tats habe der Abg. Richter gesagt, nicht der Mangel an Kapital sei (s, der die Unternehmungslust der Industrie niederdrücke, sondern der Mangel an Vertrauen in den dauern— den Bestand der Verhältnisse, welcher durch die Ueberhand⸗ nahme eines persönlichen Regiments gesördert werde. Wenn man aber erwäge, daß die Konsolidation des Reiches, das erst seit 10 Jahren best he, noch keineswegs nach allen Rich— tungen hin abgeschlossen sei, daß eine tiefgehende soziale Be— wegung die Bevölkerung aufgeregt habe, daß der bedauerliche und von der linken Seite sür ihre Zwecke ausgenützte kirchen— politische Streit, der das ganze politische Leben durchdringe, noch immer nicht abgeschlossen sei, und daß Deutschland sich trotz aller dieser Hindernisse dennoch in einem ganz leidlichen Zustande befinde, so werde man zugeben müssen, daß dieses Nesultat ohne einen starken Willen und eine starke Hand, velche alle Schwierigkeiten aus dem Wege raͤume, gar nicht möglich gewesen wäre. Große Ziele seien nur durch große Mittel, zu erreichen. Wenn in der That innerhalb der. Bevölkerung eine gewisse. Beunruhigung vorhanden sei, so liege der Grund lediglich in den gewaltigen Aufwendungen, welche einzelne Nachbarstaaten für ihre Armeen machten. Diese Beunruhigung könne nur beseitigt werden durch das Gefühl der Sicherheit, daß das Deutsche Reich nach Außen hin keine Gefahr zu scheuen habe (der Präsident ermahnte den Redner, sich nicht von dem Gegenstand der Spezialdebatte allzuweit zu entfernen); der Abg. Freiherr von Mirbach fuhr fort: die Mittel, welche erforderlich seien, um dieses Ziel zu erreichen, könnten nur durch die neue Zollpolitik gewährt werden, nachdem der Reichstag dem Tabaksmonopol gegenüber eine so ab⸗ lehnende Stellung eingenommen habe. Man werfe dieser neuen Zollpolitik namentlich vor, daß sie durch die Ge— treidezölle eine Vertheuerung der nothwendigen Lebensbedürf— nisse herbeigesührt habe; wenn es sich aber um den Schutz der nationalen Arbeit handele, wolls man dann die zwei Drittel der Bevölkerung, die auf dem platten Lande wohnten, zu Gunsten des einen Drittels in den Städten unberücksichtigt lassen, indem man die Landwirthschaft leer ausgehen lasse? Die Frage, ob Schutzzoll oder Freihandel, sei nicht eine Frage der Theorie, sendern des praktischen Bedürfnisses. (Der Präsident rief den Redner wiederholt zur Sache.) Der Abg. Bebel habe neulich erklärt, es sei eine gerechte Rache, daß die große Zahl deutscher Auswanderer, welche durch die Induftriel⸗ len nach Amerika getrieben worden seien, jetzt dazu beitrügen, die Lage der deutschen Industrie und des Grundbesitzes dauernd zu verschlechtern, indem sie die Kon— kurrenz Amerikas durch ihre Arbeitskräfte verstärkten. Der Abg. Bebel, wenn er auch seiner Folgerung nicht beistimme, habe darin doch vollkommen Recht, daß Amerika, das früher ein Hauptabnehmer für die deutsche Industrie gewesen sei, heute zu einem Hauptkonkurrenten geworden sei und die deutschen Verhältnisse fortdauernd verschlechtere. Er (Redner) ziehe hieraus den Schluß, daß das Deutsche Reich alle Veranlassung habe, sich gegen die Konkurrenz zu schützen, und die Politik, welche der Reichskanzler eingeschlagen habe, werde diese Aufgabe, wie er hoffe, lösen trotz aller entgegen⸗ gesetzten Bestrebungen der internationalen Manchesterpartei. Er sei weit entfernt, dem Abg. Delbrück und seinen Genossen aus diesen Bestrebungen einen Vorwurf zu machen; sie hätten gewiß optima file gehandelt, aber dadurch sei die That⸗ sache nicht beseitigt, daß sie das Land schwer geschädigt hätten. Der Abg. Oechelhäuser bemerkte, die Frage, ob in der lezten Zeit ein wirthschaftlicher Awufschwung stattgefunden habe, müsse man ohne Zweifel bejahen. Wenn er auch zugebe, daß die Vesserung noch keine allgemeine sei, so befinde sich das Deutsche Reich doch auf dem Wege der Rückkehr zu normalen Verhältnissen. Leider könne er diesen Fortschritt nicht auch für die Verhältnisse der Arbeiter zugeben. Möge immerhin in einzelnen Branchen eine Aufbesserung der Löhne eingetreten sein, so sei dieselbe doch nur eine partielle und werde anderer scits durch die Vertheuerung der nothwendigen Lebensbedürf— nisse, deren Ursache er keineswegs in den agrarischen Zöllen, sondern in der natürlichen Entwickelung der Verhaͤltnifse finde, vollkommen ausgeglichen. Auch die Frage, ob die Besserung der Lage der Industrie durch die veränderte Zollpolitik herbeigeführt worden sei, müsse er bestimmt ver— neinen; er glaube sogar, daß ein gewisser schädigender Einfluß derselben nicht zu verkennen sei. Daß die Zustände nach bem Rückschlag der Jahre 1871 bis 1874 allmählich wieder ihre normale Gestalt annehmen würden, sei ganz naturgemäß und dieser Prozeß vollziehe sich in Deutschland ganz ebenso, wie in allen andern Ländern. Wäre es richtig, daß die Zoll— politik einen Einfluß auf diese hätte, so würde der Fortschrist in schneller sein müssen, als in und
um sei
Gegner aller Uebertreibungen. Wenn er hiernach einerseits zu dem Resultat komme, daß der bessernde Einfluß nicht auf Rechnung der Zölle zu schreiben sei, so müsse er andererseits konstatiren, daß die Zollpolitik ein wesentliches Hinderniß für den Fortschritt der deutschen Exportindustrle geworden fei. Der Abg. von Kardoiff habe freilich mit der demselben eigenen Zu⸗ versichtlichkeit das Gegentheil behauptet, indem dersel he Ziffern vorgesührt habe, durch welche derselbe zu beweisen gesucht habe, das der Import abgenommen hahe, während der Export ge— liegen sei, Abgesehen davon, daß mit Rücksicht auf die voll— standige Resorm der Ein⸗ und Ausfuhrstatistit Deutschlands ein Vergleich mit früheren Jahren überhaupt nicht zulassig er⸗ scheine, und daß insbesondere in Folge der neuerdings erst eingeführten Dektlarationgpflicht für alle erportirten Guter
fortfährt, eine dauernde; es heißt in dem Bericht, der
sich gründende Er
der Industrie gar nichts, denn dieselbe Steigerung des Erports und Abnahme des Imports habe sich auch in der Delbrückschen Periode gezeigt, ja sogar in dem Jahre des tiefsten Darniederliegens der Industrie, 1878; es sei dies der normale Gang der Entwickelung der deutschen Industrie feit 13560, ja seit der Grün? dung des Zollvereins. Man könne sogar behaupten, und die statistischen Zahlen bewiesen dies, daß die erwähnte Erscheinung in Zeiten des Niedergangs der Industrie stärker hervortrete, als in Jahren günstiger Entwickelung. Mit solchen Zahlen werde also gar Nichts bewiesen. Leider beruhe der ganze Tarif, die ganze Zolgesetzgebung Deutschlands auf einer der— artigen Logik und derartigen Motiven. Wenn man glaube, daß ein solches Werk von Dauer sein werde, so beneide er die Schutzzöllner nicht um ihre Zuversicht; er hoffe, daß die immer weiter schreitkende Erkenntniß, daß der Zolltarif nur auf wissenschaftlicher Grundlage aufgebaut werden könne, diese Gesetzgebung bald fortschwemmen werde.
Hierauf ergriff der Direktor im Reichsschatzumt Burchard das Wort:
Meine Herren! Ich kann zunächst meine Befriedigung darüber ausdrücken, daß der Heir Vorredner, namentlich im ersten Theil sei⸗ ner Rede, einen objektiven Ton angeschlagen und den Verfuch gemacht hat, ohne Voreingenommenheit, wie er sich ausdrückte, die Sache kritisch zu untersuchen. Ich muß allerdings gestehen, daß der Schluß seiner Rede mit dem Eingang derselben nicht im Einklang stand. Ich acceptire auch sehr gern die Acußerung des Herrn Vorredners, daß die ganzen zollpolitischen Maßregeln ziemlich cinflußlos find auf das wirthschaftliche Gedeiben der Nation. Ich glaube auch, daß die Wirtungen des Zolltarifs in dieser Beziehung weit äberschätzt wer— den und daß die Zölle, die wir haben, im wesentlichen werden zu einer starken Depression der Induftrie beitragen können, noch daß sie umgekehrt die alleinige Ürsache sind zu einem erheblichen Auf⸗ schwung. Wenn das aber der, Fall ist — und der Herr Vor—⸗ redner hat das auch seinerseits hingestellt — dann muß ich gestehen, daß die Schlußfolgerungen, die der Herr Vorredner selbft gezogen hat, nicht ganz zutreffend zu sein scheinen. Ich glaube mit dem Herrn Vorredner, daß man richt auf Grund von Theorien einen Zolltarif konstruiren kann; — wirtbschaftliche Theorien müffen ja bestehen und wissenschaftlich ausgestaltet und beleuchtet werden; daß aber solche Theorien die Grundlage bilden können, um sür ein gewisses Land einen Zolltarif zu konstruiren, das ist eine Annahme, die der Herr Vorredner auch nickt tbeilt; denn sonst brauchte man nur allgemein einen Tarif für die ganze Welt zu konstruiren und je nachdem Freihandel oder Schutzzell zu Grunde legen. Meine Herren, es will keiner von Ihnen die vollen Konsequenzen des Frei⸗ handels ziehen, daß gar keine Zölle bestehen sollten, und Keiner die Konsequenz des Schutzzolls, daß ganz (xorbitante Prohibitivzölle ein— geführt werden sollten. Darin sind wir ja alle einverstanden. Es handelt sich nur um das Maß der Zölle, ob man einzelne Gegenstände zellfrei lassen soll, ob man den Zoll erhöhen oder verringern solle; das ist die Frage, und ich (laube, daß man darüber sehr streiten kann, daß man die Frage aber nur lösen kann in dem speziellen Fall, indem man in jedem Fall der Sache zu Leibe geht, die Bedürfnisse prüft und danach die Entschei⸗ dung trifft, eb höhere oder niedere Zölle am Platze sind. Mit der Theorie ist auf diesem Gebiete wenig geleistet. Ich glaube, daß weder auf Seite der verbündeten Regierungen ia Dieser Beziehung eine starre Theorie besteht, noch auf Seite vieler Mitglieder dieses hohen Hauses. .
Ich möchte auch der Behauptung entgegentreten, daß die Ver— theuerung der Lebens mittel unbedingt in Folge des Zolles eingetreten sei. Meine Herren! Ez ist die Untersuchung diefer Frage außer— ordentlich schwierig und ich will hier gar nicht meine Ansicht zur Geltung bringen, sondern ich berufe mich auf ein Zeugniß, welches aus derjenigen Reihen kommt, die namentlich auf Seiten des Hrn. Vor redners als unzweifelhaft einmandsfrei gelten. Es ist das eine eußerung, die sich findet in einem Berichte des biesigen vereideten Börfenmaklers für den Getreidehandel, der gewiß nicht für den Getreidezoll eintritt. Er läßt sich über den Gang des Handels in Getreide und Spiritus im Jahre 1880 aus und sagt, daß der Roggenpreis im Anfang des Jahres 1889 keine Erhöhung, sondern im Gegentheil in Folge größerer Voriäthe eine Erniedrigung aufgewiesen habe. Er erkennt also die Thatsache, die ja allgemein bekannt ist, vollkommen an, daß im Jahre 1880, als der Roggenzoll ins Leben trat, die⸗ jenige Wirkung nicht eingetreten ist, die der Herr Vorredner als eine nothwendige bezeichnete, nämlich die Erhöhung, sondern daß ein Gegentheil, eine Herabminderung der Preise entstanden ist. Diese Far aber nickt nur eine momentane, sondern wie der Bericht feibst reisrũckgang gelangte erst zu einem Halt und führte zu einem Pre Eaufschwung, als die anfänglich guten Ernteaussichten durch die Maisrste und andere Naturerreignssse sich in das Gegentheil verkehrten. Ver Ve—⸗ rickt erkennt also selbst an, daß nicht die Zollbelastung im Stande gewesen ist, altbald oder im Laafe der Zeit eine Aenderung der Preise eintreten zu lassen, sondern daß es Ratur— ereignisse waren, welche auf die Erhöhung der Preif? hinwirkten. Ich glaube, dieses Zeugniß, dessen Unpartellichkeit Keiner von Ihnen in Zweifel stellen wird, srricht ganz ausdrücklich dafür, daß der Zoll nur einen sehr minimalen Einfluß auf die Gestaltung der Lebeng⸗ mittelpreise bat, daß vielmehr andere Verhältnisse, die Konjunkturen, preis bestimmend sind und daß in diesen Konjunfturen der Zoll nur eine sebr kleine Rolle spielt, cine Rolle, die sich überhaupt nicht nach der einen oder andern Richtung hin sixiren läßt.
Meine Herren! Daß sich in dem letzten Vierteljahr im Allge⸗ meinen ein wirthschaftlicher Aufschwung volljogen bat, geht nicht blos aus der Statistik hervoer, über die ich frellsch ein ganz andereg Urtheil babe, als der ert Vorredner, — wie ich mir nachher auz= einanderzusetzen erlauben werde — sondern eg geht dag auch aug anderen beglaubigten Zeugnissen hervor. Ich bin in der Lage, aus dem vierten Quarialebericht der Königlichen Eisenkahndirektionen in Elberfeld und Cäln Minbellungen machen ju können. In denselben ist ein böchst bemerkengwerther Aufschwung der wichtigsten Industriezwelge in den Rbeinlanden und Westfalen konstatirt. In dem Bericht von Elberseld wird gesagt, es sei eine erbebliche Mebreinnahme in der Personen· und Güͤterfracht gegen das Jahr 1879 erzielt und eg zelge sich ein gesteigerter Verkehr in Koblen, Koks, Schiefer kies, Kieg, Eisenersen u. s. w, und aus Eosin wird berichtet, daß ein wesentlich gesteigerter Personenverkehr und auch ein wesentlich gesteigerter uckerrübenverkehr stattgefunden habe, daß die Eisen. und Stablindusttle eine Besserung und Verkehrte⸗ zunahme ju erkennen gegeben habe, und daß sich jetzt auch bei der Textilindustrie sowobl in größeren Aufträgen alg auch in den Preisen eine Vesserung ef hälte. Das sind unrartelische und auf Zablen
lärungen. Wean der Herr Vorredner sagt: Jablen beweisen nichtz, so fehlt überbaupt jedeg Material zum Beweise; man muß, glaube ich, versuchen, auf wirthschastlichem Gebiet den liffemäßlgen Beweis für eine Bebaupturg zu erbringen; wenn man dag nicht kann, steht überhaupt der Werth einer solchen Beha aptung äußerst in Frage. und Jeder ist berechtigt, die Behaupjung voll⸗ ständig ju vernesnen; es feblt dann cken an jedem Beweg. Ich glaube, die n bilden in der That den Harptuntergrund für sede derartige Bebauptung. und von dieser Auffassung aus betrachte ich anch die Siatistik. Denn wenn die Statistik richt den Werth kätte, daß sie über den Umfang der Gin. und Augfubr ausflärt, welchen Werth hätte sie dann? Melner Auffgssung nach — fenen. Das ist der Werth der Sialtstik, daß sie ung einigermaßen darüber unterrichten sell, in wel hem Üm“ sange die Gin und Ausfuhr stattfindet; erst bieraug können die a, 1 gejogen werden. er Derr Vorredner hat auch besonderg die Bemerkungen, die
die Ausfuhr naturgemäß größer erscheine, als früher, be— wiesen die Zahlen des Abg. von Kardorff sür den 3
der Herr Abgeordnete von Kardorff bei der ersten Lesung des CGials in
Was Lie Einfuhr betrifft, so will ich ven diesem Gegen stande absehen. Ich muß anerkennen, daz im Jahre 1879 einigermaßen abnorme Verhältnisse obwalteten und daß vielleicht die Weniger einfuhr des Jahres 1880 im Vergleich zu der Einfuhr Ton 1879 nicht völlig unzweifelhaft zu den Schlußfsolgerungen berechtigt, die der Hr. Abg. von Kardorff gezogen hat. Jedenfalls scheint es mir hier nicht am Platze zu sein, auf die Ausführungen dis Herrn Vor⸗ redners in dieser Beziehung näher einzugehen. Was aber die Aus⸗ fuhr anbetrifft, so meine ich doch, daß in diefer Beziehung die Kritik des Herrn Vorredners nicht die zutreffende gewesen ist. Ich muß ja zugeben, daß die Statistik des Jahres 1880 auf einer etwas anderen Grundlage beruht wie Die frühere Statistik und zwar deswegen, weil eine Verpflichtung zur Ausfuhrdeklaration erst seit dem L. Januar 1880 eingetreten ist. Das kann alfo in ge⸗ wissem Maße die Zahlen der Ausfuhr beeinflußt haben. In welchem Maße, wissen wir nicht, daß es aber in so erheblichem Maße sein sollte, daß nun die Ziffern der Statistik vollftändig in ihr Gegen⸗ theil verkehrt würden, das scheint mir doch im höchsten Maße zu diel behauptet. Jedenfalls ist irgend ein annähernd glaubhafter Beweis dafür nicht erbracht. Es ist auch geltend gemacht worden, daß früher in der Statistik eine Generalposition existirte, in welche alle unvoll. ständig deklarirten Waaren aufgenommen wurden, und daß diese Posi⸗ tion viele Ausfuhren enthielt, die im Jahre 18890 den einzelnen Artikeln zuzuschreiben gewesen wären. Das ist auch wahr, kann aber doch nur bezüglich solcher Artikel gelten, die sich nicht ohne Weileres von selbst deklariren. Also namentlich auf dem Gebiete der Textilien will ich das zugeben, aber bei gewissen Artikeln kann dieser Einwand entweder gar nicht oder nur in sehr geringem Uanfange Platz greifen. Ich werde mir erlauben, meine Bemerkungen auf folche Artikel zu Pe— schränken, die meines Erachtens im Jahre 1879 gar nicht unvoll. ständig deklarirt gewesen sein können, die vielmehr schon durch ihre äußere Erscheinung und durch die Einfachheit ihrer Bezeichnunz sich selber anzeigen und deshalb zweifellos vollständig oder nahezu vollständig im Jahre 1879 in der ketreffenden Position zur Anschreibung in der Ausfuhrstetistik gelangt sein werden. Ich erwähne zunächst die Fortepianos und musikalischen Justrumense. Rei diefen trifft dies, wie ich wohl nicht weiter zu begründen brauche, vollständig zu. Der Zoll für diese Gegenstände wurde im Jahre is79 von 12 s auf 30 6 erhöht. Es wurde damals hier die lebhafte Befürchtung ausgesprochen, nun würde die Ausfuhr erheblich abaehmen: ich dar in dieser Beziehung Bezug nehmen auf die stenographischen Berichte. Daß daz Gegentheil eingetreten ist, kann aber nicht geleu znzt werden. Wir haben im Jahre 1880 eine Ausfuhr an Fortepianot gehabt von 36000 Doppelcentnern gegen 23 600 Doppelcentner im Vorjahre. Das macht eine Steigerung der Ausfuhr um 13 005 Doppelcentner, die einem Werthe entspricht von 5, ig Millionen. Noch größer war die Steigerung bei den anderen musikalischen Instrumente n; hier entspricht die Steigerung der Ausfuhr einem Werthe von 721 M— lionen, so daß die Gefammtsteigerung bei dieser Position der Äus— fuhr sich auf 13 Millionen Maik an Werth beläaft. Bei Dampf⸗ kesseln — ich nehme immer solche Artikel, die früher zollpflichtig waren und es geblieben sind, denn ich werde mir eclauben aut— einanderzusetzen, daß die Schlußfoigerungen des Herrn Vorredner bezünlich des Eisens unbegründet sind — bei Dampfkesseln beträgt die Steigerung der Ausfuhr ungefähr 100 0. Bei Leder trifft daß— selbe zu: die Aus fuhr an Brüsseler uud dänischem Handschuhleder hat sich gesteigert um einen Betrag, der einem Werthe von 168/10 Millionen entspricht. Das ist doch sehr bedeutend. Ferner hat fich die Aus— fuhr in groben und feinen Schuhmacherwaaren nach der Statistik sehr erbeblich gesteigert. Ich gehe dann über guf einen Ärtstel, der auch meineß Erachtens durch den Einwand, daß die Statiftit unvoll- ständig gewesen, wenig berührt werden kann, das sind die Material- waaren. Meine Herren, die Bierausfuhr — man darf doch anneh-⸗ men, daß diese fruher vollständig angeschrieben worden ist, ich glaube, Die gegentheilige Annahme kann kaum besteken — hat sich ge— sfteigert von 260009 Doppelcentnern auf eine Millien Doppel · centner. Es entspricht das einer Steigerung im Werthe von 7200 000 Mc ; die Weinausfuhr in Flaschen hat sich ferner sehr er⸗ heblich gesteigert, ebenso die Saljausfuhr — ez ist das ein Artikel, der nach meiner Anschauung auch von fehr erheblicher Bedeutung ist — um 1760090 Dopveletr.; auch die Steinkohlen. und Koksausfuhr hat sich gesteigert. Endlich hat die Ausfuhr von Schweinen sehr erheblich zugenommen; — es wurden im Jabre 1839 ausgeführt 359 000 Stück, 1880 439 020 Stück; es rep. asentirt das eine Werih⸗ steigerung von 5 280 000 S
Ich folgere hieraus, meine Herren, daß in der That die Ausfuhr im Jahre 1880 sich beträchtlich gesteigert hat, und wenn das zugege⸗· ben werden muß, so ist meines Ecachtens der Schluß nicht unke— rechtigt, daß das zurückzuführen ist auf einen Aufschwung der In⸗ dustrie. Auch andere Gründe lassen sic dafür geltend machen, aber der nächstliegende besteht unzweifelhaft darin, daß die Produktion sich in erbeblichem Maße gesteigert hat.
Meine Herren! Ich möchte nun noch eingehen auf die Bemer— kungen, die der Heir Vorredner namentlich aus der Positien Eifen genommen hal; er hat sich sehr einzebend mit dieser Position be⸗ schäftigt und die statistiscen Daten auß dem Jahre 1880 und 1879 und aus den zurückliegenden Jahren in Vergleich gestellt. Ich möchte doch annehmen, daß es dem Herrn Vorredner bekannt sein muß, daß für diejenigen Artikel, die nach dem früberen Zolltarif frei waren und die jetzt zollpflichtig geworden sind, jede Vergleichbarkeit der Ein⸗ und Ausfuhczahlen auggeschlossen ist; aus Zahlen, die sich auf die Zeit vor Einführung des Zolltarifs beziehen, läßt sich deshalb ein Hild der inländischen Produktion und der Ausfuhr bei derartigen Positionen nicht entnehmen.
Ich möchte deshalb glauben, daß der Herr Vorredner die Schluß⸗ folgerung, die er an diese Positlon knüpfte, doch als sehr gewlchtige kaum ansehen kann.
Meine Herren! Ich will mich auf diese Bemerkung beschränken, es gehört ja das Garze in die Generaidiekusston deg Zolltarif, nicht bierher. Ich glaube aber, daß aus den vorliegenden ziffermäßigen Anieichen und aug denjenigen Anzeichen, die wirklich beglaubigt sind. fein Grund zu entnebmen seln wird zu der Annahme, der Zolltarif habe sich nicht bewährt. Er gilt ja in weitem Umfange erst seit einem Jahre und ich glaube, es wird Jeder — der Herr Vorredner kat das auch an anderer Stelle selbst gesagt — zugeben, daß in einem Jahre die Folgen einer solchen für alle wirthschastiichen Verbältnisse wichtigen Neuerung sich noch nicht binteichend klar kundgeben können. Ich glaube desbalb, daß eg jedenfallt noch nicht an der Zeit fein kann, ein so absprechendeg Urtheil über die Zellpolitik zu fällen, wie der Herr Vorredner leider am Schluß selner Rede getban bat.
Der Abg. von Kardorff erklärte, nachdem der Abg. Dechelhãuser nachgewiesen habe, daß eine Aenderung der Zoll⸗ politik irgend welchen Einfluß auf die Industrie nicht häben lönne, sehe er nicht ein, warum derselbe dann gegen diese Aenderung der Zollpolitik eifere. Einen Ersolg habe sie doch sicher gehabt, nämlich, daß sie dem Reiche eine gewisse Ein⸗ nahme schaffe. Wenn der Abg. Dechelhäuser dann die von ihm ebrachten Zahlen ansehe, so müsse er sagen: wie habe er eine Zahlen gebracht? Er (Redner) habe gesagt, die Zahlen vor der Veslenerung könnten mit denen nach Erlaß des Zoll⸗ tariss in feiner Weise verglichen werden, sie gäben ein Janz anderes Vild. Er halte den Einwand gegen diese Zahlen für ganz gerechtfertigt, den der Abg. Richter in Görlitz, glaube er, emacht habe, wo derselbe die Zeit der Neichetagssession zu Wahlreden benutzt habe, daß nämlich die Zeit zu kurz sei, um chon Zahlen über die Wirkung der Zölle abgeben zu önnen. Er (Redner) müsse aber bemerken, daß der Export nicht vermindert, sondern eher gestiegen sei. Der Abg. Dechelhäuser gebe zu, daß nicht blos Arbeit⸗ geber, sondern wegen der vermehrten Arbeitsgelegenheit auch bei gleichbleibendem Arbeitslohn der Arbeiter in größeren
dieser Bezehung autzgesprochen hat, in den Kreis feiner Kritik gejogen.
Etablissements jetzt besser gestellt sei, daß aber die übrige
beiterbevölkerung Nachtheile erlitten habe. Aber wer seien 1 die We n gh nicht in Etablissements arbeiteten? Nun, das seien die Landarbeiter, und diese hätten nicht, wie der Abg. DOechelhäuser glaube, unter der Vertheuerung der Lebens⸗ bedürfnisse gelitten. Außerdem aber sei ein Fortschritt auf allen Gebieten der wirthschaftlichen Thätigkeit zu merken, und wenn man anerkennen wolle, was man anerkennen müsse, daß nämlich die wirthschaftliche Lage des Deutschen Reiches sich nicht verschlechtert habe, so würde man die Einwände gegen die Einführung des Zolltarifs für zu nichte gemacht halten müssen. Er wolle ja anerkennen: die Zeit sei zu kurz, als daß man sich überhaupt ein klares Bild über die Wirkung des Zoll⸗ tarifs machen könne, und er würde gar nichts dagegen haken, wenn die Herren die Diskussion darüber auf spätere Zeiten vertagen wollten. (Abg. Richter:; Das glaube erh Damit schienen die Herren nicht einverstanden zu sein, nun, er wisse ja, der Abg. Richter habe noch ein Paradepferd in Bereitschaft: die Auswanderung, und da möchte er demselben ein paar Fragen vorlegen: wenn die Leute wegen der Schutzzölle auswanderten, warum thäten sie es gerade nach dem schutzzöllnerischesten Lande der Welt, nach Amerika? Wie wolle der Abg. Richter es erklären, daß die Auswanderung aus dem Lande, das die Segnungen des Freihandels im vollsten Maße genieße, aus England, in noch höherem Grade zunähme, als in Deutschland? (Abg. Richter: Irland Er wolle sich mit Bezug auf die Auswan— derung noch folgende Bemerkung erlauben: nach seiner Meinung beruhe sie zum großen Theil auf der schweren Kluft, die zwischen der ganz besitzlosen Klasse der Arbeiter und der nächsten Klasse der Besitzenden liege. Aus den Provinzen, wo diese Kluft nicht so sehr groß sei, finde auch eine geringere Auswanderung statt. Also darin liege ein Motio zur Aus⸗ wanderung, nicht, in den Schutzzöllen, die der Abg, Nichter dafür verantwortlich mache. Er könne sich dahin resumiren: er möchte glauhen, daß die Zeit heut noch nicht gekommen sei, uni positiv sagen zu können, die Zollpolitik habe schlechte Folgen gehabt, und deshalb könne er wiederholen: er habe nichts dagegen, wenn das Haus die Ditkussion darüber sus⸗ pendiren wolle. . dasselbe es nicht, so sei er immer be— eit, darauf einzugehen. . ; ö Der . 68 . bemerkte, statistische Wahrheiten erhalte man nur, wenn man lange Reihen von Erscheinungen, die Zahlen vieler Jahre vergleiche, wie es der Abg. Oechel⸗ häuser gethan habe; stelle man aber Vergleiche on zwischen den Jahren 1879 und 1880, dann seien diese Thatsachen mit der größten Vorsicht aufzunehmen. Nun hätten der Regie⸗ rungsvertreter und der Abg. von Kardorff Zahlen der Aus⸗ fuhr angeführt, um zu beweisen, daß der Handel und die In⸗ dustrie Deutschlands im Aufschwung sei. Seltsam, vor zwei Jahren sei von der Aussuhr ganz anders gesprochen; da sei sie das Gleichgültigste und Verächtlichste gewesen, was man anführen könne. Er halte es nun für falsch, die Zollpolitik im Großen und Ganzen für die Erscheinungen dieses Jahres verantwortlich zu machen; so schnell drehten sich die Dinge nicht; das Unrecht dieser Zollpolitik werde sich vielleicht erst nach Jahrzehnten zeigen, und dann werde es bei der Kompli⸗ zirtheit der Materie schwer sein, Ursache und Wirkungen zu beurtheilen. Er habe die Ueberzeugung, daß Deutschland trotz der Zollpolitik in diesem Jahre vorwärts gekommen seig aber daß man Unrecht thäte, die Zollpolitik für alle Mißstände, die man habe, verantworilich zu machen, nur die segensreichen Folgen derselben seien schwer nachzuweisen. . Nun behaupte man, es wäre wenigstens der Unternehmunge⸗ geist, Muth und Vertrauen gewachsen; er glaube, es sei nicht gut, Industriezweigen Muth und Vertrauen einzublasen, wenn die Verhältnisse es nicht rechtfertigten. Hätten nicht warnende Stimmen im Frühjahr 1830, als Amerika ganz allein den Aufschwung der deutschen Industrie veranlaßt habe, einge⸗ griffen, dann hätte man vielleicht die Entfesselung einzelner Industriezweige, speziell der Metallindustrie, gesehen, die neue Krisen hervorgerufen hätte. Nun solle die Zollpolitik Deutsch⸗ land Nebenvortheile von anderen Staaten verschaffen; der Reichskanzler habe ja die Bezeichnung „Kampfzoll erfunden; Wo seien die Resultate des Kampfzolles? Was habe man erreicht? Gegensätze von allen Seiten. Wenn gesagt werde, die neuen Zölle vertheuerten nicht das Leben, so gehe das über seine ein sachen arithmetischen Begriffe hinaus. Der Getreidezoll habe 14162 Millionen ergeben, Mehl i Million, Eier 14 Million, Schmalz ol Millionen, Vieh 4 Millionen, Petroleum 16 Millionen, Eisen 41“, Millionen, Maschinen 1 Million, Holz 31 Mil⸗ lionen, zusammen 51 Millionen Mark. Diese 51 Millionen für nothwendige, unentbehrliche Lebensbedürfnisse mußten 1880 mehr bezahlt werden als in früheren Jahren. Die Möglich⸗ keit, das Leben zu erhalten und zu genießen, sei doch offenbar um diese 51 Millionen verringert worden. Dabei lasse er die indirekte Vertheuerung der Gegenstände noch außer Acht, die im Inlande produzire, aber doch theilweise um den Zoll ge⸗ steigert würden. Träte die Steigerung nicht hervor, so wäre der beabsichtigte Schutz der nationalen Arbeit und des Land⸗ baues ja völlig vergeblich. Was nun den Stand des Handels und der Industrie betreffe, so sei schon erwähnt, daß die im reußischen Handelsarchiv publizirten Berichte trotz aller guten ö. an vielen Stellen zeigten, daß die Industrie stark gelitten habe, und daß die Ausfuhr durch die Vertheuerung der Halbfabrikate erschwert worden sei. Es liege dem Hause eine interessante Petition aus einem der Zentren der Textilindustrie, von denen behauptet sei, daß sie sich eines Ausschwunges erfreue, aus Meerane vor. In derselben werde von Neuem betont, wie die ganze dortige In⸗ dustrie durch die erhöhten Grenzzölle in die grausamste Ver— legenheit gekommen sei. Welche andere Rumi solle man noch beibringen, als aus diesen Kreisen? Er wolle eine Industrie speziell hervorheben; das sei die Mühlenindustrie, ein be⸗ klagenswerthes Opfer der neuen Zollpolitik, darüber lägen nicht abzuweisende Zeugnisse vor. Es seien auch ven der preußischen Regierung schon Recherchen angestellt, wie diesem Uebelstande abgeholsen werden könne. Die e e ter seien nämlich der Ansicht, daß der Getreidezoll auch im Inlande das Getreide vertheuere; sie sagten, sie lönnten mit dem Auslande nicht konkurriren. (Redner verlas mehrere Stellen aus Zeit⸗ schriften und Zeitungen, aus denen hervorgehe, daß mehrere Mühleneiabliffemente den VBetr eb eingesielli hällen, namentlich hätten die für den Export arbeitenden Mühlen ihren Absatz im Auslande verloren und ihren Vetrieb ganz einge—⸗ stellt und suchten Absatz im Inlande, wodurch die lieinen Mühlen geschädigt würben; in einem Schrei⸗ ben werde lonstaiirt, daß daß deutsche Mehl in den holländischen Ostprovinzen sast ganz verschwunden sei.) Gerade
Posen werde ihm geschrieben: „Frllher hätten die Landwirthe ihr Getreide in der Nähe an die Müller verkaufen lönnen, jetzt könnten die Müller nur einen kleinen Theil des Getrei⸗ des übernehmen, daher müsse der Zwischenhändler die Ver— mittelung übernehmen, während man doch bei der Zolltarif— berathung immer davon gesprochen habe, daß man den Pro— duzenten und den Konsumenten in direkte Verbindung setzen müsse.“ Man sehe, wie schwer es sei, vom grünen Tische aus in den lebendigen Verkehr mit seinen vielen Kom⸗ binationen einzugreifen. Wenn man zwischen zwei Grundsätzen zu wählen habe, dann solle man allerdings dem zuneigen, daß der Staat sich nur da einzumischen habe, wo derselbe die feste Ueber— zeugung habe, daß es zum Heile wirken könne. Er wisse nicht, ob der Wunsch des Abg. Oechelhäuser und seine Vor⸗ aussicht sich bald erfüllen werde, daß eine Umkehr in der Zoll⸗ gesetzgebung demnächst zu erwarten sei, aber das wolle er als Anspielung auf das, was der Abg. Oechelhäuser von ihm gesagt habe, hinzufügen: er (Redner) gehöre nicht zu denen, die glaubten, daß man mit Abschaffung der Getreidezölle allein vorwärts gehen solle. Er glaube, daß die Getreidezölle damals als integrirender Bestandtheil der gesammten sogenannten Reform eingesührt worden seien und daß es vollständig die Sache falsch auslegen und nach einer falschen Seite hinlenlen würde, wenn man jetzt auf einmal den Industriellen das Vergnügen machen wollte, die Getreidezölle, die das Haus für Das momentane Bedürfniß eingeführt habe, zu beseitigen. Dem Landwirth noch eine ungünstigere Stellung zu geben als vor⸗ her der Fall gewesen sei, und der Industrie die Zölle zu lassen, sei seine Anschauung nicht. . .
Demnächst nahm der Direktor im Reichsschatzamte Bur— chard das Wort: . ; Meine Herren! Der Herr Vorredner hat im ersten Theile seiner Rede Fragen allgemeinster Natur berührt. Ich glaube nicht, daß es im Rahmen einer zweiten Lesung der Etatsberathung möglich sein wird, diese Fragen, die sich doch in der That nicht in einer halben Stunde, auch nicht in einer Stunde abmachen lassen, eingebend von dieser Stelle aus zu diskutiren. U ber diese Fragen hat ia im Jahre 1879 eine sehr eingehende Tiskussion in diesem Hause statt⸗ gefunden, zu einer Einigung der Ucberzeugungen hat sie gewiß nicht geführt; aber, meine Herren, es würde auch nichts helfen, wenn von dieser Stelle das Eine eder Andere des damals Gesagten von Neuem vorgetragen würde. Ich will mich also enthalten, auf diesen Gegenstand der Rede des Herrn Vorredners näher einzugehen; ich möchte nur meine Verwunderung darüber aussprechen, daß der Herr Vorredner dieselbe Behauptung, die auch bei der ersten Berathung hier geltend gemacht wurde, sich, angeeignet hat, nämlich daß er den Umstand, daß die Fleischpreise gleich geblieben sind, be⸗ ziehung weise gar herabgegangen sind. in ganz eigenthümlicher Weise erklärt. Die Thatsache widerspricht ja der Schlußfolgerung, die sonst in Bezug auf die Zöile geltend gömacht wird, denn die Herren sagen ja immer, die Zölle vertheuern die Lebensmittel, folglich können die Preise nicht herabgehen. Nun gehen sie doch herab und es wird nach einer Auftläruag gesucht, indem bebauptet wird, weil der Konsum stark abgenommen hätte, des halb gingen die Preise herunter. Ja, meine Herren, worin diese Erklérung ihre Reætfertigung finzet, weiß ich nicht. Ich glaube, näherliegend und natürlicher ist die Er— klärung, daß die Produktion sich gesteigert hat, daß mehr Fleisch produit nird; dies ist eine naturgemäße Folge der Schutzzölle, teun die Viehrölle sind in erster Linie Scutzz olle, und diese Wir⸗ kung, wenn sie eingetreten ist, ist nur zu beglüchwünschen. Wenn die Produktion des Fleisches sich gesteigert hat, se ist die naturgemaße Wirkung, daß, wenn der Konsum sich gleich bleibt, oder sich nickt wesentlich steigert, die Preise herabgehen. Diese Erklärung liegt sehr nahe; ob sie absolut richtig ist, kann ich bier nicht untersucen, es könntea ja noch andere Momente mit binein spieler. Daß aber gerade die Erklärung, die der Herr Vorredner geltend macht und die auch bei der ersten Etatslesung vorgebracht worden ist, die richt ge sein sollte, dafür fehlt es meines Erachtens nickt * an jedem Be⸗ weise, sondern auch an jeder Wahrscheinlickkeit. Meine Herren, ich will dieses allgemeine Gebiet verlassen und mich zu dem speziellen Punkte wenden, den der Herr Vorredner im zweiten Theile seiner Rede berührt bat, nämlich der Müblenindustrje. Die verbündeten Regierungen haben sich fortdauernd mit der Lage dieser Industrie sehr eingehend beschäsftigt, und es ist das Streben dahin gerichtet gewesen, das Regulatio, die Erleichterung der Mehlaus fuhr betref⸗ fend, in möglichst liberaler Weise zu gestalten.
Der Herr Vorredner kat nun Eingaben vorgelesen, in denen be⸗ hauptet wird, es wäre dies nicht gelungen. Meine Herren, der Re—⸗ gierung sind auch sehr viele Eingaben zugegangen, die lerten Ein⸗ gaben verlassen aber diese Klagen so gut wie vollständig: die Lande ⸗ regierungen sind nach dem Reaulativ befugt, den Müblen Lie weit gehendsten Erleichterungen zu Theil werden zu lassen an die Lan. den regierungen ist aber anscheinend nur selten der Warsch herange⸗ freten, ron diesen Erleichterungen Gebrauch zu machen, weil in der That das Interssse der Mäblen an dieser Frage so lange kein sehr erbebliches ist, als die Identitat festgehalten wird. Es wird non lich, wie sich berauggestellt bat, das aue ländische und inländische Ge= freide in der Regel so gemischt, daß etwa 1 ausländischet Getz en und „a inländisches Getreide verwendet werden. Wenn dann solches Deebl aus gemischtem Getreide ausgesührt ist, so wird naturlich die Aus uber vergütung ziemlich gering sein, da nur 1½ des Getreldes ui gs. sfuhrvergütung genießen kann. Dethalb ist das Nateresse der Müller an tieser ganzen Sache doch kein so sehr großes. Ibre frühere Klage und ibr Wunsch war bapptsächlich dahin gerichtet, daß man die Identstät aufzebe. Nachdem das bobe Haut im vorigen Jahr; in dieser Beziehung eine Resolution angenommen hatte, wurde der Ge⸗ genstand von Neuem eingehend erwogen. Die verbündeten Regie rungen haben aber nicht geglaubt, der Resolution Folge geben zu können, weil sie erwogen haben, zu welcher Kon quen; die selbe lüb⸗ ren würde, ju der Konsequenz, daß andere Industriejweige mit dem. selben Rechte dezselben Anspruch erheben würden und daß in weiten Grenzen der Zolltarif unwirksam werden würde, daß z. Van Garn · zöllen dann wenig oder nichts mehr zu erbeben sein würd Die verbündeten Regierungen haben biernach gemeint diesem Wunsche der Müller nicht enisprechen ju können. Wer Wunsch ist. auch in leßterer Zeit weniger betont worden, man hat nach andern Richtun⸗· gen bin Vie Zustände alg unbefriedigende bejeichnet und, der Herr Verredner hat diese Seite der Frage auch bereits berübrt. * bat geltend gemacht, daß der Meblioll im Verbältniß zum Getreide. zoll zu ricdrig sei. Meine Herren, diese Frage verdient allerdings eingebende Giwägung. Als der Tarif vorgelegt ꝑurde, mas ein Rozgenjesl von JM eingestellt und ein Metlioll von 2 Im Laufe der Berathung warde dieser Roggenzoll, wie bekannt, auf 1 gs 8 böbt, der vorgeschlagene Meblzell aber blieb unverändert. Gs ist also das aer in. welches dem Tarlfvorschlage zu Grunde gelegt sst, un zwelfelbaft sehr wesentlich verschoben worden. Von den Müllern ird nun behauptet, daß der Zollschutz für Mehl zur Zeit ganz un- jureichend fei, daß sie durch die Mebleinsuhr sebr stark bedrückt wärden. Die Stalistik giebt in diesem Punkte keine auereichenden Ankaltt punkte, weil es sich, we ich vorbin schon bemerkte, um einen Tit kel kandelt, der früher zollftei war und jert jollpflichtig gewor= den ist. In Terarsigen Fällen giebt jn die Statistit keinen vollkommenen Ausschluß. Allein man muß doch versuchen, auf Grund der Statlfist zu irgend einem Bild ju gelangen. Ich flange. der nächste Weg würde sein, daß man frägt, wie stellt sich die Di⸗ far der Ginfußr und Ausfuhr jwischen dem Jabre 1839 nach Em säbrung deg Josleg und den früberen Jabren,. Vieser Weg ward in der Regel einaeschlegen, wenn ähnliche Verhãltnisse vorliegen. Wenn man diesen Weg gebt, so ergiebt sich für daz Jane 1878 eine Bilanz
die Beschränkung der * enindustrie habe einen sehr schlechten Einfluß auf den Absatz des Getreides gehabt. Aug
ju Gunsten der Cinfuhr — daß mehr einges ort worden ist als gut-
sten der Ausfubr — d. h, daß mehr aus zeführt warde als eina-führk
— von 56 000 Deppelceninern und für das Jahr 1880 als Differenz der Ein und Auefuhr eine Bilanz zu Gunsten der Ausfuhr mit 570 900 Doppelcentnern. Meine Herren, ih gebe gern zu, das berechtigt noch nicht zu dem Schlussz, daß un ser Mühlengewerhe sich in glänzenden Verhältnissen befinde, dem wider rechen ja die übrigen Nachrichten. Es wird allerdings in eingehende Erwägung gezogen werden müssen, ob in der THat der Zoll für Mehl zur Zeit als eig zureichender angeseben werden kann. Sollten die verbündeten Regie⸗ rungen zu der Ueberzeugung des Gegentheils gelangen, so werden sie ernstlich zu erwägen haben, wie dieser Uebelstand auf geeignete Weise abzustellen sei.
Der Abg. Dr. Löwe (Bochum) erklärte, der Abg. Oechel⸗ häuser habe behauptet, daß in manchen Industriezweigen, be⸗ sonders in der Eisenindustrie, in Folge des Zolltarifs nur die Arbeitgeber gewonnen hätten, nicht die Arbeiter. In den Gegenden, auf die sich seine (öIes Redners) Informationen erstreckten, in den großen Industriebezirken Westfalens und der Rheinlande, habe aber auch der Arbeiter gewonnen: in allen Werkstätten seider Stücklohn um 5, 10, ja 15 Proz. gestiegen. Außerdem seien die Leute jetzt auch vollständig beschäftigt, während sie früher vielleicht nur an 2 — 4 Tagen Arbeit gehabt hätten. Aber noch mehr; es sei jetzt die doppelte Zahl von Leuten, in den meisten Gegenden wenigstens 1 Menschen mehr beschäftigt und mit höherem Lohne als früher. Möge die Ursache sein, welche sie wolle: ein glücklicherer Zustand gegen den früheren sei das jedenfalls. Uebrigens habe sich auch in der Wissenschaft ein. Umschwung geltend gemacht: die Zahl der freihändlerischen Professoren an den Uni— versitaͤten sei in der Minderheit. Was die Ernährung betreffe, so sei der Weg vom Korn bis zum Brod ein ziemlich weiter, und es sei zu untersuchen, ob das Brod nicht mit der allge— meinen Theuerung im Preise mitgegangen sei. In dieser Beziehung habe sich nun ergeben, daß der Preis des Brodes nicht um so viel gestiegen sei, als die Differenz des früheren und jetzigen Getreidepreises betrage. Vor 2 Jahren habe das Pfund Brod hier und in Chemnitz / 10 gekostet; heute betrage der Preis 1316 —14 3. Dazu lomme die andere merkwürdige Erscheinung, daß das Weizenbrod sich im Preise auf derselben Höhe erhalten habe. Ein großer Uebelstand in dieser Beziehung sei es, daß das Brod blos nach dem Augenmaße verkauft, werde, statt nach dem Gewicht. Die amerikanische Fleischeinfuhr, auf welche hier des Oefteren hin— gewiesen sei, habe ihr Bedenkliches. Frankreich, Italien, Holland hätten sie verboten; und was das amerikanische Schmalz betreffe, so hätten die Herren, die dasselbe rühmten, es kaum jemals gesehen, da die Art der Zubereitung 85 mit sich bringe, daß dasselbe sehr häufig einen fauligen Geruch habe. Die Zollreform habe doch wesentlich die Ahsicht gehabt, dem Reiche größere Einnahmen zu verschaffen. Der Reichs⸗ tag habe die Pflicht, das junge Reich zu stärken und zu kräf⸗ tigen: dieser Aufgabe müßten alle anderen Interessen. nach⸗ stehen. Vielleicht sei Manches, was man in dieser Richtung
gethan habe, verbesserungsfähig; aber heute schon ein desini⸗
tives Urtheil über die Hollreform abzugeben, wäre vorschnell, zumal doch bedacht werden müsse, daß dieselbe den Erlaß eines Theils der direkten Steuern ermöglicht habe.
Der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) freute sich, daß die Auseinandersetzungen der Abgg. Buhl und Haerle über die Einfuhr fremder Trauben und der Weinverfälschung keinen Widerspruch im Hause gesunden hätten. Er glaube, daß die vom Abg. Buhl angeregte Frage gewissermaßen eine Lebensfrage für die Bewohner des Nheins, der Mosel und der Ahr sei. Die bisher gegen die Kunstweinfabrikation rgriffe⸗ nen Maßregeln reichten nach seiner Ansicht nicht aus. Er wolle nun nicht sagen, daß die Gesetzgebung allein im Stande wäre, dem Uebel zu steuern. Man könne darin auch zu weit gehen. Was er aber verlange, sei, daß auch anpere Faltoren, namentlich die Staatsanwaltschaft und. die Polizei zu Hülfe komme. Weinfälschungen müßten der Polizei oder Staatsanwaltschaft auf Grund des Nahrungsmittelgesetzes zur Anzeige gebracht werden. Wer gefalschten von gefälschtem Wein nicht unterscheiden könne, möge sich an eine zue rlassige Quelle wenden, um sich den richtigen Geschmack über Wein zu verschaffen. Was den Weintraul enimport betreffe, o kon⸗ statire er, daß nach seiner persönlichen Kenntniß die Nhein⸗ provinz mit ausländischen Trauben nicht überschwemmt werde.
Der Abg. Sonnemann erklärte, der Abg. Reichensperger habe soeben konstatirt, daß in der Nheingegend wenig Trauben zur Weinbereitung eingeführt würden. Das liege daran, daß die Trauben ausschließlich zur Champagnerfabrikation ver⸗ wandt würden. Die Leute würden die großen Transport. und Verpackungskosten nicht übernehmen. um kleine Weine zu machen. Durch eine Belegung der Trauben mit einem Weinzoll führe man einfach den Zustand herbei, daß man den Schutzzoll, den man vor zwei Jahren für die Weine, namentlich für die Champagnerfabrikation, eingesührt habe, wieder aufhebe. Denn dieselben Trauben, die die deutsche Champagnerfabrikation gebrauche, brauche auch die fran⸗ zösische, weil wegen der großen Weinfabr tation in Frankreich in Folge der Lhylloxera, diese Weine nicht zu haben seien und Jie . italienischen Weine sich vorzugsweise dazu eigneten. Thatsächlich, würden auch in Frankreich solche Weine für Champagnerfabrilation in großen Massen eingeführt aus Italien, den ionischen Inseln und im letzten Jahre sogar aus dem Kaukasus. Nun würden in Frankreich diese Weine mit einem rein nominellen Zoll von z0 Centimes auf den Hektoliter eingeführt und den deutschen Fabrikanten, dem man habe vor zwei Jahren im Interesse der nationalen Industrie einen Schutz bereiten wollen, den molle man jetzt zwingen, diese Trauben mit 24 6 ung be⸗ steuern! Nach seiner Ueberzeugung würde auf dem Mee den die Abgg. Buhl und Haerle angedeutet hätten, den Wein⸗ produzenten gar nicht geholsen werden, weil sie nicht mit dem Ausland in Konkurrenz treten könnten. So allerdings könne es nicht bleiben wie im vorigen Jahre, daß es ganz in das subjektive Ermessen eines Zollbeamten gestellt werde, i: 1 selbe eine Ladung Trauben als Most oder als Trauben be⸗ han 3 ni de geschlossen
ĩ iskussion wur ö
w bene ln der Abg. Dr. Löwe Vochum), wenn der Abg. Sonnemann, der so lange in der Politit stehe, nicht den Unierschied begreise zwischen dem Grenzzoll und der Mahl= und Schlachtstener, wo jedes Korn und jedes Stückchen Ileisch versteuert werden müsse, dann begreife er denselben nicht.
Darauf wurde der Titel bewilligt und vertagte sich das Haus um di Uhr auf Donnerstag 12 Uhr.
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geführt — von 76 20 Deppelcen nern, fü 1879 eine Bilanz zu Gun ⸗