertheilung zu veranlassen.
Insofern der nach 5. 6 . verfügbare Betrag denjenigen der Hälfte der Grund und Gebäudesteuer Übersteigt, wächst der Ueber⸗ schuß dem nach §. 61. zu e, . Drittheile zu.
§. 8. Sollten die aus den Ueberschüßssen der Reichsverwaltung an Preußen zu überweisenden Summen einen Betrag erreichen, welcher über die vorstehend G5. 2 und 4) bestimmten Zwecke hinausgeht, dann bleibt gesetzliche Regelung der Verwendung für die überschießen⸗ den Summen vorbehalten.
nahm darauf eine Resolution an, durch welche die Regierung bevollmächtigt wird, die Erhebungen zum Bau einer Eisenbahn⸗
§. 9. Die hohenzollernsche Lande nehmen an den im §s§. 1 und 5 ge⸗
dachten, dem preußischen Staate zu überweisenden, zu Steuererlassen beziehnngsweise Ueberweisungen verfügbaren Geldfummen nach Ver⸗ hältniß der durch die letztvorangegangene Volkszählung ermittelten Bevölkerungszahl zu derjenigen des übrigen Staatsgebietes Theil.
Die Feststellung des Antheils erfolgt durch den Staatshaushalts. Etat. Der festgesetzte Betrag wird nach Verhältniß des für das betreffende Jahr bestehenden Veranlagungssolls an direkten Staats— steuern mit Ausschluß der Hundesteuer auf die Amtsverbände vertheilt.
Den Vertretungen der letzteren steht die Beschlußfassung über die Verwendung zu.
Urkundlich ꝛc.
Motive zu dem Entwurfe eines Gesetzes, betreffend die Verwendung der in Folge weiterer Reichssteuerreformen an Preußen zu Üüberweisenden Geldsummen. I. Aufgabe des Entwurfs im Allgemeinen.
Wie der in der Anlage gegebene Ueberblick über den Gang der biéherigen Verhandlungen bezüglich der Steuerreform des Reiches und des Staates nachweist, ist die Staatsregierung sich in Ueber⸗ einstimmung mit der Landesvertretung stets bewußt gewesen nud steht auch noch jetzt auf dem Standpunkte, daß der Einfluß der vermehrten und erhöhten indirekten Steuern und Zölle auf die Leistungsfäbigkeit der verschiedenen Be— völkerungsklassen sowohl eine Erleichterung als eine anderweite Vertheilung der direkten Steuerlast bedinge. Die Erreichung des letztgedachten Reformzieles muß der spätesteng in der nächsten Session des Landtages einzubringenden Vorlage über eine organische Umge⸗ staltung der einzelnen direkten Steuern vorbehalten bleiben; da⸗ gegen fällt der Gesetzgebung schon jetzt die Aufgabe zu, die Er— leichterung der Steuerlast durch Steuererlasse und Ueberweisungen von Steucrbeträgen an die Kommunalverbände nach Maßgabe der zu diesem Zwecke zu verwendenden Mittel sicher zu fiellen und zu regeln. Zwar hat schon das Verwendungsgesetz vom 16. Juli 1886 in dieser Beziehung Anordnungen getroffen und die Verwendung der aus dem Reiche an Preußen zu Üüberweisenden Geldsummen, soweit über dieselben nicht mit Genehmigung der Landesvertretung zur Deckung der Staatsausgaben Verfügung getroffen wird, zu Steuer⸗ erlassen vorgeschrieben. Dieses Gefetz verfolgte jedoch zunächst die Absicht, der Landesvertretung Bürgschaft bezüglich der verfaffungs— mäßigen und angemessenen Verwendung der vom Reiche zu erwarten— den Summen zu gewähren. Die Sicherstellung der Reformztele in finanzieller und materieller Beziehung blieb dagegen späterer gesetzlicher Regelung vorbehalten und ist gegenwärtig Gegenstand eingehender Erwägungen innerhalb des Staats. Ministerii gewesen.
Mit der ratenweisen Ermäßigung der Klassensteuer und der fünf untersten Stufen der Einkommensteuer, für welche das gedachte Gesetz die vom Reiche aus den Ueberschüssen der Zölle und der Tabakssteuer zufließenden Summen zunächst ausschließlich in Anspruch nimmt, kann das Reformwerk nicht als abgeschloffen betrachtet werden. Dasselbe verfolgt vielmehr, wie die geschichtliche Dar— stellung ergiebt, abgesehen von der organischen Reform des inneren . Steuersystems, folgende viel weiter gehende Ziele, nämlich:
U) den Erlaß der vier untersten Stufen der Klassensteuer,
2) die allmähliche Beseitigung dieser Steuer als Staatesteuer und
3) die Ueberweisung der Hälfte der Grund und Gebaͤudesteuer an die Kommunalverbände.
Um diese Aufgaben in ihrem ganzen Umfange zu erreichen, ge— nügen selbstverständlich weder die jetzigen noch die zu erwartenden Erträge der bestehenden Reichssteuern und Zölle; vielmehr ist eine weitere Durchführung der Weich steuerreform dle unerläßliche Vor⸗ bedingung für eine richtig geregelte Entlastung der Steuerzabler und der Kommunalverbände. Wie das Schicksal der dem Reichstage in seiner letzten Session vorgelegten Steuergesetzentwürfe gezeigt hat, ist, wenn völlig unfruchtbare Verbandlungen vermieden werden sollen, auf eine Bewilligung neuer Reichssteuern nur dann zu rechnen, wenn dit Verwendung der bezüglichen Mehreinnahmen zu Steuererleich— terungen in den Einzelstaaten unzweifelhaft sicher gestellt wird.
Die Staatsregierung, welche nach Maßgabe der in der beige⸗ fügten Anlage enthaltenen Ausführungen nicht die Absicht hat und haben kann, andere Einnahmen zu fordern, als solche, deren Ver— wendung nach dem von ihr befolgten System zur Erfüllung ihrer obengedachten Zwecke nothwendig ist, erkenat an, daß ohne eine solche Zweckbestimmung neue Steuern nicht wobl gefordert werden können. Sie glaubt daber, in Uebereinstimmung mit der in Coburg unter den verbündeten Regierungen erzielten Verständigung sich der Ver—= pflichtung nicht entziehen zu dürfen, die unverkürzte Verwendung der aus den Erträgen neuer oder erhöhter Reichssteuern für Preußen sich ergebenden Einkünfte zu den oben gedachten Zwecken durch den Erlaß eines bezüglichen Gesetzes zu verbürgen.
Der vorliegende Entwurf hat demnach die doppelte Aufgabe zu erfüllen, einersests Dispositionen über die unverkürzte Verwendung der in Rede stehenden Summen zu treffen und andererseits die mit diesen Mitteln zu erreichenden Zwecke gesetzlich zu fixiren.
H. Die w 1) Erlaß von Personal⸗ euern.
Was die in dem ersten Abschnitte des Entwurfs behandelten Verwendungsiwecke anlangt, so erschien es zunächst geboten, den Stenuerpflichtigen der vier untersten Stufen der Klassensteuer, welche unter den Steuerzablerna in Preußen durch die indirekte Besteuerung relativ mehr betroffen werden, als die Klassensteuerpflichtigen der höheren Stufen, eine weitergebende Steuererleichterung zu Theil werden zu lassen, als dies durch die Vorschriften des Gesetzes vom 16. Juli 1880, tbunlich ist. Indem der vorliegende Gesetzentwurf daher ein Drittel der nach 5. 5 Absatz 1 zu erwartenden Mittel unter Hinzurechnung der auf diese Stufen nach dem letztgedachten Gesetze entfallenden Erlaßbeträge in erster Reihe in Ansprüch nimmt, um die vier untersten Stufen der Klassensteuer außer Hebung zu setzen, wird zugleich eine wesentliche Vereinfachung des Erbebungs⸗ und Bꝛitreibungaverfabrens erstrebt. Nach den Ergebnissen der Ver= anlagung für daz laufende Jahr sind 4377 782 Steuerpflichtige, also 86,42 ½ aller Klassensteuerzahlenden oder unter Zurechnung der An— gehörigen besteuerter Haushaltungen etwa 60 0 der gesammten in den Klassensteuerrollen nachgewicsenen Bevölkerung in den vier untersten Stufen veranlagt. Davon fallen auf:
Zahl der veran— lagten Personen ( Haushaltungs⸗ vorstände und Einzelnsteuernde)
Kontingen⸗ g tirter Jahres⸗ beitrag
Stufe 1 Einkommen von 420 bis Rö,
2 Einkommen von mehr als 660 bis 900 S6...
3 Einkommen von mehr als 900 bis 1050 41 .
4 Einkommen von mehr als 1050 bis 1200 Mp... 284 123
iusammen Stufe 1 bis 4. 4377782 20 058 621
Unter der Zahl der Steuerpflichtigen, welchen dieser E laß zu
Gute kommen soll, befinden sich nicht allein die noch nicht steuerfreien
Handarbeiter, sondern auch der größte Theil der kleineren Hand⸗
werker und Geschäftstreibenden, ein großer Theil des Lehrerpersonals,
die Unterbeamten des Reiches, des Staates, der Kommunen und der
Eisenbahnen, sowie diejenigen Grundbesitzer, welche auf Nebenverdienst durch Arbeit angewiesen sind. .
2 Ueberweisung von Personalsteuern an die
Kommunalverbände.
Da weitergehende Ermäßigungen bezw. Außerhebungsetzung der
8 höheren Stufen der Klassensteuer, als solche nach Maßgabe des
2704132 1044406 345 121
7787 990 6015 779 2981 845 3273097
Gesetzeß vom 16. Juli d. J. einzutreten haben, im Hinblick auf die
Leistange fähigkeit der in Frage kommenden Steuerpflichtigen an sich und im Verhältnifse zu den höher als in den fünf ersten Stufen ber Eintommensteuer Eingeschätzten zur Zeit nicht angezeigt sind, so ist von einer Verwendung etwa noch weiter vorhandener dis ponibler Mittel zu direkten Steuererlassen abzusehen und der Entlaffung der Kommunalverbände vor der weitergehenden Ermäßigung der Personal · steuern um so mehr der Vorzug zu geben, als die Klagen über Steuerdruck hauptsächlich durch die übermäßige und noch immer steigende Belastung der direkten Staatssteuern mit Kommunal- zuschlägen hervorgerufen werden. ᷣ ö
Der Entwurf empfiehlt daher, die Klassensteuer der verbleibenden 8 Sfufen, also den Rest dieser Steuer, fowest dieselbe nicht gemäß der Bestimmung des & 2 Absatz 1 außer Hehung gesetzt oder nach Vorschrift des Verwendungsgesetzes erlassen ist., den Kreisen um so mehr zu überweisen, als durch die gleichzeitige Ueberweisung von per ⸗ sönlichen und Realsteuern eine gewisse Ausgleichung für die in den einzelnen Sten erbeträgen vorkommenden Ungleichheiten und Unter⸗ schiede bedingt wird und die bloße Ueberweisung der halben Grund und Gebäudesteuer die von der Staatsregierung beabsichtigten Zwecke nicht in dem 6 3 würde, als dies für die Entiastung der Communen erwünscht ist.
. der Hälfte der Grund ⸗ und Gebäude⸗ steuer an die Kom munalverbände.
Neben der im 8. 2 Absatz 1 des Entwurfs angeordneten Ueber⸗ weisung von Klassensteuerbeträgen, welche jedoch nur in dem Falle in Wirksamkeit tritt, daß ein Drittel der nach den Vorschriften dieses Entwurfs zu behandelnden Geldsummen die für den Erlaß der vier untersten Stufen erforderlichen Mittel übersteigt, soll die Steuerlast der Kommunalverbände dadurch erleichtert werden, daß zwei Drittel der aus Erhöhung bestehender oder Einführung neuer Reichsstenern dem Staate zufließenden Erträge zur Ueberweisung der Grund und Gebäudesteuer bis zur Hälfte des etatsmäßigen Betrages an die
ise verwandt werden.
. des durch die Erlasse und Ueberweisungen bedingten Ausfalles im Etat der Einnahmen.
Da die Bilanzirung des preußischen Etats Deckung des Aus⸗ falles an direkten Steuern durch anderweite Einnahmen erfordert, so können Steuererlasse und Ueberweisungengnur in der Weise erfolgen, daß an Stelle der zu diesen Zwecken zu verwendenden Erträge aus direkten Steuern die Ueberschüsse aus Reichseinnahmen in den Etat einzustellen sind. Auf diese Weise wird an Stelle der überwiesenen oder außer Hebung gesetzten Beträge die Kontinuität der Steuer⸗ a . festgehalten und für die preußische Finanzverwaltung
er gestellt. ö ö uf diesen Umständen ist es ausgeschlossen, direkte Steuern ab- zuschaffen, oder definitiv Klassensteuererlasse oder Ermäßigungen eintre⸗ ten zu lassen. Vielmehr können nur Ermäßigung oder Außer⸗ hebungsetzung einzelner Stufen in Frage kommen, je nachdem aus dem Reiche Deckung erwartet werden kann. Es muß daher auch der gesammte Apparat der Klassensteuer und ihre Veranlagung um so mehr aufrecht erhalten werden, als hierdurch zugleich der unentbebr⸗ liche Maßstab für die Veranlagung der kommunalen. Steuern gegeben, diese Veranlagung überhaupt schon wegen ihrer Rückwirkung auf die Wahlen nicht zu entbehren ist.
IVI. Die Kommunalverbände, an welche die Ueber⸗
weisungen zu erfolgen haben.
Einer besonderen Erörterung bedürfen die Gründe, aus welchen die Ueberweisung der in 8. 2 gedachten Klassenstenerbeträge, sowie der in 5. 4 . Grund und Gebäudesteuerquot: an die
reise vorgeschlagen wird. . ö He 9 ö durch Kommunalabgaben verhältniß⸗ mäßig viel schwerer belastet sind, als die Kreise, so hätte es nahe gelegen, die Ersteren vorzugsweise zu berücksichtigen. Hiervon mußte jedoch aus folgenden Erwägungen Abstand genommen werden.
Die unerläßliche Vorbedingung einer direkten Ueberweisung an die Einzelgemeinden wäre die Gleichstellung der Gutsbezirke mit den Gemeinden. So lange die Ersteren gleich den Letzteren kommunale Aufgaben zu erfüllen und kommunale Lasten zu tragen haben, würde eine verschiedenartige Behandlung beider als eine durch Nichts zu begründende Unbilligkeit gegen die Gutsbezirke betrachtet werden mussen. Dagegen steht der Betheiligung dieser letzteren an dem Ertrage der Klassen,, wie der Grund! und Gebäude steuer das Bedenken entgegen, daß es in der Ham der Inhaber der Gutsbezirke liegen würde, über die ihnen zufließenden Summen willkürlich zu verfügen und dieselben, wenn auch Fälle dieser Art thatsächlich, wie vertraut werden kann, nicht oder doch nur sehr vereinzelt vorgekommen sein würden, in ihrem ausschließlichen Interesse zu verwenden. Außerdem aber würde die Ueberweisung einer Quote der Grund und Gebäudesteuer an die Gutsbezirke den Charatter eines individuellen Steuererlasses annehmen können und als eine Bevorzugung der Eigenthümer selbständiger Gut bezirke anderen Grund und Hauebesitzern gegenüber dargestellt werden können.
Wenn schon mit Rücksicht auf die Gutsbezirke der Verthei lung auf die Kreise der Vorzug zu geben ist, so würde andererseits auch durch eine direkte Ueberweisung der Grund, und Gebäudesteuer an die Einzelgemeinden ein der Belastung mit kemmunalen Ausgaben und der Billigkeit entsprechendes Theilungsverhältniß zwischen Stadt und Land nicht erzielt werden. Namentlich würden wohl habende Ackerbaustädte mit größerem Weichbilde im Verhältniß zu In dustriestädten mit gleicher Seelenzahl und erheblich höheren Kom— munalbedürfnissen unzweifelhaft bevorzugt werden. Ebensowenig erscheint es durchführbar, eine Vertheilung zwischen Stadt und Land in der Art vorzunehmen, daß den Städten die fragliche Quote der Grund. und Gebäudesteuer direkt überwiesen wird, die auf die Landgemeinden eatfallenden Beträge dagegen den Kreisen zur Verfügung gestellt werden. Diese Unterscheidung müßte den Gegensatz zwischen Stadt und Land in unerwünschter Weise steigern und die organische Zusammengehörigkeit der jum Kreisverband gehörigen Gemeinden beeinträchtigen, eine gerechte Ver—⸗ theilung wäte aber auch auf diesem Wege nicht zu erreichen, viel mehr würde schon im Hinblick auf den Mangel an charakteristischen Merkmalen für den Unterschied zwischen kleinen Städten und großen Landgemeinden eine unbillige Bevorzugung der Ersteren eintreten. Von den in Preußen vorhandenen Stadtgemeinden haben 312, also Ca. 24 ( der Gesammtzahl, weniger als 2009 Einwohner. Dagegen sind 526 Landgemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern vorhanden und befinden sich unter den letzteren 52 mit mehr als 5000, 13 mit mehr als 10 600 Einwohnern. An finanzieller und kommunaler Be= deutung übertreffen viele dieser Landgemeinden eine nicht geringere Zahl der kleineren Städte. ; .
Es hätte zwar auch in Fratze kommen können, die Gesammt⸗ summe der zu überweisenden Steuern als eine zur Dotation der Ge— meinden bestimmte Rente zu behandeln und diese nach Maßgabe der Bevölkerungszahl oder der direkten Steuern oder einem kombinirten Modus zu vertheilen. Jedoch würde durch keinen dieser Vertheilungs⸗ maßstäbe eine der Prästationsfähigkeit und der kommunalen Be⸗ lastung entsprechende Repartition sich bewerkstelligen lassen. Aut— schlagend für die Ueberweisung von Steuerquoten mußte aber die Erwägung sein, daß wiederholt eine theilweise Ueberweisung von Grund und Gebäudestener zur Erleichterung der tommunalen Lasten von Seiten der Landesvertretung gefordert und von der Staats regierung in Aucsicht gestellt worden ist.
L. Die Verwendung der überwiesenen Beträge.
In Uebereinstimmung mit den Intentionen der Steuerreform,
welche als wesentliches Ziel eine Erleichterung der direkten Steuer last der einzelnen Steuerzahler vor Augen hat, mußte als nächster und regelmäßiger Verwendungszweck für die den Krelsen zu über weisende Summe der Erlaß von Kreit⸗ und Provinzialabgaben hin— gestellt werden; denn durch diesen Erlaß wird die Absicht der Ueber—⸗ weisungen am direktesten und in einfachster Art, für den einzelnen Steuerzahler zugleich in vollkommen verständlicher Weise erreicht. Auch bielt man cg für zweckentsprechender, durch Erleichterung der in Rede stehenden Kommunalabgaben,
altz durch Erlaß von Staatssteuern zu Hülfe zu kemmen, weil!
Breslau.
den Steuerzahlern
nicht die letzteren an sich, sondern deren Beschwerung mit Kom⸗ munalzuschlägen den Steuerdruck empfinden lassen. Um einer Be⸗ vorzugung bezw. Benachtheiligung, welche für etwa mehr oder minder belastete Kreistheile in Folge des Erlasses sämmt eicher Kreisabgaben eintreten würde, vorzubeugen, mußte eine aleichmãßige Vertheilung des zum Erlasse von Abgaben bestimmten Betrages fůͤr derartige Fälle vorgesehen werden. Obgleich der Erlaß von Kreis— abgabea in erster Linie und als die gewöhnliche Regel als Verwen⸗ dunzszweck in Aussicht zu nehmen war, so konnte es doch nicht in der Absicht der Staatsregierung liegen, auch da, wo die Kreis- und Provinzialabgaben nicht von Erheblichkeit und wenig druckend sind, die Kreise zu deren Erlaß zu zwingen, während unter Umssänden die Verwendung zu dringenden und durch das Interesse der Eingesessenen bedingten Ausgaben geboten erschien. Es ist daher in 8.3 Absatz 3 ausnahmsweise auch eine anderweite Verwendung zunelassen; jedoch für dahingehende Beschlüsse die Genehmigung des Bezirksraths 2c. vorbehalten worden, um das Interesse der Steuerzabler gegenüber etwaigen mißbräuchlichen Verwendungen zu wahren. ö Eine große Zahl von Kreisen wird allerdings in die Lage versetzt werden, für die ihnen zu überweisenden Beträge noch andere Ver⸗ wendunaszwecke als die Deckung der Kreisabgaben eintreten zu lassen. Nach den Angaben in der von dem Geheimen Ober ⸗Regierungs⸗Rath Herrfurth und Geheimen Regierungs⸗Rath Studt aufgestellten Finanz- statistik der Kreise des Preußischen Staats (Ergänzungeheft VII. zur Zeitschrift des Königlichen Statistischen Büreaus) beliefen sich im Jahre 1877/78 die Kreisabgaben in der Mehrjahl der Landkeeise (beziebungsweise Aemter in Hannover) auf weniger als die Hälfte des Aufkommens an Grund- und Gebäudesteuer. Dieser letztere Betrag wurde nämlich im Jahre 1877178 zwar in 244 Kreisen uͤber⸗ schritten, dagegen ian 217 nicht erreicht und in 30 Kreisen eine Kreis— steuer überhaupt nicht erhoben. — (Die 35 Kreise der Provinz Han- nover, von denen überhaupt nur 6 eine Kreissteuer erheben, sind hier⸗ bei ebenso außer Berechnung geblieben, wie die 35 Stadtkreise, in denen Kreis- und Gemeindebedürfnisse nicht gesondert zu berechnen sind.) Wenn auch einem großen Theile dieser zur Zeit weniger be— lasteten Kreise, welche meist in den neuen und weftlichen Provinzen gelegen sind, nach Durchführung der Verwaltungsreform wefentlich erweiterte Aufgaben in kommunaler Beziehung zufallen werden, so war es doch erforderlich, für etwaige nach Deckung der Kreisabgaben verbleibende Ueberschüsse Verwendung zu anderweiten Ausgabezwecken zuzulassen und dürfte es an solchen wohl kaum in einem Kreise fehlen. Insbesondere dürften die Schulzwecke, der Wegebau und das Armen—⸗ wesen wohl in sehr vielen Fällen geeignete Gelegenheit hierzu bieten. In Folge der verschiedenartigen Verwendungen, welche der Ent— wurf nach Lage der Verhältnisse zulassen mußte, wird sich allerdings die Wirkung der Ueberweisungen auf die verschiedenen Kreise in sehr verschiedener Weise äußern und anscheinend zu einer ungleichmäßigen Behandlung der Steuerpflichtigen in den einzelnen Kreisen führen. Wenn auch die Möglichkeit vorliegt, daß in einem Kreise mehr, im anderen weniger oder gar keine Abgaben erlassen werden, so ist dies doch lediglich die Folge der thatsächlich bereits vorhandenen und unvermeidlichen verschiedenen kommunalen Belastung, welche ihrer seits auch eine Ungleichmäßigkeit der Entlastung bedingt. . Wenn die Staatsregierung außer Stande ist, eine Gleichmäßig⸗ keit der kommunalen Besteuerung berzustellen, so vermag sie auch andererseits nicht, Maßnahmen zu treffen, um die einzelnen Steuer“ pflichtigen direkt und in gleichem Maße an den, den Kommunal⸗ verbänden zu überweisenden Beträgen partizipiren zu lassen. Uebri— gens kommt die Dotirung der Kommunalverbände in einer oder der anderen Weise, sei es durch Erlaß von Abgaben, sei es durch Ver⸗ meidung sonst erforderlicher Erhöhung der kommunalen Lasten, den einzelnen Steuerpflichtigen, wenn auch indirekt, stets zu Gute. VI. Die finanzielle Bedeutung der Ueberweisungen für die betheiligten Kommunalverbände. Die finanzielle Bedeutung der vorgeschlagenen Steuerüberwei⸗ sungen für die Kreise erhellt aus folgenden Angaben. Die zu überweisende Klassensteuer beträgt nach der Veranlagung für das laufende Jahr: M6 Mt. M6 Stufe 5 Einkommen von mehr als 1200 bis 1350 3000119 6 . 1 15600 h 2360 246 1650 2 764 489 1800 2639831 2100 3 030 589 2400 2 301 062 6 3 086 623
zusammen Stufe 5 bis 12 22351 265
Hiervon entfallen auf a) die Stadtkreise 6 090371 0 b) die Landkreise. 16240 889 .
Von den angegebenen Beträgen würden jedoch die nach den Vor— schriften des Gesetzes vom 16. Juli 1880 zu erlassenden Monats— raten abzusetzen sein. Man darf mit einiger Sicherheit annehmen, daß auch ferner und regelmäßig, wie für das Jahr 1861,82 in Aus— sicht genommen, der Erlaß einer dreimonatlichen Rate erfolgen werde. Es stellt sich die zu überweisende Summe der Veranlagung noch auf 16748 446 M½ und zwar:
für die Stadtkreise auf 4567779 4 , 1
Von der Hälfte der Grund ⸗ und Gebäudesteuer mit 33 800 000 4M würden erhalten:
a. die Stadtkreise 6 611 050 A b. die Landkreise. 2 188 950
Im Ganzen würden also bei vollständiger Durchführung der
vorgeschlagenen Anordnungen zur Ueberweisung kommen: a. für die Stadtkreise 11178 829 M Landkreise . 39 369 617
Summa 50 548 IG
Nach der oben angezogenen Finanzstatistik der Kreise des preußischen Staates für das Jahr 1877/78 betrugen die von den Landkreisen bezw. in der Provinz Hannover von den Aemtern erhobe⸗ nen Abgaben 22 792 614 M, also 1870½ des auf diese Verbände voraussichtlich zu überweisenden Klassensteuerbetrages, oder 84 0s der ju überweisenden Grund und Gebäudesteuerquote oder 58 06 des Gesammtbetrages.
Bezüglich der Stadtkreise ließ sich eine Sonderung der Kreis. und Gemeindeabgaben nicht vornehmen und mußten der Vergleichung daber die gesammten zur Erhebung kommenden Gemeindeabgaben zu Grunde gelegt werben. Diese betrugen nach der von dem Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath Herrfurth aufgestellten Finanzstatistik der Ge⸗ meinden in Preußen im Jabre 1876 49 194 692 S, also 1077 9 des zu überweisenden Klassensteuerbetrages oder 744 6 der zu über weisenden Grund⸗ und Gebäudesteuerquote oder 440 0, des Gesammt— betrages. Daß die figanziellen Wirkungen der vorgeschlagenen Maß⸗ regel auch für die Stadtkreise nicht gering anzuschlagen sind, ergeben folgende Beispiele:
1. 2. 8. 4. J
Betrag der zu über⸗ Betrag welsenden gn ⸗ der in Grund⸗ 2.
1876 und
sammen Spalte 5
beträgt von erhobenen Gebäude⸗ 1 3 Exalte ? Abgaben steuer
. M 6 1
Stadtfkreise. Klassen⸗ steuer
Prozent
Berlin ... . 19 S9 Otz)o 2 638 998] 1475 79 4114477 3651866 481225 344 377 525 502 3 gg god] za ö5ß 2175511 64 63 1368 652 177 450 1465 6366 324120
60g 540
20,6 22,7 262 24,5
Cöln
Königsberg ..
Frankfurt am Main....
358 025 251 515 23,5
2591 359
II. Nothwendigkeit der Ausbildung der indirekten Kommunalbesteuerung behufs Ermäßigung des Druckes der direkten Steuerlast.
Die Staatsregierung verkennt keineswegs, daß durch die in diesem Entwurfe geplanten Steuerüberweisungen der übermäßigen und für die Steuerpflichtigen drückenden Belastung der direkten Staats stener mit Kommunalzuschlägen in genügender Weise noch nicht abgeholfen werden kann. Es bedarf vielmehr weiterer Maßregeln, um den Druck kommunaler Stenerlast zu mildern. Cin geeignetes Mittel zur Frreichung dieses Zweckes ist in der Regelung und Erweiterung der Befugniß der Kommunen, zur Deckung ihrer Bedüurfniffe in direkte Abgaben zu erheben, zu erblicken. Der indirekten Bestenereng ist in dem Systeme unserer Kommunalsteuergesetzgebung ein viel zu enger Spielraum gewährt und ist es im Interesse einer gedeihlichen Entwickelung der Gemeinden, namentlich der größeren Städte ge⸗ boten, die Schranken wegzuräumen, welche der Ausbildung der indi- rekten Gemeindeabgaben entgegenstehen. Die Staatsregierung legt deshalb Werth darauf, daß diese Frage, welche in drei Sessionen des Landtages bei der Berathung des Gesetzentwurfes über die Gemeinde⸗ abaaben eingehend erörtert ist, auch an diefer Stelle als eine be= sondere und dringende Aufgabe der Gesetzgebung Erwähnung finde, deren Lösung baldmöglichst in Angriff zu nehmen sein wird.
VIII. Die Vertheilung der disponiblen Summen auf
die verschiedenen Verwendungszwecke.
Was die im zweiten Abschnitte des Entwurfs behandelte Ver⸗ wendung der Mittel zu den in Abschnitt J. bezeichneten Zwecken an⸗ langt, so rechtfertigt sich das vorgeschlagene Theilungsverhältniß, nach welchem zwei Drittel zur Ueberweisung der Grund. und Gebäude— steuer und nur ein Drittel zum Erlaß beziehungsweise zur Ueberwei⸗ sung von Personalsteuern angesetzt find, dadurch, daß den letztge⸗ dachten Beträgen die nach dem Gesetz vom 16. Juli 1880 disponiblen Summen zuzurechnen sind.
IX. Die zu den in Abschnitt J. des Entwurfs bezeich⸗ neten Zwecken erforderlichen Summen.
Die finanziellen Voraussetzungen, von welchen die Wirksamkeit der vorstehend erörterten Anordnungen des Entwurfs abhängig sind, ergeben sich aus folgenden Daten:
Zur Außerhebungsetzung von Klassensteuer müßten, da das Ver anlagungssoll der untersten vier Stufen nach der Veranlagung fur das gegenwärtige Jahr unter Berücksichtigung der Kontin gentirung 20 068 621 6s betraͤgt, und unter Vorautsetzung, daß auch fernerhin und regelmäßig, wie dies im Entwurfe zum Staatshaushalts⸗Ctat für 188182 in Aussicht genommen ist, der Erlaß einer dreimongt- lichen Rate auf Grund des Gefetzes vom 16. Juni er erfolgen kann, rund 15000 000 6 verfügbar gemacht werden. Der den Kreisen zu überweisende Rest der Klassensteuer würde, da nach dem Ftatzentwurfe für 1881/32 deren Gesammibetrag sich auf 41270 9600 oder nach Abzug der vorerwähnten dreimonatlichen Rate auf. 30 770 0090 MS beläuft, gleichfalls in runder Summe fast 16060 000 6 betragen und die den Kreifen zufließende Hälfte der Grund und Gebäudesteuer sich nach demfelben Enkwurfe auf rund 33 80 000 „6, der Gesammtbetrag der den Kreisen zu gewährenden Dotationen asso unter Berücksichtigung der bei Aufstellung des Etats mit veranschlagten Abgänge und Ausfälle auf fast 56 Millionen Mark beziffern. Die. Mindereinnahmen des Staates, deren Deckung aus Reichsmitteln zu erfolgen hätte, würde demnach ca., 63 Millionen Mark betragen. Bies würde die Bewilligung neuer Reichsstenern im Gesammtbetrage von 1065 bis 116 Millionen Mark einschließlich der Erhebungskoften erheischen. Sollte diese Summe durch neue Reichssteuern nicht zu erreichen sein, so würde man sich zunächst und mit Vorbehalt weiterer Ausbildung des Systems guf den Erlaß der vier untersten Stufen der Klassensteuer und die Ueberweisung der Hälste der Grund und Gebäudest-uer an die Kommunalverbände beschränken knnen. In diesem Falle wũr⸗ den erforderlich sein: zur Außerhebungsetzung der vier untersten Stufen
der Klassensteuer.
behufs Ueberweisung der Halfte der Grund⸗ und
Gebäudesteuer.
Sa. . 48 800 000 4 was einen Ertrag an neuen Reichtsteuern von ca. 80 Millionen Mark voraussetzen würde.
Es wird von der Beschlußnahme des Reichstags abhängen, ob und in welchem Maße die Mittel für die Steuerreform in Preußen flüssig zu machen sein werden. Hier kommt es vor Allem darauf an, in gesetzlich bindender Weise festzustellen, in welcher Art diese Mittel, falls ihre Bewilligung erfolgen möcht, ihre Verwendung finden sollen.
Bezüglich der einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurfes ist Folgendes zu bemerken.
15 000 000 4
2
Nach dem letzten Absatze sollen in der Provinz Hannover bis zur Einführung der Kreisordnung die Amtsverbäͤnde und die felbst— ständigen Städte an Stelle der Kreise treten.
Die Kreise haben in der Provinz Hannover zur Zeit thatsächlich als Kommunalverbände keine Bedeutung erlangt, vielmehr können als solche lediglich die Amtsverbände und die felbständigen Städte in Betracht kommen. Von den 35 Kreisen dieser Provinz erheben nur 6 Kreissteuern, während die Amts verbände und Städte erheb · liche kommunale Abgaben zu bestreiten haben. Es wird daher durch die rvorgeschlagene Ausnahmebestimmung lediglich den bestehenden Verhältnissen dieser Provinz Rechnung getragen und kann darin um so weniger eine Bevorzugung derselben gefunden werden, als mit Ein= fübrung der dem Landtage vorliegenden Kreisordnung auch dort die Ueberweisung an die Kreise erfolgen wird.
u 5. 3 sind die erforderlichen Erläuterungen bereits in dem allgemeinen Theile der Motive gegeben.
§. 4.
Nach §. 10 der Kreisordnung für die östlichen Provinzen darf die Vertheilung der Kreisabgaben nach keinem anderen Maßstabe, als nach dem Berhältnisse der von den Kreie angehörigen zu entrich= tenden direkten Staatssteuern und zwar nur durch Zuschläge zu den⸗ selben erfolgen“, und nach 5. 106 der Provinzialordnung erfolgt die Vertheilung der Provinzialabgaben auf die einzelnen Land- und Stadtkreise nach dem Maßstabe der in ihnen aufkommenden Staate steuer mit Ausschluß der Gewerbesteuer vom Hausirgewerbe.
Da es nicht die Absicht des Gesetze⸗ ist, den bieher für die fraglichen Kommunalabgaben gültigen Vertheilungsmaßstab zu ändern und die Kommunalverbände bei Erhebung von Zuschlägen auf die Isteinnahme der betreffenden Staatesteuern nach Abzug der über wiesenen oder erlassenen Beträge zu beschränken, so erschien es den angeführten Gesetzesstellen gegenüber erforderlich, dies ausdrücklich hervorzuheben.
In gleicher Weise war es erforderlich, bezüglich der von der Entrichtung gewisser Steuerbeträge abhängigen Wahlberechtigungen Verfügung zu treffen.
Der letztgedachten Vorschrift liegt die Absicht zu Grunde, daß nicht allein da, wo das Recht zu wählen oder die Wählbarkeit von der Entrichtung gewisser Steuerbeträge abbängig gemacht ist, sondern auch in denjenigen Fällen, in welchen die Bildung von Wahlabthei- lungen unter Zugrundelegung von Steuerbeträgen erfolgt, das Ver anlagungssoll maßgebend sein soll. ö!
Zu §. 6.
Bezüglich der Art und Weise, in welcher die Feststellung der zu den verschiedenen Zwecken jährlich zu verwendenden Beträge erfolgen soll, unterscheidet der Entwurf zwischen den unter J. und unter II. be= ieichneten Beträgen. Die ersteren sollen gleich den nach dem Gesetze vom 16. Juli er. zu Steuererlassen bestimmten Summen jährlich im Staatshaushalteetat festgestellt werden, die letzteren dagegen, obwohl sellstredend die den Kreisen zu überweisende Quote der Grund- und Gebäudesteuer gleichfalls im Etat anzuführen ist, nicht mit der dort
veranschlagten Summe, sondern nur in derjenigen Höhe zur Verthei⸗ lung gelangen, welche nach Abzug des den Hohenzollernschen Landen