1881 / 77 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 31 Mar 1881 18:00:01 GMT) scan diff

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fübrte Geschichte, doch jedenfalls eiren interessanten und durchaus nicht unwichtigen Beitrag . Zur Geschichte des vorm. König⸗

lichen Appellationsgerichts in Frankfurt a. Or, das bekanntlich seit dem 1. Okfober 1879 nach über 300jährigem Bestehen mit dem Kammergerichte in Berlin vereinigt wurde, vom Amte« gerichte Rath F. Bardt in Frankfurt a. O. Diese, wenngleich furze, Darstellung ist um so wichtiger, als es an einer Zusammen⸗ stellung geschichtlicher Nachrichten über die Entwickelung dieses jweiten Provinziat Gerichtsbofes der Mark bisber noch gänzlich gefeblt bat. Der Verfasser handelt in der vorstehenden Skizze über die Ent⸗ stehung des Gerichts, das aus dem Oofgericht bervor⸗ gegangen, über die Gründung des Hofaerichts in Cüstrin durch Markgraf. Jebann von der Neumark, seine weiteren Sckicksale, Verhältnisse und Entwickelung unter dem genaunten Markgrafen, nach dem Tode desselben im Jahre 1571 unter den Kurfürsten von Brandenburg und nachfolgenden Königen von Pren⸗ ßen im 16., 17.5, 18. und 19. Jahrh. bis zu seiner Aufhebung im Jabre 1879, über die Verlegung des Ober Landesgerichts von Cüstrin nach Soldin im Jahre 1809. über seine spätere nochmalige Ver legung von Soldin nach Frankfurt . O. im Mai 1815, seine Schicksale in Frankfurt a. O. und seine endliche Auflösung im Jahre 1879. Am augsführlichften, interessantesten und zugleich auch am wichtigsten sind der 2. und 3. Ahschnitt, welche über die zwei⸗ malige Verlegung des Ober Landes bezw. Appellationggerichts und von seinen Schicksalen wäbrend der Zeit von 1806—1815 berichten, denn diese beiden Abschnitte gründen sich auf die Generalakten des vormaligen Franksurter Appellationsgerichts (Gen. Sect. II. Nr. 24, 25 u. 27), deren Ginsicht vor ihrer Abgabe an das Kammer- gericht in Berlin dem Verfasser der vorstehenden Abhandlung ge— stattet worden war.

Die Buch ˖ und Antiquariat handlung von J. A. Starg ardt bierselbst (Jägerstraße 53) hat vor Kurzem über die von ihm ange— kaufte Bibliothek des vor einem Jahre verstorbenen Professors Aug. Hagen in Königsberg einen Katalog in 2 Abtheilungen veröffent⸗ licht. Die erste Abtheilung enthält in 822 Nummern ein Perzeich niß von geschichtlichen Werken. und jwar betreffen die ersten 416 Nummern besonders die Geschichte von Ost⸗ und Westpreußen, unter denen sich eine Menge wichtiger und zum Theil seltener Schriften befindet; die darauf folgenden 150 Nummern die Geschichte von Ruß⸗ land, Polen, Schweden, Ungarn und der Türkei. Ein Anhang ver= zeichnet in 255 Nummern verschiedene geschichtliche Werke (betreffend die allgemeine Geschichte, die deutsche Geschichte, Preußen, einzelne Städte, den Adel, Wappen u. s. w.. Eine Menge kleinerer Schriften, namentlich Dissertationen, sind hier in Sammelbänden vereinigt. Die zweite Abtheilung bietet in 1688 Nummern ein Verzeichniß von Sckriften, welche zunächst in 454 Nummern dat Thiater (die Schau—2— spielkuust im Allgemeinen, das Drama im Allgemeinen, einzelne Dramen und dramatische Dichter und deren Werke, Theaterzettel, Textbücher zu Opern, die Musik und ihre Geschichte, Hymnolegie, (inzelne berühmte Musiker, das Theater des Auslandes, insbesondere Shakespeare. Calderon, Goldoni u. s. w), sodann in einem 2. Ab⸗ schnitt von Nummer 455 an die deutsche Sprache und die Literatur im Algemeinen, sowie literarische Seltenbeiten betreffen. Viele Schriften beziehen sich auf Geethe und Schiller.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Cle ve, 28. März. An der hiesigen Landwirthschafts⸗ schule fand heute unter dem Vorsitze des Regierungk⸗ und Schul⸗

ratht Dr. Dyckhoff die Prüfung der Abiturienten statt. Es batten

sich7 Schüler dieser Prüfung unterzogen, und erhielten diestlben sämmtlich das Zeugniß der Reife und hiermit zugleich die Qualifi⸗ kation für den einjährig⸗freiwilligen Militärdienst.

Gewerbe und Sanben.

Der Kommerzienrath Louis Sy, zur Ziit alleiniger In baber der durch ihre tünstlerischen Leistungen berübmten Silber waaren⸗ Firma Sy u. Wagner, ist gestern auf seiner Besitzung in Charlottenburg gestorben.

Die Meckenburgische Hypotheken: und Wechsel⸗ bank veröffentlicht soeben die Liste der am 28. März er. ausgeloosten Magen und 410igen Pfandbriefe, deren Beträge am 1. Juli resp. 1. Oktober d. J. faͤllig werden. Mit dieser Verloosung ist der Rest der noch eirkulirenden So cigen Pfandbriefe gekündigt worden, die also mit dem 1. Juli aus dem Verkebr verschwinden. Die Direktion des Instituts tbeilt zugleich die Restantenliste solcher Pfandbriefe mit, welche früber verloost, aber seitber zur Einlösung nicht präsentirt sind; wir weisen diesbezüglich noch besonders auf das Inserat hin.

Dortmund, 28. Märr. (Ess. Ztg.) Die Lage des Eisen« geschäfts ist in der verflossenen Woche so miemlich unverändert geblieben. Die Hechofenindustrie leidet noch immer unter dem Drucke der Schwankungen und Preisrückgänge des Englischen und Schottischen Roheisens, sowie unter dem in letzterer Zeit wieder stärker hervortretenden Angebot. Seitens der englischen Konkurrenz. In Stabeisen bat der schleppende Geschäftsgang der letzten Wochen angehalten, doch sind die größeren Werke darin im Ganzen gut besetzt und darum auch in der Lage, die Preise hoch zu halten. So fordert der Hörder Verein nech pro II. Quartal 118 t pro 1060 Kg (Grundpreis) und die Dortmunder Union, die sehr stark in Stabeisen beschäftigt ist, noch mebr, während kleinere Werte, die noch gut eue Anfträge placiren können, billiger ab⸗ geben. Das Ehrenfelder Waliwerk ju Ehrenfeld bei Cöln offerirte . B. bei der vor einigen Tagen abgehaltenen Submission der Rheini⸗ schen Eisenbahn Stabeisen, flach, rund und Quadrat, schon zu 1I4,7I5 M pro 1009 Eg (Grundpreis), wobei freilich in Betracht kommt, daß es sich dabei um daz ansehnliche Quantum von 1000000 kg handelte und der Preig netto gegen Kassa gilt. In Fagoneisen urd Trägerei)en bat sich der Bedarf etwas ver⸗ größert, ersteres in Folge seiner Verwendung bei den in letzter Zeit erfolgten Bestellungen auf Brückenkonstruktjonen und letzteres wegen der wieder beginnenden Bautbätigkeit. Bleche sind noch immer etwas vernachlässigt, doch baben die renommirten Blechwaljwerke recht lebhaft ju thun, um die ibnen früber jugegangenen Aufträge zu erledigen. Wal zdrabt bat andauernd guten Verkehr aufzuweisen. Am bisten sind aber nech immer die Schiene nwalijwer ke beschaͤstigt. Für die Maschinenfabriken hat die Einfübrung deöß Thomas Gil⸗ christschen Verfahreng zur Entphofpborung des Robeisens bedeutende Aafträge zur Folge gehabt, indem die betreffenden Werke zbeils zu großartigen Neubauten, tbeils zum Umbau bestebhender Werke mit größtentheilg neuen maschinellen Einrichtungen übergegangen sind. Auch die in der Anlage oder im Umbau begriffenen Aufbereitunge⸗ anstalten der Zechen fübren den Maschinensabriken bedeutende Au- träge zu. In der Koblenindustrie dauert die Geschäftsstille an und auch in Kokes bat eine Akschwächung deg Verkebrg statt⸗ gefunden.

Nürnberg, 30. März (6Hopfenmarktbericht von Leorold Held, Hersenkommissionegesckäst. Seit Beginn dieser Woche wur⸗ den am Markt ca. 1590 Ballen umgesetzt. In dieser Ziffer sind eirige Posten alte Hepfen, welche zum Preise von 40 60 S ver⸗ kaust wurden, mit einbegriffen. Die Zufuhren bleiben belangloz und erreichen selbst die minimale Größe der obengena anten Verkauftzabl nicht. Slimmung und Preiestand sind unverändert fest.

Berlin, 31. März 1881.

Zum Verkehrsleben Berling.

Seitdem Verlin die Hauptstadt des Deutschen Reiches ge⸗ warden ist, hat sich sein Verlehr in ungewöhnlichem Maße hoben. Es ist interessant, dies an der Entwickelung des erliner Post⸗ und Telegraphenverkehrs, als eines sicheren Barometers des allgemeinen Verkehrs, während des letzten Jahrzehends zu verfolgen.

Zum allgemeinen Ueberblick wird vorausgeschickt, daß während von 1870 bis 1880 die Bevölkerung der Reichs⸗ hauptstadt sich von 702437 auf 1122 385 Seelen, also um 59 Proz., vergrößert hat, die Gesammtziffer des Berliner Post- und Telegraphenverkehrs eine Steigerung der Sendun⸗ gen von 11514 Millionen auf 26816 Millionen oder von 123 Proz. aufweist, und daß die Einnahmen aus diesem Verkehr sich von 6 624166 M im Jahre 1870 auf 14487 613 S im Jahre 1880, oder um 118 Proz., erhöht haben. An dem auf 1366 Millionen Sendungen zu beziffern⸗ den Gesammt⸗Post⸗ und Telegraphenverkehr des Reichs⸗Post⸗ gebiets im Jahre 1880 hat Berlin sich mit 19 Proz. bethei⸗ ligt; sein Antheil an den auf 136 042 684 4606 sich belaufenden Gesammteinnahmen der Reichs-Post- und Telegraphenverwal—⸗ tung während dieses Jahres beträgt 10 Proz.

Unter den 26816 Millionen Sendungen des Jahres 1880 befanden sich, nach Gattungen getrennt, 1601 Millionen Briefe und Postkarten, 83163 Millionen Zeitungen, 111 Mil⸗ lionen Paket-⸗, Gel- und Werthsendungen, und 3 Millionen Telegramme.

Die Summen des durch die Berliner Postanstalten ver— mittelten Geldverkehrs haben sich von 1638 Millionen Mark im Jahre 1870 auf 2814 Millionen, also nahezu 3 Mil— liarden Mark im Jahre 1880 erhöht.

Die Zunahme betrug 71 Proz. Die Zahl der durch die bestellenden Boten in die Häuser gebrachten Sendungen hat sich von 281 Millionen im Jahre 1870 auf S3'/9 Millionen im Jahre 1860, mithin um 195 Proz. vermehrt. Diese außer⸗ ordentliche Steigerung erklärt sich zum Theil aus dem Um⸗ stande, daß seit 1871 die Bestelleinrichtung auch auf Geld⸗ briefe, Werthpackete und Postanweisungen ausgedehnt worden ist, zum anderen Theile aber aus dem Anwachsen des räum⸗ lichen Umfanges der Stadt. Beide Ursachen haben auch die erstaunliche Zunahme der Stadt sendungen, d. h. der in Berlin selbst an Berliner Adressaten eingelie jerten Sendun— gen, hervorgerufen. Im Jahre 1870 gab es K / z Millionen solcher Sendungen, 1380 dagegen 391,3 Millionen, was einer Zunahme von 324 Proz, entspricht. Wahrhast überraschend ist die Steigerung der im Stadtverkehr vermittelten Werth⸗ summen, welche von 4 Millionen Mark im Jahre 1870 auf 114 Millionen Mark im Jahre 1880 gestiegen sind, so daß eine Zunahme von 2768 Proz, vorliegt.

Dieser gewaltigen Verkehrszunahme in allen. Zwei gen entspricht die Vermehrung und vielseitigere Ausbildung der Betriebsmittel.

Die Zahl der Verkehrsanstalten bezifferte sich 1870 auf 39 Post- und 18 Telegraphenanstalten, im Ganzen auf 57 Betriebsstellen. Im Jahre 1880 bestanden dagegen 170 Betriebsstellen, nämlich 97 Postämter, 50 Telegraphenämter und 23 Rohrpostämter. Die Vermehrung beträgt mithin 198 Proz. Zur Ergänzung der Verkehrsanstalten behufs Er⸗ leichterung des Verkaufs von Postwerthzeichen sind im Jahre 1872 amtliche Verkaufsstellen ins Leben gerufen, deren es 1880 eine Anzahl von 112 gab. Zur Einsammlung der Briefe waren 1870 im Weichbilde von Berlin 281 Han fte fen, vor⸗ handen, 1880 aber 477 Stück, also 69 Proz. mehr.

Das Personal der Berliner Verkehrsanstalten setzte sich 1870 aus 2664 Beamken, Unterbeamten und Postillonen zu⸗ sammen, 1880 dagegen aus 5215 solchen Personen. Hiervon waren 1879 im Bestelldienste 56! Personen, 1880 aber in dieser Weise 1282 Personen beschäftigt.

Zur Verbindung Berlins dienten nach Außen im Jahre 1870 täglich 118 Postbeförderungs-Gelegenheiten Eisenbahnzüge, Personenposten, Güterposten, Privatfuhrwerke und Pferdebahnen mit regelmäßiger Postsachenbeförderung —, während 1880 die Anzahl dieser täglich benutzten Beförde⸗ rungsgelegenheiten 311 betrug, oder 163 Proz. mehr. Zur Unterhaltung der Verbindungen zwischen den Post⸗ anstalten untereinander und den Bahnhöfen wurden 1870 täglich 499 Fahrten und Botengänge verrichtet. Im Jahre 1880 belies sich die Zahl dieser Verbindungen auf 1264 täglich, was eine Vermehrung von 153 Proz ergiebt. Die tägliche Zahl der Fahrten zur Bestelluug der Packete in der Stadt bezifferte sich 1870 auf 61 und 1880 auf 140 Fahrten.

Die Postfuhrleistungen in Berlin bedingen die Unter⸗ haltung von 503 Pferden mit 370 Postillonen und 791 Wagen. Die Posthalterei verrichtet gegenwärtig jährlich 50 800 Packetbestellungefahrten und 317 811 Bahnhofs⸗ und Stadtpostfahrten.

Wesentliche Fortschritte sind hinsichtlich der Tele⸗ graphenanlagen gemacht worden. Während im Jahre 1870 sich in Berlin 73 Leitungen und 120 Apparate im Be⸗ triebe befanden, hat bis zum Schlusse des Jahres 1880 eine Vermehrung der Leitungen auf 164 und der Apparate auf 366 stattgefunden. Durch unterirdische Telegraphenlinien ist Berlin gegenwärtig mit 80 Städten, darunter alle großen Handels- und Industrieplätze, sowie alle Kriegshäfen, wich⸗ tigen Festungen, in unmittelbare gesicherte Verbindung gesetzt. Für den Verkehr der Telegramme und schleunigen Sen⸗ dungen innerhalb der Stadt ist Berlin seit 1876 mit einer verzweigten Rohrpostanlage versehen worden. Die Ausdehnung derselben beträgt 38 ki. Zur Bedienung sind sechs Maschinenstationen mit je 2 Dampfmotoren nebst Luftpumpen angelegt worden. Im Ganzen sind 30 Rohrpostapparate in Be⸗ trieb. Mit 14 seiner Vororte steht jetzt ferner Berlin durch Fernsprechleitungen in Verbindung. Die Errichtung des Fernsprechbetriebes innerhalb der Stadt, wird zum JI. April d. J. vollendet sein. Hand in Hand mit diesen Er⸗ weiterungen mußten umfassende Bauten ausgeführt werden in der Leipzigerstraße, der Königs⸗ und Spandauerstraße, der Dranienburgerstraße, der Jägerstraße, der Möckern⸗, Palissa⸗ den⸗, Ritter⸗ und Köpenickerstraße, welche meistens vollendet sind oder ihrer Vollendung entgegengehen.

Neben den Porträtg von Knaus ladet gerade gegenwärtig die Permanente Autstellung des Vereins Berliner Künstler noch durch cine statiliche Anzabl anderer nener Arbeiten der verschiedensten Art ju einem Besuche ein. Unter ibnen ei an erster Stelle einer großen bisto- rischen Komposiiion, der Taufe Kaiser Moximilians von J. Flüggen gedacht. Der durch bobe Schranken gegen den übrigen Tbeil der Kirche abgesperrte Chor eines Gotbischen Dome bildet di Scene der feierlichen Handlung, die vor dem Altar ron Kardinal und Bischösen an dem ihnen dargereichten Kinde vollzogen wird, während Fürsten und bobe Würdenträger alg Zeugen in dem Gbor⸗ gestübl länzg der Wand in feierlicher Haltung dasißen, die nur leider mehrfach einen unfreiwillig grotegken Anflug erbalten bat, und im vor⸗ deren Plan des Bildes sich andere k16— stebend und kaieend arnvviren. Namentlich in den Frauen und Kindergestalten bekundet der Maler

bier dasselbe Gefübl für reiche und zarte Anmuth der Bildung und des Ausdrucks, durch welche er in der vor einigen Jabren in Berlin ausgestellten Darbringung der Brautgeschenke an Regina Imhof“ fesseln wußte, damit gepaart aber auch dieselbe Hinneigung ju einer ungesanden, sentimentalen Verschwommenheit in Zeichnung, Farbe und Tonstimmung, die bier durch das den Raum erfüllende goldige Dämmerlicht eine außerordentliche Feinbeit gewinnt, dabei jedoch nur um so mehr einer gesunden Kraft und Frische entbehrt, und jumal in den Figuren des Hintergrundes die bestimmte plastische Form völlig irs körperlos Schemenbhafte verflüchtigt zeigt.

Als ein seltener Gast erscheint ferner der von Berlin nach München übergesiedelte Treidler mit wei Bildern, in denen er sich von seiner früheren Art vollständig emancipirt und dafür mit bestem Grfelg der Koloristik der Piloty-⸗Schule bemächtigt hat. Das „Motiv aus dem Palazzo Rospigliosi! mit der statuen geschmückten, von den dunklen Schatten hober Pinien gestreiften Marmorbalustrade am Rande des Bassing, an dem, von Tauben umflattert, eine junge Dame dasitzt, beweist in der gediegen durch= 6. landschaftlichen Scenerie zugleich eine glüdliche Erweiterung

eints bisherigen Darstellungsgebietes. In der ziemlich großen Figur einer jungen Frau in grünem Atlaskleide im Schnitt des Empire, die ihr Guitarrenspiel eben unterbrochen hat und sich träumerisch der in ihr erweckten Stimmung überläßt, fesselt Am berg durch feine und poetische Charakteriftik bei breitem. frischem Vortrag, deli= kater Zeichnung und durchaus gelunder, farbiger Wirkung, welche malerischen Vorzüge einem zweiten Bilde, der Gestalt eines jungen Mädchens, die sich am stillen Waldbach zum Bade bereitet, nicht minder zu eigen find. Sehr erfreulich ist sodann noch eine Kinder gruppe von Kan in einer bei dem Maler ungewohnten festbestimm⸗ ten Zeichnung und in der unverwaschenen Klarheit des darum nicht minder warmen und kräftigen Kolorits, von liebenswürdigster, anspruchtloser Anmuth di; Figur eines jungen, schwarzgekleideten Mädchens in schlichter grüner Landschaft, die eine Aquarelle von

Kraus ung vorführt.

Ein männliches Brustbild von G. Graef, zwei tüchtige Kinder⸗ porträts von Frau Büchmann, mehrere zierliche Kabinetabilder von Ehrentraut, ein Thierstäück Aus dem Gravitzer Gestüt“ von G. Koch, eine Aquarelle von Stkarbina und eine treff liche Kopie nach dem Holbeinschen Bildniß des Kaufmanns Georg Eisze von Bu blitz sind als noch weitere bemerkenswerthe Arbeiten hervorzu— heben. Den weitaus größten Theil der Aukstellung aber bildet eine ansebnliche Reihe tüchtiger Landschaften, unter deren Malern nur C. Graeb, Th. Weber, H. Els(chke, Hermes, Jacob, Hal— latz, Tübbecke, Flickel, Ch. Wilberg mit einer auch durch den Gegenftand besonders interessanten Straße aus Pergamon“ und Sch en⸗ ker mit einem meisterlichen niederländischen Kanal genannt sein mögen. Dan gesellt Ed. Fischer eine ganze Reibe von Ostserskizzen und von Gleichen Rußwurm eine noch reichere und interessantere Kollcktion landschaftlicher Aquarellftudien von durchweg glei ver Frische der Beokachtung und Wiedergabe der mannigfaltigsten Mo⸗ tive. Die bedeutendste Wirkung erzielen indeß O. Achenbach mit dem durch die größte koloristische Feinbeit in der Wiedergabe der Lufttöne und der eigenartigen Lichtstimmung fesselnden Bilde einer dunklen Waldschlucht, durch die eine Prozession dahinzieht, und Kon« rad Lessing mit einer großen, vornebm gezeichneten Gebirgsland⸗ schaft von vollendeter Kraft, Ruhe und Klarbeit des Tons.

In der kleinen Vorhalle des Salons, in welcher sie leicht über . sehen werden mag, präsentirt sich endlich noch eine große dreitheilige Federzeichnung von Max Klinger, eine Illustration oder vielmehr freie Nachdichtung der ovidischen Erzählung von Narcissus und der Echo, der eine schönheitsvolle südliche Landschaft als Scenerie dient, während sockelartig angeordnete originelle Arabesken das Ganje wie eine Variation über das gegebene Thema begleiten. Es fehlt der Darstellung nicht an barocken Einfällen von der Art derer, die uns in zahlreichen früheren Kompositionen des Malers begegnet sind; aber sie atbmet zugleich in jedemZuge Peesie und trägt nicht blos das immer wieder fesselnde Gepräge einer selbständigen, durchaus eigenartige Begabung an sich, sondern ist auch ein ent schiedenes nc; dafür, daß die weit schweifende Phantasie des

Künstlers sich selber mehr und mehr d bändigen strebt. ehr durch Maaß und Gesetz zu

Dem uns zugesandten Bericht für daz Jahr 1880 (das 62. dez Bestehens der Anstalten) über die J,, zu Düssel⸗ thal, Overdyk und Zorpenbrück, erstattet vom Pfarrer Imhbaeußer, entnehmen wir Folgendes: Big zum Schlusse des Jahres 1880 sind in diesen Rettungtanstalten 3519 Kinder aufgenommen worden; angemeldet wurden im Jahre 1889 221, aufgenommen 79. Konfitmirt wurden 29 Knaben und 20 Mädchen. Erstere wurden, wenn sie nicht ju den Ihrigen zurückkehrten oder von den verschiedenen Verwaltungen in die Lehre gegeben wurden, ju Handwerkgmeistern gebracht und dann Seitens der An . stalten in Aufsicht gehalten und regelmäßig besucht. Die Mädchen blieben in der Regel noch 2 Jahre in den Anstalten, um in den ge—⸗ wöhnlichen Haushaltungtarbeiten angeleitet zu werden um mäßigen Än- sprüchen der Herrschaften genügen zu können. Die in den AÄnstalten befindlichen Kinder sind während des Jahres 1880 vor schweren Krankheiten bewabrt geblieben. Um allen Ansprüchen genügen ju können, wurden im Jabre 1880 an 16 benachbarte Familien Kinder jur Verpflegung übergeben, denen je ein Grrieber, respektive Erzieherin vorstanden, die mit den Pflegebefgblenen einen Haush elt bildeten. Das gesammte Per sonal der 3 Anstalten zählte 359 Köpfe. Verpflegung, Bekleidung, Wohnung, Beaufsichktigzung und Unterricht verursachten bedeutende Ausgaben; am Ende des Jahres 1830 war ein Kassenbestand von 511 6 77 3. Es ist bieber noch immer durch die Milbthätigkeit der Freunde der Anstalt gelungen, die bedeutenden erforderlichen Zu⸗ schüsse zum Besteben der Anstalten zu leisten. Die Direktion ver= traut, daß die Freunde der Anstalten sich auch im Jahre 1881 durch

das Wort leiten lassen werden: Wer reichlich säet, wird auch reich⸗ lich ernten.“

Der der Vollendung barrende Prachtbau der Germania in Westend mit seinen großartigen Hallen und der weiten Rundschau von seiner Kuppel über Berlin und fünfmeiligen Umkreis ist jezt wieder täg- lich zur Besichtigung geöffnet, gegen einen Eintrittepreis von 20 3 für Frwachsene und 109 4 für Schüler pro Person. Der letztere Minimal- satz kommt auch Militärs obne Gbarge ju Gute. In der in der Gerwania geplanten Auestellung von Modellen hat zuletzt die Statue des Fürsten Bismarck (Driginalmodell von Professor Schaper für Göln) einen bervortagenden Platz gefunden. Auf der anderen Seite wird das Standbild deg Grafen Moltke iu stehen kommen, und jzwar wie in Cöln alg Pendant, sobald Professer Scharver das Drigqinal freigeben kann. ndere Künstler baben ibre Modelle jur Auestellung und Dekoration schon jugesagt, so daß die Germania bald nicht nur allen nach dem angrenzenden Grunewald, sondern auch den Fremden reges Interesse bieten dürfte. Die Fertigstellung des Erust Moritz ˖ Arndt Denkmal, wel bes außerhalb der Germania seine Aufstellung gefunden, wird nächsteng boff entlich kräftig in die Hand geaommen werden köͤnnea, da die nächsten Ein tritt gelder für diesen Zweck reservirt werden.

Redacteur: Riedel. Verlag der Grwedition (Ressel). Drack! W. GlIgact. Fünf Beilagen (einschlie lid Bor sen · Bellage).

Berlin:

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Stagts⸗-Anzeiger

M 77.

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Aichtamtliches.

Preußen Berlin, 31. März. Im weiteren Ver— lauf der gestrigen (25.) Sitzung des Reichstags, welcher der Reichskanzler Fürst von Bismarck, sowie mehrere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien desselben beiwohnten, setzte das Haus die Berathung der Denkschrift über die Anordnungen fort, welche von der Königlich preußi⸗ schen und von der hamburgischen Regierung auf Grund des ersten Absatzes des 8. 28 des Gesetzes gegen die gemein⸗ gefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 unter dem 28. Oktober 1880 mit Ge— nehmigung des Bundesraths getroffen worden sind, in Ver— bindung mit den Bemerkungen zur Uebersicht der vom Bundes— rath gefaßten Entschließungen auf Beschlüsse des Reichstags, und zwar: zur Entschließung des Bundesraths auf die Reso— lution des Reichstags, betreffend die Petitionen von Julius Hahn, Rudolph Tiedt und Genossen. .

Der Abg Auer erklärte im weiteren Verlaufe seiner Rede, man habe die Sozialdemokratie mit dem Nihi⸗ lismus in Verbindung zu bringen gesucht und auf die Sympathie⸗Erklärung verwiesen, die auf Schloß Wyden beschlossen worden sei. Zwar sei der deutschen Sozial⸗ demokratie jede Bewegung sympathisch, deren Ziel die Be— freiung des Volkes vom sozialen und politischen Druck sei, aber die von den Nihilisten befolgte Taltik sei nicht für Deutschland geeignet. Wenn der Reichskanzler selbst er⸗ klärt habe, daß für Frankreich die Republik. die beste Regierungsform sei, könne man ihn deshalb als einen Republikaner bezeichnen? Das Ausnahmegesetz erzeuge Haß und sei nur geeignet, den Fangtismus zu vermehren; ungetreu mache es der sozialdemokratischen Sache Niemand. Wenn die Sozialdemokraten derartige Reden ge— halten hätten, wie der Reichskanzler in der letzten Zeit, dann hätte man von der Aufreizung verschiedener Gesellschaftsklassen gegen einander gesprochen. Jetzt halte man es für etwas ganz Natürliches, daß das sozialistische Element in die Gesetzgebung eingeführt werde. Redner wies ferner darauf hin, daß jetzt in Berlin viele Personen und Vereine in Sozialismus machten; se ien denn die Herren Stöcker, Ruppel und Henrici in ihrer Agi⸗ tation nicht so weit gegangen, daß man sie in jedem Augenblicke auf Grund des Sozialistengesetzes ausweisen könnte? Man verbünde sich, um den Juden die Kundschaft zu entziehen, eine Maßregel, die die Sozialdemokraten im heftigsten politischen Kampfe nicht gebilligt hätten. Redner besprach alsdann das Vorgehen der Polizei gegen einzelne Personen und kam dann auf die Ausdehnung des Belagerungszustandes auf Hamburg und Altona. Auch die Abgg. Dr. von Schlieckmann und Dr. von Schwarze hätten sich früher dahin ausgesprochen, daß der diesbezügliche 8. 28 des Sozialistengesetzes nur in Anwendung kommen dürfe, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet sei. In Hamburg und Altona sei dies nicht der Fall gewesen. Darin stimmten alle Hamburger Blätter überein, seibst der „Hamburger Correspondent“ konstatire, daß absolut kein Grund für die Verfügung des Belagerungszustandes vorhanden sei. Der §. 238 sei nicht anwendbar, höchstens könne eine Pression der preußischen Regierung auf den Senat bestimmend sein, es könnten höchstens handgreifliche Opportunitätsgründe Ham⸗ burg zu dieser Maßregel drängen; also auch hier werde die⸗ selbe nur als ein Akt der Staatsraison hingestellt. Seit Erlaß des Gesetzes seien nun 128 Aueweisungen erfolgt, die Ausgewiesenen hätten 215 unversorgte Kinder hinterlassen, das fei eine ungeheuerliche Härte, wenn man dabei bedenke, daß sich die Bürgerschaft in ihrer Mehrzahl gegen diese Maß⸗ regel erklärt habe. Was nun die enge Beziehung der Ham⸗ burger Sozialdemokraten zu England betreffe, so konstatire er hier, daß die englische „Freiheit“ in Hamburg keine Ver⸗ breitung gefunden habe, sondern im Gegentheil die dortigen Sozialdemokraten eine ablehnende Stellung dieser Richtung gegenüber eingenommen hätten. Es würden außer der von der Polizei gehaltenen Nummer nicht 5 Exemplare der „Frei⸗ heit“ in Hamburg gehalten. Es sei ferner nicht wahr, daß

revolutionäre Flugschriften in Hamburg verbreitet seien, er glaube das so lange nicht, als bis ihm der Beweis geliefert werde. Er habe gesaßt, daß der Belagerungszustand mit großer Härte gehandhabt werde. Man habe nicht blos als Führer bekannte Männer ausgewiesen, sondern auch an⸗ dere Ausweifungen vollzogen, über die Einem die Haare zu Berge ständen. Der todtkranke Graßnick sei, eben von schwerer Brustkrankheit genesen, vor Schreck über die Auswanderungs⸗ orbre von einem Blutsturz befallen, dennoch zur Auswande⸗ rung gezwungen. Der Colporteur Rabe sei ausgewiesen, trotz⸗ dem derselbe mit Rücksicht auf seine Gesundheit schon lange von aller sozialdemokratischen Thätigkeit sich ferngehalten habe. Einer sei ausgewiesen, weil derselbe Ausgewiesenen Billets nach Amerika verschafft habe, ohne Gebühren dafür zu berechnen. Schneider Eckstein, selbst kein Sozialdemokrat, sei ausgewiesen, weil er eine Waise, ein Kind eines Sozialdemokraten, auf⸗ gezogen habe. Einer, Kistenmacher, sei gar mit seinem Bru⸗ der verwechselt, und der Unrichtige sei auch, trotz aller Re⸗ monstrationen, ausgewiesen worden. Und dabei sei auch der eigentlich Bedrohte seit dem Sozialistengesetz von aller agitatori⸗ schen Thätigkeit zurückgetreten; aher als das dem Polizei⸗RNath Engel vorgehalten sei, habe derselbe gesagt: „Das glaube er aber eben für seine frühere Thätigleit solle er jetzt gestraft und gequält werden. Während seine Partei aber so ver⸗ solgt sei, sei der in Altona bestehende „Allgemeine deutsche Arbeiterverein“ unbehelligt geblieben, ja sein Organ lebe ruhig weiter. Und dieses Organ enthalte Artikel, die er ruhig unterschreiben könne. Allerdings stehe dies Organ mit Hrn. von Fechenbach⸗Leudenhach in enger Verbindung. Schon im Jahre 1871 habe der Mi⸗ nister' Vitser als Sber-Präsident diesen Verein wegen sozial demokratischer Tendenzen verboten, derselbe sei aber jetzt wieder zum Leben erwacht. Daß die Samburger Be hörde in Bezug auf. Ausführung, des Sozialisten⸗ gesetzes weit strenger sei, als das Gesetz selbst wolle, lönne er beweisen. Die Versammlungen einzelner Gewerbe

zum Zweck der Berathung gewerblicher Angelegenheiten seien z. B. verboten worden.

Bei der vor jährigen Reichstagswahl

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Bern. Tmerlug. n 3. Tin,

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in Hamburg sei es den Sozialdemokraten effektiv unmöglich gemacht, Stimmen abzugeben. Und Alles dieses sei nicht vor⸗ gekommen unter dem Minister von Puttkamer, von dem man freilich besorgt habe, daß derselbe mit dem Sozialistengesetz ein wenig schlimm spielen würde. So hahe der vielgelobte Minister Eulenburg gehandelt, und derselbe hätte nicht so handeln können, wenn die linke Seite dieses Hauses ihr Wort gehalten und dafür gesorgt hätte, daß das Gesetz loyal durchgeführt würde. Aber die Zeit sei nicht fern, wo man die Bestimmungen des Sozialistengesetzes ichwer empfinden werde. Was er gesagt habe, habe er hier vorbringen müssen, denn man habe dafür geforgt, daß es keine andere Stelle gebe, wo man solche Klagen vorbringen könne. Tie Sozial⸗ demokraten aber würden sich nicht beirren lassen, thue man, was man für das Rechte halte: Die Sozialdemokraten seien auf Alles gefaßt. .

Nach dem Abg. Auer ergriff der Bundeskommissar Staats-Minister von Puttkamer das Wort. (Wir werden morgen diese Rede wörtlich bringen.) .

Der Abg. von Kardorff erklärte, der Bundesrat 6vertreter habe darauf aufmerksam gemacht, daß das Sozialistengesetz vielleicht nicht die Erwartungen Aller erfüllt habe. In dieser Beziehung erinnere er an einige Worte, die sein Freund Stumm bei der Berathung dieses Gesetzes ausgesprochen habe. Derselbe habe darauf hingewiesen, daß die Wirisamkeit des Gesetzes vor Allem darauf beruhe, daß die Arbeitgeber selbst sich die Bekämpfung der Sozialdemokratie angelegen sein lassen sollten. (Redner verlas die betreffende Stelle jener Rede.) Diese Ausführung sei von einem sehr aufmerksamen Hause mit fast allseitigem Beifall auf⸗ genommen, nur Fortschritt und Sozialdemokraten hätten sich natürlich von demselben ausgeschlossen. Der Abg. Stumm habe ausgeführt, es wäre eine falsche Toleranz der Arbeit⸗ geber, wenn sie nicht Alles mögliche aufböten, um die Ar⸗ beiter von den sozialdemokratischen Agitatoren zu befreien Derselbe habe ausgeführt, daß im Saargebiete der Verein der Arbeitgeber sich nicht gescheut habe, den Arbeitern mit Ent⸗ lassung zu drohen, nicht allein wenn sie selbst sozialdemo— kratische Ideen hätten, sondern auch wenn sie Lokale besuchten, in welchen sozialdemokratische Blätter auslägen, oder in welchen sozialdemokratische Versammlungen stattfänden. Der Abg. Stumm habe gesagt, wenn die Arbeitgeber nur an ihre Geld⸗ interessen dächten, fo würden sie schwer zu solchen extremen Schritten kommen, wenn sie aber von der Verantwortung durchdrungen seien, die auch sie, dafür hätten, die Arbeiter von der Pest der Sozialdemokratie zu be— freien, dann würden sie zu solchen Schritten kommen. Der Abg. Hasselmann habe schon im Jahre 1878 den Abg. Stumm hier angegriffen, daß derselbe diese Maßregel ergriffen habe; der Abg. Hasselmann habe gesagt, es wäre gegen die Ehre der Arbeiter, sich solchen Ukasen zu fügen. Der Abg. Stumm habe dagegen gesagt, seine Arbelter hätten eine andere Idee von Ehre, als der Abg. Hasselmann. Kürzlich sei nun der— selbe Fall wieder zur Sprache gekommen, und zu seinem Er— staunen sei der Abg. Stumm von einer Seite heftig ange⸗ griffen worden, von welcher die Billigung des Sozialdemo⸗ kratengesetzes erfolgt sei. Der Abg. Bamberger habe schon in der letzten Verhandlung zu dieser Sache einen ganz anderen Standpunkt eingenommen, als der Abg. Rickert. Auch die Wahl⸗ prüfungskommission habe sich auf den Standpunkt gestellt, daß Wahlbeeinflussungen der Arbeitgeber mit solchen durch Behörden nicht gleichzustellen seien. Die Arbeitgeber hätten bekanntlich damals einen Verein zu gemeinsamem Vorgehen gegen die Sozialdemokratie gegründet; diesem Vereine habe sich die Königliche Bergdireklion angeschlossen und zwar mit Autorisation des damaligen Handels⸗-Ministers. Wenn man gelten lassen wolle, was der Abg. Rickert ausgeführt habe, daß die staatlichen Betriebs verwaltungen sich von solchen Vereinen ganz ausschließen müßten, so würde man dazu kom⸗ men, alle fiskalischen Betriebe einzustellen. Der Abg. Stumm habe daranf aufmerksam gemacht, daß man auf diesem Wege dahin kommen müsse, alle fiskalischen Unter⸗ nehmungen für Behörden zu halten. Die Bergwerksdireltion sei eine Betriebsanstalt und keine Behörde. Er (Redner)

mache darauf aufmerksam, daß der Abg. Stumm dieses Ver⸗ bot gar nicht erlassen habe, sondern ein Verein, zu welchem Mitglieder aller Parteien gehörten. Das Verbot sei vom Vor⸗ stand einstimmig erlassen und mehrere Großindustrielle seien erst danach dem Verein beigetreten. Er glaube also, daß die Auffassung des Abg. Rickert einer anderen Platz machen müsse. Die Königliche Bergwerksdirektion sei vom früheren Handels⸗ Minister autorisirt gewesen, sich der Verfügung anzuschließen. Nachdem das Verbot verhängt worden sei, habe sein Freund Stumm mit Sicherheit geglaubt, daß er in dieser . nicht desavouirt werden würde und nichts habe ihn schmerz⸗ licher berührt, als dieses Desaveu der Regierung. Das sei eine unverantwortliche Schwäche derselben. Die Absicht des Abg. Stumm sei es gewesen, das Saargebiet vor dem kleinen Belagerungszustand zu behüten, der jedenfalls schlimmer sei, als die Maßregeln der Arbeitgeber. Der Erfolg der Zurücknahme des Verbots sei eine Schwächung der Auto⸗ rität der Arbeitgeber; die Gefahr des kleinen Belagerung zustandes sei nähergerückt und der Abg. Stumm werde nicht wiedergewählt werden. Darüber brauche sich der Abg. Rickert nicht zu freuen, denn der Kandidat, welcher die meiste Aussicht have, gewählt ju werden, dürste nicht zu den Freunden des Abg. Rickert gehören. Der Abg. Ridert habe nun gesagt, die ganze gebil dete Welt habe das Vorgehen des Abg. Stumm verurtheilt; derselbe hatte doch den Mund nicht so voll nehmen sollen. Wo habe sich denn diese Verurtheilung kundgegeben? In der Presse, Man werde ihm doch zugeben, daß nur ein geringer Theil der Nedacteure wirklich auf der Höhe der sittlichen, wissenschast lichen und Herzensbildung stehe; man könne also eine solche Phrase von dem Urtheil der gebildeten Welt doch nicht an wenden. Wenn der Abg. Stumm ein antisemitisches Blatt verboten hätte, um diesen Zündstoss nicht in die Arbeiterlreise geiangen zu lässen, dann würde die „ganze gebildete Welt⸗ ihre Verwunderung über die Herzhaftigleit und Mannhastig leit des Abg. Stumm geäußert haben. Das Neun lirchener Tagebiatt“ sei aber ein Blatt sozialdemolratischer

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Tendenz. (Redner suchte dies durch einige Citate zu beweisen.) Man bedenke nur, was im Saargebiete und namentlich von dem Abg. Stumm für die Arbeiter gethan sei! Was hätten die Abgg. Richter und Rickert für die Arbeiter gethan, daß sie sich hinstellen und über den Abg. Stumm in solcher Weise aburtheilen könnten? Er erkenne ausdrücklich an, daß das Gesetz in loyalster Weise gehandhabt worden sei. Man dürfe nicht vergeßsen, daß es sich hierbei um einen Kampf um die höchsten sittlichen Güter der Nation handele.

Nach Annahme eines Vertagungsantrags bemerkte der Abg. Dr. von Schlieckmann persönlich, er bestreite dem Abg. Auer gegenüber, daß er in der angezogenen Rede die Verhängung bes Belagerungszustandes von dem Vorhandensein einer Er⸗ schütterung der allgemeinen Rechtssicherheit abhängig gemacht habe.

Der Abg. Auer hielt die betreffende Behauptung aufrecht und erklärte sodann dem Minister von Puttkamer gegenüber, daß er die von demselben als unbegründet bezeichneten Beschwerde⸗ fälle mit Ausnahme eines einzigen aufrecht erhalte und kon— statirte schließlich, daß ihm auf seine Frage, wann von den Hamburger Sozialdemokraten Flugblätter revolutionären In— halts verbreitet worden seien, keine Antwort zu Theil gewor— den sei.

ö Abg. Dr. von Schlieckmann bat den Abg. Auer, ihm in seiner Rede die betreffende Stelle, die er nicht finden könne, zeigen zu wollen.

Hierauf vertagte sich das aus um 43 Uhr auf Donnerstag 12 Uhr.

Die in der gestrigen (26.) Sitzung des Reichs tages bei der Diskussion über den Antrag der Abgg. Grad, Pr. Karsten und von Wedell⸗Malchow: ;

Der Reichttag möge beschließen, den Reichskanzler zu ersuchen, die erforderlichen Maßregeln zu treffen, um einen billigeren und rascheren Bezug der Depescken für Witterungsherichte zum pPrak⸗ tischen Gebrauche der Landwirthschaft und Industrie im Deutschen Relche herbeizuführen; .

vom Staatsfekretär des Reichs-Postamts Dr. Stephan ge— haltenen Reden haben folgenden Wortlaut (s. gestrigen Sitzungs⸗ bericht): .

Meine Herren! Ich habe schon jetzt um das Wort gebeten, weil ich mir mit der Hoffnung schmeichle, daß das, was ich zu sagen habe, vielleicht zur Abkürzung Ihrer Berathungen beizutragen geeignet sein wird. Wir sind gewiß alle dem Hrn. Abg Grad dankbar dafür, daß er weitere Exkurse in das Gebiet der eigentlichen Meteorologie vermieden hat, so sehr er auch nach der Rede, die er im Landtsausschuß für Elsaß Lothringen gehalten hat und die ich mit Interisse gelesen babe, dazu be⸗

rufen erscheint, und so nahe auch hier die Versuchung dazu lag. Der Antrag hat ja eine ganz praktische Seite und im Gegensatz zu den Erscheinungen am Himmel, mit denen sich die Meteo nologie sonst zu beschäftigen pflegt, faßte er eine leider nur zu haufige Erscheinung auf der Erde ins Auge: nämlich das Vezahlen. Ich glaube, wir werden wohl thun, wenn wir uns auf diese Seite der Sache be⸗ schränken. Nun, meine Herren, bei aller Spmpathie für die Heiter. kunde und bei der Neigung, in dieser Geldsache die Gemüthlichkeit nicht aufhören zu lassen, möchte ich mir doch die Gegenfrage er⸗ lauben: wat ist denn eigentlich das Objekt, um welches es sich hierbei handelt, wie denkt man sich die Verbreitung dieser Depeschen, an wie vlelen Stellen, bei Tag oder bei Nacht, in welchem Umfange, an welche Behörden, mit einem Worte, wie soll die Organisation der ganzen Einrichtung sein? Alle diese Fragen müßle man doch est vor sich klar liegen haben, um sich darüber schlüssig machen zu können, in⸗ wieweit und ob überhaupt eine Ermäßigung der Telegraphengebühren, die immer auf eine direkte Beistener aus der Reiche kasse zu diesem Zweck im Effekt hinauskommen würde, Platz greifen kann. In dieser Beziebung ist der Antrag eigentlich ein gare or n und er macht mir den Eindruck, als ob, wie man es im Festungt kriege nennt, nicht die richtige Angriffgfront gewäblt sei. Denn die obige Seite der Frage wird entschieden kebertscht von ken Grundsätzen, wie sie in der Reichsgesetzgebung über die Portofreibeit in dem Gesetz vom 5. Juni 1859 aufzestellt sind, welches seinerseils wieder die Grundlage bildet für das Regulativ über die Telegraphenfreiheit. In diesem Gesetze nun ist mit unzweideutiger Klarheit der Grund- satz zum Ausdruck gebracht, daß nur solche Gebübrenfreibeiten an. erkannt werden, welche sich auf Reiche dienstangelegenheiten und Reichebebörden beschränken, und der 8. G6 dieses Geseßeg saat mit wen igen, aber gewichtigen Worten: Alle übrigen Portofreikeiten und Ermäßigungen sind auigeboben. Also auch fur alle Angtlegenbeiten, welke den Bienst der Einjesstaaten, der Kommunen und aller ubri—. gen Organe men unserer Staats und agesellschaftlichen Ver fassung betreffen. Es ist das einer der wichtinsten Grundsätze, der obne Gefahr der Ueberflutbung mit einer Unmasse anderer Ansprüche nicht verletzt werden kann; denn wenn Sie für diesen ge⸗ meinnürigen Zweck Telegrapbenfreibeit in Ansrruch nebmen wollen, so ist' nicht abjusehen, warum nicht für ine My⸗ riade anderer gemeinnütziger Zwecke ebenso die Telegraphen⸗ sreibeit verlangt werden sollte und damit würde der Damm eingeristen werden, welchen gegen den Hochdruck der desjallsigen Ansprüche im Jahre 1869 die verbündeten Regierungen im Ge sckatbunqz wege errichtet Faben. Eg befindet sich ein verehrten Mitglied unter Ihnen, das genau weiß, welche großen Scwierigkeiten es verursacht hat, diesen Grundsatz damals durchmsetzen, was seiner Gnergie ju verdanken ge wesen ist. Ich möchte also davon abrafben, und vor allem die Vor⸗· frage stellen; wie denkt man sich die ganze Organisatien der für die Welterkunde wöirksam sein sollenden Beberden und Anstalten, soll sie dem Uereich der Einzel staaten angeboren, sell sie gan aul dat Reich übergeben? Und nur im letzteren Falle wäre die Frage wegen der Gebübrenfreibeit gelöst, die kann Kraft des Gesetzes ein refen würde.

Nun, meint Herren, bitte ich das nicht so aufufassen, alt och die Reichs ⸗Telegrapkenverwaltung etwa unsvmratbisch oder auch nur kübl dieser neuen Wissenschaft ge ensüher stãnde; es sind speziell auf meine Veranlassung seit mehreren Jibeen genaue Bebbachlungen eingeleitet worden über den Ginslun der Erdströme auf die Telegraphenleitungen, on obl die unterirdischen, als die ober srrischen, werden darüber regelmäßige Ausseichnun gen gemacht und RBerichte an die Jentralbebsrde erstattet. Feiner werden erser cht die Ginwirkungen der polaren Lichter sbeinangen auf die Magnet *MUn der KWalvanostere und auf die Drabtleitungen. auch die Ginstüsse der Gewister und der vulfaniicen GErscheinungen auf die Arrarate

und Veisungen werden, so weit eg mönlich t, dengu beobachtet; wir baben bel ci. 1890 Telegrarbenstaticnen Seit mechronozrapken au- Jestellt; freilich baben wit das Erdbeben ven Gasam celela au b nicht vor ugseben können.

Eg wird aber unauggeseßt die Westrebung dabin gerichtet, diesen Grschelnungen näher ju treten. An einem Lell mutten Tage in jeder Woke werden te lelmänig Messung den Tel ararbenleitunden