1881 / 61 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 12 Mar 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Der Abg. Kiefer befürwortete seinen Antrag. Wenn die Idee der Machtstarkung des Reichs in Deutschland, vor allem auch innerhalb der Kleinstaaten in irgend einer Beziehung Fortschritte gemacht habe, so sei es in dem Prinzip der Noth⸗ wendigkeit einer gemeinsamen Flotte gewesen, das nicht etwa auf einem chauvinistischen Gefühl und einer von übertriebener Begeisterung getragenen Stimmung, sondern auf der gesun⸗ den Einsicht beruhe, daß es der Nation gezieme, alles zu thun, was zur Erhaltung ihrer Unabhängigkeit nach außen erforder⸗ lich sei. Die Bewohner des Westens, die unter den unmittel⸗ baren Eindrücken des beginnenden großen Kampfes gestan⸗ den hätten, gehörten nicht zu Denen, welche nur solche Aus⸗ gaben bewilligten, bei denen allein die nächsten lokalen Inter⸗ essen in Frage kämen; die Bewohner des Westens wollten das, was für sie seiner Zeit gethan worden, in gleichem Maße auch dem Norden des deutschen Vaterlandes zugewandt wissen. Es handele sich besonders um eine Deckung des Reichs an der Ostseeküste. Es habe eine Zeit gegeben, wo man, wenn von einer Flotte gesprochen sei, sehr gern mit dem Einwand bei der Hand gewesen sei, das sei Großprahlexei, die Deut⸗ schen könnten unmöglich eine so große Seemacht schaffen, wie sie Frankreich und England hätten. Gewiß ein sehr berech⸗ tigtes Wort, das nur in dem richtigen Maße verstanden werden müsse. Die Deutschen hätten aber auch durchaus keine Intention, eine solche Seemachtsstellung zu erringen, wie sie diese deiden Länder hätten, sondern die Flottenanstalten Deutsch⸗ lands seien und dafür gebühre dem Chef der Admiralität Anerkennung innerhalb des Maßes der Kräste des Deut— schen Reiches geblieben. Nicht um eine aggressive Stellung, um abenteuerliche Unternehmungen für die Zukunft handele es sich, sondern um eine jener realen Forderungen, die der nüchterne Sachkenner gerade so stelle, wie der begeisterte Patriot, nämlich darum, so viel zu leisten hinsichtlich der Sicherheit des deutschen Gebietes, um nach außen hin ge⸗ nügend gerüstet zu sein, und nicht dem Auslande von vorn⸗ herein einen Angriffspunkt zu bieten, den auch die mächtigste Landarmee nur wenig zu schützen in der Lage sei. Die politische Konstellation sei durchaus nicht dazu angethan, Deutschland auf ein Menschenalter hinaus den Frieden zu garantiren und die Vertagung dieser Frage auf ein Dezennium angemessen erscheinen zu lafssen. Was würde man gesagt haben, wenn man mit den Befestigungen von Straßburg und Metz fo lange hätte warten wollen? Wie man damals rasch gehandelt habe, so müsse man auch bei der Sicherung der deutschen Sstseeküste energisch vorgehen. An eine technische Aenderung der Panzerschiffe in Folge des Auftretens der Tor⸗ pedos sei, wie die Denkschrift überzeugend nachgewiesen habe, nicht zu denken. Weshalb sollte man, also jetzt in der Durchführung des Flottengründungsplanes Halt machen? Noch vor 3 Jahrzehnten habe man die damals im Entstehen begriffene deutsche Flotte unter den Hammer bringen zu müässen geglaubt. Heute sei man an Erfahrungen xeicher. Führe man also prattisch durch, was im Interesse der Sicher⸗ heit Deutschlands geboten sei. Er bitte, seinem Antrage zu⸗ zustimmen.

Der Abg. von Puttkamer (Lübben) sprach sich für den Kommissionsantrag aus. Er bitte, die Positionen nicht zu bewilligen. Er wolle damit nicht einen Mangel an Sympathie für die deutsche Flotte an den Tag legen, für die seine Partei im Gegentheil das größte Interesse hege, und deren Leistungen seine Partei volle Anerkennung zolle. Auch wünsche er keine Abschwächung der deutschen Wehrkraft zur See, wie ihm andererseits eine Kritik der derzeitigen Leitung der Marine⸗ verwaltung durchaus fern liege. Seine Partei werde nur durch sachliche Gründe bestimmt, was er nicht zu betonen für nöthig hielte, wenn nicht in den letzten Tagen in einzelnen Or⸗

anen der Presse die Insinuation laut geworden wäre, seine Partei würde in ihrer Haltung durch eine höhere Inspiration beein⸗ slußt. Die Bedenken seiner Partei seien finanzieller Natur. Er bitte, den hohen Flug, den der Vorredner genommen habe, zu verlassen, und sich die Frage vorzulegen, ob das Deutsche Reich bei den ungeheuren Lasten, die die Unterhaltung des Landheeres demselben auferlege, in der Lage sei, die gesteiger⸗ ten Ausgaben für die Marine zu tragen. Bei dem Etat des Landheeres sei es trotz aller Anstrengungen nicht gelungen, nennenswerthe Abstriche herbeizuführen; um so größer sei die Pflicht, auf anderen Gebieten zu n insbesondere unbe⸗ schadet der Wehrkraft zur See, auf dem der Marine⸗ verwaltung. Wenn man einwende, daß diese Aus⸗ gaben die Finanzlage Deutschlands nicht wesentlich alteriren könnten, 8 bedenke man, daß außer den 11 Mill., die hier gefordert würden, noch die Kosten der Unterhaltung, der. Armirung u. . w. in Vetra kt kämen. Die Befürchtung, daß durch diese Abstriche der Küstenschutz Deutschlands in Frage gestellt werde, theile er nicht. Den Seemächten, wenn sie Deutschland vereinzelt gegenüber ständen, werde Deutschland auch jetzt schon vollig gewachsen sein; träten sie dagegen koalirt auf, so werde dem Deutschen Reiche auch die Armirung nicht viel heljen. Die Dstseeküste abe aber ihren Schutz zum größten Theil in sich selbst. durch ihre hohen Dünen und Moorstrecken biete sie dem Gegner ein ungünstiges Angriffsfeld dar, namentlich wenn die bedrohteren Punkie, wie Kiel, durch entsprechende Sperr⸗ maßregeln, Torpedos u. s. w. genügend geschützt würden. Wenn Deutschland mit einer großen Seemacht in einen Krieg verwickelt werde, so habe es den Hauptaccent immer auf die Landarmee zu legen, dug die Deutschland auch An⸗ griffe zur See pariren werde. Was die technische Seite der Frage anlange, so werde behauptet, daß dieselbe jetzt abge⸗ schlossen sei. Vor Jahresfrist sei sie es nicht gewesen, weg⸗ halb man damals kein neues Panzerschiff in Antrag gebracht habe. Söre man nicht überall von Versuchen, die Panzerschlffe durch die Artillerie zu überbieten? Dabe nicht bie russische Regierung in England mit großen Kosten ein solches Schiff bauen lassen, das sich in der Folge wenig . . habe? Auch gegen das neueste ütalle⸗ nische Panzer chiff seien Bedenken laut geworden. Abgeschlossen sei diese Frage also keineswegs. Außerdem sei es nicht un⸗ möglich, daß auf diesem Gebiete neue Ersindungen gemacht würden, die die jetzigen Verhältnisse vollig umkehren konnten. Mit den Seemächten England und Frankreich dürse Deutsch⸗ land sich in dieser Hinsicht nicht vergleichen. England sei na⸗ türlich darauf angewiesen, alle Versnche dieser Art praktisch zu gestalten. Frankreich steigere sein Ausgabebudget von Mill arde zu Milliarde, und auch hier entstehe, trotz des ungeheuren Reichthums des Landes schon die Frage, wie lange es im Stande sein werde, diese kolossalen Ausgaben zu tragen. Er warne davor, in dieser Hinsicht mit Frankreich in eine Kon⸗ kurrenz einzutreten. Deutschland werde gut thun, die Sache ruhig abzuwarten und seinen Nachbaren das Experimentiren

zu überlassen. Die Position in Kap, 69 werde seine Partei nur für diefes Jahr ablehnen mit Rücksicht auf, die jetzige inanzlage, und weil seine Partei nicht beabsichtige, die arine in ihrem Bestande zu reduziren. Die andere Position lehne seine Partei definitiv ab.

Der Abg. von Kardorff bemerkte, nach den Ausführungen des Vorredners scheine ihm dessen Sympathie für die Flotte doch nur recht platonischer Natur zu sein. Trotz der Versiche⸗ rung des Vorredners, sich einer Kritik der derzeitigen Marine⸗ leitung zu enthalten, habe derselbe ausgeführt, daß der Chef der Admiralität über die ganze Küstenvertheidigung entschieden ganz unrichtige Ansichten habe. Wenn das keine Kritik sei, möchte er wissen, was Kritik sei. Er möchte nun das Haus bitten, die Position des Extraordinariums nicht abzulehnen. Er sei damit einverstanden, daß man, um den gegenwärtigen Etat zu entlasten, den Er⸗ satzbau für das im Ordinarium geforderte Schiff auf ein Jahr zurückstelle; wenn das Haus sich aber entschließen würde, die Forderung des Extraordinariums abzulehnen, so würde es in der ganzen Nation einen schwerwiegenden und schädlichen Eindruck hervorrufen. Das Haus würde mit der Ablehnung der Forderung des Extraordinariums geradezu aussprechen, daß es den Floltengründungsplan, wie derselbe derzeit genehmigt worden sei, nicht mehr inne halten wolle und die Marine über⸗ an, etwas vernachlässigen. Er möchte übrigens auch darauf

inweisen, daß die gedachte Forderung das letzte Panzerschiff betreffe, das zur Ausführung kommen werde, und die Flotten⸗ organisation damit einen Abschluß erhalte, zu beachten sei fer⸗ ner, daß die Forderung des Extraordinariums in der Budget⸗ kommission mit 12 gegen 12 Stimmen und nur aus Zufall abgelehnt sei, indem sich zwei Abgeordnete aus der Kommission wahrend der Abstimmung hätten entfernen müssen. Ohne diefen Zufall wäre schon in der Budgetkommission die Forde⸗ rung init Majorität genehmigt, worden. Hinsichtlich der Molive habe der Chef der Admiralität in der Kommission sehr gut ausgeführt, daß auf den gesammten Werftbetrieben, namentlich den privaten, eine große Revolution vor sich ge⸗ gangen sei dadurch, daß die Segelschiffahrt von der Dampfschiff⸗ fahrt nach und nach gänzlich verdrängt worden seiz hierdurch hätten sich die Privatwerften allmählich auf größere Dampfschiff⸗ bauten eingerichtet; es sei aber natürlich, daß, weil sie bisher verhältnißmäßig noch weniger hierin gearbeitet hätten, große Gesellschaften wie der Bremer Lloyd sich scheuten, bei Privat⸗ werften' Bestellungen zu machen und sich lieber ans Ausland wendeten. Er verstehe es sehr wohl, wenn der Abg. Meier, der die Verantwortung für den Bremer Lloyd zum großen Theil mitzutragen habe, es nicht verantworten wolle, ein Schiff auf einer Anstalt zu bestellen, wenn derselbe nicht die⸗ selbe Garantie für die Qualität, wie auf den englischen Werften habe. Indessen dürfe man doch nicht verkennen, daß es im nalionalen Interesse liege, die deutschen Schiffe auch auf deutschen Wersten zu bauen. Wenn jetzt die Arbeit auf den Privatwerften durch die ganzen Konjunkturen zurückge⸗ drängt sei, so daß es augenblicklich nach dem Urtheil aller Sachverständigen den Anschein habe, als ob ein Theil der gesammten Privatwerften gezwungen sein würde, zum Theil ihre Arbeiter zu entlassen, dann sei es von der größten Wich⸗ tigkeit, namentlich für -die Privatwerften, wenn der Staat in die Lage komme, größere Bestellungen bei denselben zu machen und auch dadurch das Zutrauen zu den Privatwersten im Publikum zu stärken. Wenn solche größere Aufträge den Privatwersten zugehen und von ihnen zur Dr r nf gelöst würden, so würde unzweifelhaft auch der Abg. Meyer für den Norddeutschen Lloyd auf deutschen Privatwerften Schiffe be⸗ stellen. Gegenwärtig könne man es ja den Herren nicht ver⸗ denken, wenn sie bedenklich seien, den deutschen Privatwersten große Bestellungen zuzuwenden. Im nationalen Interesse bitte er, die Forderung des Extraordinariums, für deren Be⸗ willigung seine politischen Freunde bereits in der Kommission gestimmt hätten, anzunehmen.

Der Abg. Meyer (Schaumburg⸗Lippe) erklärte, er werde für die Bewilligung der 2 400 000 6 für das neue Panzer⸗ schiff stimmen, dagegen die anderen 400 900 6 auf das nächste 7 zurücksetzen. Daß das geforderte Panzerschiff das letzte

lied in der Ausführung des Hatt hn grün hu alan sein werde, könne er, entgegen dem Vorredner, nicht annehmen. Man möge sich das jetzt so viel wiederholen, wie man wolle später werde doch die Nothwendigkeit hervortreten, no eiwas in dieser Hinsicht zu thun. Er sei keineswegs ein Gegner der Entwicklung der deutschen Marine; im Gegentheil, dieselbe liege Niemandem mehr am Herzen als ihm. Aber er glaube dieses Interesse am desten zu beweisen und zu fördern, wenn er da, wo er Mängel und Fehler sehe, sie hier offen zur Erörterung bringe, um eventuell der ren, , Gelegenheit zu geben, sich zu recht⸗ fertigen, oder auch stillschweigend Aenderungen eintreten zu lassen. Er würde kaum das Wort ergriffen haben, wenn nicht der Chef der Admiralität gegen den Norddeutschen Lloyd einen r, r hätte, den er, da in dem br mr. Falle seine Meinung allein ausschlagend gewesen sei, als einen persönlichen bezeichnen könne. Wenn er sich auch damit nicht brüsten wolle, waz der Bremer Lloyd für die deutsche Industrie thue, so könnte er doch die Ant⸗ wort ertheilen, daß augenblicklich 3 verschiedene ö i in Deutschland für den Norddeutschen Lloyd be⸗ schästigt seien mit dem Bau von Schiffen, Kesseln und Maschinen. wieder die Erfahrung gema die deutschen Schiffswersten den Bremer Lloyd in große Verlegenheit setzten, weil sie nicht pünktlich ihr Wort hielten und die Sachen nicht zu dem ver⸗ abredeten Termin lieferten. So solle ein Schiff, das schon am 1. Oktober hätte geliefert werden sollen erst in den nächsten Tagen seine Probefahrt machen. Ein pagr andere Schiffe warteten seit bis 3 Monaten auf die Kessel; die Maschinen seien da, die Kessel sehlten, der Bremer Lloyd sei somit in der Caen Verlegenheit. Wo derselbe könne, nehme er die deutschen 9 m in eigenem, wohl verstandenen Interesse in An⸗ spruch; wo aber die n, Schiffswersten das nicht leisten lönnten, was der Bremer Lloyd beanspruchen müsse, da gehe derselbe davon ab. Er (Redner) wolle dem Hause einen de dr liesern. Das Schiff, um das es sich handele, werde das größte Priwat⸗ Dampfschiff sein, welches aus Deutschland abgehe. Der Bremer Lloyd hahe deswegen eine Submission ausgeschrieben. Einige deutsche Schiffswerfte hätten 18 Monate verlangt, 3 noch längere Zeit. Der Bremer Lloyd babe zu 13 Monat Lieferungezest kontrahirt, und es werde zwischen 10 und 11 Monaten geliesert werden. Ft sei Alles. Wenn der Bremer Lloyd das Schiff auf diese Weise 9 Monate früher bekomme, so sei das, namentlich in der jetzigen Konjunktur, sehr viel Geld werth. Als Vertreter fremder

Aber 566 bei dieser Gelegenheit auch

rivatinteressen könne er sich durch patriotische oder nationale kücksichten allein, wie warm er dieselben auch sonst empfinde, nicht leiten lassen.

Hierauf wurde die Summe von 400 990 4 für den Er—⸗ satzbau abgelehnt, die 2 4290 000 6 für die neue Panzerkor⸗ vette wurden bewilligt.

Tit. 30 der einmaligen Ausgaben (100 900 M66) als erste Rate zur Erbauung eines Gebäudes für die Marine⸗Akademie und Marineschule auf dem ehemaligen Werftterrain zu Düstern⸗ brook (Kiel )beantragte die Budgetkommission zu bewilligen, aber nicht als erste Rate, sondern als „Kosten zu den Vor— arbeiten.! Der Referent Abg, Rickert begründete diese Form der Bewilligung damit, daß ein spezieller Kostenanschlag noch nicht vorliege und das Haus ein i ren, daran habe, sich durch die Bewilligung der ersten Rate nicht präjudiziren zu lassen. Bei dem Militär-Etat habe man es in ähnlichen Fällen ebenso gemacht.

Das Haus beschloß dem Antrage des Referenten gemäß, der bei dem Schlußtitel des Etats noch einige Erklärungen des Chefs der Admiralität auf einige in der Kommission an denselben gerichtete Fragen mittheilte. Den Bau des Nord⸗ oftfeekanals habe der Chef der Admiralität als im Interesse der Erhöhung der maritimen Kräfte Deutschlands liegend an⸗ erkannt, doch sei die Sache noch nicht so weit, daß eine Vor⸗ lage an den Reichstag gebracht werden könne. Was die Hebung des „Großen Kurfürsten“ betreffe, so habe die Marineverwal— tung niemals große deff gen auf das Gelingen der be— treffenden Versuche gehaht, sie seien fortgesetzt, jedoch ohne Hoffnung auf ein Resultat. Das Haupthinderniß des Gelingens bestehe darin, daß man sich nur kurze Zeit mit den Hebungs⸗ arbeiten beschäftigen könne, im Laufe von acht Tagen nur cirea zwei Stunden, so daß die Vergeblichkeit weiterer Versuche schon allein aus diesem Umstande folge. Damit war der Marineetat in zweiter Berathung erledigt.

Ueber den Militäretat referirte der Abg. von Benda und beantragte, die Kapitel 14-17 der dauernden Ausgaben unverändert zu bewilligen. Das Haus beschloß demgemäß.

Kap. 17 enthält eine Mehrforderung von 25 243 S für die Militärgeistlichkeit.

Der Abg. hr. Franz sprach der Militärverwaltung für die auch der katholischen Seelsorge zugewendete Fürsorge seinen Dank aus. Er halte sich hierzu um so mehr für verpflichtet, als man sonst in Preußen gewöhnt sei, daß der katholischen Geistlichkeit das genommen werde, was ihr von Gottes und Rechts wegen gebühre. (Unruhe. Der Präsident ersuchte den Redner, in seiner Kritik der preußischen Gesetzgebung nicht das Maß des Erlaubten zu überschreiten,. Der Abg. Dr. Franz fuhr in seinen Ausführungen fort und bat den Kriegs⸗ Minister, künftig dafür zu sorgen, daß nur soche Personen mit der Militärseelsorge betraut würden, welche den kanonischen Vorschriften der katholischen Kirche genügten. Daß dies bisher nicht überall der Fall gewesen sei, beweise ein Fall in Kosel, wo ein Staalspfarrer, also ein Mann, der sich gegen das kanonische Recht und gegen den Befehl seines Bischofs in seine Pfarrei eingedrängt habe und demgemäß von der Kirche exkommunizirt worden sei, die Stelle eines katholischen Militärgeistlichen ein⸗ nehme. Die Laiengemeinde könne sich der Einwirkung des⸗ selben entziehen, indem sie aus der Kirche fernbleibe, das Militär aber müsse sich dienstlich an einem Gottesdienst be⸗ theiligen, der in den Augen jedes rechtgläubigen Katholiken als sakrllegisch zu betrachten sei. Wenn eine Aenderung dieses nn nicht durchführen lasse, so möge man wenig⸗ stens auf die Soldaten keinen Druck ausüben, um sie zum Besuch des Gottesdienstes zu veranlassen.

SHierauf nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Kö— niglich preußische Kriegs⸗Minister von Kameke das Wort:

Melne Herren! Der Kulturkampf und der Kirchenstreit sind die Veranlaffung, daß an verschiedenen Stellen in Deutschland die katbo— sssche Scelsorge beim Milstär Vakanzen im Personal zeigt, und die

slitärderwaltung, die ihren fatholischen Soldaten gerne ihr kirch= siches Leben erhalten möchte, hat umhergreifeg müssen, um Pfarrer zu bekommen, die sich diefer militärischen Seelsorge widmen. Durch die Vakanz in den Bischofssitzen ist es sehr schwer geworden, daß die⸗ senigen Geistlichen, die sich dieser Militärseelsorge widmen wollen, Seiiens ihrer kirchlichen Behörden die Jurisdiktion haben be— sommen können, und die Misitärverwaltung hat daher das Mittel ergriffen, damit sie die Stellen besetzen konnte, sich mit dem Ober Präsidium und dem Generalkommando in Verbindung zu setzen und hiernach einen Pfarrer, der die katbolische Jurisdiktion hatte, anzu- stellen, oder ihm, wie das bäufig der Fall ist, die Seelsorge kom⸗ missarisch zu übertragen, während der Pfarrer sonst ein Civilamt bai. In dieser Wesse bat der Hr. Pfarrer Grünkastel, der Civil⸗ vastor ist, in Kosel die Pastorirung des Militärs mit zu besorgen. Daß der Pfarrer Gränkastel von der katholischen Kürche erkem. muniirt worden, ist mir nicht bekannt, gewesen, das böre ich beute zum ersten Male. Nach den Berichten des Ober- Präsidsumgß und deg Generalkommandos war er durchaus berech figt, katholischen Gottes dienst zu halten. Ich glaube daß damit die Verwaltung dasjenige getban hat, was sie hat thun können, weil sie ben die fatbolischen Soldaten nicht obne Seelsorge lassen will, Wenn nun ibatsächlich feststebt, daß Häufig in die ser Zeit ein Zweisel und Streil über die Berechligungen der latholischen Geist lichen auffritt, und Sie wissen, meine Herren, seit den 8 Jahren, wo der Kulturkampf berrscht, daß dies sich, nicht immer vermeiden läßt, so ist, damit niemand in seinem Gewissen beunruhigt werde, der Befehl gegeben, daß wo solcher Zweifel laut wird, kein Soldat mebr dien stlich in die Klrche geführt wird, sondern eg sst jedem Soldaten überlassen, u dem angestellten Pfarrer binzu⸗ geben oder nicht. Ich glaube, bel unter den jetzigen Le elbe fen nicht mehr gescheben kann, und ich kann daher auch den Herrn Vor- redner ein Versprechen in Bezug auf Abbülfe nicht geben, denn ich wesß nicht, waz für Abmachungen mit Hrn. Helen tel emacht sind und ibn so pure entsetzen, ist sebr on Erst dann würde daß möglich sein, wenn absolut niemand mehrt sich zu der Gemeinde zählt, in er er fein Amt kat. Ich glaube, der Vorwurf, daß wir die kirchliche Seife unserer katholsschen Soldaten nicht ins Auge fassen, und nicht für sie sorgen, ann der Milntärverwaltung nicht gemacht

werden Wir sorgen für sie ebenso, wie wir dies für die evangeli⸗· schen Soldaten nicht unterlassen.

Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, er erkenne vollkommen an, daß . für die Militärverwaltung durch den Kulturkampf vielfach sehr m geworden seien, und daß der Minister bemüht sei, den Traditionen, welche bisher im preußischen Krlegs-Ministerium üblich gewesen seien, zu solgen. Dennoch sei es ein Beweis für eine durch⸗ aus salsche Auffassung, wenn derselbe glaube, daß der Dber⸗ Präsident oder das General ⸗Kommando die ge⸗ eigneten Organe seien, um über die Qualisikation eines Geistlichen zur Seelsorge Erkundigungen einzuziehen. Ueber diese Frage lönnten allein die kirchlichen Oberen entscheiden. Wenn der Minister darauf hinweise, daß kein n feli g Soldat gezwungen sei, den Gottesdienst zu besuchen, so wisse doch Jeder, kaß bei der en gn Die iplin beim Militär der

ĩ

Soldat kaum im Stande fei, sich der Seelsorge des Garnison⸗

pfarrers zu entziehen, auch wenn ein direkter Befehl nicht vorliege. Die Katholiken hätten einen Rechtsanspruch darauf, daß ihnen ein ordnungsmãßiger Pfarrer gestellt werde. Ein Siaatspfarrer könne gar nicht mit der Militärseelsorge be— fraut werden, und wenn es geschehen, so müsse derselbe wenn nöthig, unter Belassung seines vollen Gehalts wieder beseitigt werden. Den Kriegs-Minister aber möchte er bitten, seine hervorra ende Vertrauensstellung dazu zu benutzen, an geeigneter Stelle darauf aufmerksam zu machen, einen wie bedenklichen Einfluß der Kulturkampf auf die militärischen Verhältnisse ausübe, um im preußischen Staats-Ministerium oder wo derselbe sonst Gelegenheit finde, auf eine baldmög⸗ nie Beseitigung des kirchenpolitischen Konflikts hinzu⸗ wirken.

Der Abg. Dr. Franz erklärte, daß der genannte Militär— geistliche in Kosel sich nicht im Einklang mit der katholischen Kirche befinde, könne der Militärverwaltung unmöglich unbe⸗ kannt gewesen sein, da die öffentlichen Blätter diesen Uebel⸗ stand in ausgiebigster Weise erörtert hätten. Wenn die Be— merkung des Kriegs⸗-Ministers, daß derselbe Nichts davon gewußt habe, sich lediglich auf die Exkommunikation bezogen habe, so müsse er demselben bemerken, daß die letztere nur eine noth—⸗ wendige Konsequenz des Abfalls von den Vorschriften der Kirche sei. Die Mittheilung, daß die Soldaten nicht ge⸗ zwungen würden, den Gottesdienst zu besuchen, beweise gar nichts, da er genau wisse, daß man auch ohne Befehl Mittel zu finden gewußt habe, um die Kirche einigermaßen mit Soldaten zu füllen. Auch seien die Rekruten gezwungen worden, den Fahneneid vor dem Staatspfarrer abzulegen.

Der Abg. Br. Beseler protestirte entschieden dagegen, daß in den Aeußerungen der Vorredner über den Kulturkampf die Sache stets so dargestellt werde, als wenn das Recht un⸗ bedingt auf Seiten der Kurie und das Unrecht auf Seiten der Regierung sei. (Abg. Franz: Das lehre die Geschichte! Ja, diejenige Geschichte, welche das Centrum selbst fabrizire. Wenn der Abg. Windthorst den Kriegs⸗-Minister auffordere, seinen Einfluß für die Beseitigung des Kulturkampfes geltend zu machen, so bemerke er, daß es nicht die Aufgabe eines Kriegs⸗ Ministers sei, zwischen der Regierung und der katholischen Partei zu vermitteln. Lege der Abg. Windthorst Werth auf die Bei—⸗ legung des Kulturkampfes, so fordere er ihn auf, seinen Ein⸗ fluß in Rom in diesem Sinne geltend zu machen; man werde bann sehr bald zu dem gewünschten Ziele kommen.

Der Abg. Frhr. von Maltzahn⸗Gültz erklärte, der direkte Angriff, der gegen das Verfahren des Königlich preußischen Kriegs⸗-Ministeriums in einem Spezialfalle hier von zwei Seiten gerichtet worden sei, zwinge ihn wider seinen Willen das Wort zu nehmen und sich die Frage vorzulegen und zu beanlworten: was habe denn das Kriegs-Ministerium gethan, daß es in dieser Weise kritisirt werde? Es habe, wie er aus dem, was hier so eben verhandelt worden sei, und nur daraus, entnommen habe, in einer Garnison einem Pfarrer die Militärseelsorge kommissarisch übertragen, welcher nach den zur Zeit geltenden . des Staates zwei⸗ fellos sich im Pfarramte befinde. Es habe das Kriegs-Ministeriun aber, da bei der augenblicklichen Lage der Dinge ein großer Theil der Katholiken diesen Pfarrer nicht als einen richtigen Pfarrer ansehe, die Soldaten nicht gezwungen, sich von diesem Pfarrer bedienen zu lassen, sondern shnen alle Freiheit gelassen., Er glaube, das preußische Kriegs⸗ Rinisterium habe damit völlig korrekt gehandelt und es liege ihm daran, daß dies in dem Hause ausdrücklich aner kannt werde. Er halte es nicht für seine Aufgabe, in die schwierige Frage des Kulturkampfes hier einzugehen. Er erkenne seiner⸗ a offen an, daß, wie der Abg. Windthorst gesagt habe, vieles nicht in Ordnung sei; daß aber vieles nicht in Drd⸗ nung fei, das habe er soeben auch gehört, wenn ein Mit⸗ glied des deutschen Reichstags hier gesagt habe, daß Dasjenige, was nach der Gesetzgebung des preußischen Staates angenommen worden sei, wider Gott und Recht sei. Er habe, da er überhaupt zum Wort gekommen sei, die Aeußerung des ersten Redners, daß den katholischen Pfarrern in Preußen das entzogen und vorenthalten werde, was ihnen von Gott und Rechtswegen gebühre, nicht ohne Bestreiten seinerseits durchgehen lassen wollen. Daß die Lage, in der solche Dinge möglich seien, bald geändert werde, das wünsche er von ganzem ger ; er glaube aber allerdings mit dem Abg. hr. Beseler, daß dazu Hr. Windthorst und seine Freunde mehr beilragen könnten als die preußische Militärverwaltung.

Ver Abg. Br. Windthorst bemerkte, der Vorredner meine, die Militärverwaltung habe korrekt gehandelt, daß sie mit der Seesforge einen Pfarrer betraut habe, der gesetzlich ange⸗ siellter Pfarrer sei. Er sei sich nicht klar, ob der Mann defi⸗ nisiver Garnisons⸗-Pfarrer sei oder das Amt nur kommissarisch verwalte. Es sei dies aber gleichgültig, denn die Hauptsache sei, die Milltärverwaltung müsse wissen, daß ein sogenannter Sitaatspfarrer von der Kirche nicht anerkannt werden konne, die Militärverwaltung brauche nur zu sagen, sie wolle den lirchenpolitischen Streit vom Militär fernhalten und nehme einen Pfarrer, der nicht bestritten sei. Auf diese Weise wurde die Frage der 3 der Gesetze ganz unberührt bleiben. Der Einwand, da die Soldaten nicht ge⸗ wungen würden, den Gottesdienst des Mannes zu besuchen, ei schon einmal widerlegt. Bei der strengen Disziplin im

eere genüge ein Blick oder eine Handbewegung, um die Soldaten doch in die Kirche des Staatspfarrers zu bringen. Was sage denn der Abg. von Mal ahn⸗Gültz dazu, daß dieser Mann auch den Fahneneid abnehme. Sei das etwa auch sorreit? Nun glaubten einige Herren, seine Freunde und er hätten in Rom einen erheblichen Einfluß bezüglich der Beendi⸗ ung des Kulturkampfes, Das Centrum habe aber hier nur . staatsbürgerlichen Rechte zu vertreten, mehr nicht; das thue seine Partei voll und ganz und verbitte sich seine Partei, ihr irgend welche besonderen Kommissionen 3 Die beiden Vorredner würden in Rom ganz dasselbe Gehör finden wie das Centrum. Seine Partei könne dort auch nichts Anderes thun, als die Sache objektiv und ruhig darzustellen. Man wisse übrigens in Fiom auch ohne das Centrum . wie die Dinge lägen. Warum wirke der Abg. von altzahn nicht in Preußen auf die wee t gen der Uebelstände hin? Die Parteigenossen des Abg. von Malzahn im Abgeordneten⸗ hause hätten das doch wenigstens der egierung ans Herz ge⸗ legt. Die Frage der Befolgung der Staatsgesege sei schon hundert Mal erörtert worden. Wisse der Abg. Pr. Veseler nicht, daß der passive Widerstand aus Gewissensgründen ein berechtigter sei Er wundere sich, daß derselbe meine, das Centrum konne Geschichte machen. Der Abg. Dr. Veseler befinde sich allerdings an der hiesigen Universität in einer Gesellschaft, welche die Ge⸗ de gründlich betreibe. Derselbe sollte übrigens wissen, daß die Äuffassung geschichtlicher Ereignisse je nach dem

Standpunkte des Beobachtenden eine verschiedene sei. So durchgeführt werden können.

wenig es ihm einfiele die evangelische Auffassung geschicht⸗ licher Ereignisse zu verdächtigen, ebensowenig könne er das von der seinigen dulden⸗=

Demnächst nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats-Minister von Kameke das Wort:

Meine Herren! Die Auseinandersetzungen der Herren Abgeordne⸗ ten haben mich noch nicht dahin bringen können, mich zu überzeugen, daß die Art und Weise, wie die Kriegsverwaltung gehandelt, um den Pfarrer einzustellen, irgendwie ein Recht der katholischen Kirche hat schmälern können. Der Pfarrer, der dort angestellt, ist ein staatlich anerkannter und die Organe, die der Kriegsverwaltung zu Gebote stehen, um sich zu informlren über die Qualität dieses Man⸗ nes, sind genau befragt worden. Ich kann also den erhobenen Vor⸗ wurf nicht annehmen.

Es ist aber nicht der Grund sprechen, werbalb ich nochmals um das Wort ge beten habe, sondern die Aeußerung des Hrn. Abg. Windthorst, daß wenn Seitens der Kriegsverwaltung verboten ist, die katholischen Soldaten zu zwingen in eine Kirche zu gehen, dies möglicherweise vor der Front durch Winke oder Blicke gescheben köante, ich denke, meine Herren, die preußische Dieziplin ist stark genug, daß nach dem Verbot auch ein solcher Wink und solcher Blick

nicht vorkommt, daß also die Leute in ihrem Gewissen durchaus frei bleiben.

Der Abg. Dr. Beseler entgegnete, wenn er von Fälschun⸗ gen der Geschichte gesprochen habe, so sei er dazu veranlaßt durch einen Zwischenruf, der ihm von hinten gekommen sei. Er werde dem Abg. Windthorst nicht den Gefallen thun, die Lehrer der hiesigen Universität zu vertheidigen. Höher ständen diese Männer jedenfalls als sein Landsmann Hr. Onno⸗Klopp. Zum Kapitel Geschichtsfälschung rufe er dem Abg. Windthorst nur das eine Wort zu: Pseudoisidor.

Hierauf wurde ein Schlußantrag angenommen und die Position bewilligt.

Beim Kapitel 18 (Militär⸗Justiz-Verwaltung 546 197 66) bat der Abg. Melbeck um Gleichstellung der Auditeure mit den Intendantur⸗Räthen und Civilrichtern. Das Maximalgehalt der Divisions-Auditeure betrage trotz der im Etat vorgesehenen Erhöhung des Durchschnittsgehalts um 300 6 nur 4500 6 und mit Hinzufügung des Servises 5100 Sος, dagegen das Maximalgehalt der Amtsrichter 6000 S, der Intendantur⸗ RFäthe, ohne Servis 5400 Sυς Diese Ungleichheit zu Ungunsten der Auditeure erheische dringend Abhülfe im Interesse der Be⸗ theiligten wie der Militärverwaltung, zumal die Avancements⸗ verhältnisse der Auditeure sich bedeutend ungünstiger stellten, als die der zivilrichterlichen und Intendanturbeamten. Er hoffe, daß im naͤchsten Jahre die gewünschte Erhöhung im Etat erscheinen werde.

Der Staats⸗Minister von Kameke versprach, die Erhöhung der Gehälter im nächsten Jahre bei Aufstellung des Etats anregen zu wollen, er könne aber eine bestimmte Zusage, daß dieselbe im Etat wirklich erscheinen werde, nicht machen, da er von der Reichsfinanzverwaltung abhängig sei.

Der Abg. Marcard erwähnte, daß er 40 Jahre lang im Dienste der Militärjustiz gestanden habe. Nicht allein die ungenügende pekuniäre Lage der Auditeure vermindere den Andrang zu dieser Carriere, sondern auch der Umstand, daß diese Beamten in den Rangverhältnissen hinter anderen Militärbeamten zurückständen, daß sie keinen bestimmten Dffiziergrang hätten wie die Militärärzte, auch keine 6 und daß ihnen die militärischen Honneurs nicht erwiesen würden.

Kapitel 18 wurde bewilligt, desgleichen Kapitel 18 bis 23 und von Kapitel 24 (Geldverpflegung der Truppen 97 658 362460) die Titel 1 bis 6.

Zu Titel 7 beantragte die Kommission an diesen Aus⸗ gaben durch Verlängerung der Rekrutenvakanz von 4 auf 5 Wochen insgesammt 400 000 6 zu ersparen und zwar speziell für die Geldverpflegung in Preußen 125 000 6, in Sachsen 2711 S, in Württemberg 2000 (6

Hierzu hatten die Abgg. Freiherr * Franckenstein und Freiherr von Li rlen er ii folgenden Antrag gestellt:

er Reichstag wolle beschließen:

In Kapitel 24 des ordentlichen Etats Titel 7 an der Ge⸗ sammtsumme: a. Preußen (Spezialetat Seite 64): an Stelle von 52 361 450 M einzusetzen 51 861 450 , somit weniger 500 900 Æ; b. Sachsen (Spezialetat Seite 214): an Stelle ron 4407441 M einzusetzen 4357 441 , somit weniger 50 000 46; c. Württemberg (Spezialetat Seite 390): an Stelle von 3023 195 M einzusetzen 2983 105 , somit weniger 40 000

Der Abg. Frhr. zu Franckenstein befürwortete seinen Antrag, die gin ge des Reiches mache es jedem Abge⸗ ordneten zu einer heiligen Pflicht, zu sparen, wo es irgend gehe. Das Ordinarium des Militäretats sei gegen das Vor⸗ jahr um 17 891 136 6, das Extraordinarium um 1 394 880 gestiegen. Er denke, diese Zahlen sprächen für sich selbst. Da⸗ bel werde Jeder erstaunen, wie gering die Summe sei, welche nach den Berathungen der r, . an diesem Etat er⸗ spart werden könne. Daher habe der Abg. von Schorlemer und er wenigstens den Versuch einer mäßigen weiteren Reduktion machen wollen. Es sei bekannt, daß im vorigen Jahre die Militärver⸗ waltung zum Zweck der in diesem Jahre neu zu formirenden Regimenter 8 = 9900 Rekruten mehr eingestellt habe, wie sonst. Die Mittel zu dieser Mehreinstellung seien im Etat nicht be⸗ willigt worden und die Militärverwaltung habe sie sich da⸗ durch verschafft, daß sie eine entsprechende Zahl von Mann⸗ schaften beurlaubt habe. Wenn das in einem Jahre möglich sei, so fei man zu der Annahme berechtigt, daß weitere Erspar⸗ nisse sich kuͤnftig auf gleichem Wege würden erreichen lassen. Seine Freunde seien immer der Meinung gewesen, daß eine zweijährige Dienstzeit für die Infanterie augreiche. Wenigstens zeige die erwähnte Maßregel der Nilitãt verwaltung daß eine dreijährige nicht nothwendig sei. Er bitte seinen Antrag an⸗ zunehmen.

Der Bundeskommissar, Major von Funk, entgegnete, der vom Vorredner gestellte Antrag würde in seiner Konsequenz dahin führen, daß der Militärverwaltung die ihr gesetzmäßig zustehende Zahl von Verpflegungstagen im Etat thatsächlich nicht bewilsigt würden. Aus §. 1 des Reichs⸗Militärgesetzes und aus der Novelle vom vorigen Jahre, sowie aus der Aus— führung der damaligen Referenten des Reichstages gehe her⸗ vor, daß die Zahl der Veryflegungstage so zu verstehen sei, daß man die Zahl der Tage des Jahres, also 365, mit der Jiffer der Pröäsenzstärke multiplizirt habe. Diese Zahl habe die Militärverwaltun gesetzlich zu verlangen. Der Antrag sei also unvereinbar mit den gesetzlichen Vestimmungen. Der Antrag würde aber auch ferner nicht ohne unerhebliche Schädigung der militärischen Interessen

gewesen, um dies auszu⸗

ü t . u den Beurlaubungen im Vor⸗ jahr habe eine zwingende Not wendigkeit vorgelegen, zu der sich die Militärverwaltung habe entschließen müssen, um die großen Vortheile für das Militär ins Werk zu setzen, welche die vorjährige Novelle festsetze. Der Vortheil habe also den unvermeidlichen Nachtheil überwogen. Was aber in einem 36 habe geschehen können, würde nicht in jedem folgenden jahre geschehen können. Er bitte also aus diesen beiden Gründen den Antrag abzulehnen.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, nachdem im vorigen ahn das Militärgesetz angenommen worden sei, dürfe man ich nicht mehr der Illusion hingeben, daß es bei Gelegenheit der Etatsberathung möglich sein werde, erhebliche Ersparnisse an den Ausgaben für die Militärverwaltung zu machen. Trotzdem werde seine Partei für den. Antrag Francken⸗ stein eintreten. Gegen denselben sei zunächst geltend gemacht worden, daß derselbe mit der Militärgesetznovelle unvereinbar sei, aber die Novelle sage durchaus nicht, daß so und so viele Soldaten gehalten werden müßten, sondern nur, daß die Re⸗ gierung verlangen könne, für eine solche Zahl von Soldaten die Mittel bewilligt zu erhalten. Es sei also immer noch zu⸗ gelassen, daß zwischen dem Reichstage und der Regierung eine Vereinbarung über eine geringere Präsenzziffer getroffen werde. Der Reichstag wäre also bei der zweiten Lesung formell wohl berechtigt, einen solchen Beschluß zu fassen und der Regierung dadurch zur Erwägung anheimzugeben, ob sie nicht für dieses Jahr auf eine geringere Präsenzziffer eingehen wolle. Ent⸗ schließe sie sich hierzu nicht, so würde der Reichstag allerdings genöthigt sein, bei der dritten Lesung die volle Summe in den Etat einzustellen. In der Budgetkommission habe der Abg. zu Franckenstein beantragt, die Ersparung in der Prä—⸗ senz durch eine Verminderung der Zahl der zur Uebung ein⸗ zuberufenden Ersatzreservisten zu bewirken. Diesen Vorschlag habe er nicht für zweckmäßig gehalten. Der jetzige Antrag mache der Regierung gar keine Vorschriften, sondern überlasse derselben, in welcher Weise sie die Ersparung der 500 000 6 bei der Präsenz ermöglichen wolle. Es seien ja dafür mehrere Wege möglich. Im vorigen Jahre hahe es die Regierung für militärisch zulässig gehalten, im laufenden Jahre 8009 Mann mehr, als sonst der Fall sei, zu beurlauben. Dafür habe der Militärverwaltung der Vortheil gegenüber gestanden, Mitte April schon 8009 Mann mehr ausgebildete Mannschasten zu haben und das Rekrutenkontingent so zu bemessen, als wäre die Militärnovelle schon im vorigen Herbst in Kraft getreten. Auf der anderen Seite kämen bei Regelung dieses Verhält⸗ nisses nicht nur zwingende militärische, sondern auch zwin⸗ gende finanzielle Fragen in Betracht. Jedes Budget, auch das der Militärverwaltung, müsse auf einem Kompromiß von Erwägungen militärisch'technischer und finanziell wirthschaft⸗ licher Art bestehen. Warum sollte also aus finanziellen Grün⸗ den nicht auch in den folgenden Jahren eine ähnliche Be⸗ urlaubung möglich sein, wie im Vorjahre. Soweit er die Sache übersehe, habe der Antrag der Budgetkommission nur eine formale Bedeutung. Die Militärverwaltung habe bereits vor Einbringung des Etats den Einstellungstermin der Rekruten für den nächsten Herbst so bemessen, daß eine sechs⸗ wöchentliche Rekrutenvakanz herauskomme, die Anträge der Kommifsion bedeuteten nur die formale Richtigstellung des Etats nach Maßgabe dieser Dispositionen. Sollte es nun nicht möglich sein, diese 6 Wochen auf 8 zu verlängern und so den Ankrag Franckenstein durchzuführen? Man habe früher doch Ss —= 10 - 13wöchentliche Rekrutenvakanzen gehabt. Es seien . gewesen, in denen die Rekruten erst im Januar oder

ebruar eingestellt seien. In diesem Jahre lägen besondere

ründe dafür vor, denn es komme in demselben zum ersten Mal die Ausbildung der Ersatzreservisten zur Ausführung, und zwar der doppelten Portion, wie die normale. Dieser stärkeren Belastung des Militäretats gegenüber müsse man sich doch bemühen, Erleichterungen eintreten zu lassen. Auch die Rücksich auf das angeblich schon für ge⸗ wöhnlich unzureichende Personal von Offizieren und Unteroffizieren zur Ausbildung der Rekruten sollte den Antrag annehmbar erscheinen lassen. Dazu komme, daß man am 1. Oktober die Ersatzreservisten in die Kasernen legen wolle und zwar dauere die Uebung 10 Wochen; wenn nun schon nach 6 Wochen die Rekruten kämen, so sei kein Platz in den Kasernen mehr. Einer von beiden Theilen müsse ein⸗ quartiert werden; eine Einquartierung auf mehrere Wochen und in dieser Ausbildungsperiode scheine ihm doch für die Militärverwaltung und die bürgerlichen Verhältnisse, die dabei in Betracht kämen, sehr wenig wünschenswerth. Also ohne Präjudiz hätte die Militärverwaltung gerade in diesem Jahre alle Veranlassung, freiwillig nachzugeben und eine etwas rößere Rekrutendakanz zuzulassen, und damit einen kleinen iel an einer Erleichternng der Finanzen zu nehmen.

Der Abg. Freiherr von Schorlemer⸗Alst meinte, es sei gerechtfertigt, bei den außerordentlichen Mehrausgaben im Militäretat jede mögliche Erleichterung eintreten zu lassen.

ier handele es sich um eine . Erleichterung, und (ine solche sei zulässig auch nach den Erklärungen des Ver⸗ freters der Regierung. Derselbe habe gesagt, eine solche Er⸗ mäßigung könne nicht stattfinden ohne empfindliche Schädigung der militärischen Interessen. Wenn man die Einstellung der Rekruten im vorigen Jahre vorgenommen und dafür eine entsprechende Zahl von älteren Leuten beurlaubt habe, so habe dazu eine dringende Nothwendigkeit vorgelegen. Er könne doch nicht annehmen, daß die Militärverwaltung sich von der zwingenden Nothwendigkeit habe be⸗ herrschen lassen, auf Kosten der Ausbildung der Truppen ältere Leute zu beurlauben. Er wolle nun gar nicht über die Frage sprechen, ob die 2 jährige Dienstzeit oder die dreisährige vorzuziehen sei; er wolle der Reichsregierung die dreisährige Dienstzeit gern lassen; das Einzige, was er wolle, sei, baß innerhalb dieses Nahmens diejenige Srleichte⸗ rung eintrete, die möglich und zulässig sei und auch früher schon eingetreten sei. Seine Partei sei der Ansicht, daß bei einer angemessenen Zahl von Beurlaubungen und bei einer minderen Präsenzstärke eine solche Minderausgabe eintreten könne. Der Reichskanzler habe im Abgeordnetenhause erklärt, daß an einen Krieg in absehbarer Zeit nicht zu denken sei; wenn das der Fall sei, so habe man eine solche eilige Aus⸗ bildung des Heeres nicht nöthig. Wenn das Haus den An⸗ trag annehme, so schadige es nicht die Wehrkraft des Vater⸗ landes, sondern ermögliche nur eine erhebliche Erleich⸗ terung der Militärlast.

e Vundeskommissar entgegnete, der Abg. Richter er⸗ kenne in gewissen Grenzen die Nichtigkeit derjenigen 6 rungen an, die er in Bezug auf den gesetzlichen Standpunkt gegenüber dem Antrag Franckenstein gemacht habe, Der Abg. Richter füge indessen zu, daß es immerhin ausgeschlossen sei,