ob die einem Beamten überwiesene Dienstwohnung für seine Verhältnisse zu groß sei; in einem solchen 1 sei es Sache der Landesbehörden, etwa entstehende Unbilligkeiten auszu⸗ gleichen. Der Reichskanzler habe große Ueberweisungen an die . 3 — ig. en renn den der preußische Landtag beschlossen habe, sei nichts davon einge⸗ troffen. Speziell die Berliner Gemeinde kämpfe seit Jahren mit großer Zähigkeit um Staatebeihülfe zu ihrer Schullast, aber vergeblich! Der Abg. von Mirbach habe behauptet, daß von ihm (dem Redner), der er selbst 15 Jahre zur Stadtverwaltung gehöre, ausgesprochene Lob dieser Ver⸗ waltung enthalte eine Ueberhebung. Stehe nicht die Stadt⸗ verwaltung groß da, die ohne Einführung neuer Steuern In⸗ stitutionen geschaffen habe, deren das übrige Land noch entbeh— ren müsse? Und bei allen Neueinrichtungen nehme die Stadt— verwaltung sehr viel Rücksicht auf die Beamten, die also nicht, wie gestern behauptet sei, als Stadtheloten und unnütze Brod⸗ esser daständen. — Wenn in den Motiven die Wohnung des ersten vortragenden Rathes, der 700 Thlr. Miethe zahle, als Dienstwohnung hingestellt werde — könne sich der Reichstag efallen lassen, daß derselbe mit absolut unzutreffendem Ilet nl versehen werde? Höre da nicht alle objektive Dis⸗ kussion auf? Auch die Behauptung, daß der ablehnende Be⸗ scheid auf die Steuerreklamation des Reichskanzlers eine Folge der Einbringung dieses Gesetzentwurfs gewesen sei, sei bereits richtig gestellt worden. Der Bescheid sei am 7. April 1879 erfolgt und die Vorlage sei zum ersten Mal am 5. April 1880 eingebracht worden. Wenn ferner der Reichskanzler gesagt habe, daß in den städtischen Körperschaften Mitglieder in Sachen, die sie beherrschten, aus Furcht vor weniger sachlichen, aber besseren Rednern nicht zu sprechen wagten, so sei der Kanzler über den Sachverhalt nicht richtig orientirt. In der Berliner Kommune hätten nur die— jenigen Mitglieder. Einfluß, welche arbeiteten, auch wenn sie gar nicht reden könnten. Der Reichskanzler habe gestern eine Rede gehalten, die schon vor ihm Leute gehalten hätten, von denen derselbe durchaus nicht wünsche, daß sie sich an seine Rockschöße hängten. Der Reichskanzler drohe auch, wenn Berlin nicht gefügiger würde, werde der Reichstag und die Reichsregierung von Berlin fortgenommen werden. Doch kein Mensch, auch der Reichskanzler nicht, sei im Stande, die naturgemäßen Verhältnisse willkürlich umzu⸗ ändern. Wie es unmöglich gewesen sei, Paris zu degradiren, so könne man auch Berlin nicht von seiner Stelle als Reichs⸗ hauptstadt absetzen. Der Reichskanzler habe einen Vorwurf daraus gemacht, daß zu viel Berliner im Reichstage seien, die dabei ihren Geschäften nachgingen. Die Reichsregierung könne durch Gewährung von Diäten dieser Klage bald ein Ende machen. Er hitte, die Vorlage abzulehnen. Der Abg. von Kardorff erklärte, er möchte dem Verdachte besonderer Beredtsamkeit entgehen, die ja nach den Ausfüh— rungen des Reichskanzlers praktische Unbrauchbarkeit im politischen Leben beweise, und werde sich deshalb sehr kurz fassen. Beiläufig wolle er aber hemerken, daß der Reichskanzler doch eine Ausnahme von dieser Regel bilde. Was den Gesetzentwurf betreffe, so bekenne er offen, daß seine Freunde und er bei seiner ersten Einbringung demselben mancherlei Bedenken entgegengetragen hätten. Die Sache sei seiner Partei zu kleinlich erschienen, um den ganzen Gesetzesapparat in Be⸗ wegung zu setzen. Seine Partei habe ferner geglaubt, es sei nicht opportun, ein Stück der Kommunalsteuergesetzgebung, die seine Partei im Ganzen geordnet zu sehen wünsche, vorweg u nehmen. Aber die Sachlage habe sich geändert, die raß⸗ f eine politische geworden, und er glaube, Niemand habe ein größeres Interesse an dem Zustandekommen des Gesetzes, als gerade die Stadt Berlin, um einmal dieses Streitobjekt aus der Welt zu schaffen. Die Kommissionsvorschläge hätten ihm und seinen politischen Freunden die Annahme des Ge⸗ setzes sehr erleichtert, indem sie der Stadt Berlin nur ein minimales Opfer zugemuthet hätten. Der Abg. von Benda habe den Gesetzentwurf als einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung bezeichnet. Sei denn jemals die bestehende Gesetzgebung über die kommunale Besteuerung der Beamten als ein Eingriff in die Selbstverwaltung angesehen? Seines Wissens nicht. Man werde doch nicht behaupten kön⸗ nen, daß ein Gesetz, welches diese Gesetzgebung für die Stadt Berlin um den Preis von 250 6 verändere, ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung sei, zumal da das Gesetz nur eine Modifikation der bestehenden Gesetzgebung sei. Wenn seine Partei demnach dem Gesetz zustimme, 8. verwahre er sich persönlich und im Namen seiner Freunde dagegen, nun Alles und Jedes aus dem Plaidoyer des Reichskanzlers u acceptiren. Er persönlich sei mit den kommunalen Ver⸗ halnff Berlins viel zu wenig vertraut, um sich über die
Güte oder Nichtgüte der . Verwaltung ein Urtheil zu
erlauben. Der Magistrat sollte aber doch nicht so empfindlich sein, wie heftige Angriffe habe hier nicht die Fortschrittspartei gegen die Regierung gemacht, und Magistrat und Stadtver⸗ ordnetenversammlung sei doch nicht heiliger und unverletzlicher wie die i n gg des Kaisers. Der Abg. von Forckenbeck habe sich über den von dem Reichskanzler gebrauchten Aus⸗ druck Fortschrittsring“ beschwert. Dieser sei aber gerade von dem Abg. Richter erfunden und auf die hiesige Stadt ange⸗ wendet worden. Bei den heftigen Angriffen der Fortschritts⸗ partei, welche den größten Theil der hiesigen Verwaltung in
änden habe, sei es ganz erklärlich, daß die Stellung des
eichskanzlers zu der Verwaltung Berlins eine gereiztere sei als es seiner (des 8 artei selbst wünschenzwerth erscheine. Wenn der Abg. Richter unter anderem geäußert habe, der Kanzler ziehe es vor, auf die Jagd zu gehen, obwohl derselbe doch . Krankheit nicht hier sein konnte, so habe das, wenn der Abg. Richter auch nicht die Absicht gehabt haben möge, den r, . . kränken, doch den Eindruck 3 müssen, als ob derselbe sich bei seiner Politik von persönlichen Inter⸗ essen leiten lasse. Die Fort chrittspartei habe ja auch die Parole fort mit Bismarck kun ed ; sie habe dieselbe zwar zurückgezogen, aber das Land werde im Herbst genügend dar⸗ Über ee Tin werden, daß die Fortschrittspartei auch jetzt noch den Reiche lanzler aus seiner Stellung verdrängen wolle. Er (Redner) halte die Miethssteuer für eine der miserabelsten und schlechtesten Steuern, die es * und ** daß durch einen Oktroi, namentlich auf den usfchant, en kleinen Leuten mehr geholfen würde, als durch die Miethssteuer. Der Wieder⸗ einführung der Nahlsteuer, von welcher der Abg. von Forcken⸗ beck gesprochen habe, würde er aber widersprechen, weil er keine Verkehrsschranken innerhalb des Landes haben wolle. Ein Oltroi auf Getränke würde die Mahl⸗ und Schlachtsteuer auch überflüssig machen. Am einfachsten ware es, die Grenzzölle zu erhöhen, dann würde das Reich den Städten soviel an Grund⸗ undi Ghebaudesteuer geben können,
datz sie wenigstens einen Theil der Miethssteuer wegfallen lassen könnten. Der Abg. Löwe habe die Verwaltung des Abg. von Forckenbeck als ein Muster aller Verwaltungen hin⸗ gestellt. Es sei ja möglich; wenn sich aber der Abg. Löwe darauf berufen habe, Berlin hätte niemals neue Steuern eingeführt. n wie viele 1 Zuschläge habe Berlin zu den bestehenden Steuern eingeführt? Es freue ihn, daß der Abg. von Forckenbeck selbst . habe, daß in Berlin sich jetzt alles in aufsteigender Kurve bewege, daß wieder mehr Miethe verlangt würde u. s. w. Wo bleibe denn da die verhängnißvolle Wendung, welche die neue Steuerpolitik in wirthschaftlicher Beziehung über das Land bringen sollte? Der Abg. Löwe irre, wenn derselbe meine, der Reichs⸗ tag hätte stets die Diäten befürwortet. Es freue ihn aber, daß der Abg. Löwe die Sache zur Spreche gebracht habe, weil er (Redner) sehe, daß in der Fortschrittspartei ein Ge— wissen dafür zu erwachen scheine, wie unwürdig es wäre, wenn einzelne Abgeordnete sich von ihrer eigenen Partei Diäten zahlen ließen. Denn dies würden in der That doch Abgeordnete zweiter Klasse werden und auch als solche hier im Hause angesehen werden. Wenn der Abg. Löwe ferner gemeint habe, es wäre eine Degradation für den Reichstag, ihn von Berlin wegzunehmen, so könne er diesen Gesichts⸗ punkt auch nicht theilen. Er (Redner) könnte aber den Ge⸗ sichtspunkt gelten lassen, daß es eine Degradation für Berlin wäre. Er empfehle deshalb nochmals, den Kommissionsvor⸗ schlägen zuzustimmen. ; .
Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, daß es sich hier um eine politische Frage handele, könne er schlechterdings nicht zu⸗ geben. Unrichtig sei es auch, wenn behauptet werde, den vor⸗ jährigen Entwurf habe keine Partei amendiren wollen, be— kanntlich habe im Vorjahr nur eine einmalige Berathung stattgefunden; die Frage der Abstimmung trete erst heute an das Haus heran. Es habe nun den Anschein gewinnen wollen, als ob es sich um ein Duell zwischen der Reichs⸗ regierung und der Verwaltung der Stadt Berlin handle. Er seinestheils tadle die letztere nicht, habe aber auch keinen Anlaß für dieselbe einzutreten; sollte er ein Votum darüber abgeben, so mußte er ein ganz anderes Ma—⸗ terial haben, als das vorliegende, das eine objektive Dar— legung der Angelegenheit vermissen lasse. Ohne also irgend⸗ wie der Verwaltung Berlins zu nahe zu treten, ohne an⸗ zunehmen, daß bei der Veranlagung zur Miethssteuer nicht mit voller Ueberzeugung und Unparteilichkeit verfahren werde, ohne irgend ein Urtheil über die Zweckmäßigkeit der Mieths⸗ steuer heute abzugeben, erkläre er sich für den Antrag, wie ihn die Regierung gestellt habe unter der von der Kommission beschlossenen Modifikation, die er gern dahin erweitern würde, daß man den Miethswerth der Dienstwohnungen nicht höher als mit 20 (statt 5h Prozent des Diensteinkommens bemesse. Er nehme den Antrag der Kommission an, weil er es allerdings für zweckmäßig halte, daß in Berlin, wie in allen anderen Städten, in denen die Miethssteuer bestehe, in Beziehung auf die Heranziehung der Beamten ein festes Maß gegeben werde, damit keine Zweifel über die Unpar⸗ teilichkeit der städtischen Behörden gegenüber den Staats⸗ oder Reichsbehörden aufkommen könnten. Im Interesse der Unabhängigkeit und der Reinheit des Verhältnssses sei eine derartige gesetzliche Regulirung nothwendig. Man könnte sagen, daß durch diese Vorlage diese allgemeine Regulirung nicht erreicht würde, und der Abg. von Ben 93. sein Votum wesentlich auf dieses Argument gegründet. Er wäre gern zu einer allgemeinen Regulirung bereit, wenn man eine solche in Vorschlag gebracht hätte. Nun sei er indessen nicht der Ansicht, daß es geradezu nothwendig sei, bei Ausführung rich— tiger Grundsätze dieselben gleich generell zu machen; ex sei so⸗ gar zweifelhaft, ob die Gesetzgebung dadurch sehr gewonnen habe, daß man gleich allgemeine Gesetze gemacht habe. An⸗ derswo pflege man die Prinzipien zunächst an einzelne Fälle anzulehnen und auf diesen die weitere Entwicklung sich auf⸗ bauen zu lassen. Hier liege nun die Anwendung eines nach seinem Dafürhalten richtigen Prinzips auf einen einzelnen Fall vor. Das richtige Prinzip z das, daß die Beamten genau wüßten, wie sie ständen und auch den Anstellungs⸗ behörden genau bekannt sei, was ihre Beamten zu beziehen hätten. Es sei eine häufige Klage, daß Beamte sehr oft einen
uten Gehalt bekämen und nur durch den Ort, an dem sie
6 befänden, so viel verlören, daß der Gehalt sehr zu⸗ sammenschmelze. In dieser Richtung würde diese Vorlage wenigstens gewissen Wandel schaffen. Er verwahre sich ent⸗ schieden gegen alle anderen politischen Tendenzen, und wenn der Abg. Richter in seinem Uebereifer geglaubt habe, sagen zu müssen, daß alle, welche e die Vorlage stimmten, die Be⸗ rechtigung eines diktatori möchte er den Abg. Richter an alle die Akte erinnern, die derselbe mit den übrigen liberalen Parteien begangen habe, aus denen recht eigentlich die Diktatur hervorgegangen sei. Die Fortschrittsparfei habe hier und anderswo au lirch⸗ lichem Gebiete eine Diktatur ges af die ganz anders sei als die, welche sie jetzt bekämpfe. Prüfe man sich also doch zunächst selbst und s e man erst den Balken im eigenen Auge, ehe man bei Andern den Splitter suche. Das sei ein Grund⸗ satz, der, wie er glaube, wenn derselbe zweckmäßig angewendet würde, den Reichstag vor mancherlei Reden geschuätzt hätte, die 3 im Hause nicht zum Vortheil desselben gehalten worden eien. Von Politik . also keine Rede, und die Diktatur sehe er nach dieser Richtung hin nirgends.
Die Debatte wurde geschlossen. Der Abg. Hasenclever konstatirte, daß ihm, obwohl er sich gestern und heute früh— zeitig en. Worte gemeldet, dasselbe wiederum abgeschnitten sei.
or der Abstimmung richtete der Abg. Sonnemann an den Präsidenten die Frage, ob r. bereits eine Nachricht davon erhalten habe, daß der A . Schlieckmann der heute im Hause anwesend sei) sein Mandat niedergelegt habe, wie die Zeitungen meldeten. n
Der Präsident erwiderte, daß er ein darauf bezügliches Schreiben nicht erhalten habe, er hätte es sonst unverzüglich zur Kenntniß des Hauses gebracht.
In namentlicher Abstimmung wurde darauf 5. 1 mit II0 gegen 104 Stimmen angenommen. Die Abstimmung über §8. 2, nach welchem die Repräsentationsgelder nicht auf das Gehalt et werden sollten, nöthigte zur Entscheidung durch Zählung, welche die Anwesenheit von 200 Abgeordneten ergab; 5. 2 wurde mit 105 gegen 55 Stimmen angenommen und mit derselben Mehrheit 5. 3 und ebenso das ganze
Gesetz.
ke folgte die dritte Berathung des Entwurfs eines Ge— ee betreffend bie Oeffentlichkeit der Verhand⸗ ungen und die Geschäftsspraches des Landesaugz⸗
schusses für Elsaß⸗Lothringen.
chen . . anerkennten, so
in welcher der Entwurf dieses Gesetzes bereits vorlag.
Nach 5. 1 sollen die , des Landesaust⸗ schusses öffentlich sein mit deutscher Geschäftssprache. 5. 2 bestimmt, daß Mitgliedern, welche des Deutschen nicht mächtig sind, das Verlesen in deutscher Sprache abgefaßter Reden ge⸗ stattet sein soll.
Zu S. 2 lagen Anträge vor:
1) des Abg. Freiherrn von Schorlemer⸗Alst, folgende Fassung zu genehmigen:
„Den Mitgliedern des Landesausschusses, welche nach ihrer ausdrücklich abgegebenen Erklärung nicht der deutschen Sprache . sind, wird der Gebrauch der französischen Sprache ge⸗ stattet.“
2) Des Abg. Dr. Lasker:
„Den Mitgliedern des Landesausschusses, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind, ist für die Dauer ihres ihnen bereits , , n, Mandats der Gebrauch der französischen Sprache ge⸗ stattet.
In der Generaldiskussion las der Abg. Goldenberg eine längere Rede vor, die auf der Journalistentribüne schwer ver⸗ ständlich war. Die in zweiter Lesung angenommene Gesetz⸗ vorlage habe in Elsaß-Lothringen einen tiefschmerzlichen Ein⸗ druck gemacht. Er müsse sich für die Beibehaltung der fran⸗ zösischen Sprache im Landesausschuß erklären; Friedrich der Große, Preußens größter König, sei doch ein Freund der französischen Sprache gewesen, sei Deutschland dadurch etwa kleiner geworden? In der deutschen Armee habe es jeder Zeit eine Anzahl Offiziere französischer Abstammung gegeben, die derselben zur Ehre gereicht hätten. Nicht durch den Sprach— zwang werde man die Elsaß-Lothringer zur Liebe zwingen, sondern nur durch eine gerechte Gesetzgebung und Verwaltung; je weniger man auf die liebgewordenen Gewohnheiten des Landes Rücksicht nehme, desto weniger werde man die Zuneigung desselben gewinnen. Die Auswanderung aus den Reichs⸗ landen sei im Zunehmen begriffen. Wenn es schon jetzt schwer sei, geeignete Männer für den Landesausschuß zu finden, so würde diese Schwierigkeit sich nach dem Verbot der französi— schen Sprache noch steigern, und man würde eine Reihe nütz—⸗ licher Männer von den Geschäften der Landesvertretung aus— schließen. Man solle sich doch hüten, dem Lande neuen Grund zu Klagen zu geben, das seit der Annexion schon so viele Gründe dazu gehabt habe. Der Ackerbau sei zurückgegangen, die Industrie habe durch die Annexion gelitten, auch dadurch, daß man jungen Ausländern, deren technische Kenntnisse ein— zelnen Industriezweigen unentbehrlich seien, die Nieder— lassung erschwere. Durch das Verbot der französischen Versicherungsgesellschaften habe man den zahlreichen Beamten derselben, den Agenten und Unteragenten die Existenz untergraben. Wovon sollten denn die Elsaß⸗Lothrin— ger leben? Die höheren Beamtenstellen seien ihnen verschlossen, selbst als Weichensteller sollten sie nach dem Urtheil einer Zeitung nicht zugelassen werden. Man solle doch nicht alles Französische in Elsaß⸗Lothringen schlecht finden und abschaffen wollen; damit sei die Regierung auf einem falschen Wege. Ueber die Beamten, die aus allen Theilen des Reiches nach Elsaß⸗-Lothringen gekommen seien, zum Theil von ihren frü⸗ heren Chefs fortgelobt, beständen viele Klagen. Wer sich aber über einen Beamten beschwere, gegen den würde geradezu mit Terrorismus vorgegangen. Daher sei es nöthig, daß Mißbräuche betreffs der Beamten im Landesausschuß zur Sprache gebracht werden könnten und aus diesem Grunde dürfe man den Verhandlungen des Landesausschusses die Immunität nicht vorenthalten, deren sich alle parlamentarischen Körperschaften erfreuten. Nachdem der Statthalter gegen einzelne Uebergriffe der Beamten ein⸗ geschritten sei, hatten diese sofort vergessen, daß derselbe der Vertreter des Kaisers sei, und hätten gegen ihn agitirt. Dem Statthalter zolle man allgemein große Ehrerbietung, derselbe führe sein Amt mit größter Ehrlichkeit und Ritterlichkeit, und die vorgeschlagene Maßregel stamme sicher nicht aus seiner Initiative, denn sie stehe im Gegensatz zu seiner bisherigen olitik. Was habe denn der Landesausschuß verschuldet? Sei. die Opposition im preußischen Landtage nicht größer als in Straßburg? Ertrage irgend eine Be⸗ völkerung die über sie verhängten Gesetze williger, als die Elsaß-Lothringer? Habe man den Kaiser bei seinen wiederholten Besuchen des Landes nicht stets mit der Ehr⸗ erbietung empfangen, die seiner Person, seinem hohen Alter und seiner Würde als Oberhaupt des Staates gebühre. Wenn man der Bevölkerung vorwerfe, daß sie ihre frühere Lage unter Frankreich besser finde, so sei es Deutschlands Sache, die Lage des Landes zu verbessern, durch die Abschaf⸗ fung der französischen Sprache erreiche man dies aber nicht. Das Mittel *. wirklich zu kleinlich für ein großes Reich. Daß die Geschäftssprache des Landesausschusses die deutsche sei, bestreite Niemand, er bitte nur um eine Ausnahme im Interesse der nur Französisch verstehenden Mitglieder, und er hoffe dabei auf die Gerechtigkeit des Reichstages.
Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Unter⸗Staatssekretar Dr. von Mayr, das Wort:
Meine Herren! Insoweit die Ausführungen des Herrn Vorredners sich speziell auf den Gegenstand bezogen, der in der Gesetzes vorlage bee , wird, habe ich zunächst Ihre Aufmerksamkeit auf Folgendes zu lenken.
Der Herr Vorredner hat, ähnlich wie dies schon bei der ersten Lesung geschehen ist, gewissermaßen die Vorstellung zu erwecken versucht, als handele es sich hier um eine Ver⸗ gewaltigung der ganzen Bevölkerung Elsaß - Lothringens in Bezug auf ihre Sprache. Von einem Sprachzwang gegen die ö des Reichslandes als solche ist in der vorliegenden Vor⸗ lage, wie bereits erwähnt, gar nicht die Rede; es handelt sich ledig⸗ lich darum, für die Vertretung des Landes einen Zustand, der bis jetzt noch nicht in entsprechender Weise gesetzlich geregelt ist, nunmehr durch das Gesetz zu fixiren und eine if nn, zu geben, dahin lautend, daß fortab von einem angegebenen Zeitpunkt in der Volks⸗ vertretung eines deutschen Landes deutsch gesprochen werden soll. Was im Uebrigen die sozialen und sonstigen Beziehungen in Bezug auf die Sprache des Landeg betrifft, darauf hat diese Gesetzesvorlage keine un⸗ mittelare Einwirkung. .
Meine Herren, eine andere Frage spejieller Natur, die schon in der ersten Lesung wiederholt berührt worden ist, hat der Herr Vor— redner beute auch im Eingange seiner Darlegung gan ins Detajl verfolgt; es handelt sich dabei, wie Sie wissen, darum, inwieweit die jothringische franjösisch sprechende Minorität thatsächlich der deutschen Sprache kundig ist oder nicht. Ich kann darüber nur wiederholen, was ich bei kalle Gelegenheiten sagte, daß es außer⸗ ordentlich schwer ist, ein definitives Urtbeil darüber abzugeben und namentlich darüber sich ganz klar zu werden, welches Maß der Kenntniß der deutschen Sprache verlangt wird, um die fraglichen Mitglieder als hinreichend der Sprache kundig bezeichnen zu können. Bezüglich der Namenaufjeichnung, die der Herr Vorredner gebracht hat, muß ich zwei Kategorien von Personen unterscheiden. Es sind unter diesen Namen, wenn ich richlig gebört babe, zwei Herren genannt, die erst in der allerjüngsten Zeit vom lothringischen Bezirkstag in den Landegausschuß gewäblt worden sind, r
Viese beiden
Herren sind in der Liste des Herrn Goldenberg als solche bezeichnet, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien; über diese beiden erren muß ich mich des Urtheils enthalten, ich kenne sie nicht, ich be noch nicht Gelegenheit gehabt, mit iknen im Landesausschuß usammenzukommen. Was die übrigen Herren betrifft, so ist es — im höchsten Grade unwahrscheinlich — wenn es so ist, wäre es sehr zu bedauern, — daß diese übrigen Herren gar keine Kenntniß des Deutschen, auch nicht die geringste, haben sollten, wie dies nach den Aeußerungen des Hrn. Abg. Goldenberg der Sn sein soll. Diese anderen Herren sind wohl fast alle ungefähr sechs Jahre im Landesausschuß von Elsaß-⸗Lothringen, haben seit der Zeit am ,,, lediglich deutsch sprechen hören, was doch mit der Absicht geschah, auf dieselben einzuwirken bezüglich ihrer Beschlußfassung, und es sollten diese Herren wirklich während der sechs Jahre sich nicht die geringste Kenntniß des Deutschen erworben haben? Meine Herren, wenn das der Fall wäre, dann würde ich auch von den beiden Abänderungsanträgen, die gestellt worden sind, ** wenig Nutzen erwarten; denn wenn die len , r. Praxis, das aktische Anhören des Deutschen zu gar keiner Kenntniß desselben ge— führt hat, so ist auch nicht zu erwarten, daß sie in einem etwas längeren Zeitraum erzielt würde. Ich kann also nach dieser Richtung den Aeußerungen des Hrn. Abg. Goldenberg gegenüber nur dasjenige aufrecht halten, was ich bei der zweiten Lesung vorzubringen die Ehre hatte. Meine Herren! Nun hat aber Hr. Goldenberg weiter gegriffen und hat sich einen Ausblick gestattet auf die allgemeinen wirthschaft⸗ lichen und politischen Verhältnisse in Elsaß⸗Lothringen, der vielleicht nicht unmittelbar mit der Sache, die uns hier beschäftigt, im usammenhang steht, welchen Ausblick aber ich hier vom Standpunkte der verbündeten Regierungen aus doch nicht ganz unbeantwortet lassen kann. Der Herr Vorredner hat zunächst den Ackerhau in Elsaß⸗Lothringen beklagt und hervorgehoben, es sei eine Entwerthung der Grundstücke selbst auf die Hälfte eingetreten. Ich vermisse sehr jeden Nachweis dafür, daß dies thatsäch—⸗ lich der Fall ist, und ich vermisse den Nachweis um so mehr, als im übrigen diejenigen symptomatischen Erscheinungen, welche einigermaßen zur Beurtheilung der landwirthschaftlichen . benutzt werden können, gegen die Auffassung des Herrn Vorredners sprechen. Ich sehe, daß wir sehr befriedigende Einnahmen aus dem Enregistrement haben, insbesondere auch aus dem Besitzwechsel der Grundstücke, wo⸗ bei wesentlich deren Werthverhältnisse mit in Betracht kommen, und ich sehe ferner, daß unsere Grundsteuervereinnahmungen nich tim geringsten zu Schwierigkeiten Anlaß geben. Auch hat der Herr Abgeordnete die einzelnen Zweige des Ackerbaues, welche gelitten haben sollten, nicht genannt, wohl aber hat er einen genannt, der außerordentlich gewonnen hat, das ist nämlich der elsaß⸗lothringische Weinbau. Es ist richtig, daß in Folge der unglücklichen Witterungsverhältnisse der letzten Fahre auch der elsaß⸗lothringische Weinbau gelitten hat; aber unter norma⸗ len Verhältnissen sind die weinbautreibenden Bezirke des Landes jetzt in einer wirthschaftlich so außerordentlich günsti⸗ gen Lage, daß sie selbst nicht umhin können, Jedem, der es hören will an Ort und Stelle, das zu sagen. Ich habe selbst Gelegenheit gehabt, wiederholt die weinbautreibenden Bezirke zu bereisen, und es ist eine wahre Freude, ein wahrer Jubel, der unter den Weinbergbesitzern herrscht, über die hohen Preise, die sie jezt für ihre Produkte erzielen können, gegenüber den früheren , Meine Herren, der 6er Vorredner hat als eine ganz esondere Belästigung die Einführung der Besteuerung der Eigen— brenner erwähnt. Ich möchte glauben, für den Volkshaushalt im großen und ganzen ist das eine verhältnißmäßig untergeordnete Maß— regel. Daß diejenigen, welche im Wesentlichen zu ihrem eigenen Gebrauch und außerdem einigermaßen zum Verkauf Zwetschken- oder Kirschen—⸗ branntwein in ihrem Hause bereiten, nun nicht mehr steuerfrei sind, kann auf die wirthschaftliche Lage des Volkes im ganzen keinen Ein— fluß üben. Aber eins ist richtig, daß bei der Anwendung der allge— meinen Grundsätze der Reichsgesetzgebung, der Branntweinbesteuerung in Elsaß⸗Lothringen den Verhältnissen des Landes vollste Rechnung getragen worden ist. Es sind alle mit den Reichsgesetzen nur irgend vereinbare Erleichterungen gerade für diese Eigenbrenner gewährt worden und so kommt es, daß die weitaus überwiegende Majorität der deutschen Branntweinbrenner sich zur Zeit in Elsaß⸗Lothringen befinden denn dort sind 30005 Eigenbrennereien, welche bei uten Obsternten nahezu sämmtlich in Betrieb kommen. Meine . diese Zahl spricht deutlich genug dafür, daß von einer beson—⸗ deren Belästigung der Eigenbrenner durch die Reichsgesetzgebung in Elsaß⸗Lnothringen nicht die Rede sein kann. ;
Der Herr Vorredner hat ferner hervorgehoben, es habe die deutsche Verwaltung den Waldanwohnern die verschiedenen kleineren Berechtigungen und Nutzungen entzogen, die sie früher in den Wal dungen gehabt hätten. Es ist mir bekannt, daß der Herr Vorredner gerade mit diesen Fragen sich von jeher eingehend beschäftigt hat und zwar mit großem Interesse und mit großem Wohlwollen für die ärmere Berölkerung der Waldgegenden von Elfaß Lothringen. Aber es ist mir auch erinnerlich, daß gerade der Herr Vor— redner ein Buch geschrieben hat zu der Zeit, als noch die fran— zösische Verwaltung die Forsten administrirte, und in jenem Buche der französischen Verwaltung nicht nur diese, sondern noch heftigere Vorwürfe gemacht hat, und daß die Verhandlungen des Landesaus— schusses dazu geführt haben, nachzuweisen, wie in diesem Punkte, in welchem die französische Verwaltung unrecht gehandelt hatte, die deutsche Forstverwaltung nunmehr richtig handelt. Ich möchte also den Ausführungen des Hrn. Abg. Goldenberg, welche sich in dieser Richtuung bewegten, kein übermäßigeg Gewicht beilegen. Ich weiß, daß er das Interesse der am Walde Wohnenden sehr warm vertritt und daß er das Interesse am Walde selbst vielleicht etwas gar zu sebr hat in den Hintergrund treten lassen.
Der Herr Abgeordnete hat ferner auf die Auswanderung in Elsañß⸗ Lothringen hingewiesen. Meine Herren, auch diese Frage ist am an— deren Orte erörtert worden und es ist gezeigt worden, daß irgend wie Besorgniß erregende Zablen nach der Richtung nicht vofliegen, wie denn auch der Herr Vorredner keine genannt hat. Aber ich * das bei Seite und hebe dem gegenüber hervor, daß nun auch die Rückwan= derung nach Elsaß⸗Lothringen in nicht unbedeukendem Maße stattfindet.
Meine Herren! Ich war erstaunt, daß bei dieser Gelegenheit der Herr Vorredner der Maßregeln nicht gedacht bat, die Seitens des Herrn Statthalters ergriffen worden sind, um den aus Dem Lande . die Rückwanderung zu erleichtern, daß er bei der Gelegen—
eit nicht der lange rsehnten Lösung der Optantenfrage gedacht hat, die überall in Elsaß-Lgthringen — das wird auch der Herr Vor redner zugeben — mit Befriedigung aufgenommen worden sst. Durch die , . theilweise etwas zerfahrenen Optantenfrage ist jetzt vielen, die früher nicht im Stande waren, in die Reichs lande zurückzukebren, nunmehr die Möglichkeit gegeben, dies k thun: Wenn ier also irgend etwas gegen die usführung des Herrn Vorredners spricht, so ist es die Ärt und Weise, wie die Optantenfrage Seitens der Landesverwaltung von Elsaß Lothringen ihre Erledigung gefunden bat. Der Herr Vor— redner hat ferner die Gelegenheit benutzt, um die Frage der fran— zösischen, überhaupt der ausländischen Versicherungen in Elsaß⸗ Lothringen zur Sprache zu bringen. Nun, melne Herren, ohne in die Details zur Sache näher einzugehen, darf ich doch im Allgemeinen die Sachlage dabin firiren, daß es sich darum handelte, einen un— geregelten rm, der einer gesetzlichen Normirung entbehrte, nunmehr auf eine eg liche Basis zurückzuführen. Wie auch dem errn Vorredner belannt sein wird, ist die ganze Entwicke= ung, die sich au den betreffenden Ministerialerlaß anknüpft, 1 auf, einem guten Wege begriffen, und, es ist zu erwarten, aß durch die neue Organisation ein befriedigendes Verhältniß an die Stelle der früheren Uebelstände in Bezug 8 die Versicherungẽ⸗ gesellschaften tritt. Ich möchte dabei insbesondere den Herrn Vor⸗ redner fragen, welcher von den Agenten oder Ünteragenfen ibm be— kannt ist, sei es aus der Gruppe der Schufter oder Schneider, die er erwähnte, oder aus einer anderen Gruppe, der zur Zeit in Folge dieser Maßregel ums Brod gebracht ist. Ich glaube, es ist nicht Herne, daß nach dieser neuen Versicherungsorganisation diesenigen zersonen, welche aus dem Versicherungswesen ihren Lebensunterhalt
e. haben, im Wesentlichen auch fernerhin solches aus demselben erufszweige werden finden können. Ein Verhältniß, das wirth⸗
s ich und velitisch bedenklich erschien, e nothwendig reformirt ö 2 übe * t ein Zustand 8 gesetz lichen Regelung
entbehrte, diese nunmehr erhalten sollte
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat ferner geltend gemacht, es könnten die Elsaß⸗Lothringer in öffentlichen Aemtern nicht in ge— nügender Weise Verwendung finden und zur Anstellung gelangen. Ich kann dem gegenüber nur hervorheben, daß die Landesverwaltung sich bei jedem Anlaß bemüht hat, in zuvorkommendster Weise den Lan⸗ desangehörigen den Eintritt in den Dienst zu erleichtern; ich kann versichern, daß man in den letzten Monaten in der Verwaltung von Elsaß⸗Lothringen mehrfach gegenüber Landesangehörigen weit unter das Maß der Anforderungen heruntergegangen ist, welches für die Anstellung in der Verwaltung von Elfaß-Lothringern durch die betreffenden Regulative festgesetzt ist, insbesondere dann, wenn gewisse Formen der Vorbildung nicht erfüllt waren, welche die Regulative forderte. Ich möchte dem Herrn Vorredner auch noch bemerken, daß namentlich auf dem Gebiete der Steuerverwaltung folches in mehr⸗ facher Weise geschehen ist. Im Uebrigen möchte ich nicht glauben, daß es am Platze sei, die ganze Frage der Beamtenrektutirung für Elsaß⸗Lothringen im Detail hier vorzuführen, es ist davon vielfach im Landesausschuß die Rede gewesen und es hat sich dabei gezeigt, daß die scharfen Gegensätze, von denen auch in der Rede des Herrn Vorredners noch Einiges zu finden war, immer mehr beseitigt werden durch längeres Zusammenfein der jetzigen Volksvertretung mit der Verwastung. Auch fer— nerhin werden sich diese Gegensätze, wie ich glaube, immer mehr verringern, und ich glaube ein vollwichtiges Zeugniß für die Richtig— keit dieser meiner Behauptung liegt darin, daß gerade auf dem Ge⸗ biete der Beamtenbesoldung in der letzten Session des Landesaus— schusses ein Beschluß gefaßt ist, der eine Streitfrage, welche lange die Landesvertretung beschäftigt hatte, in befriedigender Weise gelöst hat. Man ist in der letzten Sitzung dahin gelangt, durch Entgegenkommen sowohl Seitens der Regierung als der Volksvertretung die Frage der Ortszulagen“ zu beseitigen und es ist gelungen, eine vollkommen neue Regelung der Besoldungsverhältnisse der Beamten herbeizuführen. Dies spricht dafür, daß auch auf diesem Gebiete eine Besserung der bestehenden Verhältnisse eingetreten ist.
Der Herr Vorredner sagt, man sei darauf aus, alles auszurotten, was an das französische Regime erinnere. Auch darin kann ich dem Herrn Vorredner nicht Recht geben. Was gut ist an den franzöfischen Grundsäͤtzen, ist vielfach beibehalten. Es widerlegt sich das, was der Herr Vorredner gesagt hat, wohl dadurch am besten, daß im Wesentlichen die ganze französische Gesetzgebung als Basis der Verwaltung beibehalten ist, insofern sie nicht ausdrücklich durch Reich eee oder durch spezielle Landesgesetze beseitigt worden ist.
Ebenso wenig begründet, meine Herren, ist dasjenige, was der . Vorredner uber die Zunahme der Lasten des Landes vorgebracht
zat; auch da vermisse ich jeden Beweis nicht blos an Zahlen, fondern auch jede Bezeichnung derjenigen Gebiete, wo eine folche Belastung eingetreten sein soll. Soweit mir die Sache bekannt ist, ist eine Verminderung der Lasten der elsaß⸗lothringischen Bevölkerung durch die deutsche Verwaltung eingetreten, — allerdings nicht auf dem Gebiet der direkten Steuern, und das mag dazu geführt haben, daß die Empfindung der Entlastung eine minder allgemeine ist. Aber es sind sehr wesentliche Entlastungen eingetreten auf dem Gebiete des Ge—⸗ bührenwesens; ich erinnere nur an die Beseitigung der Zuschlagzehntel bei den Enregistrementsgebühren, an die Beseitung des Quittungs— stempels u. s. w. Es ist also eine Entlastung der Bevölkerung in Elsaß⸗Lothringen seit Einführung der deutschen Verwaltung ein— 6 nicht aber eine Belastung derselben. Der Herr Vorredner at ferner ein schlimmes Bild entworfen von dem Terrorismus, der angeblich stattfindet gegen Diejenigen, welche den Weg der Klage gegen Beamte erheben. Meine Herren, auch von diesem Terrorismus ist mir nichts bekannt, wohl aber weiß ich, daß die Verwaltung sich stets Mühe gegeben hat, um ihrerseits Konflikte gerade zwischen Bewölke— rung und Beamte so viel wie möglich zu verhindern, daß also gerade das Entgegengesetzte von dem geschehen ist, was der Herr Vorredner hier erwähnt hat.
Meine Herren, dem Versuch, der aus den Worten des Herrn Vorredners entnommen werden könnte, hier gewissermaßen einen r at zwischen der Landesverwalturg bejiehungsweise dem Statt— alter von Elsaß⸗Lothringen und zwischen der Reichsregierung hervor—⸗ treten zu lassen über die ee, n, . und Nothwendigkeit der Maßregel, die Ihrer hohen Berathung unterliegt, — diesem Versuch, meine Herren, muß ich mit aller Entschiedenheit entgegen⸗ treten und hier die Versicherung abgeben, daß die Landesverwaltung von Elsaß⸗Lothringen in gleichem Maße wie die Reichsregie⸗ rung vollständig von der Nothwendigkeit der Maßregel überzeugt ist, die Ihnen vorgeschlagen wird. Dagegen wiederhole ich, was ich neulich schon vorzubringen die Ehre hatte, daß wir weit davon ent— fernt sind, irgend welche feindselige Spitze gegen den Landesausschuß kehren zu wollen. Es ist auch nicht, wie der Herr Vorredner gesagt hat, von der Regierung jemals behauptet worden, der Landesausschuß habe sehr viele Vorlagen verworfen; nein, das Gegentheil ist der Fall; wir stellen dem Landesausschuß sehr gern von Seiten der ver— zündeten Regierungen und von Seiten der Landesverwaltung das Zeugniß aus, daß er alle Vorlagen in objektiver Weife geprüff und die große Mehrjahl derselben auch im Sinne der Regierung ge—= billigt hat.
Meine 2 im Uebrigen handelt es sich jetzt um die dritte Lesung des Gesetzes, es möchte das allen Denjenigen, denen es darum zu thun ist, daß die Sache in einer der nationalen Entwickelung gün— stigen Weise stattfindet, eine Mahnung dafür sein, ja recht vor— sichtig zu sein gegenüber den Abänderungsanträgen, die jetzt gestellt worden sind oder etwa noch gestellt werden. Meine Herren, Sie be⸗ greifen, daß die Annahme eines Antrags, der geeignet wäre, das Zustande⸗ „kommen des ganzen Geseßes zu gefährden, eine politisch böchst bedenkf. liche Thatsache wäre, daß deshalb alle die Anträge, die jetzt ihrer Beschlußfassung unterliegen, mit ganz besonderer Vorsicht Ihrerfeite werden geprüft werden müssen. Auf das Detail dieser Anträge und auf die Bedenken, welche gegen dieselben bestehen, behalte ich mir vor, bei der Sxezialdiskussion zurückjukommen.
Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, man werde mit der von der Regierung vorgeschlagenen Maßregel das Gegentheil von dem erreichen, was man beabsichtige: man werde statt anzuziehen, abstoßen, man werde von Neuem eine Kluft öffnen, 6 zu schließen so glücklich begonnen sei. Er vermöge diese Vorlage nicht mit der vortrefflichen Leitung des Statthalters in Einklang zu bringen. Die Begründung sei sehr dürftig. Nicht einmal eine Statistik darüber liege vor, wie viel Mit⸗= glieder des jetzigen i überhaupt deutsch zu debattiren im Stande seien. Man sage, mit der Gewährun der 8 sei die Nothwendigkeit verbunden, deuts zu verhandeln. Diese Schlußfolgerung sei nicht richtig. Selbstverständlich müsse das Bestreben der Reichsregierung dahin gehen, u erlangen, daß in der Landesvertretung Elsaß⸗Lothringens deutsch gesprochen werde; es könne sich nur fragen, wie rasch und in welchem Tempo man diesem Ziele zueilen wolle. Daß so rasch vorgegangen werden könne, wie man vorschlage, sei ganz undenkbar. Die Manner, welche bee nen seien, in den e en zu gehen, müßten
och reiseren Alter eh und den gebildeten Ständen ange⸗ 2 Daß solche Männer, besonders in Lothringen, sich berwiegend französisch auszudrlicken gewohnt seien, könne nicht Wunder nehmen, und wer nicht besondere Sprachanlagen habe, könne sich unmöglich in so kurzer Frist aus der Gewohnheit französisch zu reden, in die des DVeutschrẽben? hineinfinden. Der
Kommissar habe gemeint, es sei doch wunderbar, wenn in dem Ausschusse Männer säßen, die das Deutsche nicht verstãnden, obwohl sie dort eine Reihe von Jahren an den Verhandlungen
Theil genommen hätte. Wisse denn der Kommissar nicht von einem hervorragenden Mitgliede dieser Versammlung, welches gar nicht hören könne, und dem die hier gehaltenen Reden ihrem wesentlichen Inhalt nach von einem Nachbar aufge⸗ schrieben werden müßten! Wenn das bei einem Tauben möglich sei, so sei es doch auch bei den französischen Mitglie⸗ dern des Landesausschusses denkbar. Uebrigens scheine der Herr eine kuriose Ansicht von den Aufgaben eines Abgeord⸗ neten zu haben, wenn derselbe meine, daß es aufs Reden nicht ankomme, daß man die Sache nur kurz darzulegen brauche. Immerhin wäre auch dies möglich, wenn solche Aufsãtze so schnell niedergeschrieben werden könnten, wie dies erforderlich sei. Man könne aber nicht immer Alles mit so kurzen Worten sagen. Man habe allerdings in diesen Tagen von einer höher steyenden Persönlichkeit gehört, daß das viele Reden unzweckmäßig sei; dieses Gesetz scheine eine Illu⸗ stration zu diesem Grundsatze zu bilden. Einzelne der Herren im Landesausschusse sprächen ja das Deutsche gut, wis man in diesem Hause wiederholt wahrnehmen könne; aber auch ihnen könne man aus dem Gebrauche der französischen Sprache im Landesausschusse keinen Vorwurf machen, da dis große Mehrheit Derer, für die sie redeten, das Französische allein oder doch besser verständen. Seines Erachtens müßte allerdings die deutsche Sprache prinzipiell als die Geschäftssprache des Lan⸗ desausschusses festgesetzt werden; Diejenigen aber, welche diese Sprache noch nicht verständen, müßten berechtigt sein, französisch zu reden. Damit wäre dem öffentlichen Anstand sozusagen völlig genügt. Er bitte daher, den dieses Prinzip ausdrückenden An' trag Schorlemer anzunehmen. Mehr in diesem Augenblicke zu ver⸗ langen, halte er für eine Vergewaltigung. Für das soziale Leben könne ja in dieser Beziehung kein Staat Vorschriften machen; sei aber der Kommissar anderer Ansicht, dann verbanne der⸗ selbe erst aus den Salons in Berlin französische Sprache und französische Sitten. Man würde mit der Vorlage den Landes— ausschuß völlig mundtodt machen. Das geringste Maß an Ge— rechtigkeit würde der Laskersche Antrag enthalten, von dem er in der That nicht absehen könne, welche Gefahren derfelbe für die Nation bergen solle. Glaube man nicht, daß man ein Volk dadurch gewinne, daß man demselben die Sprache nehme. Man habe in Deutschland die Erfahrung gemacht, daß, indem man die polnische Sprache verfolgt habe, sie gerade recht lebendig wieder angefacht worden sei. Man könne ein Volk nicht durch Gewalt gewinnen, sondern nur dadurch, daß man es gerecht und billig regiere. Was hier verlangt werde, sei aber Unrecht und Unbilligkeit, und er warne deshalb davor. Ra— tional sein heiße im Sinne des Deutschen: gerecht fein. Wenn das Haus diese Vorlage annehme, so sei es nicht gerecht und nicht national. .
Der Abg. Fürst zu Hohenlohe (Langenburg) erklärte sich gegen den Schorlemerschen Antrag. Wenn dieser Antrag angengmmen werde, werde für ewige Zeiten die französische Sprache denen gestattet, die der deutschen nicht mächtig seien. Hätte dieser Antrag Aussicht auf Annahme, so möchte er einen Zeitpunkt festgesetzt sehen, bis zu welchem überhaupt nur französisch gesprochen werden dürfe. Da der Antrag in der zweiten Lesung eingebracht sei, so habe seine Partei damals keine Gelegenheit gehabt, sich über die Tragweite desselben zu informiren. Da er aber nicht wisse, ob den verbündeten 9 gierungen der Gesetzentwurf mit dem Amendement Schorlemer annehmbar sei, ihm aber am Zustandekommen des Gesetzes viel liege, sei er nicht im Stande, dem Antrage beizustimmen. Was den Antrag des Abg. Lasker betreffe, so könnte er dem— selben schon eher beistimmen, wenn derselbe ein wenig mehr fakultativ gefaßt wäre, also etwa: „den betreffenden Ritglie— dern könne die französische Sprache gestattet werden“. Auf diese Weise würden die Bestimmungen für den Landesausschuß denen für den Bezirksausschuß und Kreisausschuß analog werden.
Danach wurde die Generaldiskussion geschlossen.
In der Spezialdiskussion motivirte der Abg. Dr. Lasker seinen Antrag damit, daß man ein wohlerworbenes Recht ver— letzen würde, wenn man den Leuten, die auf Grund der Vor— aussetzung, daß es ihnen gestattet sei, in französischer Sprache zu debattiren, das Mandat augenommen hätten, jetzt die Aus— übung desselben unmöglich mache, indem man lediglich den Gebrauch der deutschen Sprache zulasse. Bei seinem (des Redners]) Vorschlage bleibe das Prinzip, daß lediglich deutsch gesprochen werden solle, für die Zukunft ge⸗ wahrt. Wenn dieser Vorschlag nicht angenommen wer— den sollte, so müsse er beantragen, den Termin der Rechts⸗ kraft des Gesetzes bis zum 1. März 1884 hinauszuschieben.
Der Abg. Neßler bemerkte, das Französische sei durchaus nicht die Sprache des Volkes, sondern nur die Sprache der gebildeten Klassen, die auch deutsch sprechen könnten, wenn sie nur wollten. Man glaube in Elsaß auf Grund der in Frankreich geltenden Ansichten noch vielfach, Elsaß würde bald wieder französisch werden. 5 dieser Ansicht würde das Volk durch den — Gebrauch des Französischen im Lan⸗ desausschuß bestärkt, und dieser Unsicherheit des Volks in Be⸗ zug auf die Zukunft müsse die Regierung entgegentreten.
Der Abg. Dr. Windthorst erblickte in der Annahme des Gesetzes eine Vergewaltigung des Volkes, denn man hindere es lediglich der Sprache wegen, das höchste Recht, zu dessen Ausübung das Volk berufen sei, auszuüben.
Der Unter-Staatssekretär Dr. von Mayr erklärte sich gegen beide Abanderungsanträge. Der Antrag Schorlemer würde insofern noch einen schlimmeren Zustand schaffen als der jetzige sei, weil derselbe ein gesetzliches Recht auf den Gebrauch der französischen Sprache konstruire, welches bisher * nicht bestehe. Das würde diejenigen, welche bei einiger Anstrengung deutsch sprechen könnten, aufmuntern, bei ihrer Gewohnheit des Franzoösischsprechens zu bleiben.
Das Haus lehnte darauf sämmtliche Anträge ab und genehmigte die 8z. 1 und 2 der Regierungsvorlage.
Im z. 3 war der Termin des Inkrasttreteng des Ge⸗ setzes auf den 1. März 1852 festgesetzt. In Folge seiner früheren Erklärung brachte jetzt der n Lasker den Antrag ein, diesen Termin bis auf den 1. März 185 hinauszu⸗ schieben. Auch dieser Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt und darauf das Gesetz im Ganzen angenommen.
. wurde ein r=n, , m angenommen. ᷣ er Präsident wünschte bei der erheblichen Menge des in den Kommissionen lagernden Arbeitastoffs einige Tage von Plenarsitzungen freizulassen und schlug als nachsten Sizungs— tag den Mittwoch vor.
Die Abgg. von Bennigsen und Dr. Windthorst baten, auch diesen Tag noch freizulassen, damit die Kommissionen ihre Arbeiten erheblicher fördern könnten.
Der Präsident gab der Bitte nach und setzte die nächste Sitzung auf Donnerstag 12 Uhr an. (Schluß IM, Uyr.)