bei 31 Bahnen — 37, 35 Proc. der Gesammtzahl geringer, als in demselben Monate des Vorjahres, und pro Kilometer bei 46 Bahnen — 55,42 Proc. der Gesammtzahl höher, und bei 37 Bahnen — 44,58 Proc. der Gesammtzahl (darunter 7 Bahnen mit vermehrter Betriebslänge) geringer als in dem— selben Monat des Vorjahres. Die Einnahme aus allen Ver⸗ kehrszweigen vom 1. Januar bis Ende November d. J. war bei 61! Bahnen — 73,50 Proc. der Gesammtzahl höher und bei 22 8. — 26,50 Proc. der Gesammtzahl geringer, als in demselben Zeitraum des Vorjahres, und pro Kilometer bei 49 Bahnen — 59,04 Proc. der Gesammtzahl höher und bei 84 Bahnen — 40,966 Proc. der Gesammtzahl (darunter 9 Bahnen mit vermehrter Betriebslänge) geringer, als in dem⸗ selben Zeitraum des Vorjahres. Bei den, unter Staats⸗ verwaltung stehenden Privatbahnen, ausschließlich der vom Staate für eigene Rechnung verwalteten, betrug Ende November d. J. das gesammte konzessionirte Anlagekapital 1 201 06 500 M A090 350 900 M½ς Stammaktien, 45 456 009 S. Prioritäts⸗ Stammaktien und 746 805 600 M. Prioritäts-Obligationen) und die Länge derjenigen Strecken, für welche das Kapital bestimmt ist, 4090, 8, km, so daß auf je 1 km 293 729 s ent⸗ fallen. Bei den unter Privatverwaltung stehenden Privat⸗ bahnen betrug Ende November d. J. das gesammte kon⸗ zessionirte Anlagelapital 1 400 301 667 S6 (656 319 950 6 Stammaktien, 216 876 900 S Prioritäts⸗Stammaktien und 627 10438097 66. Prioritäts- Obligationen) und die Länge der⸗ jenigen Strecken, für welche dieses Kapital bestimmt ist, 6916,73 kin, so daß auf je 1 Km 202 450 / entfallen.
— In Bezug auf den Rechtsgrundsatz, daß die Straf⸗ klage nicht von Neuem wegen einer That erhoben wer⸗ den darf, über welche gegen denselben Angeklagten bereits ein rechts⸗ kräftiges Urtheil ergangen ist (ne bis in idem), welcher zwar nicht ausdrücklich in der Deutschen Strafprozeßordnung aus—⸗ gesprochen ist, aber wohl wesentlichen Bestimmungen derselben zu Grunde liegt, hat das Reichsgericht, III. Strafsenat, durch Erkenntniß vom 16. Oktober d. J, eine Entscheidung gefällt, welcher folgender Fall zum Grunde liegt: Ein Schaf— knecht wurde unter dem Verdachte der Brandstiftung ver⸗ haftet. Während der Voruntersuchung räumte er ein, daß er durch eine Unvorsichtigkeit den Brand verursacht habe. Auf Grund dieses Geständnisses wegen fahrlässigér Brand⸗ stiftung zu einer Gefängnißstrafe verurtheilt, meldete er sich während der Strafverbüßung zum Verhör und gab umständ⸗ lich an, daß er nicht in fahrlässiger Weise, son dern böswillig, aus Rache gegen den Herrn, den Brand verursacht habe. Die Staats⸗ anwaltschaft beantragte demzufolge die Einleitung eines neuen Strafverfahrens gegen den Schafknecht. Das zuständige Ge⸗ richt lehnte die weitere Verfolgung ab. Auf die Beschwerde des Staatsanwalts eröffnete jedoch das Ober-Landesgericht zu D. das Hauptverfahren, weil zwar die Wiederaufnahme des Verfahrens unzulässig sei, aber eine andere That als die früher abgeurtheilte vorliege, also ein neues Verfahren zu— lässig sei. Der Schafknecht, welcher mittlerweile die Strafe für die fahrlässige Brandstiftung verbüßt hatte, wurde nun wegen absichtlicher Brandstiftung zu einer längeren Gefängniß⸗ strafe verurtheilt und er ergriff hiergegen die Revision. Das Reichsgericht erachtete im vorliegenden Fall den Rechtsgrundsatz; ne bis in idem für anwendbar, hob das Vorurtheil auf und erkannte auf Einstellung des Verfahrens, indem es motivirend ausführte: „Der Grundsatz ne bis in idem gilt, so weit eine Klageänderung zulässig ist, er, versagt, wenn und soweit eine andere That vorliegt ö Die Strafprozeßordnung berücksichtigt im §. 264 ausdrück⸗ lich den Fall, daß in der Verhandlung neue Umstände her⸗ vortreten, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes, als des im Eröffnungsbeschlusse an⸗ geführten zulassen. Unter „Umstand“ ist aber nicht bloß eine äußere Thatsache, sondern auch die Willensrichtung des Thä—⸗ ters in Bezug auf ein ihm zur Last gelegtes Thun zu ver⸗ stehen. Es wird daher der Richter nicht behindert sein, bei ciner Anklage wegen fahrlässiger Erregung eines Brandes nach dem Ergebnisse der Hauptverhandlung unter Beobachtung des 5. 264 den Angeklagten wegen vorsätzlicher Veranlassung desselben Brandes zu verurtheilen und wird er im Falle seiner Unzuständigkeit eine Unzuständigkeitserklärung abzugeben haben. Umgekehrt wird aber auch neben einer Anklage wegen vor⸗ sätzlicher Brandstiftung eine Verurtheilung wegen fahrlässiger Herbeiführung des in Frage stehenden Brandes erfolgen. Die That wird so wenig in dem einen wie in dem anderen Falle eine andere im Sinne des §. 265 der Str.ᷣPr.⸗Ordn.; es bleibt derselbe äußere Vorgang im Kausalitätsverhältnisse zu dem Thun des Angeklagten. Eine Erneuerung der Klage war mithin unzulässig.“
— Der General⸗Lieutenant von Kleü st, Commandeur der 1. Garde-Infanterie⸗Division, hat sich auf einige Tage mit Urlaub nach Senske in der Mark begeben.
— S. M. Kanonenboot „Wols“, 4 Geschütze, Kommdt. Kapt. Lt. Strauch, ist am 2. November er. in Tientsin, S. M. S. „Victoria“, 10 Geschütze, Kommdt. Korv. Kapt. Valois, am 23. Dezember er. in Gibraltar eingetroffen. S. M. Ka⸗ nonenboot „Hyäne“, 4 Geschütze, Kommdt. Kapt. L. von Glöden, hat am 20. Oktober er. in Auckland geankert.
Görlitz, 22. Dezember. In der heutigen (2) Plenarsitzung des Oberlausitzer Kommunal-Land⸗ tags wurde zunächst der Bericht des Bankeuratorii zur Kenntniß gebracht und dem Bankvorstande bezüglich der Rechnung für das Jahr 1879 Decharge ertheilt, wobei der Landtag der Bankverwaltung für die ersprießliche Art der Geschäftsführung seine Anerkennung ausspricht. Des Geschäfts⸗ unkosten⸗Etat der Bank für das Jahr 1881 wurde festgestellt. Mit lebhaftem Bedauern nahm der Landtag davon Kenntniß, daß der Bankdirektor, Geheime Regierungs⸗Rath Sattig seine Pensionirung zum 1. April 1881 nachsfuchte. Er ver— mochte sich jedoch der Anerkennung der Gründe, welche Hrn. Saitig hierzu bewogen haben, nicht zu verschließen; es wurde daher der Antrag genehmigt und die Ernennung seines Nachfolgers in der Person des Fürstlich Pleßschen General⸗ Direktors, Dr. Riedel in Fürstenstein, beschlossen. Hierauf wurde der Bericht über das Oberlausitzer Waisenhaus zu Reichenbach vorgetragen, welcher sich über den Stand der Anstalt nur günstig ausspricht und außer der Normirung eines höheren Gehalts für den dortigen Lehrer zu weiteren Beschlüssen keinen Anhalt bietet. Auf den Antrag des Lehrers Günther in Gleinig bei Guhrau, um . und Verwaltung einer Stiftung für Glieder seiner Familie und später für emeritirte Lehrer und Lehrer⸗Wittwen und-Waisen der Oberlausitz wurde beschlossen, den Landeshauptmann und Landesältesten zu
weiteren Verhandlungen zu autorisiren. — Die nächste
Sitzung findet Donnerstag früh 10 Uhr statt.
Sachsen⸗ Coburg⸗ Gotha. Coburg, 22. Dezemver. (Dr. J.) Die Wahlen der Abgeordneten des hiesigen Landtags, welche zugleich auch Mitglieder des gemeinschaft⸗ lichen Landtags sind, gehen ihrem Ende entgegen, und sind verschiedene Mitglieder des früheren Landtags wieder gewählt worden. In demselben sind auch die Bürgermeister der Städte des Herzogthums Coburg vertreten.
Elsaß⸗ Lothringen. Straßburg, 23. Dezember. (W. T. B.) In der gestrigen Sitzung des Landesaus⸗ schu sses wurde auf eine Petition, betreffend die Wiederein⸗ führung der französischen Sprache in die Volksschule, regie⸗ rungsseitig die Erklärung abgegeben, daß die Regierung von dem grundsätzlichen Standpunkte, welchen sie in dieser Frage bisher eingenommen habe, nicht abgehen werde. — Nachdem das Oberlandesgericht Colmar vorgestern den Kassationsrekurs in dem Prozesse gegen Tissot wegen Landesverraths abge⸗ wiesen hat, erklärt die „El saß⸗Lothringische Zeitung“ heute gegenüber den französischen Journalen, welche die Verurtheilung Tissots als eines französischen Staatsange⸗ hörigen angegriffen und das Urtheil als ein den Gesetzen widersprechendes dargestellt hatten: daß das durch umfassende Beweisaufnahmen festgestellte Verbrechen innerhalb des Deut⸗ schen Reiches verübt worden sei und Tissot daher ohne Rück⸗ sicht auf seine Staatsangehörigkeit hier abzuurtheilen war, da die Strafgesetze des Deutschen Reichs auf alle im Gebiete des⸗ selben begangenen strafbaren Handlungen Anwendung finden, auch wenn der Thäter ein Ausländer ist. Da der Angeklagte, der ungiltig optirt hatte, über seine Staatsangehörigkeit — weil zum Offizier in der französischen Territorialarmee er— nannt — im Zweifel sein konnte, hatte das Gericht ihm mil⸗ dernde Umstände bewilligt und statt auf 15 Jahre Zuchthaus nur auf drei Jahre Festungshaft erkannt, d. h. die Strafe so bemessen, als ob der Thäter ein Ausländer wäre.
HDesterreich⸗ Ungarn. Wien, 23. Dezember. (W. T. B.) Der Kaiser empfing heute Nachmittag in besonderer Audienz den päpstlichen Nuntius Vannutelli, welcher sein Beglau—⸗ bigungsschreiben überreichte.
— Im Herrenhause erklärte heute bei der zweiten Lesung des provisorischen Budgetgesetzes von Schmerling, daß er und viele seiner Gesinnungsgenossen, indem sie die Vorlage mit Rücksicht auf die Staatsnothwendig⸗ keit bewilligten, es gleichwohl für ihre patriotische Pflicht hielten, neuerdings den ernsten Besorgnissen über die von der . eingeschlagene Richtung Ausdruck zu geben und wiederholt in loyaler Weise vor den Gefahren zu warnen, welche für die Staatseinheit, für die friedliche Eintracht der Völker, für das feste Gefüge der Verwaltung und schließlich für die Verfassung selbst aus dem Vorgehen der Regierung erwachsen müßten und welches sie deshalb nur mit Sorge und Mißtrauen begleiten könnten. Das Gesetz wurde hierauf an— genommen, der Handels vertrag mit Spanien und der Vertrag mit Belgien über das Armenrecht wurden ohne Debatte genehmigt.
Agram, 22. Dezember. Die „Agramer Ztg.“ meldet: Die stattgehabten Berathungen in der Grenzfrage führten zu einem vollständigen Einvernehmen aller Faktoren betreffs aller Detailfragen. Die demnächst zu entsendenden Regni⸗ colar⸗Deputationen werden die Anzahl der Vertreter des ver⸗ größerten Kroatien auf dem ungarischen Reichstage feststellen. Finanzfragen werden diesmal nicht vor die Regnicolar-Depu⸗ tationen gelangen, da die Grenze bis zur Erneuerung des Aus⸗ gleiches im Jahre 1888 ihre bisher zu autonomen Zwecken verwendeten Einkünfte dem autonomen Budget Kroatiens zu— führen wird. Behufs Wahl der Regnicolar-Deputation tritt der Landtag in der zweiten Januar⸗-Hälfte zusammen. Der Banus übernimmt die Verwaltung des Grenzlandes als König— licher Kommissär mit außerordentlichen Vollmachten sofort nach Beendigung der nöthigen Vorarbeiten, also etwa An— fangs März.
Großbritannien und Irland. London, 22. Dezember. (Allg. Corr. Die Regierung sendet fortgesetzt Verstär— kungen nach Irland. Gestern erhielten das hier stationirte zweite Bataillon der Grenadiergarde sowie das 1. Bataillon des 60. Jägerregiments in Aldershot den Befehl, sich für Ende dieser Woche marschfertig zu halten. Eine Train⸗-Abtheilung wurde ebenfalls nach Irland beordert. Die Ansammlung einer großen Armee in Irland giebt zu vielen Kommentaren Anlaß. Es wird behauptet, die Regierung sei im Besitz zu⸗ verlässiger Information, daß die Bodenliga beabsichtige irgend welchen Zwangsmaßregeln der Regierung bewaff— neten Widerstand entgegenzusetzen. Die Sprache der Anhänger Parnells wird mit jedem Tage kühner. Das irische Parlamentsmitglied O'Connor sagte gestern in Man— chester: wenn es nach ihm ginge, würde er mit jedem der 10000 Landlords wie mit Kapitän Boycott verfahren. „Boy⸗ cotting“ wäre die schönste Erfindung des Jahrhunderts. Die Irländer würden nicht eher rasten, bis sie Irland zu einer freien Nation gemacht. .
Die „Dublin Gazette“ veröffentlicht ein Proklama—⸗ tion des Vizekönigs von Irland, welche erklärt, daß die Grafschaft Limerick sich in einem Zustande der Aufregung befinde, was eine Verstärkung ihrer Polizeimacht nothwendig erscheinen lasse.
Prinz Leopold und die Prinzessin Louise haben sich gestern zur Königin nach Osborne begeben, woselbst auch der Herzog und die Herzogin von Connaught erwartet werden.
Die Staatsschuld Kanadas hat sich, einem amtlichen Ausweis zufolge, im letzten Fiskaljahr um 5 500 000 Dollars vermehrt.
— 23. Dezember. (W. T. B.) Ein Telegramm des „Globe“ aus Dublin meldet: Gestern nahmen die Beamten der Zollwache in dem Flusse Clare, nahe bei dessen Einmün⸗ dung in den Shannon, das Schiff „Juno“ in Beschlag, welches eine Ladung amerikanischer Waffen an Bord hatte. Das Schiff wurde von einer Truppenabtheilung besetzt. Eine Anzahl junger Leute, die kürzlich aus Amerika ange— kommen sind und sich in dem . aufhalten, befindet sich unter polizeilicher Ueberwachung. In dem Distrikt herrscht große Erregung.
Ein Telegramm aus Durban, von heute früh, meldet das Gerücht, daß die Engländer von den Boers des Transvaallandes bei Middelburg geschlagen worden seien;
200 . Soldaten seien getödtet, 50 in Gefangenschaft gerathen.
Die „Pallmall Gazette“ hält das Gerücht von der Demission des Vizekönigs, Lord Ripon, zum Mindesten
ür verfrüht.
— 24. Dezember. (W. T B.) Nach einer Depesche der Regierung von Natal aus Pietermaritzburg; vom 23. d,, wird die Zahl, der aufständischen Boers auf 4099 geschätzt. Der Administrator von Transvaal, Lanyon, welcher sich in Pretoria in Sicherheit befindet, ist der Ansicht, daß die Boers sich nicht vereinigt halten können. Gerücht⸗ weise verlautet, die Boers hätten das Lager am Potchefflusse angegriffen und seien unter großen Verlusten zurückgefchla— gen worden. Die republikanische Regierung der Boers hat ein Schreiben an Lanyon gerichtet, in welchem sie ihrer Achtung vor der Königin von England sowie vor der englischen Flagge Ausdruck giebt. Zugleich wird darin der Wunsch, den Krieg zu vermeiden, ausgesprochen und erklärt, daß die Boers auf jeden Fall entschlossen seien, auf ihrer Unabhängigkeit zu be⸗ stehen und Lanyon aufzufordern, die Verwaltung ohne Wider— stand zu übergeben. Lanyon hat eine Proklamation erlassen, welche allen Denjenigen, die das Lager der Insurgenten un verzüglich verlassen würden, Straflosigkeit zusichert. — Der Regierung sind bis jetzt noch keine bestätigende Mittheilungen über die nach einem Telegramm aus Durban gemeldete Niederlage der englischen Truppen bei Middelburg zugegangen.
Frankreich. Paris, 22. Dezember. (Cöln. Ztg.) Der republikanische Verein der Deputirtenkammer ser— klärte sich heute einstimmig für den Antrag des Budget⸗ ausschusses auf Herstellung des Amendements Brisson in Betreff der fiskalischen Maßregeln gegen die Ordensgemein⸗ schaften in der Weise, wie die Deputirtenkammer ' dieselben beschlossen hat. — Das Konfliktsgericht hat heute nach vierstündiger Berathung in Sachen der Jesuiten gegen die Präfekten der Gironde und Vienne, die von den Jesuiten wegen Verletzung der Wohnung bei Gelegenheit ihrer Aus— weisung verklagt waren, ablehnend beschieden. Die Gerichte ,. sich gegen die Anträge der Staatsanwälte für zuständig erklärt.
— (Fr. C.) Der Ministerrath erledigte vorgestern lau— fende Geschäfte, namentlich nahm er einen Vortrag des Mi—⸗ nisters des Innern entgegen über die Nothwendigkeit, den Obergefängnißrath umzugestalten. Er besteht aus fünfzig Personen, von denen ein Drittel von der Regierung auf Lebenszeit ernannt wird, das sich dann durch Zuwahl ergänzt.
— 23. Dezember. (W. T. B.) Die Deputirten⸗ kammer trat heute in die Berathung des Gesetzentwurfs über den obligatorischen Unterricht. Art. J des Gesetzentwurfs wurde angenommen, Art. 2 abgelehnt.
Der Senat begann die Berathung des Einnahmebud⸗ gets und genehmigte die beiden ersten Artikel. Die folgenden Artikel über die fiskalischen Maßregeln betreffs der Associa⸗ tionen beantragte Clement aus dem Budget auszuscheiden, weil die bezüglichen Bestimmungen nicht in das Budget, son⸗ dern in das Gesetz über die Associationen gehörten. Die Aus— scheidung der gedachten Artikel aus dem Einnahmebudget wurde mit 145 gegen 1309 Simmen abgelehnt. Wie verlautet, würde die Regierung diesen Artikeln, welche das modifizirte Amendement Brissons, betreffend die Unterwerfung der Güter der Kongregationen unter die ordentlichen fiskalischen Vor— schriften, bilden, ihre Zustimmung ertheilen. Der Senat setzt morgen seine Berathungen fort.
Türkei. Konstantinopel, 22. Dezember. (Pol. C.) In den Pourparlers, die auf der Pforte zwischen dem türki⸗ schen Minister des Aeußern und europäischen Diplomaten über die Note Assym Paschas vom 14. d. M. über die grie— chische Grenzfrage gepflogen wurden, gewannen die Letz⸗ teren den Eindruck, daß der Ausdruck „dernière concessioné, der in dieser Note mit Bezug auf die Anerbietungen der Pforte vom 3. Oktober gebraucht ist, nicht wörtlich zu nehmen sei, und daß die Pforte sich unter Umständen bereit finden könnte, über die Konzessionen vom 3. Oktober hinauszugehen. Eine formelle Erklärung dieses Inhalts wurde bisher wohl nicht, gegeben, aber in diplomatischen Kreisen glaubt man, in diesem Punkte die Andeutungen der Pforte nicht mißver— standen zu haben.
Serbien. Belgrad, 22. Dezember. (Pol. C) Die ser⸗ bische Regierung hat beschlossen, in Berlin und Rom Gesandtschaften zu errichten.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 24. De⸗ zember. (W. T. B.) Der „Regierungsbote“ erklärt die Nachricht hiesiger Zeitungen über die Feststellung der Ein⸗ , , in Rußland für verfrüht, da der Finanz⸗ Minister noch keine endgiltige Entscheidung getroffen habe.
Danemark. Kopenhagen, 21. Dezember. (S. Corr.) Gestern stand im Folkething der früher mitgetheilke Gesetz⸗ entwurf der Radikalen über die parlamentarische Eidesleistung zur Berathung. Die Antragsteller Berg und Hörop empfahlen die Vorlage zur Annahme. Der Frühere Justiz⸗ Minister Klein (Rechte) machte geltend, daß kein Grund vor⸗ liege, eine besondere Formel für den Reichstagseid zu besitzen, und daß eine Abänderung des gerichtlichen Eides eine weit größere praktische Bedeutung haben würde. Er sympathisire daher mehr mit dem r hl, der Moderaten, werde sich aber aus Höflichkeitsrücksichten einer eventuellen Ueberweisung beider Vorlagen an einen Ausschuß nicht widersetzen. Der Justiz-Minister hob hervor, daß jeder Eid der einen oder an— deren religiösen Sanktion unterstellt sein müsse, und daß eine Formel für Freidenker nur nach Aufhebung der den Eid be— treffenden Bestimmung des Grundgesetzes gewährt werden kö8ine. Bei der Abstimmung in einer gestrigen Abendsitzung stellte sich die Beschlußunfähigkeit des Hauses heraus. Als— dann nahm das Haus Ferien bis zum 6. Januar.
Afrika. Egypten. Kairo, 23. Dezember. (W. T. B.) Die von der internationalen Kommission für die Gerichtsreform niedergesetzte Subkommission hat ihre Berathungen beendet. Einige Anträge der egyptischen Regie⸗ rung haben eine Aenderung erfahren. Der ÄÜntrag auf Ein— setzung eines Ober⸗Revisionshofes ist abgelehnt worden.
Nr. 25 deg Armee ⸗Verordnungs-⸗Blatt s hat folgenden Inhalt: Dielokationgänderungen, welche zum 1. April 1881 aus Anlaß der für diesen Zeitpunkt in Auszsicht stehenden Neuforma— tionen einzutreten haben. — Vereinigung des ebemaligen Land gemeindebezirks Bornheim mit der Stadtzemeinde Frankfurt a. M.
— Zulage beiw, Tage eldergebühr der Roßärzte und Unter⸗Roßärzte bei Kommandos in andere Garnisonen. = Erläuterung zu 5§. 9, 2. 8. des Geldverpflegungsreglementz für das preußische Heer im Frieden. — Abänderung der Vorschrift über den Geschãftsgang bei Ueberweisung der Bedürfnisse zu den Schießübungen ꝛc.
Landtags⸗Angelegenheiten.
Dem gestern mitgetheilten Gesetzentwurf, betreffend die Verwen— dung der in Folge weiterer Reichs steuerreformen an Preußen zu überweisenden Geldsummen ist folgende Denkschrift beigefügt:
Zur Geschichte der , im Reiche und in reußen.
WVon Seiten der Gegner der jetzigen Finanzpolitik wird sowobl in der Presse als in der Reichs. Und Landesvertretung die Durch ührung der begonnenen Steuerreform mit dem Einwande bekämpft, daß die an die Bewilligung der indirekten Steuern und Zölle ge⸗ knüpften Versprechungen von der Regierung nicht erfüllt worden seien und daß auch weitere Reformen statt Steuererleichterungen nur Ver⸗ mebrung der Aut gaben und neue Belastung des Volkes bringen würden. Man wird die Intentionen, von denen die Staatsregierung sich in dieser Frage hat leiten lassen, am Besten klar legen, wenn man sich entschließt, einen Rückblick auf die gesammte Entwickelung der Reformidee zu werfen und auf Grund des vorhandenen Akten materials und der von maßgebender Stelle in ber Reichs ⸗ und Landes vertretung abgegebenen Erklärungen in authentischer Weise festzustellen, welche Absichten die Regierung von vorn herein und in fester und konsequenter Haltung verfolgt hat und was bis lang zur Erreichung der selben geschehen ist. Diese Darstellung hat sich nicht aaf die Verhältnisse Preußens zu beschränken, sondern auch bi Vor— gä ge im Reiche insoweit in Betracht zu ziehen, als dieselben auf die Eytwickelung unseres Finanzweseng von Einfluß sind.
Neben der Selbständigkeit der Reichs finanzen, welche für das Reich die erste Veranlassung und der nächste Zweck der Ausbildung des indirekten Steuersystems war, sollten bekanntlich für die Einzel⸗ staaten auf dem Wege der Steuerreform die Mittel beschafft werden um ohne Vermehrung der in den meisten Staaten schon bis auf das äußerste Maß in Anspruch genommenen direkten Besteuerung durch Vermehrung bezw. weitere Ausbildung und Erhöhung der indirekten Steuern nicht allein eine Ausgleichung der etats mäßigen Einnahmen und Ausgaben zu bewirken, sondern auch weitere unentbehrliche Be⸗ dürfnisse der Staatsverwaltungen zu befriedigen und gleichzeitig eine Reform der direkten Steuern anzubahnen.
Man wollte daher die Einnahmen aus indirekten Steuern und Zöllen insoweit steigern, daß die Einzelstaaten durch die Ueberschüsse über den eigenen Bedarf des Reiches in den Stand gesetzt würden, eine Ermäßigung und, soweit möglich, Befeitigung der drückendsten direkten Abgaben, sowie eine Erleichterung der Steuerlast der Kom⸗ munen eintreten zu lassen.
Man war sich aber von Anfang an bewußt, daß die Aufgabe, welche sich das Reformwerk stellte, nicht auf einmal zu erreichen sei und daß die hierzu erforderlichen Erträge aus indirekten Steuern sich nur allmählich würden flüssig machen lassen. Wenn man die Reform nur nach und nach durchführen wollte, so lag es also nicht im Plane der Rezierung, den einen oder den andern der angegebenen Zwecke zunächst und vorzugsweise ins Auge zu fassen, vielmehr beabsichtigte man, bei der Verfolgung dieser Ziele gleichmäßig und stufenweise vorzugehen. ö
Daß die preußische Staatsregierung von vornherein von diesen Anschauungen ausgegangen und auch im Laufe der Ereignisse stets an denselben sestgehalten hat, werden die nachstehenden Mittheilun⸗ gen aus amtlichen Aktenstücken, aus Reden des Reichskanzlers und der e , Minister und aus Artikeln offiziöser Preßorgane ergeben.
Die Motive der dem Reichstage unter dem 9. Februar 1878 ,, ., Tabaksteuervorlage, welche das zwischen den verbündeten Regierungen vereinbarte eigentliche Reformprogramm enthalten, geben in Betreff der Aufgaben der Finanzpolitik des Reiches folgende all⸗ gemeine Gesichte punkte.
Die seitherige Entwickelung des Steuer rsystems in Deutschland, welche die Staaten und die kommunalen Korporationen und Ver⸗ bände porzugsweise auf die Vermögeng, und Einkommensteuern an— weist, bereitet nicht nur den Landesregierungen Schwierigkeiten gegen⸗ über den steigenden Anforderungen an die finanzielle Kraft der Staaten, sondern sie hat auch namentlich dazu geführt, daß die kom— munale Selbstverwaltung, um den ihr durch hohere Interessen gestellten Aufgaben genügen zu können, die direkte Besteuerung auf eine Höhe zu steigern genöthigt gewesen ist, welche diefelbe sehr beschwerlich macht und auf die Fortentwickelung der Staataästeuern nach⸗ theilig zurückwirkt. Gegenüber diefer von Jahr zu Jahr schwieriger werdenden Lage erscheint es geboten, die Aufgabe der Finampolitik des Reiches dahin zu stellen, daß durch Vermehrung der eigenen Einnahmen desselben aus den ihm zur Ver—⸗ fügung stehenden Verbrauchssteuern nicht nur sein gegenwärtiger Mehrbedarf gedeckt, sondern auch eine Entwickelung eingeleitet werde, welche eine Entlastung der Budgets der Einzesstaaten auf die Dauer herbeiführt, so daß es den letzteren dadurch ermöglicht wird, drückende Steuern zu beseitigen, beziehungsweise zu ermäßigen, oder, wenn sie dies für angezeigt halten, einzelne dazu gerignete Steuern den Pro⸗ vinzen, Kreisen oder Gemeinden ganz oder theilweise zu überlafsen“.
Unter Bezugnahme auf dieses Reformprogramm, welches schon in den ersten Entwickelung stadien die gesammte jetzige Reformfrage in sich schließt, äußert fal ein Votum des Pieußischen Finanz⸗ Ministers vom 5. Juni 1878 in Betreff der fur Preußen in Aus⸗ sicht genommenen Reformziele wie folgt:
„Der Betrag, bis zu welchem die Vermehrung der eigenen Ein⸗ nahmen des Reichs anzustreben ist, wird hiernach nicht twa durch die gegenwärtige Höhe der Matrikularumlagen des Reichs, sonde rn durch den Umfang bezeichnet, in welchem für die Einzelstaaten das Bedürfniß vorliegt, zur Durchführung einer Reform der Landeg⸗ steuern Deckung vom Reiche zu erhalten.
Dabei sind für Preußen folgende Reformen des Steuersystems in Aussicht zu nebmen:
I) Ueberweisung der Hälfte der Grund⸗ und Gebäudesteuer an die Kommunalverbände;
2) Beseitigung, der vier untersten Stufen der Klassensteuer als Staatssteuer; Erleichterung der Kommune in der Besteuerung der solchergestalt vom Staate freigegebenen Censiten und Mie ben nr. der oberen Stufen der Klassensteuer mit der Einkommensteuer;
3) Verbesserung der Gewerbe steuer⸗Gesetzgebung hauptsächl ich zum Vortheil des kleineren Gewerbebetriebes.
Man wird hiernach mit Ueberzeugung sagen können, daß die jetzige Vorlage sich im Wesentlichen auf der Basis dieser Erklärun⸗ gen bewegt und nur in dem einen Punkte über dieselbe hinausgeht, daß sie die weitere Ueberweisung der verbleibenden 8 Klassensteuer⸗ stufen an die Kreise zu Reformzwecken in das Auge faßt.
Dasselbe Schrifistück fährt dann fort:
Die aus Reichsmitteln zu schaffende Deckung für die hiernach in den Staats einnahmen zu erwartenden Augfälle ist berechnet:
zu 1 auf ungefähr 35 000 000 4M . 21 000000 s 3 1 2500000 .
Summa 58 506 dd . oder rund 60 000 000 M.
Außerdem wird zur Deckung derjenigen Staatsausgaben, für welche die regelmäßigen Einnahmen, auch abgeseben von der geplan ten Steuerreform, nicht außreichen, die gleiche Summe von 60 Millionen Mark als Bedarf bezeichnet, sö daß der Gesammt⸗ betrag. auf welchen Preußen als auf feinen Anthesl an den Mehr⸗ einnahmen des Reichs rechnen müßte, sich auf 125 Millionen Mark belaufen würde.
Zu den eigentlichen Matrikularumlagen (d. h. zu der Summe
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Ueberschüssen der Post und Telegrapkenverwa tung, sowie der Brannt⸗ wein ⸗ und Brausteuergemeinschaft nicht betheiligten Staaten wegen dieser Jtichtbetheiligung mehr zu leisten haben) trägt Preußen unge— fähr 60 un bej. Nach diesem Maßstab würde die Vermehrung der eigenen Einnahmen des Reiches ungefähr 250 Milstonen Mark be⸗ tragen müssen, um der preußischen Staatskasse die obenberechnete Deckung ron 120 Millionen Mark zu gewähren. Wenn ferner, wie dies nur gerechtfertigt erscheint, wegen des muthmaßlichen ferneren
Steigens der Ausgaben des Reichs auf eine ähnliche Reserve für die Reichs kasse Bedacht genommen werden soll, wie sie für die preußische Staate ka sse ins Auge gefaßt ist, so würde sich die Summe von un⸗ gefähr 245 Millionen Mark als der erforderliche Mehrbetrag der eigenen Finnahmen des Reichs darstellen.
Dieser Betrag kann als das Ziel gelten, welches bei der Erhö— hung der eigenen Einnahmen des Reichs zu erstreben ist.
Eine dem vorstehend mitgetheilten Votum beigefügte Denkschrift geht auf die Frage, welche Summe zur Ausgleichung der Einnahmen und Ausgaben im preußischen Etat zu beanspruchen fei, näher ein und führt in dieser Beziebung aus:
Wenn die aus den Reichseinnahmen dem Staate zuzuführende, für Steuerreformzwecke erforderliche Summe auf rund 60 Millionen Mark zu arbitriren ist, so läßt schon dieser Betrag an sich erkennen, daß eine Vermehrung der eigenen Einnahmen des Reichs, welche nur Die Entlastung des preußischen Budgets von dem daselbst für das Jahr vom 1. April 1878579 auf 36 375 264 M veranschlagten Ma⸗ trikularbeitrag ermöglicht, keines falls ausreichen würde. Allein auch dann, wenn ein diefer ganzen Summe gleichkommender Betrag dem preußischen Staate aus den vermehrten Reicht einnahmen zugeführt würde, würde derselbe sich noch nicht in die Lage gesetzt sehen, diese seinerseits zur Erreichung der vorersrterten reformatorischen Absicht zu verwenden, weil seine sonstigen Einnahmen zur Decknng der noth— wendigen Ausgaben unzulänglich geworden sind und dieses weiterhin noch mehr zu werden drohen.
Wenn man in dem preußischen Staatshaushalts -⸗Ctat pro 1878/79 den Ertrag der Anleihe, die aus der französischen Kriegskontribution eingestellten Summen und den Ueberschuß aus Vorjahren, wie noth⸗ wendig, außer Betracht läßt, so ergiebt sich, daß saͤmmtliche übrigen Staat einnahmen das Ausgabeordinarium noch in Höhe von mehr als 2 Millionen Mark ungedeckt lassen. — Rechnet man hierzu ein weiteres Steigen des Ausgabeordinariumz um nur 6 bis 8 Millionen Mark, und, das Bedürfyiß eines in Höhe von etwa 50 Millionen Mark jährlich bereit zu stellenden Extraordinariums, so erhellt, daß die aus vermehrten Reicht einnahmen dem Staate zuzuführende Summe auf etwa 120 Millionen Mark sich erhöhen müßte, wenn zur Frreichung des Eingangs gedachten Zwecks den' Kommunen 60 Millionen Mark jährlich aus den Einkünften des Staats über⸗ lassen werden sollen.
Dieser Schätzung wird der Vorwurf, daß sie zu weit gehe, nicht gemacht werden können.
Die Vorsorge für ein angemessenes Extraordinarium ist in Kon—⸗ sequenz des Grundgedankens de⸗ Reform um so nothwendiger, weil die Verwendung desselben vorzugsweise zur Förderung solcher Ein— richtungen und Anstalten erfolgt, welche neben den allgemeinen Staats zwecken beson der auch den lokalen Interessen bedürftiger Ottschaften und Landetztheile zu Gute kommen und den Staat in den Stand setzen, indirekt eine möglichst billige Ausgleichung der mit der allge— meinen Steuerreform erstrebten Entlastung der Kommunalverbände herbeizuführen.“
Auch das nachstehend auszugtweise mitgetheilte Schreiben des Reichs tanzlerz Fürsten von Biamarck an den Bundesrath vom 15. Dezember 1873 stellt es außer Zweifel, daß Steuerermäßigungen nicht die alleinige Aufgabe der Steuerreform sein sollten:
Das Maß der Gesammtsteuerlast ist nicht durch die Höhe der Ein nahmen, sondern durch die Höhe des Bedarfs bedingt, durch die Höhe der Ausgaben, welche im Einverständniß zwischen Regierung und Volksvertretung als dem Bedürfniß des' Reichs oder Staat entsprechend festgestellt wird. Höhere Einnahmen zu erzielen, als zur Bestreitung diefes Bedürfnisses unbedingt erforderlich sind, kann niemals in der Absicht der Regierungen liegen. Dieselben haben nur dahin zu streben, daß das Erforderliche auf die relatio leichteste und erfahrungs mäßig minder drückende Weise aufgebracht werde. Jede Steigerung der indirelten Einnahmen des Reichs muß deshalb die nothwendige Folge haben, daß von den direkten Steuern oder von selchen indirekten Steuern, deren Erhebung von Staatswegen etwa aus besonderen Gründen nicht mehr wünschenswerth erscheint, sob iel erlassen oder an Kommunaloerbände überwiesen wird, als für die Deckung der im Einverständnisse mit der Volksvertretung festgesetzten Staate ausgaben entbehrlich wird.“
; Die in den vorstehend wiedergegebenen Aktenstücken aus⸗ gesprochenen Absichten bejüglich der Steuerreform bat die Regierung weder im Reichstag nech im Landtage verschwiegen oder verschleiert oder modifizirt; vielmehr erhellt aus den folgenden Auszügen aus Reden des Reichskanzlers und der Minister. daß man sich der er— strebten Ziele nicht nur stets bewußt war, sondern dieselben auch mit voller Klarheit und Bestimmtheit ror dem Lande ausgesprochen hat:
Ich weise ja die Aufgabe nicht von mir, *) darüber nachzudenken und daran zu arbeiten, daß es möglich wäre, solche Reichseinnahmen, solche Reichssteuern, wie in der Verfassung gesagt ist, Ihnen vor—
zulegen, die Hoffnung auf Ihre Annahme haben — und diese Hoff⸗ nung knüpfe ich an den Plan, daß wir die Steuern in einer Weise kombiniren, dle auf der einen Seite Erleichterung, auf der anderen Seite neue Einnabmequellen schafft, — ohh das Bestreben, größere Einnghmen zu haben, als der Bedarf 1st .
Ferner:
„Ich vertrete schon seit einigen Jahren den Standpunkt“) daß es fur die gesunde Entwickelung der Finanzverhästnisse des preußi⸗ schen Staats im hohen Grade wünschenswerth fei, die Matrikular— beiträge über diejenige Höhe, welche sie im Jahre 1876 hatten, und die also von der Höhe, die sie im laufenden Etat einnehmen, um etwa 10 Millionen abweichen, nicht möchten hingusgehen. Ich ver— trete noch lebhafter die Auffassung, daß keinesfalls die gegenwärtige Höhe noch gestelgert werden möge. Ih vertrete endlich die Auf⸗ fassung, meine Herren, daß das preußische Steuersystem offenbar bei den Anforderungen, die immer weitergehend an die Staatskasse ge⸗ richtet werden, bei den Anforderungen, die in immer größerem Um⸗ fange sich an die Kreis, und Kommunalverbände gerichtet haben, ein Weg gesucht werden muß, um im Wege der indirekten Besteuerung die Mittel zu gewinnen, die Lasten bei der direkten Beste uerung, deren sich jene Verbände in der Regel zu bedienen haben, zu vermin. dern. Das ist die Stellung, die ich zu dieser Frage einnehme und zu der ich mich unumwunden bekenne.“
Ferner:
Gs bat auch Seitens der Staatsregierung nicht an Bemühungen gefehlt,“) diesem vorzusehenden Uebel (den Schwierigkeiten der da⸗ maligen Finanzlage) zu begegnen. Es ist dieg zuletzt in den durch meinen Herrn Amtävorgänger vorbereiteten Gesetzentwürfen geschehen, die dem Reichstage Anfangs dieses Jahres vorgelegt wurden. In den Motiven des Gesetzes über eine Erböhung der Tabaksteuer ist aue drücklich hervorgehoben, es werde die Aufgabe der Reichs · Finanz⸗ verwaltung sein, dafür zu sorgen, daß die eigenen Einnahmen des Reiches vermehrt und dadurch die Matrikularbeiträge der einzelnen Staaten herabgesetzt werden, daß die einzelnen Staaten in den Stand gesetzt werden durch Ueberschũsse, die ihnen überwiesen werden, theils lästige Steuern zu beseitigen, theils die Kommunen durch Ueberweisung von Steuern oder durch Steuerreformen zu erleichtern. Ich halte dieses Ziel fest und ich glaube, daß die ganze Entwickelung unserer Ver— dältnisse dabin weist, in einer Ausbildung der dem Reich überwiese⸗ nen Zölle und Verbrauchssteuern die len fta zu suchen, um den
9 Fürst von Bismarck. Sitzung des Reichstages vom 10. März
187 ) Minister Camphausen. Sitzung des Reichstags vom 22. Fe= bruar 1878.
„) Finanz ⸗Minister Hobrecht.
dieser Umlagen, abzüglich derjenigen Beträge, welche die an den
Sitzung des Hauses der Ab— geordneten vom 20. November 1875.
nicht blos in Preaßen, sondern auch in anderen Bundes staaten her⸗ vorgetretenen Schwierigkeiten in der Finanzlage zu begegnen, und um uns in den Stand zu setzen, im Interesse der Kommunalverbände Steuerreformen hei de: zuführen.
Was nun die Forderung betrifft„), die wiederholt auch heute hervorgetreten ist, den Betrag genau zu nennen, welcher erforderlich ist, um das Defizit im preußischen Siaat, wie es sich herausgestellt bat, zu decken, den Betrag zu nennen, den ich für erforderlich halte, um die in Aus sicht gestellte Entlastung und Erleichterung der Kom⸗ munen herbeizuführen, so glaube ich, daß diejenigen Andeutungen, die schon hier gemacht sind, genügen werden, um wenigstens annähernd auf diesen Betrag zu kommen.“
Sodann aus derselben Rede:
. habe durch die Vorlegung des Etats und durch die Er⸗ läuterungen, die ich dazu gegeben habe, keire weiteren Hoffnungen erweckt nach der Seite der Kommune und keine weitereh Befürch⸗ tungen nach Seiten des Reichshaushalts, als die auf Beschaffung dieser beiden Summen gerich eten Forderungen. Deckung des dauern⸗ den Defizits im Stagtshaushalt ünd Beschaffung der Mittel zur Durchführung einer Reform der direkten Steuern im Interesse der Gemeinden.
Weitere Forderungen habe ich meinerseits nicht gestellt, und es ist auch nicht richtig, aus den sonst von der Regierung abgegebenen Erklärungen die Behauptungen herzuleiten, es würden darüber hin⸗ aus noch ganz unberechenbare Forderungen gestellt werden.“
kö erstreben “*) überhaupt nicht einen höheren Ertrag, eine höhere finanzielle Einnahme, insoweit nicht der Reichstag und die Landtage die Nothwendigkeit mit urs erkennen und Ausgaben vo⸗ tiren, zu deren Deckung die Mittel beschafft werden müssen. An sich wüßte ich nicht, was das Reich mit einem Urberschuß an Geldern anfangen sollte; wir haben ez gebabt an den Millia' den und sind bei der Verwendung derselben in eine gewisse Verlegenheit gerathen.“
Das Bedürfniß nach einer Vermehrung der Einnahme im Reich ***) hat einen doppelten Grund, et ist ein zwie faches. Es handelt sich darum, ein wirklich vorhandenes Defizit zu decken, es handelt sich darum, die Mittel zu gewinnen, um gewisse Steuer— reformen durchzuführen.
Nun, meine Herren, lassen Sie mich — ich will nur Bekanntes wiederholen — wiederholen, was im preußischen Landtage als Ziel einer Steuerreform hingestellt wurde, wenn auch nicht mit Zustim⸗ mung, so doch ohne einen nenner swerthen Widerspruch, ja zum Theil wenigstens mit Zustimmung des Abgeordnetenhaufes: Die Ueberwei⸗ sung der Hälfte der Grund. und Gebäudesteuer an die kommunalen Verbände verlangt einen Betrag von 33 Millionen; die Summe, welche ich damals genannt habe für eine Reform der Klassen⸗ und Einkommenstener, kann ich aus dem Kopf nicht genau angeben, ich glaube, sie war näher an 3) als an 36 Millionen, ich will aber den niedrigsten Betrag annehmen, also 20 Millionen, so sind das 53 Millionen, und wenn Sie die damals angegebene Summe von 3 Millionen zur Korrektur der Gewerbesteuer hinzunehmen, so wären das 56 Millionen; dazu den Betrag — den ich für das Defizit auf 44 Millionen angebe — ergiebt ein Gesammtbedürfniß für Preußen von 1066 Millionen und zwar auf Grund der, wie ich meine, nicht zu weit gezogenen Grenzen einer Sleuerreform, wie ich sie damals als dringend wünschengwerth bezeichnet habe. Einer solchen Summe würde für das ganze Reich entsprechen die Beschaf⸗ fung von 166 oder 167 Millionen Mark, die im Reich aufgebracht werden müßten, wenn das Bedürfniß eben durch Mittel des Reichs gedeckt werden soll.“
Neben diesen vor der Reichs und Landesvertretung abgegebenen Erklärungen, benutzte die Staatsregierung noch die Prooinzial⸗ Korrespondenz, um die Bepölkerung über ihre Intentionen bei' der Reform der Steuern aufzuklären. Bemerkengwersh ist in dieser Be⸗ ziehung namentlich ein auf Veranlassung des Staats⸗Ministeriums in diesem Blatte am 3. Juli 1875 veröffentlichter Artikel, auf den hier verwiesen werden möge.
Durch das vorstehend mitgetheilte Beweismaterial unzweifelhafter Weise festgestellt sein,
daß die Reform der Reichssteuern für Preußen die Mittel ge⸗ währen sollte,
1. um das vorhandene Defizit zu decken und wachsende Staats
ausgaben zu bestreiten, fowie
II. um eine Umgestaltung feines Systems der direkten Steuern
unter Entlastung der Kommunen, bezw. Erleichterung der
Aufbringung d.r Kommunallasten vorzunehmen.
In letter Beziehung war in Aussicht genommen:
. X. Ueberweisung., der Hälfte der Grusd. und Gebaäudesteuer an die Kommunal verbände;
. 2) Beseitigung der vier untersten Stufen der Klassensteuer als Staatssteuer und Verschmelzung der oberen Stufen der Klassensteuer mit der Einkommensteuer;
3) Verbesserung der Gewerbesteuer zum Vortheil des kleineren Gewerbebetriebes.
Die Schätzung der zur Durchführung dieser Maßregeln erfor⸗ derlichen Mittel hat im Laufe der Verhandlungen zwar Schwan. kungen erfahren; dieselben kommen jedoch hier nicht beson ders in Be⸗ tracht, da es sich überall nur um vorläufige und ungefähre Schaͤtzun« gen handelte.
Während anfänglich die zu beschaffende Summe auf rund 129 Millionen Mark arbitrirt wurde, ermäßigte sie sich später auf 109. Millionen Mark. Die Differenz lag hauptsaͤchlich in der Schätzung der für den vorstehend zu J. für das Defizit in Aussicht genommenen Summe, die anfänglich auf 60 Millionen Mark, später auf 44 Millionen Mark angegeben wurde, während man die Mittel zur Ausführung der Steuerreformen (zu II. vorstehend) anfänglich in runder Summe auf 60 Millionen Mark, später auf 56 Millionen Mark arbitrirt, nämlich:
iu 1) 33— 35 Millionen Mark, zu 27) 20-21 ? ö
iu 3) 3— 2 ß ö
. nachgewiesene Duplizität der verfolgten Zwecke führt von selbst zu der Frage, in welcher Reihenfolge man dieselben zu erreichen beabsichtigte, da von vorn herein kein Zweifel darüber bestand, daß man, mit einem Schlage beide Zwecke nicht erreschen konnte. Man mußte deshalb erwägen, ob zunäͤchst der eine oder der andere Zweck aasschließlich verfolgt, oder ob die zu erwartenden Mittel dazu ver⸗ wen det werden sollten, beide Zwecke gleichzeitig und stufenweise zu realisiren. Daß ven vorn herein eine gleichzeitige und stufenweise Berück⸗ sichtigung der bezeichneten Reformziele erstrebt wurde, weist deutlich die lchon oben angezogene, dem Votum des Finanz⸗Ministers vom 15. Juni 1877 beigefügte Denkschrfft nach, welche in dieser Bezie⸗ bung sagt: ;
Wie mäßig dieser eigene Mehrbedarf des Reichs auch veran schlagt werden mag, so ergiebt sich doch aus der oben für Preußen berechneten und entsprechend für die anderen Bundes staaten zu arbi⸗ trirenden Forderung eine Summe, welche auch unter den günstigsten Bedingungen aus Zöllen und Verbrauchssteuern des Reichs erst nach einer längeren Reihe von Jahren würde erzielt werden können. Diese Rücksicht macht es nothwendig, eine stufenweise Durchführung der Reform von vorn berein ins Auge zu fassen. Der in seiner Wirkung am meisten verständliche und zugleich für die Förderung des Ge⸗ sammtplans zweckmäßigste Schritt dürfte die vorgeschlagene Reform der Klassen⸗ und Ginkommensteuer sein, mit welcher daher zu be⸗ — 62 wäre, sobald die Mittel dazu würden flüssig gemacht werden
nnen.
Es ist, indeß bei der Lage des — 264 Staats haushalts dringend wünschenswerth, gleichzeitig wenigstens eine mäßige Er⸗
) Finanz ˖Minister Hobrecht. neten vom 27. November 1878. **) Fürft ven Bismarck. 2. Mai 1879.
dürfte in
Sitzung des Hauses der Abgedrd—⸗
Sitzung des Reichstages vom
***) Finanz ⸗Minister Hobrecht.
Sitzung des Reichstages vom 3. Mai 1879. 3 ;