1881 / 66 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 18 Mar 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Guten. Nußland werde nicht auf den. Platz verzichten, welcher ihm im Konzert der Mächte zukomme, aber indem es durch⸗ aus solidarisch bleibe für den allgemeinen und auf dem Recht der Verträge beruhenden Frieden, werde es sich in keiner Weise von seinen inneren Arbeiten abziehen lassen, es sei denn, um seine Ehre und Sicherheit zu schützen. Das Ziel der von Sr. Majestät befolgten Politik sei Rußlands Macht und 3 zu dessen eigenem Besten und zu Niemandes Schaden. ;

2 Kgiser und die Kaiserin begaben sich gestern nach dem Winterpalais, um dort provisorisch ihre Woh⸗ nung zu nehmen.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 14. März. Eine gestern erschienene Extranummer der „Post-och Inrikes Tidningar“ bringt zur öffentlichen Kenntniß, daß am Sonnabend die Verlobung des Kronprinzen mit der Prinzessin Victoria von Baden in Karlsruhe stattgefunden hat. Der Oberst⸗-Kammerjunker Freiherr Akerhielm ist am Sonnabend Abend nach Karlsruhe abgereist, um im Namen des Königs bei dem Großherzog von Baden förmlich um die Hand der Prinzessin für den Kronprinzen der vereinigten Reiche anzuhalten. ö . Die „Post och Inr. Tidn.“ schreibt in ihrer heutigen Nummer: „Ein aus St. Petersburg eingegangenes Tele⸗ gramm bringt die tief betrübende Nachricht, daß der Kaiser Alexander 11. von Rußland gestern in seiner Hauptstadt einem gegen ihn verübten Attentat zum Opfer gefallen ist. Es kann nichts anderes als gleichzeitig den tiefsten Schmerz und Un— willen erregen, daß der milde und menschenfreundliche Fürst, dessen ganze Lebensthätigkeit auf die Hebung und Entwickelung seines Volkes in geistiger und materieller Hinsicht gerichtet war, mitten in diesen edlen Bestrebungen auf eine solche Weise denselben entrissen worden ist. Trauer und Bestürzung haben die Herzen Aller ergriffen, denn Kaiser Alexander war ochgeliebt von seinen Völkern, die immer mit Segenswünschen 6 erinnern werden, was er für ihr Wohl gethan hat,

17. März. (W. T. B.) Nach dem über das Befinden des Königs heute Vormittag ausgegebenen Bulletin hatte die Lungenentzündung an Ausdehnung zugenommen; die Nachtruhe war gut gewesen, jedoch nur in Folge angewendeter Schlaf— mittel, der allgemeine Zustand relativ befriedigend. Heute Abend 6 Uhr war das Befinden des Königs im Wesentlichen unver⸗ ändert. Die Königin, welche sich in Bournemouth in England aufhielt, hat auf. die Nachricht von der Erkrankung des Königs sosort die Rückreise hierher angetreten.

Danemark. Kopenhagen, 14. März. (Nat. Tid.) Der russische Gesandte Baron Morenheim erhielt gestern, nachdem die erste Nachricht von dem Attentat in St. Peters— burg hier angelangt war, den Besuch des Königs und des Kronprinzen nebst Gesolge, sowie der Mitglieder des Corps diplomatique und des dänischen Ministers des Aeußern, Barons Rosenörn-Lehn. Außerdem wurden gestern Abend und heute eine große Anzahl Kondolenzbesuche im russischen Gesandtschafts⸗ Palais abgestattet. In der hiesigen russischen Kapelle wurde heute ein Trauergottesdienst abgehalken, welchem außer dem russischen Gesandtschaftspersonal auch mehrere fremde Diplomaten und höhere Offiziere und Civilbeamte beiwohnten. Bis auf Weiteres wird jeden Mittag ein Trauergottesdienst abgehalten werden.

Südamerika. (W. T. B.) Nach aus Panama in New⸗ York eingegangenen Nachrichten, vom 8. d. M. ist Calderon zum provisorischen Präsidenten von Puru erwählt worden.

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Burcau.

St. Petersburg, Freitag 18. März. Das Rund⸗ schreiben des Leiters des Auswärtigen Amtes, von Giers, an die Vertreter Rußlands im Auslande vom 16. d. M. sagt: „Se. Majestät der Kaiser übernimmt bei Besteigung des Thrones seiner Ahnen die durch die Zeit und Thaten seiner Vorfahren, durch die Mühen und Opfer vergangener Generationen geweihten Traditionen, Indem Se. Majestät diese Erbschast voll und ganz übernimmt, stellt es sich Allerhöchstderselbe zur heiligen Auf—

abe, dieselbe seinen Nachsolgern unverkürzt zu übergeben. Rußland mußte, wie alle anderen Staaten, bei seiner Konsti⸗ tuirung einen Kampf bestehen, in welchem seine Kräfte und sein Volksgeist sich ausgearbeitet haben. Jetzt hat Rußland seine volle Entwickelung erreicht; Gefühle des Neides und der Unzufriedenheit liegen ihm gleich fern, es bleibt ihm nur übrig, seine Stellung zu sichern, sich nach außen zu schützen, seine Kräste, seinen Reichthum und seine Wohlfahrt zu entwickeln. Dies ist das Ziel, welches sich unser erhabener Monarch stellt, wobei Se. Majestät fest entschlossen ist, das⸗ selbe standhast zu verfolgen. Der Kaiser wird sich zunächst der Sache der inneren Staatgentwickelung widmen, welche mit den Erfolgen der Civilisation sowie mit sozialen und ökonomi⸗ schen Fragen in engem Zusammenhang stehen, Fragen, welche jetzt den Gegenstand besonderer Sorgfalt bei sämmtlichen Re⸗ gierungen Lilden. Die auswärtige Politik des Kaisers wird eine vollkommen friedliche sein. Rußland wird seinen Freunden treu bleiben, es wird seine durch Traditionen geweihte Sympa⸗ thien unverändert behalten und gleichzeitig die freundschaftliche

altung sämmtlicher Staaten durch Gegenseitigkeit erwiedern. §z wird die ihm gebührende Stellung unter den anderen Mäch⸗ ten bewahren und für die Aufrechterhaltung des politischen Gleichgewichts Sorge tragen. Gemäß seinen Interessen wird Rußland von dem Verufe nicht abweichen, gemeinschafilich mit

den anderen Regierungen den auf die Achtung des Rechtes

und der Verträge gegründeten allgemeinen Frieden zu schützen. Rußland hat vor Allem die Pflicht, für sich selbst zu sorgen. Nur die Pflicht, seine Ehre oder Sicherheit zu schüzen, kann es von seiner innern Arbeit abwenden. Unser erhabener

Monarch wird sein Streben auf die Kräftigung der Macht und

Wohlfahrt Rußlands richten, zu dessen Glück und zu

Niemandes Schaden. Dies sind die Grundsätze, durch welche

die Politik des Kaiserg sich unabaänderlich lenken lassen wird.

Se. Masestat beauftragt Sie, davon die Regierung, bei

welcher Sie akkreditirt sind, in Kenntniß zu setzen und diese

Devesche dem Minister deg Augwärtigen vorzulesen.“ *

für 1880 81 waren angesetzt 81 670 590 S, also für 1881/82 mehr

tragen nach der definitiven Berechnung 106 126 373 ; für den Etat

24455 428 A Dieselben vertheilen sich auf die einzelnen deutschen Staaten folgendermaßen; es hat iu zablen für 1881182: Preußen 54 216 964 4, Bayern 20 477 288 S, Sachsen 5 808 972 60, Würt⸗ temberg 7404196 , Baden 5 285 893 16, Hessen (Nordhessen 582 692 MS, Südhessen 1282 933 M, zusammen 1 865 625 ), das ganze übrige Deutsche Reich zusammen 11067 440 Æ ; alto zusam⸗ men 106 126378

Statistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des Statistischen Bureaus der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 6. März bis inkl. 12. März cr. zur Anmeldung gekommen: 155 Ehe schließungen, 865 Lebendgeborene, 53 Todtgeb orene und 529 Sterbe⸗ fälle.

Kunst, Wifssenschaft und Literatur.

Von der im Verlage von Greßner und Schramm in Leipzig erscheinenden Uebersetzung der Naturgeschichte des Cajus Pliniuz Secundus ist kürzlich die 4. Leferung ausgegeben worden. Auf dem Umschlage derselben veröffentlicht der Uebersetzer, Prof. Dr. G. C. Wittstein in München nachstehende Erklärung, welche vom 28. September 1880 datirt ist und als unlieb verspätet bezeichnet wird: ‚Kurz nach dem Versenden der ersten Lieferung dieser Maturgeschichte zes Cajes Plinius Secundus“ wurde ich durch die Nachricht überrascht, daß in den letzten Dezennien noch einige Werke erschienen sind, welche mir bei der Ausarbeitung entgangen waren, nämlich: Jan, Historia naturalis, libri XXXVII. (1854 - 1865) Detlefsen, do. ( 866 1873), Jan, do. I= VI. 870), Mayboff, do. VII XV. (1875), Urlichs, Chres omathia Pliniana (1857), Külb, Deutsche Bearbeitung, Forts. u. Schluß (1377). Strack, do. 3 Bände (1853 21896), Oemichen, Plinianische Studien zur geo— grapbischen und kunsthistorischen Literatur (1880). Ferner verdiente noch in Bezug auf unsern Autor Beachtung: Lenz, Naturgeschichte der Alten. Va alle diese Werke bereits zu meiner freien Verfügung steben, so ziehe ich von jetzt an auch sie zur Vergleichung und Be— nutzung heran, und hoffe, iu Erwägung, daß in der ersten Lieferung der eigentliche Text kaum erst begonnen hat, hierdurch meine Arbeit in jeder Beziehung auf die Höhe der Zeit stellen zu können.“ .

Von der Prachfausgabe von: Ein Spaziergang um die Welt“ vom Freiherrn Alex von Hübner, ehem. K. K. österr. Bot⸗ schafter in Paris und am päpstlichen Hofe (Leipzig bei Schmidt & Günther) ist soeben die 13. und 14. Lieferung erschienen, in denen der Verfasser Jokohama schildert. Den Eindruck, welchen diese Stadt auf ihn gemacht hat, drückt die Einleitung des Abschnitts aus: „Alles, was der Reisende gelesen hat, bleibt unter dem Ein drucke, den er empfindet, in dem Augenblicke, wo er sich mit einem Mal in eine ganz neue Welt versetzt siebt. Er traut den eigenen Augen nicht. Auf jedem Schritte frägt er sich: Ist dies Alles auch wahr und wirklich? Ist es nicht ein Traum, ein Feenmärchen, eine Erzählung aus Tausend und Eine Nacht? So schoͤn ist die Vision, daß man zittert, sie könne in Nebel zeifließen 2c. An Textbildern heben wir aus den beiden Lieferungen hervor: Familienscene in Joko— hama, Badende der Bürgerklasse in den Bädern von Mivansshita— Kaiserlicher Läufer, Uebergang des Odawara, Reise im Kangho, Wallfahrer auf dem Wege zum Fusiyama, Wallfahrer im Stroh mantel ze. z. An Vollbildern erwähnen wir: Thurm eines buddhistischen Tempels in Kawasaki, Toilette einer japanischen Dame, Ein Familiendiner e.

Gewerbe und Bande.

London, 17. März. (W. T. B.) In der gestrigen Woll auktion waren australische Wollen unverändert, Kapwollen bel⸗ nahe sämmtlich zurückgezogen. . .

Paris, 18. März. (W. T. B.) Nach den biz heute früh 2 Uhr vorliegenden Nachrichten ist die neue Rentenanleihe mehr als 30 Mal gezeichnet worden.

Verkehrs⸗Anstalten.

Wir machen auf eine im Inseratentheil veröffentlichte Bekannt- machung der Direltion der Cöln⸗Mindener Eisenbahn, die Unter⸗ brechumng des Betriebs der Venlo-⸗Hamburger Bahn bei Kirchweyhe betreffend, aufmerksam.

Berlin, 18. März 1881.

Von der Berliner Medaillenmünze von Ostermann, vormals Loos, ist auf die Vermäblung Ihrer Königlichen Hobeiten des Prinzen Wilhelm und der Prinzessin Victoria Augusta eine stattliche Medaille geprägt worden, Lie sich in dreifacher Ausfübrung, in Silber, Goldbronze und Kapfer— bronze, darbietet. Von dem Hof und Münzmedaillear W. Kull⸗ rich mod llirt, zeigt sie bei einem Durchmesser von etwas über 5 em in dem Avers unterbalb der Königskrone die einander zugekehrten, durch rorzügliche Porträtähnlick keit ausgezeichneten Profilreliefs der beiden Hoben Vermählten mit der Umschrist: „Wilhelm Pr. v. Preussen. Victoria Er. 2. Schlesw. Holst,. Der Revers trägt dagegen oberhalb der Unteischrift ‚Vermaeblt Berlin 27. Febr. 1851.“ die gefällig bewegte, nach einer Zeichnung von Ludwig Burger zier lich durchagefübrte Darstellung eines jungen Fürstenpaares in alt— deutscher Tracht, der Bräutigam gefolgt von einem Pagen mit dem preußischen, die ibm entgegenschreitende Braut ron einem anderen mit dem schleewwGabolsteiniscen Wappen, während zwischen den beiden Hauptfiguren, die cinander die Hand reichen, ein dritter Page mit dem deutschen Reicht wapren dasteht. Den Debit der Merxaille kat der Hof ⸗Juwelier J. O. Werner übernommen, in dessen Etablissement, Friedrichstr. 73, sie in den verschiedenen Aus führungen aus gestellt ist.

Am Dennerstag Abend keging die Berliner Stadtmission im Dem ibr Jahretfest. Der Missiontinspeltor, Prediger Hoff mann, berichtete über die Thätigkeit der Berliner Stadtmission. Im vergangenen Jabre baben die Berliner Stadimissionare 58 460 Besuche, darunter 5770 Krankenbesuche gemacht. 3400 Kinder baben die Missienare ungetauft rveraefunden, und mebr als 1200 Matter baben auf Verarlassung der Missionare ihre Kinder nachträglich taufen lassen. Von 9090 kirchlich nicht getrauten Eberaaren ist et den Stadtmissienaren gelungen, 149 zu deranlassen, den kirchlichen Segen nachjusuchen. Mehr alt 2000 Kinder besuchen auf Veranlas · sung der Missionare die Sonntaggschule, und viele Männer, Frauen urd Jünglinge die ven der Stadtmisston eingerichteten. Bet. und Bibelstuͤr den. Die Stadtmissionare sind ferner kemüht, den auf dem Srandauer Schiffabrtekanal sich aufbaltenden Y Schiffern da Wort Gotteg u überbringen. Auch für die entlassenen Straf- gefangenen ist die Berliner Stadtmissien zu sorgen kemäbt. Ge ist der Ginrsm en lungen, 1440 entlassenen Strafgefangenen Arbeit, Wohnung und EGssen ju rerschaffen. In der Nähe von Köpenick ist auf Veranlassung der Stadimission eine Arbeiterwerknätte errichtet worden, in der stettz 5 12 Mann Arbeit finden kann. Allerdings ist diese Arbeit der 238 Ber⸗ liner Stadtmissiorare, an deren Spitze drel Prediger al⸗ JInsvel · teren steber, eine sauere; beilsam und wünschentwerth wäre ee, wenn man die Zabl der Berliner Stadtmissionare vermebren lönnte. Bereit baben sich in den Provinzen Vereine gebildet, die für dat Werk der Berliner Stadtmisssen Gelder sammeln.

Neich tags Angelegenheiten.

Ter jeßt dem RNeihtiaze skerge benen Schlufjusammen stellung

der Matt italatbeiträge für Ibs sz enteckmen reit folgerde

Daten: Die baat im jablenden Mattikalatbeiträge für 1831 82 be-

Am Sgnntag, den 20. Märj, mwischen 11“ und 1 Ugr, findet (ine Vorbesichtigung dez nach dem Föll nischen Rath bause, Breite Strafe Wa, rerlegten Märtkischen Proninzial⸗

. der Räumlichkeiten nicht statt. Am 28. d. M. wird das useum sodann det öffentlichen Benutzung übergeben werden.

Zu. dieser Wiedereröffnung erschien ein Führer durch das Köllnische Ratbhaus“, im Auftrage der städtischen Behörden herausgegeben von der Direltion des Museumg. (Mit einem Plan desselben. Beilin 1881. Buchdruderti von H. Theinhardt) Be⸗ kanntlich wurde das Märkische Museum im Jahre 1874 im Berlini⸗ schen Rathhause begründet und 1875 nach dem Sparkassengebäude in der Klosterstraße 68 verlegt. Inzwischen aber sind die Sammlungen dermaßen angewachsen, daß die dort verfügbaren Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten und ihnen die größeren Lokalitäten des Köll⸗ nischen Rathhause überwiesen werden mußten, in welche sie seit dem 1. August 1880 eingezogen sind. Der Ausbau des Hauses, die in· nere Einrichtung, die Aufstellung und Ordaung hat mehrere Monate in Anspruch genommen, sodaß das Museum seitdem geschlossen bleiben mußte. In den neuen Räumen präsentiren sich die bereits recht reichhaltigen Sammlungen bei Weitem stattlicher. An der Hand des vorgenannten Führers treten wir zunächst in den Vorflur, in welchem zur Linken eine Eisentafel die Geschichte des Hauses erzählt. Dasselbe ist danach in den Jabren 1710 bis 1721 erbaut, nachdem der ältere Bau (von 1442 bezw. 1612) abgebrochen worden, und hat hierauf den städtischen und auch militärischen Bebörden als Sitz gedient. 1739 bis 1868 bot es dem eingeäscherten Köllnischen Gymnasium (jetzt im Neubau an der Wallstraße) ein Aspl und ron 1822 is 1879 den Stadtverordneten Räume zu ihren Beratbungen. Seit dem Jahre 1870 war es Sitz der Verwaltung des flädtischen Erleuchtungswesens. Gegenwärtig aber, nachdem die letztgenannte Behörde nach der Waisenstraße verlegt ist. befinden sich im Köll nischen Rgthhause außer dem Märkischen Museum: das Statistische und das Wablbureau, der Stadtausschuß, die Gewerbe Deputation, das Königliche Bezirke⸗Berwaltungsgericht und das Standesamt Nr. 1. (Ausführliches über die Geschichte des Rathhauses, welches u. A. auch in den Ereignissen des Jahres 1848 eine Rolle gespielt hat, ergiebt der einleitende geschichtliche Abschnitt des Führers.) Ein auf dem Titel elngedruckter Holzschnitt zeigt den Bau, wie er sich im Jahre 1700 darstellte. In dem Vorflur haben 2 Taufsteine ihren Platz , ein ftühmittelalterlicher aus der Kirche zu Tempelhof (im bvzantinischen Styl mit arabischen Verzierungen und Templerkreuzen) und ein dem 16. Jahrhundert angehöriger, aus der Kirche zu Köpenick. Auf der anderen Seite ist einer jener Gletschertrichter zu sehen, deren Auffindung in den er dorfer Kallbergen seiner Zeit so großes Aufsehen erregte. Das Museum selbst befindet sich in dem ersten Stockwerk und zerfällt in folgende Abtheilungen: 1) eine offene Vorhalle, in welcher Gegenstände des Innungewesens und architektonische Objekte des 16. und 17. Jahrhunderts, mittelalterliche oder spätere ge⸗ schnitzte, auch gemalte kirchliche Bildwerke aufbewahrt werden. Dann folgt I) der große Saal. enthaltend die Gegenstände der geschicht⸗ lichen Zeit, und zwar a) die aus der Gegenwart (1849 bis jetzt); b) aus der Periode von 1786 bis 1840 (dabei die die ältere Strafrechts pflege betreffenden und andere damit in Beziehung stehende Gegenstände); c) aus der Periode des Zopf⸗ und Barock⸗ styls (1650 bis 1786), nebst Werken der. Buchdrucker kunst und. Gewerktsladen; d) aus der Renaissancezeit (ca. 1509 his 1660); e) aus dem Mittelalter (1150 bis ea. 1509. Zaei weitere Säle sind der vorgeschichtlichen Abtheilung gewid⸗ met; dieselbe ist nach Kreisen und Landschaften geordnet: im ersten Saal die Altmark, Priegnitz, Mittelmark, Uckermark und Neumark; im zweiten Saal die Lausitz, soweit sie zur Propinz Brandenburg geböͤrt, und eine vergleichende (nichtmärkische) Abtbeilung. An den Wänken lagern die größeren Stein⸗ oder Hojobjekte. Der 4. Saal umfaßt die anthrorologische und urgeschichtliche Sammlung, letztere mit vielen Funden aus dem Diluvium. Das Erdgeschoß enthält endlich, nach der Scharrenstraße hin, ein Lapidarlum zur Aufstellung größerer Steinobjekte. Dem gut ausgestatteten Führer ist en Übersichtlicher Grundriß des Museums beigegeben.

Am Sonntag, den 27. März, 12 Uhr, findet, wie alljährlich, im Königlichen Opernhause eine Matinse des engagirten Königlichen Theater- Chor-Peronals statt. Diese Matin sen erfreuen sich seit Jahren der größten Theilnabme des Publikums und bieten demselben Gelegenheit, alle ersten Größen unserer Königlichen Bühne auf einmal zu Gehör zu bekommen,. Ganz besonderg sei auf die Aufführung der komischen Operette in 1 Akt Der Schauspiel direktor“, für die hiesige Bühne eingerichtet von L. Schneider, Musik von Mozart, aufmerksam gemacht, welche Qperette zum Geburtetage Sr. Majestät des Kaisers im Schlosse jur Aufführung gelangen sollte. Wir werden seiner Zeit noch ausführlich uber das Programm be— richten.

Im Circus Renj fand gestern eine Gala ⸗Vorstellung“ zum Benefiz für Hrn. Fr. Renz statt. Der Benefiziant hatte schon durch die Zusammenstellung des Programms dafür gesorgt, dem Freunde der böberen Reitkunst und Pferdedressur recht Sebentwerthes zu bieten. So führte Hr. Renz zum ersten Male den von ihm in ẽü dressirten arabischen Vollblut ˖Schimmelhengst Harras, den Tremp⸗ lin⸗Springer“ vor. Die Ausbildung des schönen Thieres jeugte von der vollendeten Dressirkunst des Benefizlanten, die sich rornebmlich in der Sicherheit und Kraft dei Pferdes im Springen bekundete. Am meisten Bewunderung erregte der Schluß der Produktion, als der Hengst verschiedene bohe und breite Objekte und sogar mebrere Pferde, vom Tremplin (Schwung brett) aus, im Tempo mit großer Eleganz übersprang. Eine Dressur in dieser Art dürfte bisher schwerlich in einem Circus gesehen wor- den sein. Eine gleich sehentwerthe bildete die Vorführung von acht Schimmelhengsten Bene⸗ fiüianten, welche der Letztere in einem gleichfalls bie ber neuen Genre drissirt bat. Die Pferde, welche sich durch sebt schnen Bau auszeichnen, machen alle Gangarten der hoben Schule obne Musilbegleitung und zum Schluß schauleln sich jwei der Hengste auf einem Balar eite nach dem Talte der Musik, eige sär die Thiere überaus schwierige Uebung. welcke dem Dresseur viele Mühe gekostet baben muß und welche man bisher noch nicht ju sehen bekommen bat. Or. Renz ritt außerdem gestern nech das Schulvferd Neger, einen prächtigen Rarren, ia der bohen Schule und bewährte sich biermit ebenso als auggezeichneter Hobheschule Reiter wie in den oben gedachten Produktionen als Dresseur. Neben den L istun⸗ gen deg Vaters mögen Lie seines jebnjährigen Sobneg Dekar, der zu den besten Heffaungen für seine Kanst berechtigt, nicht unerwähnt bleiben. Derselbe ritt zunächst mit 15 Ponons elne n, Post mit einer für seine Jabre staunengzwertben Sicher

Et und Verre und einte durch seinen Ritt auf dem verjäbrigen

Sprinzꝑferde EGlisabetb⸗, daß on jeßt dag Zeug ju einem tüch⸗ tigen Schulreiter in ibm stect, wie auch das kübne Ueber⸗ springen von boben Barrieren seine Festigkeit im Sattel be⸗ kundet. Vater und Sohn erndteten wiederbolt lebhaften Bei⸗ fall. Taß auch gestern die übrigen Nummern des reich⸗ baltigen Programme mannizsache Abwechselung und Uaterbaltun brachten, braucht nicht erst hervorgehoben ju werden, namentlich gesie wiederum die beliebte Pantomime Der Rattenfänger von Hameln“. Schließlich mögen wir nicht unterlassen, darauf anfmerksam zu machen, daß Hert Direktor Renz bereitz am nächsten Montag, den 21. d. M., seine letzte Vorstellung während dieser Saison in Berlin giebt.

Nummer durch den

Redacteur: Riedel.

Verlag der Gwedition (Ressel). Fünf Beilagen (einschließlich Böorsen · Bellage)

Druck! M. G19.

Gerl! l!e:

Musenm é stait, ju welcker die Direktien Einladungen ausgegeben bar. Gine besendete Gräffaungzseierlichkeit findet wegen der Be—⸗

M 66.

—ᷣ ö ; 2 ö. x. m,

Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Käniglich Preußischen Staats⸗Anzeiger

Berlin, Freitag, den 18. März

(Schluß aus dem Hauptblatt.)

Demnächst nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath Königlich württembergische ber u eu von Schmid das Wort:

Meine Herten! Die Angriffe, welche der Hr. Abg. Sonnemann gegen einen in den letzten Tagen gefaßten Beschluß der württem bergischen Abgeordnetenkammer gerichtet bat; veranlassen mich, das Wort zu nehmen. Der betreffende Beschluß der württembergischen Abgeordnetenkammer geht dahin: die Königlich württemberaische Staatsregierung wolle zu ihrem Theil dahin wirken, daß im Reich das Tabaksmonoyol eingeführt werde. Meine Herren, die Idee des Monopols ist in Württemberg, wie in den Kreisen der Regierung, so in den breitesten Schichten des Volks keine neue, sie ist eine traditionelle; der Standpunkt des Monopols kam bereits anfangs der siebziger Jahre zu einem ganz positiven Ausdruck, und in wieder⸗ holter Stellungnahme in den Jahren 1875 und 1879 sprach sich dersel be Gedanke mit derselben Bestimmtheit aus, und schon aus dieser geschichtlicken Entwickelung ergiebt ich, daß das Motiv, welches der Hr. Abg. Sonnemann in seinen Angriffen dem Beschluß der württembergischen Abgeordnetenkammer unterstellt hat, ein nicht ganz, jedenfalls nicht ausschließlich zutreffendes fein kann.

Wenn nun aber der Herr Abgeordnete es für gut gefun den bat,

gewissermaßen eine kritische Sichtung und Scheidung unter den Ab— geordneten, welche für den Monopolgedanken, und denjrnigen, welche gegen denselben gestimmt haben, vorjunehmen, so möchte ich doch der Ansicht sein, das bier der Herr Abgeordnete eigentlich seine Kompe⸗ tenz in sehr erheblichem Maß überschritten haben wird. Hiergegen muß man protestiren, daß nach der Qualität, nach Stand und Beruf der einzelnen Abgeordneten auf ihre Ueberzeugungen ein Schluß in der Form schließlich einer Verdächtigung gejogen wird. Meine Herren, die Abgeordneten, welche für bas Monopol vo⸗ tirt, haben eben auch mit Rücksicht auf ihr besten Wiffen und Ge— wissen, auf ihren Eid hin sich fo aut gesprocben, und es ist durchaus unzulässig, was der Herr Abgeordnete versucht hat, hier aewisser · maßen ibnen Motive zu unterstellen oder Breinflussungen, welche in aller Welt von ihm nie und nimmer beweisbar sind. Ich halte es für durchaus unnöthig, in dieser Beziehung des näheren auf daz ein zugehen, was der Herr Abgeordnete vorgetragen hat, (s genügt hier der einfache Protest gegen den Versuch, Männer zu verdächtigen, die über jede Verdächtigung erhaben sind. Meine Herren, waz Sie für sich beanspruchen, Unabhängigkeit der Gesinnung, Unabhängigkeit des Charakters, das müssen Sie auch für jene Männer ganz unbedingt und frei zugeben. So liegt die Sache in diefem Betreff.

Dann hat der Herr Abgeordnete bemerkt, der Führer der Mor oꝝxolpartei in Württemberg, der Abg. Mort Mohl, hätte sich im Jahre 1867 noch gegen dag Monopol ausgesprochen. Der Herr Abgeordnete hat aber vergessen anzuführen, was der Abg. Mohl auf den Vorhalt, der ihm in diefer Beziehung gemacht worden ist, selbst erwidert hat. Der Abg. Mohl bat auf die sehr wesentlich veränderten Gestaltungen infolge namentlich der Neubildung det Deutschen Reichs und der dadurch beeinflußten Finanzlage auch der Einzelstaaten hingewiesen. Er hat darin das Motiv gefunden, welches ihn zu seiner Stellungnahme für das Monopol namentlich veranlaßt hat. Meine Herren, in dreizehn Jabren könnte man abgesehen von großen politifchen und wirtbhschaft⸗ lichen Veränderungen und Esolutionen, wie sie hie vorliegen, zu einer anderen Ueberzeugung kommen, denn es ist meines Erachtens noch nie eine Schande gewesen, wenn man eine Ansicht, die man früher gehabt, deshalb aufgiebt, weil man nun 'einer be sseren Ansicht sich zuwendet.

Meine Herren, ich möchte noch anführen, daß von dieser Seite, von dem Hrn. Abg. Sonnemann wohl gegen einen Beschluß der württembergischen Kammern in umgekehrter Richtang fein Angriff die ser Art erfolgt wäre; so viel sieht unter allen Üaständen fest. Aber ich muß doch für die württembergische Kammer vindi siren, doß sie innerhalb ihrer Kompetenz gebandelt hat, und fo viel Gerechtigkeit kann ich auch von Ihaen beanspruchen, daß Sie den Satz in diefer Beziebung zum praftischen Aundruck bringen: Gai suo jure utitur, neminem laedit.

Der Abg. Dr. Buhl erklärte, trotz der Ausführungen des Unter⸗Staatesekretärs von Mayr halte er den Reichstag voll⸗ kommen für berechtigt, der Konkurrenz, welche die Straßburger Manufaktur der deutschen Privatindustrie mache, entgegen⸗ zutreten, weil durch die Schädigung der Privatindustrie auch die w, , . aus den Zöllen geschmälert würden. Wenn die Konkurrenz unter gleichen Bedingungen statt⸗ fände, würde sich gegen dieselbe weniger einwenden lassen, aber schon der Titel „Kaiserliche Manufaktur“ gebe derselben ein Uebergewicht? über die Privatindustrie, weil sehr viele Abnehmer, wie Beamte, Offizierkasinos u. s. w. sich hierdurch bestimmen ließen, ihren ch n von dort zu be⸗ iehen. Hierzu komme, daß der Werth der Straßburger Fabriken außerordentlich niedrig veranschlagt sei und deshalb eine sehr niedrige Amortisationsquote in Rechnung gestellt werde. Der Unter⸗-Staatssefretär von Mayr selbst habe dies soeben bestätigt, indem derselbe angegeben habe, daß ein großer Theil der sieben Millionen auf Tabaksvorräthe gerechnet wor— den sei, Unter so günstigen Bedingungen könne die Privat— industrie nicht arbeiten und ihre Beschwerden über ungleiche Konkurrenz seien deshalb vollkommen gerechtfertigt. Was die Frage des Tabaksmonopols betreffe, so bedauere er lebhaft, daß hierdurch in alle Interessentenkreise wieder eine große Beunruhigung getragen worden sei. Seine Partei stehe vollkommen noch auf dem Standpunkt des vorigen Jahres, wo der Reichetag entschieden Stellung gegen das Monopol enommen ** das Tabakssteuergesetz sei erst ein Jahr alt.

dasselbe bis jetzt einen sehr 1 Ertrag geliefert habe, sei 63 hen gewesen. Die Schuld * die Re⸗ Rierung, welche sie versäumt har rechtzeitig ein Sperrgesetz einzubringen und der Spekulation dadurch die Möglichkeit gegeben habe, große Vorräthe noch zu niedrigen Zollsätzen einzuführen. Die 6 n Zahlen über den einheimischen Tabaksbau der im letzten Jahre allerdings gestiegen fei, aber noch nicht die frühere he erreicht habe sowile über die Gum eme des Importg bewiesen, daß bei normaler Ent— widelung das jetzige Tabakasteuergesetz der Neichskasse mehr als 50 Millionen liesern werde. Durch die fortwährende Storung und Beunruhigung der Industrie werde diese Ent⸗ wickelung nothwendig verhindert.

Der Abg. Dr. Blum bemerkte, daß er vor einem Jahr die Befürchtung hier ausgesprochen habe, der Tabalsbau werde durch vers pätete Bekanntmachung der Aus führungeverordnungen unvorbereitet getroffen werden, und dadurch zu Schaden lom— men, Diese Befürchiung sei in vollem Maße eingetreten, denn die Diensivorschriften vom 4. Juni seien erschienen, und seien in Haden ersi bekannt geworden, nachdem der Tabak schon gepflanzt gewesen sei, den Vorschristen entgegen. Man habe

gehören, daß die Landtages heute hier nicht durch einen Abgeordneten, sondern

und es sei nur durch hohe Intervention gelungen, vom Tabaksbau den Schaden abzuwenden, der demselben durch verspãtete Bekanntmachung der Vorschriften erwachsen sei. Was die Tabaksmanufaktur in Straßburg betreffe, so sei dieselbe dem Redner vorzugsweise als Agita— tionsinstitut bekannt. Sie habe zunächst in Baden eine Anzahl abriken gekauft, um den dortigen Fabrikanten mit ihren reichen Mitteln Konkurrenz zu machen. Nachdem da— Durch ein Theil der schwächeren Fabrikanten erschreckt Ver—

der Fabriken für den Fall der Einführung des Monopols zu unterrichten und dabei Drohungen wegen der alsbald eintre— tenden noch schärferen Konkurrenz auszusprechen. Gegenüber den Händlern mit Tabaksfabritaten hätten die Reisenden der Straßburger Fabrik vielfach die Drohung angewendet, daß nur diejenigen, welche mit der Manufaktur jetzt in Verbin— dung träten, Aussicht auf Tabaksdebit hätten bei Einführung des Monopols. Endlich unter den Tabaksarbeitern seien freiwillige Agitatoren aufgetreten, welche den Arbeitern in Aussicht gestellt hätten, daß bei der nahe bevor⸗ stehenden Einführung des Monopols nur den' bei der Manufaktur verwendeten Arbeitern weitere Verwendung sicher sei. Auf solche Weise beunruhige die Straßburger Manufaktur und ihre freiwilligen Mitarbeiter die bestehende Tabaksindustrie.

das Monopol und seine Bedingungen nicht kennten. Es sei vorauszusehen, daß diese Frage bei den Wahlen eine große Rolle spielen werde, und es fei Sache der Gegner des Tabaks⸗ monopols, zu denen er gehöre, die Wähler über die Nachtheile desselben aufzuklären. Nicht nur das Monopol an sich, son⸗ dern besonders die Einführung desselben gegen eine große verbreitete Privatindustrie sei das Gefährliche, denn vielleicht eine halbe Million Menschen würde dadurch brodlos werden. Solcher Industriellen, welche durch das Monopol ruinirt würden, gebe es in der That in Württemberg wenig. Daher erinnere das Vorgehen der württembergischen Kammer für das Tabaksmonopol gegenüber seiner Heimath an das be— kannte scherzhafte Gebet an den heiligen Florian: „O, heiliger Florian, 3. mein Haus, zünd' andere an.“

Der Abg. Richter betonte, wenn in einer Landesvertre— tung, wie die württembergische Kammer, 12 Vertreter der Ritterschaft, 6 Prälaten, ein Domkapitular, ein Dekan, ein Kanzler und andere Personen, die nicht gewählt seien, son⸗

befänden, so habe eine solche Volksvertretung viel geringere Bedeutung als eine gewählte, die der Gesinnung des Volkes unmittelbar Ausdruck gebe. Wenn ferner 14 Verwaltungs⸗ beamte für das Monopol gestimmt hätten, so sei dabei auch zu erwägen, daß ein Staatsbeamter sehr leicht die Vorzüge der Staatsverwaltung zu überschätzen geneigt sei. Auf ihn würde es viel mehr Eindruck gemacht haben, wenn Männer des praktischen Lebens sich für das Monopol ausgesprochen hätten. Zu den Symptomen des württembergischen Staatswesens Vertretung des württembergischen einen abhängigen Ministerialbeamten geführt worden sei. Die Hauptsache scheine ihm bei der heutigen Frage ber Straßburger Manufaktur, daß der Vertreter der elsaß loth—

ringischen Verwaltung heute nackt und klar proklamirt habe: die Staatsindustrie sei ebenso berechtigt wie die Privat-

industrie und könne derselben auf der Grundlage der Ge— werbefreiheit jede Konkurrenz machen, die die Privatindustrie sich untereinander mache. Dabei werde übersehen, daß der Private für seinen Geschäftsbetrieb mit seinem Geldbeutel ein— trete, während für das Geschäft einer Staatsverwaltung die Steuerzahler das Risiko trügen, nicht Unter⸗-Staatssekretär von Mayr, der sich, wenn das Geschäft schlecht gehe, vielleicht gar nicht mehr auf seinem Platze befinde. Daß der Landesausschuß die Sache billige, beweise wenig, da spielten verschiedene Verhältnisse mit; er und seine politischen Freunde würden die Sache gar nicht digkutiren, wenn sich der

ine solche Staats lonkurrenz verfüge ja über ganz überlegene Mittel. Die Straßburger Manufaltur habe sich so beeilt, vor der Zollerhöhung Rohtabak einzuführen, daß in folgenden Jahren sür den Ankauf von Tabak nur ganz geringe Summen angeführt seien. Die Privaten hätten das auch gethan, ihre Geldmittel aber seien natürlich beschränkt gegen die der Ma— nufaktur gewesen; so habe die Reichs verwaltung in Elsaß egen das Reich, der Reichskanzler gegen den Reichskanzler pekulirt. Was solle daraus werden, wenn sich die Staat industrie anderer Länder an dem Vorgehen der Straß— burger Manufaktur ein Beispiel nehme und dazu übergehe im ganzen Reich scharse Konkurrenz mit der Privatindustrie zu treiben. Welche Verhältnisse im Reich müßten daraus ent— stehen? Das Prinzip der Gewerbefreiheit sei gleiches Recht, leiche Sonne, gleicher Wind; aber nicht Konkurrenz der erden dnl gegen die konzentrirte Macht des Staates. Gehe das so weiter auf dem Gebiete der Tabakgindustrie, des 6 und des Eisenbahnwesens, dann komme man der Verwirklichung des Sozialismus bald fo nahe, daß der Unterschied zwischen dem Reichskanzler und dem Abg. Bebel nur noch darin bestehe, in welcher Form alle diese Staatg⸗

——

zum Theil Umpflanzen des Tabaks nach Vorschrift verlangt

kaufsangebote an, die Straßburger Manufaktur gerichtet habe, habe man dort diese Gelegenheit benützt, sich über den Preis

Eine solche Agitation könne nur wirken, weil die Interessenten

dern Kraft der Repräsentation des Amtes darin säßen, sich

; bureaukratischen scheine ihm auch zu

Geschäftsbetrieb nur auf Elsaß⸗Lothringen beschränken würde. Hier liege derselbe Fall vor wie bei der Konkurrenz der preußischen Staatsbahnen gegen die anderer deutscher Staaten. ar n. die Staatsmacht in die private Industrie über.

——

.

nicht genügend instruirt. Ueber das Tabaks monopol habe sich Minister von Boetticher auch nicht äußern können, solche Za⸗ rückhaltung werde am Regierungstisch doch sonst nicht geübt, wenn es gelte, über die Integrität des deutschen Richterstandes wund der Berliner Kommunalverwaltung und über andere Fragen, die weit von der Reichskompetenz ablägen, ein Urtheil zu fällen. Hier könne man eine offizielle Antwort er— warten und brauche sich nicht abweisen zu laffen von offiziöbsem Geklingel, von Telegrammen und Zeitungs⸗ artikeln, wie es jetzt wieder beginne. Mit dem Monoxol werde man bei den Wahlen kein Glück haben, die eine That⸗ sache, daß in Frankreich der billigste Rauchtabak zum Preise von 5 (S½ pro Pfund verkauft werde, schlage das Monopol nieder. Das Monopol vertheuere gerade den billigsten Tabak um 4 500 Prozent. Die feineren Tabake brächten doch nur eine ganz verschwindend kleine Summe ein. Unter den Ta— baksinteressenten sei aber doch Niemand so dumm, um nicht zu begreifen, daß, je theurer der Tabak verkauft werde, um so weniger gebraucht werde, und je weniger geraucht werde, desto weniger könne gebaut werden, und je weniger gebaut werde, desto we⸗ niger werde fabrizirt und desto weniger Arbeiter würden be— schäftigt. Frankreichs Tabakskonsum betrage nur den dritten Theil von dem Deutschlands, und insbesondere würden weniger Ligarren geraucht, deren Herstellung am meisten Arbeiter be— schäftige. Das franzöfische Monopol beschäftige 16000 Ar⸗ beiter, die deutsche Tabaksindustrie 140 000 Arbeiter. In dem Kampfe um das Tabakamonopol wolle seine Partei sehr gern sich mit dem Kanzler bei den nächsten Wahlen messen. Vor einer Steuererhöhung durch diesen Reichstag sei man sicher nach seinem vorjährigen Beschluß. Das Reden über die Details habe hier gar keinen Zweck mehr. Gegen, den nächsten Reichstag sich zu sichern, hätten die Wähler selbst bessere Mittel als die Reden des Reichs⸗ tags ihnen böten. Die Tabaksinteressenten möchten daher den Reichstag mit ihren Eingaben verschonen und statt dessen besser für ihre Interessen sorgen, indem sie sich selbst an die Spitze der Wahlbewegung stellten. Sie möchten dafür sorgen, daß Keiner von denjenigen Herren wieder komme, die für das Tabaksmonopol seien, sie möchten von jedem Kandidaten eine klare Antwort fordern und keinem Konservativen gestatten, sich damit auszureden, daß ihm die Sache noch nicht ganz klar sei, und derselbe sich die Freiheit des Urtheils vorbehalte. Man werde für oder gegen das Tabaksmonopol eine klare Antwort geben müssen. Entweder schaffe der nächste Reichs⸗ tag eine Mehrheit, welche keinen Zweifel darüber aufkommen lasse, oder es komme ein Reichstag, bei dem nicht nur die Tabaksindustrie zu Grunde gehen werde, sondern noch viel⸗ mehr in Deutschland gefährdet sein werde.

Demnächst nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath Unter⸗-Staatssekretär Dr. von Mayr, wie folgt, das Wort: Meine Herren, gestatten Sie mir noch wenige Bemerkungen zu machen auf dasjenige, wag der Herr Abg. Bukl vorgebracht hat. Dabei konstatire ich ausdrücklich, daß ich immer nur vom Stand—˖ punkt der Abwehr spreche und daß ich es an sich, wie ich wiederhole, für wichtiger gehalten hätte, wenn die Frage der Straßburger Ma⸗ nufaktur bier nicht berührt worden wäre. Wenn aber Angriffe er folgt sind, sL müssen Sie auch mir das Recht zugestehen, sie im ein« elnen vom Standpunkt der Abwehr und nur von diesem zu besprechen. Meine Herren! Der Hr. Aba. Bubl bebt bervor, daß durch das Vorgeben der Straßburger Manufaktur die Industrie sebr ge—⸗ schädigt würde, daß die Arbeiter der Tabaktindustrie geschädigt wür⸗ den und daß ein Rückgang der Reicht einnahmen aus Tabak sich er— geben könnte. Meine Herren! Wie das letztere der Fall seig soll, ist mir, offen gestanden, nicht klar. Das wäre doch nur dann der Fall, wenn der Tabakkonsum abnähme. Wer aber im Einzelnen der Fabrikant ist, ob das eine Staatzunternebmung oder eir Privater ist, dads bat auf die Rentabilität des Tabakz für das Reich in Bezug auf den Betrag an Zöllen und Steuern absolut feinen Einfluß. Ja, meine Herren, wenn es wahr wäre, daß die Tabake. manufaltur zu Schleuderpreisen verkaufte, so daß jedermann nichts bessereg tbun könnte, als recht viel von diesen Cigarren sich anzu— schaffen, dann müßte grade ein solches Vorgeben der Manufaftur die Ginnahmen des Reichez noch steigern.

In welcher Weise eine Abnahme der Einnahmen dez Reiches sich ergeben sollte, ist also nicht ersichtlich.

Wag speziell die badischen Filialen betrifft, die auch der Hr.

Abg. Blum berührt bat, so ist insbesondere gar nicht zu entnehmen, wie aut dem Wechsel des Unternebmerg irgend welche Benach⸗ tbeiligung der Industrie oder der betreffenden Landestbeile bervor= gegangen sein sollte. Meine Herren! Die Arbeiter arbeiteten vorher bei einem Pri⸗ vaten, sie arbeiten jetzt bei einer Staatzaastalt und befinden sich dabei so ut wie vorber, tbeilweise kann ich sagen sogar besser, und was die Unternebmer betrifft, so ist ibnen in ganz lovaler und legaler Weise ihr Unternebmen abgekauft worden; sie sind also ibrerseitz keinegwege benachtbeiligt. Ich rermag durchaus nicht zu erseben, inwiefern diese Beschuldigung, daß die Industrie, spestell die Arbelter und die Reichte innahmen darunter leiden irgendwie begründet er scheint; denn, meine Herten, auch die Tabakgmanufaktur Straßburg beschäftigt ja Dentsche, wie soll also die deutsche Industrie, die deutschen Arbeiter dadurch irgendwie geschädigt sein!

Meine Herren! Der Hr. Abg. . bat dann vorgebracht, ich kann sagen, ich war einigermaßen überrascht, etwas wa in den Zeitungen allerdings schon vielfach vorgekommen war, aber von dem ich doch kaum geglaubt hätte, daß eh bier im Hause auch noch Ge— genfland der Digkussion bilden würde, bier vorgebracht ju seben, daß die Tabakgmanusaktur jsich Kaiserlich nennt. Meine Herren, der Hr. Abg. Bubl beschwert sich darüber, daß die Tabakamannfaktur in Straßburg sich Kasser⸗ liche Manufaktur nennt, wäbrend sie doch nur eine elsaß— lotbringische Landeganstalt sei. Ja, meine Herren, ich bin auch eln elsaß · lotbringischer Unter Staalshsekretär, nenne mich aber auch Kaiserlich, und wag spenell die Tabakömanufaktur in Straßburg betrifft so ist schon in einem elsaß ⸗lotbringischen Gesetz vom 11. No⸗

industrien verwaltet werden sollten. Es sei nicht Zufall, daß in dem Augenblick, wo der Reichstag sich gegen das Monopol erkläre, wie eine Antwort diese scharfe Konkurrenz der Straßburger Manufaktur beginne. Man wolle indirekt dag Monopol herbeiführen, indem man die Leute mürbe mache. Der Minister von Boetticher habe dem Hause wieder die bekannte Antwort gegeben, die Sache stehe nicht in den Akten. Wenn der Bundesrath so sortfahre zu sagen, es stehe nicht in seinen Akten, was alle Welt wisse, so beschreite

derselbe den Weg des alten deutschen Bundesraths, der auch in allen die Nation bewegenden Fragen erklärt habe, er sei!

woll ich sie berübren: wissen Sie, meine

vember 1877 augdrücklich die Bejeichnung „Kalserlicihe Tabakt.=

manusaktur gebraucht. Meine Herren, diese Bejelchnung Kalserli b“

ist allen Staatginstitutionen deg Reichg landegeigen und sist norb= wendig damit verbunden.

Ich bestteise nicht, wie wan aus dieser Bezeichnung irgend etwa von Angriffen gegen die Verwaltung der Manufaktur al- leiten kann. Aber, meine Derren, ein Kernen Wabrbest steckt dech, glaube ich, darin, und weil wir auf die gekommen sind

erten, was in den eigentlich am meisten Aerger ertent bat dag ist dag, daß in der Gigarrenfabrikation Sie verzeiben, daß ich in dag Detail eingebe, daß in der Gigarrensabrikation die Manusaktur Straßburg die erffe ist, die

Kreisen unserer Konkurrenten