stützten, kämen 15 auf Preußen, 2 auf Elsaß-⸗Lothringen und 1 auf Mecklenburg. Das Ergebniß für Preußen wäre noch ungünstiger bei Zurechnung der in den Abtheilungen geblie⸗ benen Wahlen. Sei es zufällig, daß Süddeutschland hier gar nicht betheiligt sei? Seien die Süddeutschen gutmüthiger und die Preußen mehr zum Protestiren geneigt? Solle er auf die Statistik der Beweise und Rügen eingehen, die der Reichstag im Laufe der Sessionen gegen Landräthe und Be— amte wegen Beeinflussung beschlossen habe? Als „taktlos und geschmacklos“ habe die Rechte dieses Hauses in einer Anzahl von Fällen auch das Vorgehen der Landräthe bezeichnet. Mißbilligung hätten überall jene Wahlreden der Land⸗ räthe, Wahlagitationen der Kreissekretäre, jener Mißbrauch der Kreisblätter zu Wahlagitationen, die Verwendung von Gensd'armen und Polizisten zu Wahlzwecken gefunden. Es diene auch nicht der Würde der Beamten, daß sie sich in die erbitterten Wahlkämpfe hineinmischten. Daß die Wahlkämpfe immer erbitterter geworden seien, werde zum Theil, durch die preußische offizielle Presse verschuldet. Wenn der Reichskanzler neulich eine größere Urbanität des Tons gewünscht habe, so möge derselbe auch jenen Federn eine größere Urbanität des Tons zudiktiren. Es wäre, sehr beklagenswerth, wenn jene Presse wieder mit Ausdrücken, wie „Reichsfeinde“, „Repu— blikaner“ und „Umsturzpartei“ hei den Wahlen vor— ginge. Er wolle auf die erregten Diskussionen im preußischen Abgeordnetenhaus und im Reichstage nach den letzten Wahlen nicht näher eingehen. Er wünsche, daß der nächste Reichstag keine Ursache haben werde, über die nächsten Wahlen wieder in derselhen Weise zu diskutiren, und daß sich die nächsten Wahlen so vollzögen, daß die Sitze in diesem Hause zum Segen des Vaterlandes nur besetzt würden durch den freien und unverfälschten Willen des deutschen Volkes. Hierauf ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarck
das Wort: Der Herr Vorredner hat zwar einen besonderen Antrag nicht gestellt, aber ich erlaube mir doch, einige Worte zu antworten, weil wenn ich es nicht thäte, seine Rede vielleicht im Publikum die Ver muthung erregen könnte, daß ich, der ich als Reichs beamter vorzugs— weise zur Ucberwachung der Ausführung der Reich sgefetze berufen bin, dieser Frage aleichgältig gegenüberstände. Es ist dies durchaus nicht der Fall. So viel an der Reicht regierung und namentlich an mir als Kanzler liegt, bin ich den Einwirkungen von Beamten stets Ich theile die Meinung
an
demfelben Bezirke sind mir Beispiele gemeldet worden. die Lokalbebörden ebeten. Ermittelungen darüber anzustellen, bin 115 19 — 282 M isllfks RkeiaFe 61 31 auf keine große Willfährigkeit Seitens Ler Betheiligten, um teßen.
Darauf nahm der Reichskanzler Fürst von Bismarck, wie folgt, das Wort: Ich muß zunächst konstatiren, daß die Angabe des Hrn. Vor⸗ redners, als wäre von mir aus eine Reklamation an die Herzoglich meiningis che Regierung ergangen, ebe er gewählt wurde, so wie er vorhin sich des Ausdrucks bediente, eine „reine Unwahrheit“ ist, auch ich lenne keinen anderen Ausdruck dafür, es ist eben eine Erfindung, die dem Hra. Vorredner — er sagte, aus sehr glaubwürdiger Quelle — ich sage, aus einer unreinen Quelle gekommen ist. Ich habe von der Sache früher keine Notiz genommen. Wenn mein hier nicht an⸗— wesender älterer Sohn sich gleichzetig mit dem Hrn. Abgeordneten in dem Kreise beworben hat, so ist das auf besondere Aufforderung von dort geschehen, aber ven Hause aus ohne jede Aussicht auf Er— folg. Ich bin geftazt worden, ob ich nicht meine Zustimmung dazu Leben wollte, daß er genannt würde lediglich zu dem Zweck, um damit Zeugniß abzulegen, wie ich zu der Politik des Hrn. Lasker stände, und da, zu diesem Zweck, habe ich „ja' gesagt, aber mein Sohn hat nie— mals die mindeste Auktsicht gehabt, es dort über ich weiß nicht 30 oder 100 Stimmen zu bringen von einigen Herren, die ich nennen könnte, die ihn besonders eingeladen haben. Darauf habe ich durch diesel hen Herren gehört, nachdem die Wahl gewesen war, daß der Or. Abg. Lasker, was er im Wesentlichen hier bestätigt hat, in dem Dien sthause des Hrn. Landtaths und Abg. Baumbach abgestiegen war. Sollte sich das nicht bestätigen. daß er mit dem landrätblichen Fuhrwerk und in Begleitung des Hrn. Landraths auch nur auf eine einzige Wahl versammlung gefahren wäre? Es wäre das ja überflůssig gewesen, jeder dem landräthlichen Einfluß Zugängliche konnte ja wissen, dies ist der alte Freund des Landraths, der immer bei ibm absteigt, der bei ihm wohnt; das ist so gut, als ob der Landrath anwesend wäre, er schwebt im Geiste über dem Kandidaten mit schützenden Flügeln. Ich muß aber sehr bezweifeln, ob es nicht wenigstens in einem einzigen Falle so vorge— temmen sein sollte, wie mir berichtet, denn ich habe nachher in dem Exposs, in der Beschwerde, die ich an die Herzoglich meiningische Re⸗ gierung gerichtet habe, diese Behauptung aufgestellt und sie ist nicht bestritten worden. Ich habe sie in meiner Beschwerde an Se. Hoheit den Herzog wieder aufgestellt, und sie ist mir unhestritten und unkritisirt von den Herzoglichen Behörden zurück— gekommen; dieselben haben nut mit einem non possamus geantwortet. und ich (laube auch nicht, daß den Herzoglichen Behörden, damals wen igstens, die Wahl des Hrn. Lasker unwillkommen gewesen ist. Ich sehe also gar nicht ein, was den Herrn Abgeordneten bewegt hat, seiner vollen Bestätigung meiner Anführung hier den Anschein zu geben, als ob er mir widerspräche oder mich widerlegte. Ob da ein casns, pro amie) vorgelegen hat oder nicht, ist ja ganz gleichzültig; jeder unter uns wird wohl einen Landrath zum Freunde haben, bei dem er einmal abgestiegen ist, und wenn der Landrath eine Dienstwohnung kat und er steigt in der Dienstwoh⸗ nung ab, so wird das im ganzen Kreise geflissentlich verbreitet. In den kleineren Staaten haben die Landräthe ja viel größere Macht— voll kommenheit. zu schonen und nicht zu schonen, als in Preußen, sie baben noch viele der alten Rechte der Bureaukratle; also der land— räthliche Einfluß ist dort stärker als irgendwo in Preußen, macht sich nur dort nach eirer anderen Richtung geltend, als bei uns in der R gel der Fall ist. Ob also dabei ein Casus pro amieo vorliegt, ob. eine Einwirkung durch passise Assistenz geüht ist, oder eine aus⸗ drückliche, ist ganz gleichgültig. Ich bin nur durch die Spitzen und Anspielungen des ersten Redners auf die preußischen Verhältnissez alt ob die Kritik nur Konservative träfe, veranlaßt worden, das Wort zu ergreifen. Ich bitte auch zu erwägen, daß ich keinen Namen ge— nannt habe. Ich habe nicht einmal das Land genannt, in dem das passirt ist, und kaum batte ich den Fall dunkel angedeutet, so sah ich, daß meig verehrter Gegner ron alter Zrit sich erhob, als ob er sich getroffen fühlte. Konnte der Vorfall, den ich anführte, nicht ebenso gut in jedem anderen Staat, ja sabst in Preußen geschehen
en zugemuther hat, diesen ren ihm präsentirten Herrn zu wählen, aber dach zurch sein Auwesenheit einen Druck auf die Wähler ohwe Zweifel ausgeübt hat, den ich nicht fär billig halte; es hat sich das mehrere Tage wiederkelt, und, der Wahlkandidat war stets der Gast s Landrats im Tienstacäude geblieben; der Landrath hat ihn wer söbirden Wahl rersammlungen. Es war das nicht Ich habe darauf an die ketreffende Regierung geschrie esragt, oh sie mit diesem Verhalten einverstanden wäre, ze darauf zunächst eine ausweichende Antwort erhalten, auf die Frege der Berechtigung des Landrathe, seine eigene nung zum Ausdruck zu bringen, wie auf seine Stellung kbehörde in Bezug auf ditziplinarisches Einschreiten über ⸗ Ich bin so weit gegangen, mich an den betreffen— en La „zu wenden, der mich wiederum an sein Ministerium rwitsen hat. Sie sehen alse, daß ich so gleichgültig der Sache icht gegenüberstehe, und ich bitte Sie, auch anzunehmen, daß ich da mit vellstem gleichen Maße messe. Der Fall, von Fem ic rrach, , n keinen lenser rat ren, Abgeordneten; derselbe hat sich, wie ich rotz m iner Kurjsichtigteit schon bemerkt zu haben glsube, bereits zum Wort: (emelzet; aber ich bitte Sie, st überzeugt zu sein, daß ich nach leiner Seite bin eine *einflad un dulden würde, soweit ich eine solche hindern wsich erinnern, daß nach der ersten Vorlage der
64
122 * *5 or sceMͤoßen- 1 zegleitet auf verschiedene Preußen.
99 1
641
berhaurt nicht wäblbar sein sollten. In ahnliche Bestimmun zen, und namentlich In dem freien Amerika ist die Ausübung der 1: bung der Funktionen eineg Abgeord⸗ 6 slauhe, 0 nate sehr nüßlich, wenn das bei denn ich kin, sehr zweifelhaft, ob bei dem besten bei der Lelkastigkéit unseres Parteitreibens und kel der Parteileidenschaft, mit der nament— der einzelnen Parteien ihre reolitischen verfolgen, ob ez ihm da bei dem kesten egenüber immer möglich sein wird, unparteiisch a öfter die Anspielung gemacht, daß ich als
9 . * 5 21 es Richteramtes mit d
1. ** J. eren Unvereinrkar.
n Lben die Er'abrung gemacht habe, icht mit vollkommen gleickem Maße bemessen sründer, als auL politischer Parteiabneiaun
bemerkte Parteilichkeit nicht hervorgehen. ir rwünscht, wenn diese Frage der Stellung der len mweiter urzitt wird, und ich würde dasz alz ere Richtergewalt und für das Ansehen unserer achten, wenn es möglich wäre, ju erreichen, daß sie von
ben der Parteien geset lich auegeschlossen werden.
a
6 — Abg. Dr. Lasker bemerlte, der Fall, welchen der aich kanzler erwahnt habe, betreffe ihn selbst. Zur Richtig⸗ stellung des Sachverhaltnisses müsse er bemerken, daß er mit dem betreffenden Landrath, dem Abg. Baumbach, seit sehr langer eit befreundet sei. Vielleicht habe hiervon der Reichskanzler ine Kenntniß gehabt. (Fürst von Bismark: Doch)
*
ö Als er sich bei den letzten Wahlen seinen Wählern habe vor⸗ s sein Freund Baumbach eingeladen,
ellen wollen, habe ihn ei ihm Wohnung zu nehmen. Anfangs habe er keine Lust
— habt, darauf eir zugehen, weil er besürchtet habe, daß daraus
großes Gerede entstehen würde; da sich jedoch seine reunde hierüber beruhigt hätten, und da der Abg. Baumbach hversönlich absolut jeder Veeinflussung enthalten habe, so habe er schließlich der Einladung Folge gegeben. Alles Weitere, besondere die Vehauptung, daß er mit dem Landrath in
ssen Wagen zu den Wahlversammlungen umhergefahren sei,
l ⸗ e d
sei — die reine Unwahrheit. Daß das Gedächtniß des Reichs⸗ kanzlers nicht ganz zuverlässig sei, beweise auch der Umstand, daß die Nemonstration desselben bei der neiningenschen Re⸗
wie er zufällig wisse — bereit lange vor der
1*
11 1 .
rung —
( * 2 . *
Wahl ergangen sei, um seine Wahl zu Gunsten des Gegen⸗
sein? Er muß also doch so sehr häufig nicht rorkommen und er muß nicht so unausfällig sein, wenn Jemand bei einer anonymen Andeu⸗ tung gleich sagt: Das bin ich, das kann kein Anderer sein. Ich glaube, daß ter Herr Vorredner mich nicht widerlegt hat, son— dern Feccatur intre muros et extra, und ich glaube, daß er besser gethan hätte, mich nicht zu ciner so genauen und detaillirten Erzöh⸗ lung der Sache zu nöthigen.
. Der Abg. Baumbach erklärte, er könne nur bestätigen, daß er von dem Abg. Lasker schon lange vor dem erwähnten Vorfall. wiederholt besucht worden sei, und bei der Auflösung des Neichstages von ihm eingeladen sei, wenn derselbe sich den Wählern vorstellen wolle, wieder sein Gast zu sein. Dies sei geschehen, es sei aber völlig unrichtig, daß der Abg. Lasker mit ihm in seiner Equipage zu den Wahlversammlungen um⸗ hergefahren sei. Es sei dies schon aus dem einfachen Grunde nicht möglich, weil er gar keine eigene Equipage besitze. Allerdings sei er mit dem Abg. Lasker einmal zu— ammen in einem Wagen zu einem Wahlort gefahren. Diese Thatsache habe zu einem großen Gerede Veranlassung gegeben, so daß er endlich genöthigt gewesen sei, gegen den Haupt⸗ urheber der Behauptung, daß er sich einer Wahlbeeinfluͤssung CHuldig gemacht hatte, mit einer Beleidigungsklage vorzugehen. Das Ergebniß derselben sei die Verurtheilung des Verklagten zu 150 6 Das Urtheil der letzten Instanz stehe allerdings noch aus. Er nehme sür sich das Recht in Anspruch, liebe Freunde auch in einer Dienstwohnung bei sich aufzunehmen und seine politische Meinung auch mächtigen Einflüssen gegen⸗ über offen und ehrlich zu bekennen.
Demnächst ergriff der Reichekanzler Fürst von Bismarck das Wort:
—ͤ Der Herr Abgeordnete hat vorbin mit großer Entschiedenbeit es für eine reine Unwahrheit“ erklärt, daß ich in meiner Ausführung nach den mir gewordenen Mittteilungen, konftatirt habe, daß ( jemals mit dem land ätklichen Wagen, mit dem Herrn Landrat nsammen zu einer Wablrersammlung gefahren oder je bei einer Wahlrer ammunn gewesen wäre. Die Herten werden gehört haben daß der batbeiligte Herr Landrath selbst dies Faktum einrdumt: wenigstens doch rinmal, mit der alleinigen Autnadme in Bezug auf das Eigenthumerecht der Equixage; das wird so genau nicht uin ser⸗ sucht, (Unruhe in der Näte des Wedners — Haben die Herten vielleicht * zu saen dann will ich warten. ö. Die Equirage batte also nicht dem Herrn Landrath ju ein gebört. Wenn das der Fall ist, wird ( dann 3 g 36 Ginfübrung des Kandieaien durch den Landrath, das Kommen in dem selben Wagen mit ihm, das Dabeisteben in der Wahlver⸗ sammlung irgend einen Einfluß bat? nicht wahr, meine Derren, da ist die Frage, wem die Equipage gebört, ob der Wagen ein Mie ho wagen ist oder landräsbliches Eigentbum, allein entscheidend nach Ibter Meinung? Ich möchte doch nach dieser Berichtigung, der der Dt. Abg. Laker durch seinen langjäbrigen und intimen Freund, den Hrn. Aba. Baumbach, auegesetzt worden ist, ihn bitten, wenn er fünstig mir eine reine Unwabrbeit. schuld giebt, daß er das etwas vorsichtiger und nicht in so pathetischem Ton aus pricht. Wir können unt AllQe irren. . ö. Wan ferner den Einfluß betrifft — ja die Thalsace, daß ein Abgeordntter als der intime Freund des Landrathz bekannt ist, ver⸗ schärft ja den Eirslan, den die Anwesendeit des Landtaibs und dat Wohnen bei ihm autüken muß. Der Landtatb hätte also meinen Seobn 34. B. one Gesabt aufnebmen können in seinem Dienstbause dag würde nicht so aufgefallen sein, da er nicht als intimer Freund deselben bekannt war. Aber wenn die Thatsache der Freundschaft jwischen dem reglerenden Beamten dort und dem Kandidaten so unterstrichen wird durch das Wohnen bei einander, durch dag Kom⸗ men in demselben Wagen — ich wiederbole also meine reine Un⸗
landidaten, des Grafen Herbert von Bismarck, zu verhindern.
wabrbeil' von verbin — dann kann es doch nicht obne Wirkung
hat. Nun, ich kenne die bureaukratischen Verhältnisse in den Klein⸗ staaten und in Preußen einigermaßen und muß sagen, wenn ich in einem Kreise den Landrath zum Feinde baben soll, dann kann ich es in Preußen noch eber ausbalten, als in einem Kleinstaat, da ist der Landrath stark in kleinen Unannehmlichkeiten, die er Jedermann zu⸗ fügen kann.
Ich hätte ja den Fall nicht zur Sprache gebracht, wenn nicht gegen die preußische Regierung — eine Beschuldigung will ich nicht sagen, aber doch eine Kritik ausgesprechen wäre und zwar eine, die so gedeutet wurde, als fänden nur von einer Seite solche kleinen Ein⸗ wirkungen statt. Qb die Thatsacke des Wobnens beim Landrath nicht einen gewissen Einfluß geübt hat, — nun, wer kennt denn die Ge⸗ müther der Wäbler genau? Warum soll denn in anderen Kreisen der etwa ausgedrückte Wunsch des Landraths: ich kann euch den und den als geeigneten Kandidaten empfehlen, oder; wenn ihr mir einen Gefallen thun wollt, wählt den und den — genügen zur Beeinflussung der Wahl, während das oft genügt hat, ein: Wahl zu kassiren, daß der Landrath den Wunsch ausgesprochen hat? Hier ist der sel be Wunsch nicht expressis verbis, aber doch mit großem Nachdruck nur durch die Umstände, durch die passive Assistenz ausgesprochen worden, und bei dem feinen Zartgefühl, welches sonst den Hrn. Abg. Lasker barakterisirt, hätte ich wohl erwartet, daß er bei dieser Gelegenheit seine Unterkunft anderswo genommen hätte, als bei seinem Freunde dem Her lh. ;
er Abg. Dr. Hänel bemerkte, daß die Details welche der letzte Theil der Debatte zu Tage gefördert, die 86 schaft der Abgg. Lasker und Baumbach, der Umstand, daß der Abg. Baumbach keinen Wagen habe, sowie der Umstand, daß der Reichskanzler in dem bloßen Vorhandensein jener Freund⸗ schaft schon eine Wahlbeeinflussung sehe, ja sehr interessant seien; allein er möchte doch den Blick von diesen kleinen Dingen auf die hochbedeutsame Thatsache lenken, daß der Reichskanzler sich zu seiner lebhasten Freude als einen entschiedenen Feind aller Wahlbeeinflussungen durch Beamte bezeichnet habe. Von dieser Gegnerschaft sei allerdings bisher in Preußen nichts bekannt geworden, allein man wisse jetzt, daß der Reichskanzler, dessen Wille ja in jeder Be iehung in Preußen maßgebend sei, der— artige Wahlbeeinflussungen, wie sie in Preußen vorgekommen seien und deren Möglichkeit bei den süpdeutschen Abgeordneten das allergrößte Aufsehen erregt habe, künftig verhindern werde. Wenn dergleichen früher habe vorkommen können, so sei es klar, daß die Zügel der Verwaltung in Preußen nicht genug angezogen worden und daß lediglich die unteren Organe sich gesetzwidriger Wahlbeeinflussungen schuldig gemacht hätten; dieselben würden sich aber nach den Worten des Reichskanz⸗ lers künftig ganz neutral verhalten, da sie andernfalls dis⸗ ziplinarisches Einschreiten zu gewärtigen haben würden. Man dürfe ferner auch wohl annehmen, daß hinfort die Wahlbeein⸗ flussung, wie sie die „Prov.-Corr.“ übe, und in welcher die letzterer von der Regie rung gestellte Aufgabe hauptsächlich be⸗ standen habe, gleichfalls aufhören werde. Hinsichtlich des zweiten Theiles der Rede des Neichskanzlers, in welcher der— selbe von der Stellung der Richter zur Frage der Wahl⸗ beeinflussung gesprochen habe, müsse er erklären, daß nach seiner Meinung die Richter in dieser Angelegenheit keineswegs anders ständen, wie alle übrigen Beamten. Für ihn sei einzig und allein das von der Wahlprüfungskommission befolgte Prinzip maßgebend, und da der Reichskanzler schlechterdings nicht alle Berichte der Kommission lesen könne, so wolle er anführen, daß die Kommission die Wahlbeeinflussung eines Beamten von dem Momente an als unerlaubt betrachte, in welchem der Beamte seine amtliche Stellung zu Agitationszwecken benutze, jedoch die Wahlthätigkeit, welche ein Beamter in seiner Eigenschaft als Vürger gusübe, für straflos halte. Dieser Grundsatz sei non diesem Hause gebilligt worden, und wenn er, einerseits konstatire, daß in demselben von einer Unterscheidung zwischen Richtern und Verwaltungsbeamten nicht die Nede sei, so wolle er andererseits bei dieser Gelegen⸗ heit der Inkompatibilitätsfrage in leiner Weise präjudiziren, denn dieselbe sei eine namentlich in Bezug auf die historische Entwickelung der einschlägigen Verhältnisse außerordentlich schwierige. Er glaube aber, daß man hinsichtlich der Unpar⸗ teilichkeit an die Richter keine anderen Anforderungen stellen lönne, als an alle übrigen Beamten und daß diese ganze Frage mit einer eventuellen Ausschließung nichts zu thun habe.
ö. ;
Wiederum nahm der Neichskanzler Fürst von Bismarck das Wort:
Ich kann den Herrn Vorredner nur beglückwünschen weg e oratorischen Geschicklichteit, mit der er i Die kussion 3 sür ihn und die Sache unbequemen Felde auf ein allgemeineres übergeschoben hat; ich mache ihm mein Kompliment hierüber und werde mir das für äbnliche Fälle merken; aber ich möchte ihn doch bitten, mir die Schuld nicht aufzubürden, wenn hier die Debatte kleinliche Verhältnisse angenommen hat, man könnte eber sagen, eine überflässige war. Ich babe das Mosiv, welchez den Hin. IAlöz. Dr. Mendel trieb, hier diefe generellen Ausführungen zu machen nicht recht verstanden, und ich dächte, so gut, wie er, könnte auch ich die Zeit des Reichstags in Anuspruch vebmen, wenn auch der Reichstag sie vielleicht, ohae ung Beiden seine Mißachtung zu erkennen zu geben, nüßlicher verwerthen könnte; dag gebe ich ju. Aber ich möchte den OrYn Vorredner bitten, nicht ganz dieselben Sachen, die wenn sie auf der preußischen Regierung seite passiren, mit bober sittlicher Entrüstung gekennzeichnet werden, als im böchsten Grade tadelnswerth und stiasbar, die nicht, wenn sie der Opposition ein- mal zur Last fallen, nun so ganz als Kleinigkeiten iu behandeln. Ich lann versichern — so feierlich auch seine Prinzipiendarlegungen, die Datlssungen der bier gar nicht in Frage stebenden Prinzirien der Wahlkommissien, waren, so sehr sie auch im Augenblick die Auf⸗ merksamkeit des Hauses auf ein anderes Thema gezogen baben, so bitte ich ihn doch, morgen, übermorgen die Presse zu lesen, wie die Kleinigkeiten“, von den Herren Lasker, Baumbach viel mehr Ein? druck machen werden in der ganzen Welt, als die Darlegungen der gan unjweifelhast richtigen, aber uns allen bekannten Prinzipien, die der Or. Ag. Dänel daran knüpfte. So girz klein halte ich diese Sache dech nicht, ich wellte nur damit einmal beweisen, daß bei den Wa hliellamationen die Parteien nicht von keiden Seiten mit gleicher Schärfe verfahren. Aber ich will nicht weiter rekriminiten.
(Fertsetzung in der Zweiten Beil age.
auf den Regierten bleiben, wenn ein Landtath überhaupt Einfluß
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger
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nn,.
Berlin, Freitag den 4. März
—
Eg.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Der Herr Vorredner bat sodann den Versuch wiederholt. mir, dem Reichskanzler, die Verantwortlichkeit für alle möglichen Wahl⸗ umtriebe, die nicht in der Geburt erstickt werden, zuzuschreiben, mir einen Einfluß auf die Presse beigelegt, welchen ich nicht habe, auch gar nicht beanspruche, und einen Einfluß auf preußische Lokal verhältnisse, der mir gar nicht zusteht. Ich wüßte auch gar nicht, wie ich ihn ausüben sollte. Ich erfahre die Falle, die begangen sind, döch erst, wenn nur noch eine Repression, aber keine Praͤventivmaß⸗ regel möglich ist, und ich bitte ihn, zu glauben, daß ich nach dieser Rschtung hin nicht so mächtig bin, wie er mich schildert, aber viel tugendhafter. Ich habe mich'nie in dergleichen Sachen gemischt, ich habe nie Andeutungen gegeben, die Wahl zu beeinflussen. Ich kann nicht sagen, daß ich die Neigung dazu nicht hätte, aber ich unterlasse es aus Vorsicht, und Vorsicht ist die Mutter der Weis heit.
Mich für die Redaktion der Provinzial · gorrespondenz verant wortlich zu machen, halte ich für unrichtig, die geht mich gar nichts an. Aber ich glaube, daß es der preußischen Regierung als solcher doch auch nicht verargt werden kann, eine Ansicht bei Wahl⸗ angelegenheiten zu hahen, und daß sogar die Wähler ein Recht darauf haben, die Ansicht ihrer Regierung zu kennen.
Es giebt manchmal Wähler, die wollen gerade so stimmen wie die Regierung, die halten die Regierung für weiser, als sich selbst = gewiß sehr mit Unrecht, aber es giebt solche, die sagen: wir wünschen den Kandidaten der Regierung zu kennen und wollen für den stim men. Hat nun die Regierung das Recht, sich darüber autzuschweigen und die Wahlfreiheit dieser Wähler durch ihr Stillschweigen zu ver, kuͤmmern? Ich weiß das nicht, das ist eine Frage, die dis kutabel ist. Aber es sind doch auch Menschen, dig die Regierung bilden, es sind Preußen, Uwäbler, und haben das Recht, ihre Meinung urch die Presse kundzugeben, so gut wie ein Anderer. 4.
Wenn die „Provinzial-Correspondenz' sagt: wir müssen Den⸗ jenigen, in dem und dem Kreise, z. B. Hrn. Lasker, empfehlen und alle seine Gegner mit dem Zorn der preußischen Regierung bedrohen — so wäre das ein Versuch, Einfluß zu üben, der allerdings der
Repression bedarf; wenn sie aber blos im Allgemeinen ihre Meinung über die Richtung der Regierung äußert, über das ihrer Meinung nach Gefährliche, was in der Richtung einer Partel liegen kann, so kann ihr das nicht verargt werden, und selbst wenn ich das könnte, fo bin ich nicht der berufene Mann dazu. Der Herr Vorredner kennt ja die Kompetenzverhältnisse; warum wendet er sich nicht an die preußischen Minifter, denen ich ferner getreten bin? .
Wenn der Herr Vorredner sagt, in Preußen wäre die Zahl der Fälle größer als anderswo — das bringt einmal die Bevölkerungs— zähl mit sich. Ge wäre unnatürlich, wenn unter 25 Millionen Preußen nicht mehr Fälle vorkommen follten, wi⸗ unter 15 Millionen Richtpreußen. Außerdem sind die Parteiverhältnisse i Süddeutsch⸗ land anders gebildet. Die Parteien sind in Süddeutschland, mit Ausnahme von Mitteldeutschland, viel geschlossener als in Preußen. In Preußen balanziren sich die Parteien oft, und heute gewinnt diese den Sieg, bei einer anderen Wahl eine andere. In Süd— deutschland werden Sie finden, daß gewisse Wahlkreise ganz konstant wählen, da sind diese vielen Nuancen gar nicht vorhanden. In Süd⸗ deutschland gehört der Wablkreis entweder dem Centrum oder den Liberalen. In sehr seltenen Fällen sommt die Minderheit dort überhaupt nur zu einem wirklich ernstlichen Kampfe. Daraus geht ganz natür- lich hervor, daß gegen das Stimmverhältniß von 500 gegen 14000 keine Reklamationen vorkommen, und so stellt es sich in den rein katholischen Gegenden sehr häufig. Diesen Punkt bitte ich doch auch zu erwägen, die Angabe der preußischen Bevölkerungszahlen, und nicht einen Stein auf die preußische Verwaltung zu werfen, als ob sie nachlässiger in ihrem Dienste wäre oder weniger Gerechtigkeit ˖ gefühl hätte wie andere. Wenn der Herr Vorredner nachher die Richter mit den Beamten auf gleiche Linie stellt, so muß ich doch bemerken, daß er mich richtig verstanden hat, wenn ich die Meinung habe aussprechen wollen, daß ich vom Richter noch ein höheres Maß von Unparteilichkeit erwarte, wie von Administratiy⸗ und Regierung beamten. Administratio . und Regierung beamte haben einer bestimmten Regierung zu dienen und deren Weifungen bis zu einem gewissen Grade zu vollziehen. Ein solcher Beamter kann ganz parteilos nicht sein, und mir ist es immer eine peinliche und nicht gan; würdige Erscheinung gewesen, wenn ich Jemand in einer höheren Regierungestelle sehe, der mit der Politst der Regierung in diametralem Widerspruch stebt und im Amte bleibt. Die Stellung in der Verwaltung bedingt ein gewisses Maß von Parteinahme für die Regierung, die Stellung eines Rich⸗ fers bedingt aber eine absolute, nnantastbare, makellose Unxarteilich⸗ keit. Ich verlange von dem Richter ein böberes Maß ron Unxartei- itkeif als ven Verwaltungebeamten. Wenn Sie nicht der Mei⸗ nung sind, dann sind wit siber einen staatgrechtlichen Grundsaß und über eine Nothwendigkeit unseres Staat,; und Rechtelebens verschie⸗ dener Ansicht, da hilft kein Diskutiten. Ich stelle an den Richter das Verlar gen und baltè es fuüͤr seine Ebrenpflicht, sich parteilos ju halten, wäbrend die Ehre eines Regierung beamten nicht darunter leidet, wenn er unter ÜUmständen etwas schärfer Partei nimmt, als mit dem guten Gesce macke verträglich ist, und deshalb bestätigt es sich vollkommen. daß meiner Ueberzeugung nach die Repression unberechtigter Einflüsse nach beiden Seiten Bedürfniß ist. Der Richter kommt nicht in die Lage, da er Wahlen nicht leitet Festimmtfe Aeußerungen, die ibm Lurch Zeugen b stätigt werden und angegriffen werden können, vor der Wablkommissten zu thun er sfommt aber wobl in die Lage, gewissermaßen alt Eides bel er Kan⸗ didaten zur Wabl zu begleiten, so ungesäbr, wie der Herr Landrath Baumbach als Schatten oder Geist über dem Wablkandidaten Lasker schwebte. . .
Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, der Darstel⸗ lung des Abg. Hänel, als seien durch die preußische Verwal⸗ tung Wahlbeeinflussungen der allerschlimmsten Art geübt wor⸗ den, müsse er aus seiner persönlichen Ersahrung entschieden als ungerecht zurückweisen. Wenn der Abg. Hänel sogar be⸗ haupter habe, derartige Vorgänge seien in Süddeutschland unerhört, so genüge es, an den Fall Eisenlohr zu erinnern. Weiter müsse er dem Reichskanzler sehr dankbar sein, daß derfelbe von dieser hervorragenden Stelle aus einen Theil der Wahlausschreitungen, welche einzelne preußische Richter kreise sich erlaubt hatten, hier offen zur Sprache ebracht habe. Besonders im Dsten der Monarchie sei es sehr bedauerlich, daß das Auf⸗ sröten eines Theiles der Richter dort bei den Wahlen. mehr als verwirrend wirke. Das verstehe sich von selbst, daß Nie⸗ mand allgemein beschränkt sein solle, seiner politischen Mei⸗ nung Ausdruck zu geben; aber wenn preußische Richter, Königlich preußische richterliche Beamte bei den Wahlen agita⸗ korisch austräten zu Gunsten von Wahlkandidaten extremer Parteien, so verursache das — und das werde die linke Seite dieses Dauses auch zugeben müssen — nur schwere Verwir⸗ rung zwar nicht bei Personen, die schar unterscheiden könnten, aber der kleine Mann, das einfache Publikum werde dem⸗ gegenüber sehr geneigt sein, mit einer gewissen Sorge daran zu denken, Jemandem als Richter entgegenzutreten, den man noch eben als ausgesprochenen politischen Gegner habe agitiren
sehen. Das seien Thatsachen, die sich nicht widerlegen ließen, wenn man überhaupt die Anschauungen und Empfindungen des Volkes kenne. Wenn also der Abg. Hänel die Auffassungen des Reichs⸗ kanzlers in Bezug auf die Beeinflussungen bei den Wahlen konftatirt habe, so bitte er, daß derselbe auch dieses Kapitel nicht vergesse, und in das, was derselbe dem Hause als Blumenlese aus der Rede des Reichskanzlers vorgeführt habe, ausdrücklich auch das Verdikt aufnehme, was von dieser hervorragenden Stelle gegen die extremen Agitationen von richterlicher Seite gefallen sei. Im Uebrigen bemerke er noch, daß er sich nicht veranlaßt gesehen hätte, so lebhaft zu antworten, wenn nicht die linke Seite dieses Hauses von vornherein diesen Ton angeschlagen hätte, denn bei den Wahlen pflegten von beiden Seiten Ver⸗ stöße und Ausschreitungen vorzukommen, und er habe deshalb keinen Grund zu gegenseitigen Rekriminationen. Wenn man überhaupt sich im Allgemeinen über diese Frage der Wahlbeein—⸗ flussung sich hier auseinandersetzen wollte, so hätte man auf der rechten Seite aber doch Grund genug, sich mehr zu beklagen, denn die Rührigkeit in solchen Dingen auf der Linken sei stets bedeutender gewesen, als auf der rechten — leider!
Der Abg. Dr. Lasker bemerkte, er wisse nicht, wie der Reichskanzler aus den Worten seines Freundes Baumbach eine Rektifikation seiner vorigen Erklärung folgern könne. Eine Deputation habe ihn in einem Wagen nach dem Wahl—⸗ ort abgeholt, und in diesem Wagen sei der Abg. Baumbach mit ihm gefahren. Hierin eine Wahlbeeinflussung zu sehen, heiße in der That: „Kameele verschlucken und Mücken seihen.“ Wenn der Reichskanzler ihn (den Redner) seinen Gegner von Alters her nenne, so erwidere er demselben, daß er den Kanzler lange Jahre mit so gutem Willen unterstützt habe, wie irgend Jemand im Hause. Vielleicht sei es nicht immer mit Geschick Jeschehen. Erst seitdem der Fürst Bismarck seine Ansichten volsftändig geändert habe, habe er sich für verpflichtet gehal— ten, ihm gegenüber zu treten. .
Demnächst ergriff der Reichskanzler Fürst von Bis⸗ marck folgendermaßen das Wort:
Wenn ich an die letzte Bemerkung anknüpfen kann, so muß ich allerdings bekennen, daß, wenn der Hr. Abg. Lasker Recht hat, ich ein undankbaretz Gedächtniß habe, — es kann ja sein. Ich habe von Anfang an, von der Verfassunggrundlegung an die Empfindung ge⸗ habt, daß mir grade ein so ausgezeichneter Redner, wie der Hr. Abg. Lasker, meine Aufgaben wesentlich erschwert hat und mich in vielen Richtungen das Ziel nicht früh genug oder unvollkommen hat er⸗ reichen kassen. Ich kann meine Bezeichnung von vorher nicht zurück⸗ nehmen. Der Herr Abaeordnete ist vielleicht in seinem Gemüth so organisirt, daß er für Wohlthat hält, was der Empfänger für eine — ich will nicht sagen Kränkung, aber für einen Akt der Gegner— schaft hält. Ich weiß nicht, ob der Herr Vorredner — ich habe gar kein Recht zu einer psychologischen Kritik und Analyse seines Charak⸗ ters — 5b der Herr Vorredner auf die ihm näberstehenden Kreise, die er nach seiner Meinung gewiß unterstützt hat, ob sie seine Thätigleit immer als Unterstützung empfunden haben; — ich weiß es nicht, aber ich habe seine Thätigkeit von Anfang an als eine wesentlich gegen mich und meine Pläne, nicht im Prinzip aber thatsächlich immer angebrachtermaßen bei jedem Vorschlag gerichtete empfunden. Ehe nicht ein Amendement Lasker angenommen war, hatte ich wenig' Ausficht auf Unterstützung, und diele Amendement Lasker kreuzte oft meine Tendenzen empfindlich. Ich muß darin mit rauber Hand die Illusionen des Herrn Abgeordneten zerstören. Ich fühle keinen Dank für eine mir von ihm zu Theil gewordene Ünterstützung, ich habe auch meine Ansicht nicht geändert. Ich habe damals keine andere Politik verfolgt, als ich sie jetzt ver folge, nämlich die Politik der Konsolidirung und Sicher stellung des Deutschen Reiches, wie ich das mit Worten, die ich nicht wiederholen will, neulich ausgesprochen habe. Ueber die Art, wie dies zu erreichen ist, ist der Hr. Abg. Laker sehr häufig anderer Meinung gewesen. Ich bin dadurch, daß mir bald die eine, bald die andere Partei plötzlich aus Gründen, die das eigene Gewissen ihnen eingab, den Rücken gedreht und mich im Stiche gelassen hat, im schwierigsten Moment genöthigt worden, mit anderen Parteien zu gehen, vielleicht mir meinem Willen — aber so lange das Gebäude nicht sertig war, hatte ich nicht die Absicht zu⸗ rückzjutreten, und ich konnte ohne Zustimmung den Bau des Ge⸗ bäudes nicht fortsetzen. Wenn ich dabei die Zustimmung des Hrn. Abg. Lasker gehabt, so muß ich sagen, er bat sie mir immer sachlich ziemlich theuer verkauft. Wenn er sagt, daß e= verwunderlich wäre, daß ich drei Jahre geschwiegen hätte, ja, das ist doch ein Beweis für meine diplomatische Diekretion. Hätte ich eine besondere Freude an derartigen Diskussionen, warum hätte ich nicht gleich bei der ersten besten Wahlrrüfung diesen Fall nennen sollen? Es war meine Absicht, ganj darüber zu schweigen, und wenn der Hr. Abg. Mendel nicht dieses Faß gewissermaßen angestochen hätte, so wäre es mir gewiß nicht beigekommen, meinerseits das Wort zu nehmen, und wenn nun nach den anonymen Andeutungen die ich machte, der Hr. Abg. Lasker nicht gleich das Wort ergriffen und sich dazu gemeldet hätte, so glaube ich, wäre es mir auch nicht bei- ekommen. Aber jetzt kann ich mir die Sache nicht so verschieben lafsen, wie die Herren dies versuchen. Und wenn der Hr. Abg. Lasker sagt, ich irrte mich, wenn ich glaubte, daß diese Kleinigkeiten Nufseben machen würden und mit Interesse gelesen würden, wenn er das bestreitet, so glaube ich, irrt er sich Es sind andere, ja viel flagraniere, ich möchte sagen: robere Fälle, won ich diesen nicht rennen kann, vorgekommen, die weniger Aufsehen gemacht haben. Aber warum denn? Gg bandelte sich damalt nicht um Orn, Lasker. din Fall, der Hrn. Lasker betrifft, wird sicher Aufseben machen.
er Äbg. Dr. Dreyer führte aus, wer einen Prozeß ver⸗ liere, und wäre es auch der Reichskanzler, möge das Urtheil schelien, derselbe dürfe deshalb aber niemals versuchen, die Unparteilichkeit des Richterstandes anzutgsten. Daß die Jlichter sich von Wahlagitationen fern halten sollten, darin sei er mit dem Reichskanzler vollkommen einverstanden.
Hierauf nahm der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort: . .
Ich babe nur zu erwäbnen, daß ich gar keinen Prozeß verloren babe in dem Sinne, wie der Herr Abzeordnete es vorher, bemerlte, und Projeffe über Mein und Dein aum jemals gefübrt babe, wenigstenz nicht mit meiner Initiative und mit einer anderen Initlative äußerst selten und nicht verloren. Ich babe mehr in straf· rechtlicher Bezlehung die Einwirkung der Parteistellung auf den Richter gefürchtet, eine gewisse Nachsicht in Beurtheilung von Grjessen, die sich gegen die Polizeibeamten richten, eine gewisse Schärfe dagegen in Aburtheilung von GExjeffen, die von Polizei⸗ beamten be angen werden, gewissermaßen die Knochen der Scußieute find wohlfeiler in den Augen unserer Erkennt. nisse, alg dle der übrigen Leute. Ich berufe mich einfa b auf die Erfabrungen, die ich gemacht habe in Berlin z ich bin doch auch berechtigt, bier meine Ansicht i sagen und die Eindrücke u nennen;
wenn die von den Juristen, die anwesend sind, nicht getheilt wird,
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so finde ich das ganz begreiflich und es wundert das mich auch gar nicht. Wenn ich von eigenen Erfahrungen gesprochen habe, so bin ich dazu namentlich veranlaßt worden durch das Verfahren von Ge— richten in Verleumdungesprozessen, die von mir angeregt waren, und die sich in der Hand von Richtern, deren Parteistellung scharf aus⸗ gesprochen war, zu einem JInquisitorium gegen mich entwickelten, ob anün mir nicht irgend eine Schlechtigkeit, die mich in den Augen meiner Mitmenschen herabsetzen würde, nachweisen könnte. Das ist eines der Beifpiele, die ich in neuerer Zeit erlebt habe. Ich bin auch hier wieder so diskret, keinen Namen zu nennen — (Unruhe) — ich begreife, daß die Sache unwillkommen ist, aber Sie werden mich nicht mundtodt machen, und wenn ich bis 8 Uhr hier aushalten und Rede stehen sollte.
Der Abg. Kayser konstatirte mit Befriedigung, daß der Reichskanzler sich gegen jede Agitation des Richterstandes er⸗ klärt habe. Es sei unbestreitbar, daß der Richter, wenn der— selbe einmal in die Wahlagitation gestellt worden, bei seinen Strafurtheilen ins Schwanken gerathe, aber nicht nach der milden, sondern nach der schroffen Seite hin. Seine (des Redners) Partei sei in h hem Grade der Willkür der Ver— waltungsbehörden ausgesetz bezüglich deren er nur an jenes Wolffsche Telegramm mit der lügenhaften Darstellung über die Parteistellung Nobilings u. s. w. erinnere, Unverantwortlich seien die Wahlbeeinflussungen, deren sich die Leiter der Staats⸗Fabrikationsbetriebe schuldig machten: unter Anführung von Werkmeistern seien die Leute, wie Soldaten, zur Wahl geführt und dort genau in Bezug auf die von ihnen abgege— benen Stimmzettel überwacht worden, Daß die große Privat— industrie hinter diesem Vorbilde nicht zurückbleibe, zeige der Vorfall Stumm. Er hoffe, daß der Reichskanzler den Wahl— beeinflussungen, namentlich der Behörden, energisch entgegen⸗ treten werde, damit auch seine (des Redners) Partei einmal ihre Zufriedenheit mit dem Reichskanzler aussprechen könne.
Der Abg. Stumm erklärte, er habe nicht erwartet, daß er in Bezug auf seine sozialistenfeindlichen Maßregeln heute provozirt werden würde, da er sich sonst mit dem nöthigen Beweismaterial versehen hätte. Seine Maßregeln seien demselben Gedanken entsprungen, dem er bereits im vorigen Jahre hier Ausdruck gegeben habe, nämlich dem, daß es nöthig sei, der Sozial— hemokratie im Wege der Seibsthülfe entgegenzutreten. Er habe wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß das Sozialisten⸗ gesetz allein in keiner Weise genüge, um den Arbeiter vor den Einwirkungen des Giftes dieser Agitation zu schützen, daß daher an der Saar sich Fabrikantenverbände gebildet hätten, die nach dieser Richtung hin thätig seien. Das im „Neunkircher Tageblatt“ abgedruckte Gedicht werde Niemand als nicht sozialistisch aufreizend ansehen können. Wenn die „Wahrheit“ jenes Gedicht vielleicht unbedachtsamer Weise aufgenommen habe, so habe sich doch im vorliegenden Falle die aufreizende Absicht dadurch besonders dokumentirt, daß ein von dem Ge⸗ dicht veranstalteter Separatabdruck in drei Auflagen unter die dortigen Arbeiter vertheilt worden sei.
Der Abg. Dr. Windthorst entgegnete, die Ausführungen des Abg. Stumm entbehrten zur Zeit jeder objektiven Grundlage und bewiesen zur Zeit garnichts. Den Entscheidungen der Oberbehörde müsse bis auf Weiteres Recht gegeben werden. Für den Antrag Mendel werde er stimmen. Er wolle da⸗ durch dem Volke sagen, daß das Centrum, wenn es hier nicht weiter in die Verhandlung eingreife, doch die Unbill nicht vergesse, die demselben bei den Wahlen angethan sei. Die Anschauungen des Reichskanzlers in Bezug auf die Wahl seien so wohlthuend, daß er hoffe, man werde auch bei Besetzung der Richterstellen und Verwaltungsämter nicht konsessionellen Rücksichten folgen, und daß der Reichskanzler dem künftigen Minister des Innern Instruktion in dieser Richtung ertheilen werde.
Ein Schlußantrag wurde angenommen.
Nach einigen persönlichen Bemerkungen der Abgg. Rickert, Kayser, Stumm wurde der Antrag Mendel mit großer Majorität angenommen, worauf sich das Haus um 5i e Uhr auf Freitag 12 Uhr vertagte.
Zur Richtigstellung der Bemerkung des Bevollmäch⸗ tigten zum Bundesrath, Königlich sächsischen Gesandten von Nostitz⸗Wallwitz gegen den Abg. Sonnemann, in der Sitzung des Reichstages am 2.8. M., geben wir dieselbe heute im Wortlaute wieder. Dieselbe lautete:
Der Abz. Sonnemann glaubte gehört zu haben, daß auch die sãchsische Staatsbabnverwaltung in Nachahmung des von der König lich breusfschen Staatzbahnverwaltung nach seinem Anfübren ge⸗ gebenen Beispiels in neuerer Zeit sich bestrebe, den Verkehr von Sachsen nach Säüddeutschland auf einem Umweg über Hof zu leiten. Soriel wie mir bekannt ist, liegt die Sache ganz anders. Es be stand bisher ein Verkehr von Sachsen nach Frankfurt über Hof in Konkurrenz mit der Thüringischen Bahn und den anschließenden Babnen. Dieser Verkehr ist, wenn ich recht berichtet worden bin, in Verfolg der zwischen der preußischen Staatsbahnverwaltung und den süddeuischen Anschlußbabnen getroffenen Vereinbarung von den letz teren der sächsischen Staatsbabnverwaltung gekündigt worden.