tion über die Stellung der Regierung zum Reichs⸗ Unfallversicherungsgesetze dahin, daß der fragliche Gesetzentwurf dem Bundesrathe bereits vorliege, daß aber noch keinerlei Berathungen über denselben stattgefunden hätten, und daß sich augenblicklich auch noch nicht übersehen lasse, mit welchen Modifikationen der Gesetzentwurf Aussicht auf Annahme im Bundesrathe haben werde. Unter diesen Um⸗ ständen sei eine Beantwortung der Frage in der Form, wie dieselbe gestellt sei, gegenwärtig unmöglich. Das Gesammt⸗ Ministerlum befinde sich bei der von Jörg gestellten Frage
in derselben Lage, wie s. 3. bei der Interpellation über. die.
Vertretung des Reichskanzlers, und die Regierung könne nicht verhehlen, daß sie auch künftighin solche Interpellationen nicht einfach mit Ja oder Nein werde beantworten können, um so weniger, als ein verfrühtes Darlegen der Absichten der Re⸗ gierung geradezu nachtheilig sein könne. Gleichwohl wolle die Regierung ihre ang im Allgemeinen kennzeichnen. Das Ministerium werde die Reichsverfassung fest im Auge behalten und die berechtigte Selbständigkeit des Landes zu wahren wissen, halte es aber für möglich, den Gesetzentwurf in einer Weise zu gestalten, welche die Erreichung seines Zweckes ohne Schädigung der berechtigten Selbständigkeit der Einzel— staaten und ohne Beeinträchtigung der bayerischen Re—⸗ servatrechte sichere. Was die Frage in der Inter⸗ pellation anbetreffe, wofür denn, wenn eine Central⸗Versiche⸗ rungsanstalt gegründet werde, die Einzelstaaten überhaupt noch da und wozu dieselben gut seien, so könne das Ministerium nur versichern, daß dasselbe es für seine heiligste Pflicht er⸗ achte, für den Fortbestand des engeren Vaterlandes einzutre⸗ ten, so weit dies nur immer in seiner Kraft stehe, die bloße Negation gehöre aber nicht zu den hierzu diensamen Mitteln, untergrabe im Gegentheil unter Umständen die Existenz der Partikularstaaten. Ein solcher Fall liege hier vor. Jeder⸗ mann kenne die Gefahren der sozialen Bewegung; mit Pro— hibitiv⸗ und Strafgesetzen sei nichts gethan, vielmehr müßten die berechtigten Desiderien der Arbeiter erfüllt werden. Dieser Weg sei hier zum ersten Mal betreten, und dem Reiche dabei mit der einfachen Negation entgegengetreten, hieße den Weg zur Hülfeleistung versperren. Nur dann, wenn das Reich diesen legislatorischen Akt vollziehe, sei die Erreichung des Zieles verbürgt. Wenn das Projekt wünschenswerth sei, werde man sich mit der Kompetenz des Reichs zur Gesetzgebung darüber versöhnen müssen. Ueber die Frage der Errichtung einer einzelstaatlichen oder Reichs-Versicherungsanstalt sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Minister schloß mit der Erklärung: Wenn unsere noch obwaltenden Bedenken ge⸗ hoben werden und wir der Krone rathen, die fraglichen Be⸗ strebungen des Reichskanzlers zu unterstützen, so glaubt das Gesammtministerium nicht an den Grundfesten unseres Stagtes zu nn. sondern einen Akt eminent konservativer Politik zu üben.
Württemberg. Stuttgart, 10. Februar. Der
Prinz und die Prinzessin Wilhelm haben sich, wie der
6 . f. W.“ meldet, heute zu kurzem Besuche nach Arolsen egeben.
— 12. Februar. (W. T. B.) Der „Staats⸗Anzeiger für Württemberg“ schreibt: Die Nachrichten aus Cannes über das Befinden des Königs und der Königin lauten fortwährend günstig, die entgegenstehenden, von den Zeitungen gebrachten Gerüchte können erfreulicher Weise als grundlos bezeichnet werden. Das eingetretene Frühlingswetter gestattet längere Bewegung im Freien und wird täglich zu größeren Spazierfahrten und Fußpromenaden benutzt.
Sach sen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 11. Februar. (W. T. B.) Der Landtag ist heute geschlossen worden.
Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 19. Februar. Wie die „Els.⸗Lothr. Ztg.“ mittheilt, hat der Statthalter nach dem Willen seiner Aerzte auch gestern an der von ihm in , Palais veranstalteten Soirée nicht Theil nehmen önnen.
In der gestrigen 23. Plenarsitzung des Landesaus⸗ schusses wurde das Gesetz, betreffend die Haftbarkeit des Miethers für Brandschaden u. s. w., nach zweistündiger Dis kussion gemäß der Regierungsvorlage angenommen; ebenso der Antrag Grad auf Errichtung einer meteorologischen Anstalt in Elsaß⸗Lothringen, nachdem der Unter⸗Staatssekretär von Pommer⸗ Esche erklärt hatte, die Regierung werde den Antrag in Er— wägung ziehen.
Oesterreich⸗ ungarn. Fiume, 10. Februar. Nach einem dem „Pest. L.“ von hier zugegangenen Tele⸗ gramm hat die Stadtrepräsentanz einstimmig beschlossen, dem Reichstag eine Remonstration gegen die Aufnahme in den Gesetzartikel, betreffend die Zahl der kroatisch-slavo⸗ nischen Abgeordneten im gemeinsamen Reichstag, des auf Fiume bezüglichen Passus zu unterbreiten, damit jene Worte auszelassen werden oder doch protokollarisch er⸗ klärt werde, daß hieraus keine Deduktion zum Nachtheil der staatsrechtlichen Position Fiumes gemacht werden könne; ferner den Deputirten für Fiume zu ersuchen, die Remon⸗ stration zu unterstützen; endlich eine Abschrift der Remon⸗ stration an den Minister-Präsidenten gelangen zu lassen mit der Bitte, für die Sache Fiumes einzustehen. Gleichzeitig sei eine Kommission damit betraut worden, ein Memorandum zu verfassen, betreffend die endgültige Lösung der politischen Frage Fiumes, damit der rechtliche Zustand wie vor 1848 wieder hergestellt werde. Dieses Memorandum solle durch eine Deputation des Munizipiums überreicht werden.
Belgien. Brüssel, 11. Febuar. (W. T. B.) Die Repräsentantenkammer hat einen Antrag auf Auf⸗ hebung des Almosenieramtes bei der Gartenbauschule in Gent angenommen und auch den Gehalt des Almoseniers bei der Veterinärschule eingezogen.
Großbritannien und Irland. London, 10. Februar. (Allg. Corr) Prinz Karl von Schweden hat sich von London nach Paris begeben.
Mr. Parnell kehrte gestern von Paris hierher zurück.
In Kilkeely und Ballykaunis in Irland kam es gestern während der Abhaltung von Jahrmärkten zu blutigen Zusammenstößen zwischen der Bevölkerung und der Polizei.
Eine vom 9. d. M. datirte Depesche des Höchst⸗ kommandirenden in Transvaal aus dem Lager bei Laings Nek meldet: „Da die Verbindung zwischen hier und Newcastle von den Boern unterbrochen worden, rückte ich
heute Morgen mit 5 Compagnien der 60. Schützen, zwei Feld⸗
und zwei e e und einer Abtheilung Berittener aus, um die Landstraße abzupatrouilliren. Zwei Bergkanonen und eine Compagnie Schützen ließ ich auf einem beherrschenden Punkte diesseits von Ingogo zurück. Mit den übrigen Truppen überschritt ich den Fluß. Auf der Anhöhe, jenseits des Ingogo zeigte sich der Feind in beträchtlicher Stärke. Ich bemächtigte mich des Plateaus und wurde sofort auf allen Seiten von den Boern energisch angegriffen, welch Letztere während des Tages ansehnliche Verstärkungen erhielten. Der Angriff wurde von 12½ Uhr bis nahezu 6 Uhr Nachmittags aufrecht er⸗ halten, aber auf allen Punkten zurückgeschlagen. Die Boern zogen sich gegen Sonnenuntergang zurück, und ich führte meine Streitkraft nach dem Lager zurück. Kapitän Macgregor vom Stabe, Kapitän Greier von der Königlichen Artillerie und die Lieutenants Garrelt und O'Connell vom 690. Regiment sind gefallen; die Lieutenants Parsons, A. D. Pixley, Hawarth und Thistlewayle vom 60. Regiment wurden ver⸗ wundet. Außerdem wurden etwa 150 Mann entweder ge— tödtet oder verwundet. Der Verlust der Boern muß, nach der Natur des Angriffes und der Zahl der weggeführten Ver— wundeten zu urtheilen, ein sehr bedeutender gewesen sein.“
Der „Times“ gehen über das Gefecht aus Durban folgende, vom 9. d. datirte Telegramme zu:
Sir G. Colley verließ gestern Vormittag mit 4 Compagnien der 665. Schützen und einer Compagnie des 58. Regiments mit 4 Ka— nonen das Lager, um die Post über den Ingogo zu geleiten und einem Wagenzuge, der an dlesem Morgen New castle verlassen sollte, zu begegnen. Die Stellung der Boern war so stark, daß Sir G. Colley zwei weitere Compagnien des 58. Regiments und eine des 60. Regiments aus dem Lager kommen ließ, aber die Boern gelangten zwischen die Verstärkungen und die Kolonne. Das Resultat ist noch nicht rekannt. 300 Mann wurden im Lager zurückgelassen. Die Boern erbeuteten im Rücken der Kolonne einen von Mauleseln ge— zogenen Ambulanztrain, desgleichen eine Quantität Kaufmannkẽgüter. Ein Theil der letzteren wurde über die Grenze nach dem Freistaat geführt. Die Stärke der Boern wird auf 560 Mann reranschlagt.
Später: Die Niederlage der Boein ist ein zweifelhaster Erfolg. Der Wagenzug von Neweastle ging alücklicherweise nicht ab, sondern wartete auf Verstärkungen. Berittene Polizei sollte gestern Abend abgehen, vm zu versuchen, die von den Boern in Hewitts Farm zu— röckgelassene Ambulanz mit den Verwundeten rach Neweastle zu bringen. Militärische Kritiker vermögen nicht einzusehen, was durch eine so kostspielige Operation gewonnen worden, und glauben, daß eine große Anzahl von Freistaatboern bei Joubert ist. Miehr Verstär kur gen sind vonnöthen, da die Boern die Straßen cerniren und den ganzen Trankrort zum Stillftand bringen dürften. Kapitän Mac. gregor war Sir G. Colley's Privatsekretär. Sir Evelyn Wood wird am Sonntag erwartet. Ein zweiter Befehlshaber ist höchst nothwendig.
Einem in der „Police Gazette“ veröffentlichten amtlichen Ausweise zufolge, sind im abgelaufenen Jahre 6110 Soldaten des britischen Heeres fahnenflüchtig geworden. Die Zahl der Deserteure in der Miliz beläuft sich auf 10610 Mann.
(W. T. B.)
- II. Februar. In der heutigen Unter⸗ haussitzung erwiderte auf eine bezügliche Anfrage Stanley's der Staatssekretär des Krieges, Childers: dem General Colley seien bedeutende Verstärkungen an Infanterie, Kaval⸗ lerie und Artillerie telegraphisch angeboten worden; eine Antwort Colleyes darauf sei jedoch noch nicht einge⸗ gangen. Die letzten TVllegramme Colley's seien aus Neweastle datirt un, in letzter Mitternacht aufgegeben. Das Haus fuhr darauf in der Spezialbergthung der ir eschen Zwangsbill fort. 71 Laufe der Debatte erklärte der General-Sekretär für Irland, Forster: die Regierung sei bereit, die rückwirkende Kraft der Bill auf die Zeit bis zum J. Oktober 1880 zu beschränken. Mehrere Unteranträge, welche ein anderes Datum befürworteten, wurden abgelehnt und die Debatte schließlich auf Montag vertagt.
— 12. Februar. (W. T. B.) Von Seiten der Behörden sind Vorsichtsmaßregeln gegen ein angebliches Fenier⸗ komplott, durch welches das Schloß Windsor in die Luft gesprengt werden sollte, ergriffen worden. — Die Rückkehr der Königin von Osborne ist noch verschoben worden. — Dillon, Biggar und andere Mitglieder der Homerule⸗ Partei werden sich heute zu einer Berathung mit Parnell nach Paris begeben.
Eine Depesche des Generals Colley, vom 11. d., meldet: die Boern hätten das Schlachtfeld besetzt, und eine beträchtliche Abtheilung derselben solle in der Umgegend von Neweastle konzentrirt sein. Colley hatte dem Befehlshaber der Boern nach dem letzten Gefechte medizinische Hülfe angeboten; das Anerbieten wurde indessen abgelehnt.
Nach einem Telegramm aus Capetown, vom gestrigen Tage, hat der Basutohäuptling Letseg die Regierung des Kaplandes um die Bewilligung eines Waffenstillstandes von einer Woche gebeten.
Frankreich. Paris, 10. Februar. (Cöln. Ztg.). Der Kammerausschuß für das Preßgesetz ist entschlossen, bei der zweiten Berathung die Strafbestimmungen gegen die Beleidigung des Präsidenten der Republik wiederherzustellen. Ein Antrag von Legrand will die Strafe auf sechs Monate 9 zwei Jahre Gefängniß und 100 bis 3000 Fres. Geldbuße estsetzen.
Der Ausschuß sür den Gesetzentwurf betreffs Abände⸗ rung des Rekrutirungsgesetzes entschied sich dafür, daß die Geistlichen im zweiten Kontingente als Soldaten und nicht als Krankenpfleger, wie der Kriegs-Minister verlangt, dienen sollten. — Der Admiral Dupré ist gestorben.
Italien. Rom, 11. Februar. (W. T. B.) In der heutigen Versammlung des Meetings für das allge⸗ meine Stimmrecht wurde Bertani zum Präsidenten ernannt und sodann eine Kommission gewählt, um eine Tagesordnung auszuarbeiten, die die verschiedenen in der Versammlung ver⸗ tretenen Ansichten mit einander versöhnt. Die Tagesordnung soll die Aufforderung an das Volk enthalten, das allgemeine Stimmrecht zu fordern. Tie von der Kommission vorge⸗ schlagene Tagesordnung wurde nach einiger Debatte einstimmig genehmigt. Hierauf wurden Garibaldi, Campanella, Zuppeta Und Saffri zu Ehren-Präsidenten ernannt. Morgen soll über die Art und Weise berathen werden, wie der heutige Beschluß dem Volke bekannt gemacht werden soll.
Türkei. Konstantinopel, 11. Februar. (W. T. B.) Nach einer der „Pol. Corr.“ von hier zugekommenen Meldung dürften die Verhandlungen der Botschafter in der grie⸗ chischen Frage am 20. d. M. ihren Anfang nehmen.
— Weiter meldet dieselbe Correspondenz, daß mehrere fremde Vertreter unter Hinweis auf verschiedene beunruhigende Gerüchte an die Pforte die Anfrage gestellt hätten, wie sie
sich für den Fall des Ausbruches von Feindselig— keiten mit Griechenland rücksichtlich der hellenischen Unterthanen zu benehmen gedenke. Die Pforte soll er— widert haben, daß sie selbstverständlich die diesfälligen Be⸗ ö des Völkerrechtes für die Türkei dverpflichten ansehe.
— „Reuters Bureau“ wird unterm 9. ds. aus Konstan⸗ tinopel gemeldet: Hier eingegangenen Nachrichten zufolge hat eine Bande albanesischer Insurgenten sich in den Besitz von Mitrovitza gesetzt. — Heute wurde ein Dekret erlassen, welches die Aufnahme einer internen Anleihe autorisirt, die von Personen aufgebracht werden soll, welche Steuern für Grundeigenthum entrichten. Die Anleihe, im Betrage von 300 Millionen Piaster, trägt 10 Prozent Zinsen und ist in 10 Jahren einlösbar. Ein anderes Dekret befiehlt die Auferlegung einer Kopf steuer auf die Einwohner Konstantinopels, die von 1 bis 5 Medjidies pro Person varürt.
Rumänien. Bukarest, 10. Februar. Wie der W. „Pr.“ von hier gemeldet wird, hat das österreichische Konsulat im Einvernehmen mit der hiesigen Kaiserlichen Gesandtschaft Schritte gethan, um die straffreie Rückkehr beziehungsweise Unterstellung unter den österreichisch⸗unga⸗ rischen Schutz für jene Tausende von Staatsangehörigen zu erwirken, welche in Folge der ungarischen Revolution oder bis zum Jahre 1867 als Rekrutirungsflüchtlinge aus Ungarn nach Rumänien gekommen sind, ohne bisher eine Regelung ihrer Verhältnisse zur Heimath erzielt oder ein fremdes Staatsbürgerrecht erworben zu haben.
— 11. Februar. (B. T. B.) Der „Romanul“ recht⸗ fertigt die gegen das Vorjahr um 9, Millionen höhere Veranschlagung der Staatseinkünfte in der gegen— wärtigen Budgetvorlage mit dem Hinweis auf die in dem letzten Jahre erzielten Einnahmen; durch dieselben sei es möglich gewesen, das Gleichgewicht im Staatshaushalte ohne Zuhülfenahme der vorgesehenen Emission von 7½ Millionen Hypothekarscheinen zu erhalten. Die letzte vorzügliche Ernte berechtige zu der Hoffnung auf eine weitere Steigerung der Staatseinnahmen. Das Blatt konstatirt schließlich, daß die finanzielle Lage des Landes seit der Thronbesteigung 39 Fürsten Cusa noch niemals eine so befriedigende gewe— en sei.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 11. Februar. (W. T. B.) Unter Bezugnahme auf die von den Engländern in Kabul aufgefundene russische Correspondenz theilt die „Agence Russe“ mit, daß in Folge des Ersuchens Lord Granville's an den xrussischen Botschafter, Fürsten Lo⸗ banoff, um freundschaftliche Aufklärung das St. Petersburger Kabinet dem Ersteren im verflossenen Monat die Original⸗ Correspondenz des Generals Kauffmann mit dem Emir Schir Ali habe zustellen lassen mit dem Bemerken, dar⸗ über frei verfügen zu wollen. Das Parlament werde demnach auf Grund der authentischen Schriftstücke, welche sicherlich bald veröffentlicht werden würden, erkennen können, daß das Verhalten Rußlands korrekt und loyal ge— wesen sei. Die Beziehungen des Generals Kauffmann zu dem Emir seien solche der einfachen Höflichkeit gewe sen. Von einer Aufreizung gegen England konnte erst die Rede sein, als die feindliche mit einem Krieg drohende Politik des letzten eng— lischen Ministeriums Rußland in den Fall legitimer Abwehr brachte. Uebrigens sei die zu jener Zeit unter Lord Bea cons— field veröffentlichte Correspondenz nicht zutreffend, da Lord Beaconsfield, um seine imperialistische Politik, seine afgha⸗ nische Expedition und seine dortige wissenschaftliche Grenze zu rechtfertigen, in England die Meinung verbreiten wollte, daß Rußland die englischen Besitzungen bedrohe.
Das „Journal de St. Pétersbourg“ reproduzirt einen Auszug aus einem Schreiben des Majors Buttler an den „Globe“, in welchem derselbe mittheilt, daß er als eng⸗ lischer Offizier die turkomanischen Steppen im Jahre 1878 verschiedentlich bereist, die Befestigungsanlagen bei Geoktepe errichtet und die Turkomanen in der Benutzung der— selben unterwiesen habe. Das genannte Journal meint, die Behauptung Buttlers, die turkomanische Steppe sei ein werthvolles Land von großer Bedeutung für die Sicherheit des englischen Indiens, sei eine unbe— gründete Hypothese, welche noch aus der Aera der im⸗ perialistischen Politik Beaconsfield stamme. Rußland sei stets der Ansicht, daß England sowohl wie Rußland selbst in Asien wie in Europa Besseres zu thun habe, als sich gegenseitig unter dem Vorwande eingebildeter Gefahren Uebles zuzufügen. Glücklicherweise begegne diese Anschauung Rußlands zur Zeit in England gleichen Ueberzeugungen und sei nicht anzuneh⸗ men, daß die Letzteren durch solche Darlegungen, wie die des Majors Buttler, erschüttert werden könnten. Höchstens he— rechtigten diese Auslassungen zu dem Wunsche, daß es fortan solchen Reisenden, wenigstens so lange dieselben militärische Uniform tragen, nicht mehr gestattet sein möchte, eine den politischen Beziehungen zweier Länder so verderbliche Thätig⸗ keit zu entwickeln.
— 12. Februar. (W. T. B.) Ein Telegramm des Generals Skobeleff aus Aschabad, vom 7. d. meldet: Nach Erlaß der Proklamation, durch welche die Tekinzen zur Rückkehr in ihre früheren Wohn⸗ orte aufgefordert wurden, beginnen dieselben allmählich aus den Sandwüsten zurückzukehren und liefern ihre Gewehre ab. Bis jetzt sind etwa 7000 Familien zurück— gekehrt. Saphi Khan, Khudaiwerdy Khan und andere an⸗ gesehene Khane befinden sich in unserm Lager, wodurch die übrige BVevblkerung bewogen wird, zu folgen. Die bei Geoktepe ver⸗ sammelten Familien werden in ihre früheren Wohnorte gebracht werden. Die Familien werden mit den eroberten Sachen, wie Kibitken, Lebensmitteln und Wirthschaftssachen versehen, auch wird denselben medizinischer Beistand geleistet. Maßregeln zur Desinfektion Geoktepes und der Umgegend, zur Verhütung schädlicher Folgen bei dem Herannahen des Frühjahrs, sind getroffen worden. Wie jetzt erwiesen ist, sind in Dengiltepe 6400 Leichen begraben; während der Belagerung sind gegen S000 Personen umgekommen und bei der Verfolgung ca. 2000 niedergemacht worden. Der Gesundheitszustand der rus⸗ sischen Truppen ist ein befriedigender.
Amerika. San Francisco, 8. Februar. (Allg. Corr.) Kalakaua, der König der Sandwichsinseln, schiffte sich heute an Bord des Postdampfers „Oceanic“ nach Ja pan ein.
Afrika. Egypten. Alexandrien, ?. Februar. Der W. „Pr.“ meldet man von hier: Der Galatrain des Khedive trifft Sonntag mit dem Palast-Marschall Tonino Bey hier
ein, um den Kronprinzen Rudolf nach Kairo zu führen. Der Kronprinz wird bei seiner Landung hier von Hrn. Gad⸗ dum im Namen der hiesigen österreichischungarischen Kolonie begrüßt werden. Die in Kairo weilenden abessynischen Ge⸗ fandten Gusbrig und Mealayet werden dem Kronprinzen durch Ritter von Schäffer vorgestellt werden, um denselben im Namen des Königs Johannes zu begrüßen.
Verkehrs⸗Anstalten.
Dretden, 11. Februar. (W. T. B.) Nach amtlicher Mel⸗ dung ist die Eisdecke oberhalb der böhmischen Grenze noch fest. Hochwasser ist nicht zu gewärtigen; hier ist der Abgarg des Eises normal.
Berlin, 12. Februar 1881.
Zur Hebung des deutschen Ausfuhrhan dels.
Im Anschluß an früher veröffentlichte Berichte Kaiser⸗ licher Konsulate können wir nachstehende amtliche Berichte aus St. Petersburg, Messina, Belgrad und Jerusalem mittheilen. Der Inhalt derselben zeigt, daß die Kardinal⸗ fehler des deutschen Exportgeschäfts von Seiten der Kaiser— lichen Konsulate wesentlich uüͤbereinstimmend beurtheilt werden.
St. Petersburg, den 31. 19. Januar 1881.
Die in den überseeischen Ländern zu Tage getretenen Mängel des deutschen Exporthandels gelten mit wenigen Mo⸗ difikationen auch für die Handelsverhältnisse Deutschlands mit Rußland.
Was zunächst den schon öfters zur Sprache gebrachten Vorwurf betrifft, es fehle der deutschen Waare an Eleganz und Geschmack, so soll darauf hier nicht weiter eingegan⸗ gen werden, weil in dieser sachlichen Beziehung durch sheoretische Betrachtungen wenig geändert werden kann. Eine Beseitigung dieses Uebelstandes ist im Allgemeinen weniger in die Hand des Einzelnen gegeben, vielmehr nur durch Hebung des deutschen Kunstgewerbes überhaupt und durch höhere technische Ausbildung der Arbeiter und Ar⸗ beitsleiter zu erreichen. Zwar wird Besserung in vielen In⸗ dustriezweigen schon jetzt konstatirt; naturgemäß kann aber die Wirkung eines sich läuternden Geschmacks nur sehr allmählich zur Erscheinung kommen. .
Worauf dagegen niemals ost genug hingewiesen werden kann, sind die Mängel, welche der allgemeinen Geschäfts⸗ behandlung des deut schen Kaufmanns und Fabri⸗ kanten so vielfach anhaften. Kleinliche und pedantische Art der Geschäftsführung, unkluge übermäßige Ausnutzung eines augenblicklichen Vortheils ohne Sinn und Verständniß für die weit wichtigere Frage der Erhaltung und Erwerbung dauernder Verbindung, nicht selten auch geradezu unreelle Lieferung, — das sind die Vorwürfe, welche den deutschen Häusern im Auslande leider häufiger gemacht werden, als den englischen und französischen der entsprechenden Branche. ;
Diese Erscheinung ist auf den ersten Blick um so auf⸗ fallender, als es kaum einem Zweisel unterliegen kann, daß der deutsche Kaufmann seinem außerdeutschen Berufsgenossen an allgemeiner Bildung, und wohl auch an theoretischen kaufmännischen Kenntnissen Dank der Vortrefflichkeit unserer Schulen und Dank der Vortheile, die eine höhere Bildung dem Wehrpflichtigen gewährt, im Durchschnitt nicht allein nicht nachsteht, fondern ihn meist noch um ein Bedeutendes über⸗ ragt. Wenn dessenungeachtet die Klagen über Unzuträglich⸗ keiten im Handelsverkehr hier zahlreicher sind als anderwärts, so liegt der Grund eben in der gang und gäbe gewordenen laxen und uncoulanten Geschäftsbehandlung, die dem routi⸗ nirten Großkaufmann in den Centren des Weltverkehrs das Geschäft mit dem Deutschen so oft verleidet.
Wenn der deutsche Fabrikant im Auslande eine Verbin⸗ dung für seine Artikel sucht, in denen er sich leistungs- und konkurrenzfähig glaubt, so engagirt er meist eine Firma in dem betreffenden Lande, der er die Vertretung als Agent oder Kommissionär oder Monopolist“ überträgt. Den fortgesetzten Vemühungen des Vertreters gelingt es vielleicht, die neu ein— zuführenden, anfangs guten und preiswerthen deutschen Ar⸗ tikel zu größerer Bedeutung und Anerkennung zu bringen. Ist dies gelungen und hat der deutsche Lieferant allmählich selbst eine oberflächliche Kenntniß der Verhältnisse erlangt, so kommt es alsdann nicht selten vor, daß er, um die Kom— missionsgebühr zu sparen, seinen Agenten oder Vertreter ein⸗ fach umgeht und den Kunden desselben, deren Namen er sich zu erwerben gewußt hat, direkte Verkaufsofferten macht. Ist er Lurch eine schriftliche Abmachung an seinen General⸗ vertreter gebunden, so wird auch wohl der Ausweg gesucht, durch Lieferung an ein Zwischenhaus im Inlande den Vertrag zu umgehen.
Ein derartiges unreelles Verfahren hat zur natür⸗ lichen Folge, daß das ausländische Haus, welches bei der Einführung des deutschen Artikels in Aussicht auf fpäteren Gewinn Opfer an Zeit und Geld gebracht hat, um die Waare allmählich bekannt und gesucht zu machen, sich auch seinerseits nicht mehr um die Abmachung kümmert und nach der Vertretung eines andern — vielleicht nicht⸗deutschen — Hauses derselben Branche sich um— sieht. Durch den Zweiten soll nun der Erste aus dem Ge⸗ schäfte gedrängt werden; gegenseitiges Herabdrücken der Preise, unnatürliche Verlängerung der Kreditfristen, entsprechende Verschlechterung der Waare u. s. w. sind die unausbleiblichen Folgen. Um eines temporären kleinen Vortheils wegen hat der deutsche Exporteur die Entwickelung seines unter guten Aussichten begonnenen Geschästs alsdann von Grund aus zerstört. ;
n England und Frankreich verfertigt der. Fabrikant gewisse Spezialitäten einer Branche, verwendet sein ganzes Kapital, seinen Kredit und seine Fähigkeiten einzig und allein darauf, feine Spezialität gut und praltisch, billig und doch geschmackvoll herzustellen, sücht ständig Verbeserungen daran vorzunehmen, scheut die Kosten nicht sür gefällig ausgestattete Kataloge, Preiscourants, leicht handliche Musterkarten u. s. w. Diese 6 er in ausgiebigster Weise den verschiedenen in seiner Branche renommirten Kommissions⸗ und Exporthäusern seines Landes zu, liefert ihnen, ohne etwas dafür zu berech— nen, so viele MRüsterexemplare, als sie für ihre Kunden bean— spruchen, vergütet gern die durch die Einführung entstehenden Spesen, in der richtigen Erkenntniß, daß die Einführung eines neuen Artikels oder eines Konkurrenzartikels auf einem neuen Markte ohne Rücksicht auf die anfänglich entstehenden 2 nach allen Seiten hin thunlichst erleichtert werden muß.
Der Kommissionär, welcher meist große Geschäftsverbin⸗ dungen, oft auch schon offene Aufträge für die betreffenden Artikel hat, erhält von dem Fabrikanten einen von der Größe des Umfatzes abhängenden größeren oder kleineren Rabatt, so daß Ersterer am größeren Umsatze des Letzteren mitinteressirt ist. Die Kommissionskosten machen entschieden weniger aus, olz die Reisenden⸗ und Vertretungsspesen, Zinsen, Delkredere ꝛc. den deutschen Fabrikanten zu stehen kommen, wenn er die Aufträge im Auslande sich selbst sucht.
Die Kommission, die der Kommissionär in England und Frankreich dem Fabrikanten gewöhnlich berechnet, beträgt
L bis 2 Proz. für Stapelartikel,
2 bis 3 Proz. für Artikel von geringerem Umsatz,
5 Proz. für Luxusartikel nebst Zinsen vom Tage der Faktura an. In England kommt hierzu noch die Bankkommission von 1/ Proz.
Der Kommissionär sorgt für entsprechende gute Ver⸗ packung, für genaue Verwiegung und Deklaration je nach den speziellen Zollgesetzen des Einfuhrlandes; er kennt auch die Bortheile, welche eine kluge und geeignete Klassifikation der Waare seinen Besteller bringt, sorgt für praktische Versendung der Güter, wohl wissend, daß er selbst mit darunter leidet, wenn die Waare in schlechtem Zustande oder mit zu großen Spesen belastet ankommt.
In Deutschland dagegen suchen viele Fabrikanten, große wie kleine, selbst solche, welchen von vornherein die er— forderliche Geschäftsroutine und die technischen kaufmännischen Kenninisse abgehen, sich ihre Verbindungen im Auslande selbst und auf eigene Gefahr. Mit den einschläglichen Verhältnissen (Reiseroute, Zollgesetzgebung, Valuta, Handelsusancen . minder vertraut, liefert der deutsche Exporteur daher aus naheliegenden Gründen meist theurer, als ein orts— und waagrenkundiger Kommissionär zu liefern im Stande wäre, Um die hohen Spesen zu decken, liefert er dann auch wohl schlechter, als er versprochen hat, oder als er nach den ge— zeigten Mustern verpflichtet war; daraus entstehen dann Kla⸗ gen, Schäden und Chikanen, welche schließlich beiden Theilen die Verbindung verleiden.
Es folge hier ein aus dem hiesigen praktischen Geschäfts⸗ leben genommenes Beispiel, welches den Vortheil anschaulich machen soll, den ein kundiger Kommissionär für alle Theile bieten kann. .
Ein Fabrikant ist beispielsweise im Stande, nach Rußland eine Waare zu liefern, das Stück zu.. , 20 s6
Der Zoll beträgt 3 S vom Pfund, das Stück wiegt 3 Pfd., also Zoll. k
Fracht und Spesen J
Das Stück kommt dem en gros-Besteller in Ruß— land onna 30 6
Ein gewandter, mit den Verhältnissen vertrauter Kom— missionär läßt dagegen in Berücksichtigung des hohen russischen Gewichtszolls das Modell feiner, und in Folge dessen leich⸗ ter im Gewicht anfertigen. Er ist jetzt im Stande, dem Fabrikanten für die Wagre 1 6 mehr zu zahlen und dieselbe trotzdem dem russischen Besteller um 35 3 billiger abzulassen, nämlich:
dem Fabrikanten für die Waare
Koöommissionsgebühr. .
3 M pro Pfund Zoll, Gewicht 21½ Pfd.
Fracht und Spesen (des geringeren Gewichts und der zweckmäßigen Anordnung wegen JJ .
Das Stück kommt also dem Besteller in Rußland nur zu stehen aufs... . . 29 6 65 8.
In letzterem Falle bezieht also der Fabrikant 5 Prxoz. mehr aus seiner Waare und der russische Konsument steht sich dessenungeachtet besser. .
Derartige Beispiele lassen sich in verschieden Branchen nachweisen. .
Der große und kapitalreiche Fabrikant endlich, wenn er das leisten kann, was vom Fabrikanten und vom Kommissionär verlangt werden muß und der es deshalb ohne Schaden vorziehen kann, direkt mit dem Auslande zu ver⸗ kehren, sollte sich an jedem größeren Handelsplatz ein gutes Haus engagiren, dem er volles Vertrauen zu schenken berech— tigt ist. Er hüte sich alsdann aber auch, das Haus in ein⸗ zelnen Fällen zu umgehen, und suche womöglich durch persön⸗ lichen Meinungsaustausch die Vedürfnisse des Käufers und seiner Kundschaft zu studiren. Er hüte sich vor dem Irrthum, daß für das industriell minder entwickelte Rußland auch schlech—⸗ tere Waare noch immer gut genug sei. ö.
Anlangend den Transport der Waare, fehlt der deutsche Exporteur häufig darin, daß er glaubt, die Sorgfalt eines ordentlichen gTaufmanns nur bis zu dem Augenblicke aufwent en zu müssen, da die Wagre zur Absendung bereit liegt. Mit ber üblichen Klausel die Waare geht für Rech⸗ nung und Gefahr des Empfängers, weiß er sich juristisch ge⸗ deckt, vergißt aber dabei in kurzsichtiger Sorglosigkeit, wie sehr er unter der Konkurrenz leiden, muß, wenn seine Waare, die mit der des Konkurrenten vielleicht den gleichen Preis hat, doch an Srt und Stelle theurer zu stehen kemmt oder schlechter daselbst ankommt, weil bei der Verfrachtung we⸗ niger Umsicht und Fürsorge angewendet worden ist. Wo die nöthige Sorgfalt in der Transportanordnung fehlt, werden voön berufenen und unberufenen intervenirenden Spediteuren Nachnahmen auf die Waare gelegt; das Gut wird theuer und langsam als Einzelfracht befördert, wäh⸗ rend der umsichtige Exporteur das Kolli einem mit den russi— schen Verhältnissen vertrauten Spediteur zusendet, um wo— möglich aus den gesammelten Einzelgütern eine Wagenladung zu machen. Ltztere erreicht nicht allein schneller und billiger ihr Ziel, sondern es wird auch das häufige Umladen ver⸗ mieden, was für die Sendung um so leichter schädlich wirkt, je schlechter sie gepackt ist.
Die schlechte und unschöne Verpackung der deut⸗ schen Waare ist ein ost wiederholter Vorwurf. Dabei darf indessen nicht außer Acht gelassen werden, daß der englische wie sranzösische Fabrikant, beziehungsweise Kommissionär, der hierauf allerdings mustergiltige Sorgfalt verwendet, dafür auch recht bedeutende — oft geradezu exorbitante = Spesen rechnet. Der deutsche Lieferant dagegen, in der Furcht die Waare zu vertheuern, packt schlecht und billig, häufig aber auch unentgeltlich. .
Der deuntsche Exporteur sollte nach dem Beispiel seiner westländischen Berufsgenossen niemals unterlassen, dem aus⸗ ländischen Kunden in Rechnung zu stellen: ;
1) die Zinsen vom Tage der Faktura bis zum Empfang
9 ,
*
des Gegenwerthes,
2) die Kosten der Verpackung (genau detaillirt) und die Baarauslagen. ö
Alsdann aber gebe er auch das gerade bei der Verpackung so schädliche Sparsystem auf und halte andererseits fest am Ersatzanspruch des hierauf Verwendeten; denn derselbe aus⸗ ländische Kaufmann, welcher heute bei dem Deutschen auf langen Zahltermin kauft und gegen die für Emballage etwa berechnete kleine Summe eifrig reklamirt, zahlt morgen dem englischen Hause die viel höheren Emballagekosten, Spesen ꝛc,, sowe Zinsen vom Tage der Faktura ohne jeden Einwand, — weil es nun einmal allgemein eingeführt und seit lange handelsüblich ist. ⸗
Es ist dringend zu wünschen, daß auch Deutschland gegenüber die gleiche Praxis unbedingt Platz greife. Dies herbeizuführen haben die deutschen Lieferanten selbst in der
and. d Das leichtsinnige Kreditgeben ist ein Punkt, über welchen es schwieriger ist, allgemein gültige Normen aufzu⸗ stellen. . Der Vorwurf zu großer Vertrauensseligkeit im Kreditgeben ist beim eigentlichen Sroßexporteur kaum häufiger zu konstatiren, als bei den großen Geschäfishäusern anderer Nationen. Dagegen legen allerdings viele kleinere deutsche Geschäftsleute im Han⸗ delsverkehr mit dem Auslande und mit Ausländern eine Sorglosig⸗ keit im Kreditgeben an den Tag, die zuweilen als eine geradezu unbegreifliche Naivetät erscheint, — sei es, daß sie den in Deutschland reisenden Fremden, von deren äußerem Auftreten bestochen, ohne alle Information kreditiren, sei es, daß sie dem Wunsche nicht widerstehen können, mit ihrem an sich nur auf kleine Verhältnisse eingerichteten Geschäfte in direkte Ver⸗ bindung zum Auslande zu treten. In letzterem Falle gerathen fie in Rußland häufig sogenannten „Agenten“ in die Hände, — zweifelhafte, gewöhnlich nicht einmal selbständig etablirte Leute ohne Vermögen, welche davon leben, ausländische Häu— ser zur Ueberlassung von Waaren auf Kredit zu bewegen. Irgend eine deutsche kleine Fabrik oder Manufaktur in irgend einer Provinzialstadt erhält gelegentlich ein mit den besten Versprechungen reichlich ausgestattetes Anerbieten zur Ueber⸗ nahme der Agentur für Rußland, und der kleine Fabrikant, erfreut, sein Äbsatzgebiet derart zu vergrößern, beeilt sich, ohne irgend genügende Informationen einzuziehen, seine Waaren ohne alle Garantie aus der Hand zu geben. Gewöhnlich pflegen diese Leute auf möglichst rasche Beförderung den größten Werth zu legen, um den Lieferanten dadurch abzu⸗ halten, vorher Erkundigungen einzuziehen.
Auch wo diesen Leuten eigentlich strafhare Handlungen nicht nachgewiesen werden können, sind derartige Geschäãfte für den vertrauensseligen, der Verhältnisse unkundigen deutschen Fabrikanten doch meist schlechthin verlustbringend.
Es bedarf kaum der ausdrücklichen Erwähnung, daß dDa⸗ neben hier wie anderwärts eine zahlreiche Klasse vortrefflicher Agenten von großer Geschäftskenntniß und bedeutendem Um⸗ satz besteht, auf welche die obigen Bemerkungen überall keine Anwendung finden können. .
Sowohl die Seeversicherung als die Frachten sind von den deutschen Häfen nach den russischen Ostseeplätzen durchschnittlich billiger als von Frankreich oder England. Auch das Arbeitsmaterial wird in Deutschland an sich gerin⸗ geren Kapitalaufwand beanspruchen, als in den Industrie⸗ entren jener Staaten. Deutschland hat sonach für die russischen Märkte einen wichtigen Vorsprung vor anderen Ländern. Die oben geschilderten Mängel, deren Beseitigung dem einsichtigeren Theile unter unsern Fabrikanten nicht schwer fallen follte, werden häufig als die letzte Ursache anzu⸗ sehen sein, wenn dieselben trotz der günstigeren allgemeinen Konjunkturen von den Exporteuren anderer Länder aus dem Felde geschlagen werden. .
Wie die dem deutschen Ausfuhrhandel zum Vorwurf ge⸗ machten Mängel nicht alle einzelnen Individuen treffen, vielmehr zum Glück viele rühmliche Ausnahme zu registriren sind, so müssen auch ganze Branchen der deutschen In⸗ dustrie wenigstens von den meisten der hier zur Sprache ge⸗ brachten Mängel freigesprochen werden. Des Beispiels wegen und um mit einem erfreulichen Bilde zu schließen, soll hier noch auf einen Industriezweig näher eingegangen werden, für dessen Import nach Rußland, St. Petersburg, besonders wichtig ist, nämlich die Droguen⸗ und Chemikalien⸗ branche, über welche von ganz zuverlässiger, sachverstän⸗ diger Seite Folgendes mitgetheilt wird:
In der Chemikalienhranche behauptet Deutschland rücksichtlich der feineren Präparate, Pflanzenalcaloide 2c. unbestreitbar den ersten Rang unter allen Nationen. Die Qualität der Waaren ist im Allgemeinen als eine gute anzuerkennen und die Lieferung ungenügender oder der Probe nicht entsprechender Waare selten, je⸗ denfalls nicht häufiger als bei Lieferungen aus anderen Ländern. Sowohl in der aäußeren Beschaffen⸗ heit, als in der Reinheit sind wiederholt bedeutende Fort⸗ schritte zu bemerken gewesen und nur in wenigen Fällen trat eine Verschlechterung ein, da es den Fabrikanten bei stark ge⸗ drückten Preisen nicht mehr möglich war, die nöthige Sorg⸗ falt auf die Herstellung zu verwenden. Rücksichtlich der chemi⸗ schen Massenartikel sind die Versuche, Terrain zu gewinnen, allerdings nur selten geglückt. . ö.
In der Farbenbranche, besonders Anilin und ver⸗ wandten Farben, gelingt es den Franzosen und Engländern kaum, der deutschen Industrie Konkurrenz zu bieten. Qualität und Preise stehen in den richtigen Verhältnissen. Die stän⸗ digen Fortschritte in der Fabrikation an der Hand der fort⸗ schreitenden Wissenschaft sind geradezu staunenerregend.
In der Destillation ätherischer Oele. behauptet Leipzig nach wie vor den ersten Platz. Eine Preiserhöhung dieser Waare, die man als Folge der Einsührung der Be⸗ steuerung des Rohmaterials in Deutschland anf mancher Seite wohl gefürchtet hatte, ist nicht eingetreten.
Ueber die Art der Packung der deutschen Wgaren wer⸗ den allerdings auch in diesem Industriezweige häufig. Klagen laut. Größere Flaschen für Flüssigkeiten sind meistens zu dünn im Glase; in den Kisten ist zu wenig Stroh; die Kisten selbst sind dünn und nicht widerstandsfähig genug, die Prozent · sätze von Bruch und Verlust daher verhältnißmäßig hoch. Be⸗ sonders gilt dies auch von den deutschen Mineralwässern. Eine glänzende Ausnahme macht, wie allseitig anerkannt wird, das Königlich preußische Mineralwasserkomptoir in Nassau, dessen Packung als durchaus mustergiltig hingestellt werden
kann. ö Messina, den 28. Januar 1881. Im Allgemeinen ist der Exporthandel deutscher Firmen
nach Sicilien zwar ein ziemlich umfangreicher, indem nament⸗