1881 / 13 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 17 Jan 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Lan- wirtbschaftsrath erachtet es auch ferner wie seine Aufgabe als frei gewäblle Körperschaft, Mitte der deutschen Landwmirtbschaft den Betrieb des landwirthschaftlichen Gewerbes Bezug babenden Arregungen zum Gegenstande seiner Untersuchungen und Begutachtungen zu machen und die gewonnenen Anschauun⸗ gen an den maßgebenden Stellen zum Vortrag zu bringen; ferner auf die Beseitigung vorhandener Mängel, sowie auf die Schaffung neuer, für das Gedeiben der Landwirtbschaft zweckdienlicher Einrich⸗ tungen und Maßregeln hinzuwirken.“ .

Die Ernte des Jahres 1880. (H. Corr.) Gleichwie in den Vorjahren ist auch in diesem Jahre wieder von dem Senator Klotz in Hamburg auf Grund von 28 Berichten eine Ermittelung der 188071 Ernte von Oelsaaten, Getreide, Hülsenfrüchten, Kar— toffeln, ser Heuwindung sowie Butter. und Käse Erträge während der Weidezeit, nebst Datum der Aussaat, Reife und Einbringen auf den Gütern längs der Ostküste der He zogthümer von Heiligenhafen bis Hadersleben vorgenommen worden. Nach derselben belief sich das Mittel des Körnerertrages nach der Gewichtstonne pr. Tonne Land von 240 Quadrat. Ruthen auf diesen Gütern beim Weizen auf 9,71, Roggen 10, Gerste 11.41, Hafer 1427, Rappsaat (nach 12 Be⸗ richten) 5, 96, Winterrübsen (nach 13 Berichten) 7,89, Kartoffeln (nach j7 Berichten) 35,38. Die Anzahl der Tage von der Aussaat his zur Reife belief sich bier im verflossenen Jahre im Durchschnitt bei der Raxpsaat auf 348, beim Winterrübsen auf 310, beim Weizen auf 300, beim Roggen auf 302, Gerste auf 112, Hafer auf 114, bei den Kartoffeln auf 163. Der letzte Erntetag war im Durchschnitt auf diesen Gütern im verflossenen Jahre bei der Rappsaat der 30. Juli, beim Winterrübsen der 27. Juli, beim Weizen der 25. August, beim Roggen der 12. August, bei der Gerste der 28. August, beim Hafer der 1. September.

München, 13. Januar. (Allg. Ztg.) Zur Theilnahme an den am kommenden Montag beginnenden Verhandlungen des deutschen Landwirthschaftsraths begeben sich aus Oberbayern nach Ber⸗ lin: das Mitglied des Landwirthschaftsraths Hr. Wilhelm von Schilcher, Gutsbesitzer zu Dietramszell, und der General-⸗Sekretär des landwirthschaftlichen Vereins Hr. Professor Otto May, Letzterer als Ersatzmann für den Gutsbesitzer Grafen von IYrsch, ferner als Mitglied der von dem Landwirthschaftsrathe zur Berathung der Frage der „Erhaltung der städtischen Fäkalstoffe für die Landwirth⸗ schaft' bestellten Sektion Hr. Universitätgz⸗Professor und Gutsbesitzer Dr. Ranke, zweiter Vorstand des landwirthschaftlichen Vereins in

Bayern. Gewerbe und Handel.

Die Kommission, welcher der französische Senat den Sei⸗ tens der Deputirtenkammer an ihn gelangten neuen Generaltarif seiner Zeit überwies, hat den von schutzzöllnerischer Seite auf sie ge⸗ setzten Erwartungen entsprochen. Die von der Deputirtenkammer votirten Tarifsätze sind, wie dem „Eeonomiste frangais“ zu entnehmen ist, mit wenigen Ausnahmen, zum Theil um das drei⸗ und vierfache erhöht worden. So wurde der Einfuhrzoll auf Ochsen von 6 auf 30 Fres. erhöht, der auf Hammel von 15 Fres. auf 5 Freg.

Auch die Taxen auf Seide, Seidenwaaren und feines Garn sind beträchtlich gesteigert worden. As Präsident der Kommission fungirte Hr. Ferap, Besitzer einer großen BTaumwollenspinnerei. Zu ihrem Berichterstaiter bat dieselbe den bekannten Führer der französifchen Schutzzöllner und ehemaligen Finanz⸗Minister, Hrn. Pouyer-Quertier, gewählt. Der Senat wird nunmehr zu den Beschlüssen seiges Aus⸗ schusses Stellung zu nehmen haben.

Dresden, 17. Januar. (W. T. B.) Die heute abgehaltene außerordentliche Generalversammlung der Dresdner Bank war von 69 Aktionären, welche 6370 Stimmen vertraten, besucht. Die Erhöhung des Stammkapitals von 15 auf 24 Millionen und eine zusammenhängende Aenderung der Statuten wurde mit 5145 Stim— men, die Begebung von 9 Millionen junger Aktien an ein Kon— sortium mit 50905 Stimmen genehmigt. Der Reservefonds, welchem durch Las von dem Konsortium für die jungen Aktien zu zahlende Agio 1 620 C00 „S zufließen, erreicht damit nicht nur die statuten mäßige Höhe von 102 ½6 sondern nech 1 o darüber. Leipzig, 15. Januar. (Lpz. Ztg.) Wie immer, so verlief auch diese Neujahrsmesse in Baum wollen und Leinenwaaren ohne größere Transaktionen. In Baumwollenwaaren, sowohl rohen als veredelten, ist der Markt ein ziemlich stabiler und haben De⸗ tailleure infolge des vorhergegangenen schlechten Weibnachtegeschäf— tes meist keine Veranlassung zum Kaufen, was selbstverständlich auf das Engros⸗ Geschäft ungünstig wirkte. Nennenewerthe Preis veränderungen sind sowohl hierin als auch in Leinen— waaren nicht zu verzeichnen. Sorauer Fabrikate wurden von schwachen Händen zwar billiger abgegeben, die anderen Fabrikanten hielten jedoch um so fester auf Preis, als die unliebsame Kon— kurrenz durch die inzwischen eingetretene Katastrophe für später be⸗ seitigt sein dürfte. Sehr fest waren schwere sächsische Leinen, schle—⸗ sische und englische Taschentücher, namentlich auch Monorel ⸗Taschen⸗ tücher, obgleich sich auch hierin nur ein schwaches Geschäft ent— wickelte. Tas Wäschegeschäft sowohl als auch die Stickereibranche liegen momentan flau. Die Eihshung der Waarenzölle in Rußland ist nicht ohne ungünstigen Einfluß auf das hiesige Geschäft.

Nürnberg, 15. Januar. (Oopfenmarktbericht von Leopold Held. Vom Hopfenmarkte ist nichts Neues zu berichten. Gestern und vorgestern wurden annähernd je 200 Ballen verkauft, während heute in Folge der eingetretenen strengen Kälte, die das Verpacken der Waare erschwert, der Umsatz ein etwas geringerer ist. Als Käufer treten ausschließlich Kundschaftshändler auf; das Export⸗— eeschäft bleibt leblos. Die Frage bezieht sich unverändert haupt- ächlich auf gutfarbige, bessere und feinste Hopfen. Die Zufuhren sind belanglos. Die Stimmung ist ruhig fest. Die Preise sind unver ändert, sie lauten: Marktwaare prima 100 —– 115, mittel 85 95 M, Gebirge hopfen 120 140 , Hallertauer Siegelgut (Wolnjach Au) prima 125 - 145 ½, secunda 95 115 6, do. prima 120— 140 M, mittel 99—115 66, Spalter Land, schwere Lagen 150— 170 46, leichte Lagen 120 135 M, Aischgründer prima 120— 130 16, mittel 90 - 100 n, Württemberger prima 120 - 145 4M, mittel 99 - 110 4, Badische prima 120— 140 ½, mittel 990— 110 MS, Polnische prima 135—150 4M, mittel 99— 110 S. Elsässer prima 115— 130 , mittel 990— 110 M, geringe aller Sorten 70 80 S

Glasgow, 15. Januar. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich anf 507 1090 Tons gegen 50l 900 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 123 gegen 164 im vorigen Jahre.

Manchester, 16. Januar. (W. T. B.) Der Strike der Kohlenarbeiter gilt für beendet; mebrere der Arbeitgeber baben die von den strikenden Arbeitern sür die Wiederaufnahme der Arbeit gestellten Bedingungen acceptirt.

Verkehrs⸗Anstalten.

Erkner, 16. Januar, 9 Uhr Vorm. dem auf der Fahrt nach Berlin befindlichen Eilgüterzuge 302 sind soeben in Folge eines Schienenbruchz kurz vor Erkner die Maschine und 5 Wagen entgleist. Von dem Personal ist nur der Lokomotioführer leicht verletzt worden.

. Die vorstehend mitgetheilte telegraphische Depesche von Erkner über die dort vorgekommene Entgleisung läßt den wahren Sach verhalt, inkbesondere die Ursache des Unfalles nicht erkennen, worüber die inzwischen stattgehabte Untersuchung Folgendes herausgestellt hat:

Auf der Bahnstrecke, etwa ein Kilometer rom Bahnhof Erkner entfernt, wurde kur; vor dem daselbst zu erwartenden von Breslau kommenden Eilgüter unge 302 ein Schienenbruch im Geleise entdedt. Während die Auswechselung der gebrochenen Schiene stattfand und zu diesem Zwecke die Stelle durch dag Haltesignal an dem optischen Telegraphen der vorausliegenden Bahnwärterbude gededtt und als unvpassirbar bezeichuet war, kam der gedachte Zug an, überfuhr dag Haltesinnal, welches der Lokomotipführer anscheinend nicht respektirt hatte, und fuhr noch so weit, daß er in die über 2090 Schritt vom Haltesignal entfernte, offene Geleisstell: hineingerieth; demzufolge die Lolomotige und sechßs Wagen aus dem Geleise sprangen und vier dieser

seitber für die aus der hervorgebenden, auf

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Wagen dle Bäschung binunterstrzten. Obwohl sich in einem dieser Wagen mehrere Viehbegleiter befanden, sind dieselben glücklicher Weise ohne Verletzung dacongekommen, und vom Zugpersonal hat sich nur der Lokomotivfübrer eine anscheinend nicht erhebliche Verletzung zu gezogen.

Das betreffende Geleis ist für länger als 24 Stunden unfabr⸗ bar geworden und sind hieraus für die Güterzüge nicht unerhebliche Verspätungen entstanden, während die Personenzüge ohne wesentliche Verspätungen verkehren konnten.“

Wien, 11. Januar. (Cöln. Ztg.) Die Arbeiten im Arl⸗ bergtunnel gehen gut vorwärts. Auf der tirolischen Seite hat man mit Hülfe der Maschine den unteren Stollen bereits auf 310m vorgettieben; der tägliche Fortschritt beträgt jetzt trotz des harten Gesteins 2 m. Der obere Stollen ist um 100 m zurück, es wird aber rüstig aufgebrochen, und auch die Wölbungsarbeiten gehen gut von Statfen. Bei 300 m Tiefe hat man vom unteren zum oberen Stollen eine Oeffnung durchgebrochen und arbeitet nun den von der äußeren Seite vordringenden Mineurs entgegen. Die Zahl der Ar— beifer auf der tirolischen Seite beträgt 200, soll aber demnächst ver⸗ mehrt werden. /

Berlin, 17. Januar 1881.

Das Königliche Hof⸗Jagdamt veranstaltete in ver— gangener Woche zwei kleinere Jagden: die eine am sittwoch, den 12., auf der Insel Töplitz bei Potsdam, die andere am Sonnabend, den 1I5., auf den Feldmarken von Britz, Buckow und Groß-Ziethen bei Berlin. An ersterer nahmen Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Wilhelm von Preußen und August von Württemberg sowie 18 aus Berlin und Potsdam geladene Herren, an letzterer Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Friedrich Carl von Preußen und August von Württemberg sowie 14 aus Berlin geladene Gäste Theil. Beide Jagden wurden von dem Hof⸗Jägermeister vom Dienst, Freiherrn von Heintze, geleitet und ergaben: erstere in 4 Wald⸗ und 2 Kesseltreiben ein Resultat von 8 Rehböcken und 182 Hasen, letztere in 2 Standtreiben 277 Hasen. Hiermit ist die heurige Saison beim Königlichen Hof⸗Jagdamt geschlossen.

Die Haupt (General Versammlung des Vereins für die Geschichte Berlins wurde am Sonnabend im Bürgersaale des Rathhauses in der von den Statuten vorgeschriebenen Form ab— gehalten. Nachdem zunächst der erste Vorsitzende des Vereins, Ge— heimer Ober-⸗Postrath Sachße, die laufenden Geschäfte geordnet, er— hielt der Hauptschriftwart, Baron von Fircks. das Wort zu seinem Bericht über die Leistungen des Vereins im Jahre 1880. Derselbe beschränkte sich unter Hinweis auf den bevorstehenden Druck des Be⸗ richts auf kurze Notizen. Die Mitgliederzahl ist fast unverändert geblieben und schwankt um die Zahl 460. Neue Mitglieder brachte das Jahr 34, durch den Tod verlor der Verein 11 Mitglieder, und 27 traten aus. Die Schriften des Vereins sind in ange⸗ messener Weise fortgeführt und brachten einen unerwartet großen Ertrag. Von den 24 abgehaltenen Sitzungen waren 8 öffentliche, 16 Arbeits, und außerordentliche. In jenen wurden 9, in diesen 22 Vorträge, im Ganzen also 31 Vor—⸗ träge gehalten. Auch in diesem Jahre erhielt der Verein vielerlti dankerswerthe Zuwendungen. Der Bericht des Aichivargs Brose erstreckte sich auf, die Sammlungen und konstatirte, daß die Regesten GInhaltsverzeichniß der im Staatsarchiv enthaltenen Dokumente und Schriftstücke) um 2000 Nummern sich vermehrt und die stattliche Anahl von 5700 erreicht haben. Der Katalog der Bibliothek ist gedruckt worden und wird zur Vertheilung kommen. Ter Rechnungelegung des Schatzmeisteis Ritter entnehmen wir, daß alle Ausgaben des Vereins prompt geleistet werden konnten und daß am Schlusse des Jahres ein Ueberschuß von 142 MS verblieb. Der weitere Bericht des Pflegers der ‚Louis Schneider - Stiftung“, des Konsuls Georxg Goldberger, wies wiederum eine Vermehrung des Fonds nach, so daß der Zeitpunkt immer näher rückt, in dem die Stiftung in Wirksamkeit treten kann. Der Fonds betrug zu Anfang des Jahres 11 689 und bat sich durch statutenmäßige und außer—⸗ ordentliche Einnahmen auf 12496 6 23 3 vermehrt. Beide Rech⸗ nungen sind einer besonderen Revisionskommission zur Prüfung übergeben.

Die Feststellung des Vereins Haushaltes für das Jahr 1881 er folgte nach den Vorschlägen des Vorstandes. Die folgende Berathung der Statuten ergab nur unwesentliche Aenderungen, die theils redak⸗ tioneller Natur waren, theils die Praxis des Vereins genauer aus— drückten. Der Name des 2. Schriftführers wurde überall durch den des „‚Bibliothekars“ ersetzt.

Es folgte nunmehr die Vorstandtwahl nach Vorschrift der Sta— tuten. Nachdem zunächst auf Anregung des Rektors Fischer der Verein dem attretenden Vorstande seinen Dank und seine Aner⸗ kennung durch Erheben von den Plätzen ausgedrückt, wurden die drei Vorsitzenden, Geh. Ober⸗Postrath Sachße, Stadtrath Friedel und Schulvorsteher Budezies nach der, Reihe fast einstimmig wieder—⸗ gewählt. Da der Haupschriftwart, Baron von Fircks eine Wieder⸗ wahl abgelehnt, trat an seine Stelle der bisherige 1. Schriftführer F. Meyer. Alleiniger Schriftführer wurde sodann Dr. jur. Béringuer, Archivar blieb Hr. Brose, Bibliothekar wurde der bisherige 2. Schriftführer Alfieri.

In der Novembersitzung des Wissenschaftlichen Kunst—⸗ vereins hielt der Oberst Baron von Korff einen eingehenden Vortrag über die Passionsspiel' von Ammergau. In dem ersten populären Theil berübrte derselbe die Gerüchte, Berichte und Meinungen, welche im Publikum darüber Wurzel gefaßt hatten, und führte die Zubörer durch das kunstbelebte München in die bereits von allen Seiten zusammenftrömenden Massen aller Nationen, welche sämmtlich demselben Ziele Ammergau zustrebten. Dem Heerdin⸗ druck auszuweichen, ging nun weiter nach Innsbruck. Die leben dige Naturschilderung des Weges von Innzbruck nach Ammer⸗ gau auf der alten Handelsstraße von Augsburg nach Italien war so anziehend und malerisch, daß die Zuhörer selbst sich in erfrischende Gebirgsluft versetzt fühlten. In Spannung und Steigerung wur den sie in die von allen Seiten, auf allen Straßen herbeiströmenden Pilgermassen verflochten und entlang der Martinswand, der alten Kulturetarxpe Mittenwald, Partenkirchen mit der Zugspitz über den Ettbaler Berg nach Oberammergau geführt. Aeußerst lebendig war nunmehr die Schilderung des Ameisendurcheinander, welches sich dem Blick entrollte, wie in Hast und Eile jeder Angekommene für sich zuerst und am schnellsten den besten Platz, den besten Unterhalt zu ergreifen besttebt war; Tausende von Wagen in der Doifstraße verfahren, zerstreute Familienmitglieder in Rufen, Thränen und Händeringen, Freude des Wiedersehent, Kampf um Bier und Würste, dazwischen weiher olle Pilgerstimmung, Böllerschießen, Zapfenstreich mit apostolischen Gestalten vor jeder Thür. Die Schilderung selbst versetzte den Zuhörer mit allen Empfindungen in dieses eigen artige, fremdartige Leben.

Der Vertragende verließ nunmehr den populären Theil seines Bildes und entwickelte in interessanter Weise diese letzten, im Ab—⸗ sterben begriffenen Passionsspiele aus den Mysterien und den uralten Kultusfestspielen. Die egpptischen Ostrisspiele im alten Bubastis wurden auf das Eingebendste nach Quellen und Bild dargestellt, der Uebergang in die cristliche Darstellung der Leiden des Heilandes aus dem Vorlgen entwickelt und über die Mysterien ein interessanter Ueberblick gegeben. Ungemein lebhaft schilderte der Vortragende aus eigener Anschguung die VDarstellung der Maärtyrer⸗ legende dsengi sch- bade, d. h. Kampf des Glaubenezeugnisses, in Persien, von dem Alexander Cbodzko im Répertoire du théatre persan allein 33 uralte Texte veröffentlicht hat. Das Fest des Opferlamms (kurban beiräm kei den Sunniten) heißt aid elkebir, elfida das aroße Fest der Auflösung. Es dauert 4 Tage und wird namentlich in

Mekka besonders feierlich begangen. Die sich hieran knüpfende flare Entwickelung der mohammedanischen Lehre durch den Koran, die Theilung der Anhänger dieser Lebre in Schiiten und Sunniten, die Ermordung der allein rechtmäßigen Erben der Herrschaft Mohammeds,

Possein und Hassan, in Kerbelah und die jäbrliche Wiederholung

der Darstellung des Leidens dieser Märtyrer des Rechts und des Glaubens: alles dieses zeigt eine merkwürdige Uebereinstimmung mit unsern heutigen Passions spielen.

Nachdem der Vortragende an der Hand von gegen 200 photo— graphischen Blättern die Ammergauer Passiont vorstellungen als solche durchgenommen und in wahrhaft ergreifender Weise daz Abendmahl, die Fußwaschung, die Kreuzigung, die Kreuzabnahme, die Auferstehung und die Apotheose geschildert hatte, ging derselbe in tiefer Forschung auf den Text der Passionsspiele ein. Ein altes Mannseript vom Augtburger Meistersänger Sebastian Wild aus dem Jahre 1545, welches sich bereits auf vorhergegangene Texte stützt, wurde im Vergleich als derjenige Tert nachgewiesen, aus dem sich das heute noch beim Bürgermeister Lang in Oberammergau befind⸗ liche Manuseript von 1667 der Rüpel Komödie für das Passiong« spiel extrahirt hat. In diesem Stück, welches 4 Tage dauerte, spielen der geschwänzte Teufel als Momus und die Eingeweide des Judas noch eine große Rolle. Der Etthaler Benediktiner Pater Ottmar Weiß, vorzüglich aber sein Schüler, der heute noch lebende, 83 Jahre alte Pfarrer Deisenberger, arbeitete den oben ge— nannten Text für den Anspruch unseres Jabrhunderts um; der Schul« lehrer Dedler komponirte dazu eine Musik im Stil von Graun, und als Vorbild für die lebenden Bilder benutzte man die Kupferftiche von Albrecht Dürer. Wie sehr sich dieses ganze Schauspiel aus dem antiken Leben entwickelt hat, ieigte der Vortragende in der etagen— artigen Einrichtung der Bühne, in deren Eintbeilung und Maße, in dem ö . , , , er, u an einzelnen Textstellen zum Beispiel, wo der Chor bei diefer spezifisch christlichen Darftellung heute noch von den Göttern dieser Welt singt. ö Tut

Der Vortragende ging nunmehr auf die Passionsvorstellungen an anderen Orten, in anderen Zeiten und in Ammergau im Speziellen ein, gab noch einen eingehenden Ueberblick über die hier einschlägliche reiche Literatur und schloß mit dem Hinweis auf die Berechtigung der für ihre Zeit zweckmäßigen Theatervorstellungen für das Volt und die durch Spekulation hervorgerufenen Auswüchse derselben.

Die Anthropologische Gesellschaft trat am Sonnabend unter Professor Dr. Virchows Voꝛsitz zur ersten Sitzung des Jahres zusammen, in der zunächst die 8 ausscheidenden Ausschußmitglieder von Neuem mit ihren Funktionen betraut wurden. Den alsdann fol— genden Mittheilungen dis Vorsitzenden entnehmen wir, daß die Ge— sellschaft durch Kauf in den Besitz der Sternbergschen Sammlung von Steinwerkzeugen gelangt ist, die in zahlreichen Exem— plaren die historische Entwickelung der einzelnen Fabri⸗ kationsmethoden darstellt. Von dem Oberstabtarzt Dr. Boehr, zur Zeit an Bord Sr. Majestät Schiff ‚„Hansa“, sind interessante Mittheilungen über die Feuerländer eingegangen. Hr. Maelse hat, wie sein letzter Bericht meldet, seinen Aufenthalt in Queensland auf ein halbes Jahr ausgedehnt, da sich ihm Gelegenheit geboten, interessante Studien über das Gehirn der verschiedenen Rassen anzustellen. Der Versuch, gelegentlich der Melbourner Ausstellung eine Zusammenkunft von Vertretern aller Stämme des australischen Ar— chipels herbeizuführen, um festzustellen, ob ein Typus in der That durch den ganzen Archipel geht, oder ob wir verschiedene Typen an— jzunehmen haben, scheiterte, da die Mittel zur Ausführung eines solchen Unternehmens leider nicht vorbanden waren. Hr. von Mereschkowsky legte sodann Feuersteinpfeilspitzen u. dal. vor, die in der Krim theils in offenen, theilt in Höhlengräbern gefunden wor— den sind. Hierauf sprach Hr. Dr. Munk uber das Großhirn.

Die Gewerbehalle, Organ für den Fortschritt in allen Zweigen der Kun stindustrie“ (Stuttgart, Verlag von J. Engelborn) tritt mit der vorliegenden Januar Lieferung bereits in ihren XIX. Jahrgang. Wie schon mitgetheilt, ist mit dem Be⸗ ginn desselben in Folge der ehrenvollen Berufung des seitherigen Redacteurs, Architekten A. Schill, als Professor an die Kunst— Akademie zu Tüsseldorf die Leitung des Blattes den Architekten Ludwig Eisenlohr und Carl Weigle in Stuttgart übertragen worden, durch deren Gewinnung für die gediegene Weiter— führung des Blattes volle Bürgschaft, gelristet ist. Der gegen— wärtige Jahrgang verspricht, wie die früheren, ein umfassendes Bild des kunstgewerblichen Schaffens nicht nur der Gegenwart, sondern auch der Vergangenheit, soweit dieselbe für die beutige Produktion förderlich ist, in vorzüglicher Darstellung ausgezeichneter stylvoller Gegenstände darzubieten und somit den Kunstgewerbtreibenden Gelegenheit zu geben, ihren Geschmack zu bilden und ju läutern, um als ebenbürtige Bewerber auf dem Weltmarkte auftreten zu können. Nach wie vor werden Musterarbeiten der Tischlerei, Schlosserei, Bildhauerei, des Stukkators, Vergolders, Dekorationemalers, Tapeziers, Ciseleurs, Metallgießsers, Juvelierg, Buchbinders, Cartonnagearbeites, der ge—⸗ sammten Textilindustrie, Keramik und Glasfabrikation in bekannker vollendeter xylographischer Ausführung aboildlich vorgeführt werden. Daß nicht blos Prachtstücke Aufnahme finden, sondern auch solche Gegen⸗ stände berücksictigt werden sollen, welche, den Zeitverhältnissen Rechnung tragend, stilvolle schöne Form mit Einfachheit und wohlfeiler Aus— sührbarkeit verbinden, verdient gewiß Anerkennung. Nech mehr als bisher soll darauf Bedacht genommen werden, dem Gewerbtreibenden wie dem entwerfenden Zeichner außer mustergültigen Entwürfen zur direkten Anwendung auch eine Fülle von Motiven und Or⸗ namenten zu bieten, die zur Anregung für eigene Kom⸗ position dienen können. Der Koasument und Liebhaber gleich—⸗ wie der Architekt und Baumeister, dem ja heußszutage auch die Herstellung oder Ueberwachung der vielseitigen inneren Aus— stattung anvertraut ist, soll alles hierber Gehörige vertreten finden und Gelegenbeit haben, fich über Bezugtquellen ausreichend infor miren zu können. Die Abonnementsbedingungen blelben die näm⸗ lichen wie früber: 1 M 50 8 für die Monatslieferung. In dem vorliegenden, mit einer neuen Titelvignette gezierten Janne r- Heft debütlren die neuen Redgeteure, Herren Eisenlohr und Weigle mit einem Blatt: Motive für Flächendekoralionꝰ auf das glaͤnzendste und glücklichste; dieselben sind ebenso sinnreich erfunden wie entzückend graziös ausgeführt. Ferner werden uns als achtenswerthe Grjeugnisse heimischer Kunstindustrie dargeboten: ein prächtiger Kamin in Rosso di Levante mit Bronze⸗Applikation, entworfen von den Architekten Ibne und Stegmüller in Berlin, ausgeführt von M. L. Schleicher ebenhierselbst, und ein ein— facher aber geschmackvoll ornamentirter Bücherschrank für ein Herrenzimmer, entworfen von den Vorgengnnten und in italleni⸗ schem Nußbaumhol ausgeführt von C. Langer in Schweidnnitz. Auf anderen Blättern finden wir bübsch erfundene Schmucksachen Wlener Herkunft, eine üppig dekorirte silberne Wasserkanne sowie ein geschmiedetes (für die Kathedrale zu Verdun bestimmtes) Gitter Parlser Arbeit; den Beschluß aber macht, wie hergebracht, ein Farben druck, welcher den Deckel einer prächtigen Majolika Schüssel aus der Mitte des 16. Jahrhunderts (im Privatbesitz zu Ulm) in vollendeter Weise reproduzirt. .

Bremen, 15 Januar. (Wes. Zta) Laut einer Deresche aus Jeniseisk war daselbst die Nachricht eingeteoffen, daß Hr. A. Si⸗ biriakoff in Tobolsk angekemmen und daß seine Schiffe an der Küste eingefroren seien.

Redacteur: Riedel. Verlag ver Crpebitlon (Kefsel). Drud ! W. GlIaner. Fünf Beilagen (einschließlich Börsen Beilage).

Berlin:

671)

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Stagts⸗Anzeiger.

13.

Berlin, Montag, den 17. Januar

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Einfuhr vom Zollaus lande.

über die von den Rübenzucker-Fabrikanten des deutschen Zollgebiets verstererten Rübenmengen, sowie über die Einfubr und Ausfuhr von Zucker im Monat Daember 1880.

Ausfuhr nach dem Zollaus lande (mit und ohne Steuerrückvergütung).

Raffinirter Zucker

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8) Provinz Schleswig⸗Holstein. 9) Provinz Hannover. )

10) Provinz Westfalen

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12) Rheinprovinz

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1115732 118 894 28 022 .

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Ueberhaup Hierzu in den Vormonaten September bis November 1880

33 121 640

13 420 898 226 062

534 495

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72 546 209 683

1383383 383 849 3 9453 560

2729 799 606

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53 116579 82 027 400

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27 896 2539364

1726 O61 5 266 263

Zusammen September bis Dezember 1880 In demselben Zeitraum des Vorjahres

37 199 891

46 542 538 282 229

593 100

60 560

in dz 166

132 350

3D dF if S JVVIXT 474 600 3 257 80900 9

) Abgeändert in Folge nachträglich eingegangener Berichtigungen.

Berlin, im Januar 1881.

Kaiserliches statistisches Amt.

. *

25 919 622 802335

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S 298 200 780700

32 800 200,

25 824

6 986 324 267 260

152 150

8 gö0 350 796 800

Aichtamtliches.

Preußen. Berlin, 17. Januar. Im weiteren Verlaufe der vorgestrigen (37) Sitzung setzte das Haus der Abgeordneten die zweite Berathung des Ent⸗ wurfs eines Gesetzes über die Zuständigkeit der Ver⸗ walt ungsbehörden und der Ver waltungsgerichte von g. 16 an fort. Nach dem Abg. Frhr. von Zedlitz und Neu⸗ kirch ergriff der Minister des Innern Graf zu Eulenburg wie folgt, das Wort: . ;

Melne Herren! Die letzte Rede, die wir soeben gehört haben, giebt ein ziemlich getreues Bild von den Verhandlungen, wie sie in der Kemmisston stattzefunden haben, und wie sie auch in dem Kom— missiongzbericht referirt sind. Es handelt sich in der That um ein sehr feines Abwägen der Gründe, die auf der einen und der anderen Seite beflsehen für die zu treffende Entscheidung. Es ist kein an = derer Weg gegeben, als der, diese Gründe gegegenüber ju stellen und daraus die Entscheidungen zu suchen. Ich kann, indem ich in dieser Angelegenheit das Wort ergreife, Ihre Geduld nicht insoweit in Anspruch nebmen, altz ich das ganze Gebiet erschöpfe, was dabei zur Erbrterung gejogen werden kann; ich werde mich darauf be · schränken, die hauptfächlichsten Gründe, welche gegen den Vorschlag der Regierung erhoben worden sind, noch einmal kurz zur Erörterung zu ziehen, um Ihnen diejenigen Gründe gegenüberzustellen, welche nach meiner Uelerzeugung mit entschiedenem Gewicht für Aufrecht erhaltung der Regierunge vorlage wenn Sie wollen, in der von dem Hrn. Abg. von Liebermann modifizirten Fassung sprechen.

Ber erste und hauptsächlichste Grund, welcher gegen den Vor schlag der Regierung angeführt worden ist, ist der, Laß der Zustand der Landgemeindeordnungen ein nicht geregelter und die Fixirung des Inhalts der Äussschtsbesugnisse eine zu unbestimmte sei, um dem Tandrath siatt des Kreisaueschustes die Aufsicht über die kommunalen Angelegenheiten zu übertragen. .

; . meine Herren, ich erinnere Sie daran, daß, während der Hr. Abg. Hänel auf diesen Grund ein besondereg Genicht gelegt, er Ihnen gleschseitig vorgeführt bat, daß gerade dieser Grund bei Be⸗ rathung des kohenzollernschen DOrganisationgesetzes dafür angesůührt und von der Majerität des Landtags anerkannt worden sei, daß man die Aufsichtbefugnijse nicht dem? us schuß übertragen könne, sondern dem Gin zelkeamsen überlassen müsse. Ich bin der Meinung, daß das sehr geeignet ist, diesen Grund überhaupt zu erschüttern. Außerdem, meine Herren, trifft derfeibe auch keimegwegg in dem bebaupteten Maße zu. Denn diejenigen Momente und Punkte, welche für die Gemein⸗ den ven der Wesentlichkeit sind, daß die Mitwirkung der Beschluß behörden erforderlich erscheint, lassen sich dahin 1iusammenfassen, daß dies der Fall ist. Da, wo eg sich handelt um die Bestätigung der Beschlüsse, die in die Organisation der Gemeinden eingreifen, oder da, wo eg sich darum handelt, daß die Aufsichte behörde eintreten muß an Stelle der Gemein debehorde, da halte ich die Funktion der Be⸗ schlußbebörde des Kreseausschusses für voll begründet, und aus einer reschen Kenntniß der Landgemeindeverbältnisse baben Abgeord⸗ nete au allen Theilen deg Staats mit geholfen, die Punkte in diesem zweiten Abschnstte des Kompetenigesetzeß außusuchen, wo blernach eine Mitwirkung des Kreiegueschusses eintreten müsse. Meine Herren, ich bin der leüte, der in dieser Beziehung hierauf irgendwie eine ungerecht fertigte Zurückhaltung beobachten will. Ich babe, wie ich bereits wiederholt erklärt habe, gern zugestimmt, wo man nach dieser Rich · fung hin eine Erweiterung der Befugnisse des Kreisaneschusses hat einfreten lassen und noch eintreten lassen möchte. Aber, meine Her ren, wenn man das gethan und die Befugnisse, die für das Beschluß⸗ kollegium geeignet sind, mit solcher Sorgfalt ausgewählt hat, dann glaube ich, braucht man nicht sehr besorgt zu sein, daß irgend eiwas übrig geblieben wäre, was besser dem Kreigausschuß als den Einzel⸗ beamten zibertragen würde. Sollte eg der Fall sein, so würde es jeden alls von nicht großem Gewicht und der Uebelstand, welcher Lurch die Uebertragung dieser Angelegenheitrn an die Einzelstaaten eintriten möchte, gewiß keln großer sein. Denn,

melne Herren, die Behauptung, daß die Aufsichtsbefugnisse zu un bestimmt seien, trifft in einer anderen Richtung in keiner Weise zu, da mit voller Klarbeit und Bestimmtheit in unserem Gesetze die Mittel festgesetzt sind, vermöge deren der Beamte seine Aufsichts⸗ befugnisse geltend macht. Im Wege der Disziplin oder im Wege des Zwangsverfahreng kann dieses nur geschehen und in beiden Fällen ist entweder die Mitwirkung der Verwaltungeégerichte so vollständig sicher gestellt, daß die Besorguiß einer Vergewaltigung der Gemeinde durch den Gigzelbeamten in der That weit abliegt und wohl mit vollem Recht die praktischen Gesichtspunke in den Vorder grund treten dürfen, wonach in dem persönlichen Verkehr mit den Gemeinden wie selbst von den Gegnern der Regierungsvorschläge anerkannt wird der Vorzug des Einzelbeamten vor dem eines Kollegiums ganz unzweifelhaft besteht. .

Meine Herren, wenn diese Gründe, wie mir scheint, nicht maß gebend sind, dann kommt noch eine andere Reihe von Deduktionen in Betracht, welche dennoch das Gewicht in die Wagschale legen sollen, für die Aufsicktsbefugniß des Kreisausschusses. Es wird mit großer Sorgfalt nachgewiesen, daß auch bei den gegenwärtigen Bestimmungen dem Landrath, dem Einzelbeamten, alles dat senige bereitz gesichert fei, dessen er hinsichtlich der Gemeindeaussicht überhaupt bedarf. Nun, meine Herren, ich erkenne an, daß das in gewissem Maße der Fall ist. Die Bezugnahme des Hrn. Abg. Hänel auf den §. 50 des Organisationsgesetzes, auf Die §§. 136 und 1357 der Kreigordnung sind volltommen zutreffend. Sie liefern eben den Beweis, daß die Ansprüche der Praxis stärker sind, als die Aufstellung der Theorse und daß sie dem allgemeinen Satze gegenüber, daß der Kreisausschuß die Aussicht führe, nothwendiger⸗ weise die Grundlagen dafür habe geben müssen, daß in den laufenden Geschäften dem Eintelbeamten Freiheit gelassen weide. Wenn dag aber so ist, meine Herren, dann frage ich Sie, welchen Grund baben Sie, hier ein Gewicht darauf zu (egen, daß dem Namen nach dle Bezeichnung bestehen bleibt. Der Kreis ausschuß führt die Aufsicht? Ich glaube in der That feinen; denn, meine Herren, die Schaffung von Institutionen, welche ihren Namen nur zum Schein tragen, hat auf allen Gebieten bisher nur zu Uebel · ständen geführt, und ich bin deshalb der Meinung, daß man viel besser ihut, im Wesentlichen unter Belassung des gegenwärtigen Zu⸗= standes auch auszusprechen, wie die Kompetenzen dem Bedürfniß der Praxit gemäß vertheilt sein sollen.

Es bleibt endlich übrig, meine Herren, was Nachdruck und vielleicht innerlich mit größerem Gewicht geltend gemacht wird, als es ausgesprochen worden ist, der Umstand, daß die in dem Gesetz ausgesprochene Aussicht des Kreigaugeschusset über die Gemeinde bestehendes Recht sei, an dem man ohne Noth nicht ändern solle an sich ein Grundsatz, dem ich von ganzem Herzen justimme. Aber derselbe scheint mir doch im gegen⸗ kärtigen Falle nur sehr entfernt herangezogen werden zu können, aus folgenden zwei Gründen: Ersteng, melne Herren, handelt es sich nicht allein um die alten Provin,en, in welchen diese Einrichtungen nur die Ausdehnung auf die andere Hälfte der Monarchie, wo bisher das gegentheilige System bestebt, woraus folgt, daß man in dieser Hinsicht den Grund nicht geltend machen kann, um so wenlger al, wie Hr. Hänel ganz richtig sagt, wir heute noch nickt übersehen können, wie diese Angelegenbeiten ia den neuen Provinzen marschlren werden. Wat felgt daraus? nicht daß wir da eine neue Einrichtung geben, von deren Erfolg wir eine Ge⸗ wißbest nicht baben, sondern daß wir in dieser Beniehung das gegen: wärisge besteben lassen, bis wir ung überjeugt haben, ob wir mit Sicher beil auch die von dem Herrn Abgeordneten gewünschten Ein richtungen dortbin übertragen können. ̃ .

Gz kommt der jzwelte Grund hinzu, warum die Beziehung auf den bestebenden Rechtszustand im gegenwärtigen Falle nicht maßaebend sein kann.

mit rielem

Ich bitte Sie, sich zu vergegenwärtigen, daß seit Erlaß ker Kreigordrung und des Zuständigkeitegesetzes von 1876 ein wesent⸗

liches sjegislatiots Moment eingetreten ist, welches die Grundlage für eine anderweitige Beurtheilung dieser Frage bꝛetet: seitdem, meine Herren, sst das Organisatsonegesetz vom Juli 1880 erlassen, welches das

Prinzip der Führung der laufenden Geschäfte durch den Einzel⸗ breamten, unter Mitwirkung der Kollegien für die wichtigeren Ge— schäfte, als das allgemein in der Staatsverwaltung Geltende zu Grunde legt. Meine Herren, dieser Umstand legt dem Gesetzgeber die Verpflichtung auf, in den Bahnen, die er einmal eingeschlagen

hat,

auch weiter fortzufahren.

Es ist ja ein müßiger Streit,

die

Frage so zu stellen, ob nun die Gesetzgebung durch das Gesetz von

1880

steht die Frage nicht,

sondern so:

welche

ejwungen sei, die Aufsicht den Einzelbegmten zu übertragen oder ob es auch zuläfsig sei, sie den Kreisausschüssen zu belassen.

Db

dieser Eintichtungen

liegt in der Konsequenz des einmal adoptirten Systems ? und so die Frage gestellt, muß ich dem Abg. von Zedlitz antworten, daß seine

Deduktlon vollkommen unzutreffend ist.

Es

entspricht nicht dem

System des Organisationsgesetzes, daß man eine ganze Branche der

Verwaltung Beschlußbehörden

berausnimmt. zugewiesen

und nun werden,

sagt,

sondern

diese solle allein den

dem System des

Organisationsgeseßes entspricht es, daß man in jeder Branche des Verwaltungegebiels diejenigen Zweige aussondert, welche für die Einzelbeamten geeignet sind und diejenigen den Kollegien überläßt,

Natur auch in

ihrer wir

welche wollen

nach Bezug

vor

auf

diesel die

So

der

ben aehören. Beaufsichtigung

Kommunalverbände verfahren, nicht aber in der Weise, daß wir nur diefes Gebiet aueschlicßlich und allein den Beschlußbehörden über

weisen.

Das, meine Herren, sind die Gründe, welche die Staatsregie⸗ rung dazu geführt haben, Ihnen den Vorschlag zu machen, wie er vorliegt. Ich bin heute noch der Meinung, daß ein Bedenken gegen die Annahme desselben durchaus nicht vorliegt. Ich eckenne aber an, daß praktische Rücsichten besteben, welche für den Vorschlag, den

Hr. von Liebermann gestellt hat, und der auch in

Ihrer Kommission

mit großer Majorität auf einen Antrag von nationalliberaler Seite ber angenommen worden war, sprechen, daß nämlich der Landrath als Vorfitzender des Kreisausschusses die Aufsicht führen müsse. Der eine Grund ist der, daß dadurch die Vertretungsfrage dahin geregelt wird, daß in der Kommunalaussicht die Einwirkung des Kreissekretärs ausgeschlossen ist, und der zweite praktische Grund ist der, daß der Zusammenhang des Einzelbegmten mit dem Kreis⸗ ausschuß stärker gewahrt wird, als er gewahrt sein würde, wenn

dieser Zusatz nicht vorhanden ist. auch in den

gegeben, schlußfassung schrieben ist, bindung zu treten

Kre

des

jenigen igausschusses

Seitens des Landraths und zu

Es ist Fällen, in

bleiben,

nicht mit

um die Mitwirkung

ist damit die Möglichkeit

Be⸗ vorse⸗ Ver⸗ von

welchen die ausdrücklich

denselben in

Mitgliedern des Keeikausschusses für einzelne Geschäfte in Anspruch

zu nehmen.

Wenn Sie diesem Vorschlage folgen,

wird also jedes

Bedenken, welches sich erheben könnte, beseitigt. .

Meine Herren, ich bin nun, nachdem ich diese Erörterung ge machf babe aus rein fachlichen Momenten zu meinem Vedauern ge nöthigt, noch eine andere Seite mit ein paar Worten zu berühren. Mir liegt natürlich der Gedanke sehr fern, daß man Staatsinstitutionen

danach treffen könnte,

gegen eine Institution

ben vorhanden sein der Hr. Abg.

Verhältnisse in

möchten. Dirichlet

oder gar

Ihnen

gegen Nun,

meine Mittheilung ; Ostpreußen, die la, wenn er auch sagte, sie gebörten

ob persönliche Antipathien oder Sympathien einzelne

Träger dersel⸗ Herren, hat gemacht

aber über

nicht hierher, doch in einen Zusammenhang mit der gegenwärtigen Sache berhaupt nur gebracht werden könnten unter dem Gesichts⸗

punkte, daß gerade diese pers

Grund mehr wäre, nicht

sicht über die kommunalen Angelegenbeiten zu übertragen.

oönlichen Verhältnisse der Landräthe ein

ihnen, sondern dem Kreisausschuß die Auf⸗

will ich bemerken ich will aber ausdrücklich

gesagt hat, daß man von der nach nach meiner An sicht auch damals nich als sel der Regierungsbeirk Gumbinnen, spe

seiner Ansi

eine Art Verbannungtort, jetzt zurückgekommen drüdlich konslatiren, daß der Abg. Dirichlet dies anerkennt: Er meint aber, man sei gegenwärtig in einen anderen Fehler verfallen, man suche recht thatkräftige Beamte aus, die von einer großen Kultur

Beilãusig konstatiren daß er

cht früber bestandenen, t in dem Maße zutreffenden Ansicht, ziell die dortige Regierung,

sci; ich will nur aus⸗