diese Maßregel gerade die Herren eintreten zu sehen, die sich immer als Verfechter der Wurde des Reichstages a. **, ausge⸗ geben hätten. Wenn der Reichstag die Kommissionsanträge annehme, müsse man die Beschlußfähigkeitsziffer des Reichstages herabsetzen. Was die Zeitersparniß des preußischen Landtages bei zweijährigen Etatsperioden betreffe, so komme er da zu ganz anderen Schlüssen; der preußische Landtag brauche min⸗ destens die doppelte Anzahl auch an Plenarsitzungen als der Reichstag. Der Antrag der Kommission bedeute für ihn die Ver⸗ einigung der jetzigen Mißstände mit denen der zweijährigen Etats⸗ periode: das heiße, es werde Zeit vergeudet und der Etat stehe auf ganz unsicherer Basis. Er erinnere die Herren von der Budgetkommission daran, welche Schwierigkeiten schon das Be— rathen einzelner Fragen im März habe, wie werde es erst im Oktober sein, wo man über die Wirkung der einzelnen vorjährigen Etatspositionen keine richtige Schätzung habe? Der Abg. Rickert habe auf den Reichstag von 1868 exempli⸗ fizirt, aber damals habe das Etatsjahr am 1. Januar ange⸗ fangen, und dies müßte wieder eintreten, wenn der Reichstag im Okober zusammentreten sollte. Er stehe also entschieden ablehnend dem Kommissionsantrage gegenüber und würde seinestheils für die zweijährige Etatsperiode stimmen. Er könͤsne aber nur bedauern, daß die Kommission noch einen Schritt weiter gegangen sei als der Abg— Rickert, und statt der Bitte, die man noch als berechtigt an⸗ sehen könnte, eine Verfassungsänderung verlangt habe, und ein wesentliches Recht der Krone für sich in Anspruch nehmen wolle. Und das thäten gerade diejenigen Mitglieder des Reichstages, welche seiner Partei vorwürfen, daß sie diese politische Frage in eine kalkulatorische verwandele. Wenn man sich auf die Bestimmungen der preußischen Verfassung berufe, so sei das ein falscher n der König von Preußen habe ganz andere Rechte als der Deutsche Kaiser, welcher an der Spitze eines Staatenbundes stehe, und die Re⸗ genten der Einzelstaaten und den Bundesrath newven sich habe. Er hoffe, daß die Majorität größere Achtung vor den Präro⸗ gativen der Krone haben werde. Er bitte die Regierungs⸗ vorlage anzunehmen.
Der Abg. v. Bennigsen erklärte, die vorliegenden Fragen seien bereits in der ersten Lesung und in den Kommissions⸗ berathungen so erschöpfend verhandelt worden, daß selbst das, was die Abgg, von Maltzahn und Stumm heute hier ange⸗ führt hätten, soweit es richtig sei, auch nicht neu gewesen sei. Der erste Vorschlag der Regierung sei ja von Rienandem mehr aufrecht gehalten, nämlich ku der Reichstag nicht mehr alljährlich berusen werden solle. Es sei von einigen Parteien versucht worden, wenigstens die zweijährige Budgetperiode aus der Vorlage zu retten. Der Abg. von Maltzahn sei bei diesem Versuche unbefangen genug gewesen anzuerkennen, daß dies mit großen Schwierigkeiten verbunden sei, und er glaube, daß in dieser Hinsicht nichts von dem widerlegt sei, was von ihm und anderen Rednern bereits bei der ersten Lesung vor— getragen worden sei. Wenn die Sache überhaupt Bedeutung haben sollte, so müßte in den Einzelstaaten ebenso verfahren werden, was unter den gegenwärtigen Verhältnissen noch viel schwieriger sein würde. Ueber die Art und Weise, wie die wirthschaftlichen Zustände sich an der Hand der neuen Gesetz⸗ gebung bislang entwickelt hästen und welches Bild sie zeigen würden in den nächsten Jahren, nungsverschiedenheit auf Seiten
der Regierung und der Parteien vorhanden.
Wie wolle man da behaupten, daß ein Etat sich mit nur einiger Sicherheit auf 2 Jahre voraus ausstellen lasse. Welche Mitwirkung würde das auf die Budgets der Einzelstaaten haben! Es sei auch keine Aussicht vorhanden, daß in der wirthschastlichen Gesetz⸗ gebung in den nächsten Jahren etwa eine Pause ein— treten würde. Man müsse sich gefaßt machen, daß in dieser Hinsicht noch tief einschneidende schwerwiegende Gesetze den Neichetag noch längere Zeit beschäftigen würden. Die ganze Einrichtung zweijähriger Budgets hätte auch nur dann eine weittragende Bedeutung, wenn derselbe Schritt auch in den einzelnen Ländern, speziell in Preußen, durchgeführt werden würde. Der Vertreter des Centrums habe schon dei der ersten Lesung ausgeführt, daß in Preußen dazu keine Aussicht sei, weil man da auf die jährliche Kritik der Verwal⸗ tung bei Berathung des Budgets nicht verzichten möchte. Nun meine der Abg. Stumm, die Budgetkommission habe eine un— geheure Zeit verloren, die Mitglieder derselben feien Älle er— schöpft. Auf die kalkulatorische Auseinandersetzung zwischen dem Abg. Stumm und Niczert lasse er sich nicht ein, aber er möchte behaupten, daß dasjenige, was seine Partei früher hier gegenüber dieser Vorlage ausgeführt habe, daß im Reichstage die Vudgetberathung im Plenum und, der Kommission einen verhältnißmäßig geringen Theil der Zeit in Anspruch genommen habe, durch die neuesten Erfahrungen bestätigt würde. Die Verhandlungen der Bud⸗ getkommission, deren Vorsitzender er seit Jahren sei, haͤtten in diesem Jahre viel weniger Zeit in Anspruch genommen als früher; das Plenum habe sich nur 2 Wochen mit dem Budget zu beschästigen gehabt und zwar zu einer Zeit, wo noch eine Menge anderer Vorlagen daneben berathen seien. Wolle etwa der Abg. Stumm behaupten, daß in diesem oder einem früheren Jahre die Mitglieder der Kommission nicht an den Berathungen des Plenums hätten theilnehmen können. Außerdem sei nicht zu vergessen, daß die Budgetkommifsion noch Kit anderen Sachen, mit Petitionen über die Verwaltung zum Theil in Verbindung mit dem Budget beschäftigt gewesen sei. Die Bungetkommission sei in gewissem Grade auch eine Ver— sassungskommission. Was im Uebrigen die Behauptung be— treffe, man sei in Deutschland mit Geschäften fo überlastet, daß eine gewisse Abspannung nicht nur unter den Parlamen“ tariern, sondern auch im Lande sich zeige, so bestreite er nicht, daß das in gewissem Grade der Fall fei. Das Wesentliche dieser Abspannung und Ermüdung sei aber auf einem ganz anderen Gebiete zu suchen, und die Herren würden vergebens sich abmühen, auf diesem Gebiete den Grund zu siuden, wes⸗ halb jetzt nicht mit der Frische und Freudigkeit gearbeitet werde, und nicht mit dem Eifer und dem lebendigen Interesse die Verhandlungen im Volke aufgenommen würden, wie das in den ersten Jahren nach 1867 der Fall gewesen sei. Wenn es dahin gekommen sei, so liege es daran, daß man einen sesten Zustand in den Parlamenten, im i nicht mehr habe, auch ein so gutes Verhältniß der Mehrheit zum Kanzler wie früher nicht mehr bestehe, wo man mit Freudigkeit Großes geschaffen habe mit dem Kanzler und den verbündeten Negierungen. Der Reichstag sei so schwankend zusammengesetzt, daß weder irgend ein Po⸗ litiker noch irgend ein Mann in der Regierung nur auf Wochen oder Monate darauf rechnen könne, in welcher Rich⸗
sei eine vollständige Mei⸗ preußische Regierung habe es stets fertig gebracht, den Etat
ewige Hinundherschieben der Verhältnisse, die Unsicherheit, von der Niemand absehen könne, wie es anders werden solle, das sei der Hauptgrund für die Ermüdung und Abspannung in den Parlamenten und im Volke. Dieser Zustand müsse sich allerdings ändern, denn auf die Dauer sei eine solche Unsicherheit in den ganzen öffentlichen Rechts⸗ verhältnissen schwer zu ertragen, wie man sie seit einigen Jahren gehabt habe, wo die wichtigsten Vorlagen eingebracht würden und man schon von vornherein wisse, die Vorlagen hätten keine Aussicht auf Mehrheit oder man nicht sicher sei, an welchen Stellen im Reichstage die Mehr⸗ heit zu finden sei. Die Last dieses Zustandes sei so groß, daß alle Theile ein Interesse haben müßten, daß bald Wan⸗ del geschaffen werde. Nun wolle er noch mit einigen Worten auf den positiven Vorschlag der Kommission kommen, der hier und in der Presse zu einem Angriffe auf die liberale Partei benutzt worden sei, die damit ein Prärogativ der Krone zer⸗ stören wolle. Der Antrag stimme im Wesentlichen mit dem des Abg. Rickert überein, daß das Etatsgesetz im Reichstage vor dem der Einzelstaaten festgesetzt werden solle, denn nach diesem Antrage würde man nothwendiger Weise von selbst dazu kommen, den Reichstag im Oktober einzuberufen. Der Kern des Rickertschen Antrags sei also derselbe, wie der der Kommission. Wie komme es denn dann, daß in Preußen die Freunde der Abgg. Stumm und von Maltzahn einstimmig in der letzten Session diesen Antrag Rickert angenommen hätten, wenn derselbe angeblich Eingriffe in die Prärogative der Krone enthalte. In dem Antrage Rickert liege keine Verletzung der Prärogative des Kaisers, sondern derselbe bezwecke nur eine zweckmäßige Ein— richtung regelmäßiger Sitzungen des Reichstages. Durch eine Berufung desselben im Oktober werde die Fertigstellung des Reichsetats vor denen der Bundesstaaten ermöglicht, und damit die nothwendige Grundlage für die einzelnen Landtage und deren Budgets geschaffen. Die Prärogative des Kaisers, den Reichstag einzuberusen und zu schließen, hahe verfassungsmäßig! eine Beschränkung darin, daß Artikel 69 der Verfassung alle Einnahmen und“ Aus— gaben des Reichs für jedes Jahr veranschlagt werden müßten, und daß der Haushalts-Etat vor Beginn des Etats— jahres durch ein Gesetz festgestellt werden müsse. Es sei, wenn das Etatsjahr wie jetzt mit dem 1. April beginne, nothwendig, daß spätestens im Februar die Einberufung erfolge. Ferner enthalte die Verfassung die Einschränkung, daß der Reichstag nicht ohne den Bundesrath berufen werden könne. Dann müsse nach Auflösung des Reichstages binnen 90 Tagen der Reich: tag wieder versammelt werden. In derselben Session könne die Auflösung überhaupt nicht wiederholt werden. Dann möchte er betonen, daß die Bestimmung in der preußischen Verfassung, wonach der Landtag im November einberufen werden müsse, von Männern auf⸗ gestellt worden sei, denen wahrlich nicht die Absicht einer Ver— letzung der Prärogative der Krone vorzuwerfen sei. Wenn man gegen den „Oktober“ eingewendet habe, daß es für die ver— bündeten Regierungen nicht ausführbar sei, bis dahin die Unterlagen zu gewinnen und die Vorlagen auszuarbeiten für einen Etat, der erst im April des nächsten Jahres beginne, so verweise er auf das Beispiel des preußischen Etats. Die
mit Zusammentritt des Landtags oder unmitteibar nachher vorzulegen. Wenn das so lange möglich gewesen sei, werde dies für den Reichshaushalts⸗-Etat noch in viel leichterem Grade als möglich sich herausstellen. Die Kommission halte ihren Antrag für zweckmäßig und mit den Verfassungs⸗ grundsätzen nicht im Widerspruch stehend. Wenn etwas helfen solle, so0 könne eine Erleichterung viel eher darin gefunden werden, daß der Reichstag nicht mehr in dem Umfange jedes Jahr mit großen und kleinen legislatorischen Aufgaben befaßt werde, wie bisher. Veben dem Budget seien immer noch eine ganze Reihe anderer Sachen erledigt worden. Große umfangreiche Gesetze könnten allerdings nicht sofort im Plenum vor Ofstern alle drei Le— sungen passiren; noch weniger könnten die zum Theil sehr wichtigen und umfangreichen Vorlagen erledigt werden, welche vor Ostern noch gar nicht eingebracht seien, sondern erst nachher, gegen das Ende der Session. Bei einer geringeren Zahl von Vorlagen würden auch nicht, wie jetzt, alle Ge⸗ setze überstürzt zu werden brauchen; der Präsident, den er in seiner Stellung ausrichtig bedauere, könne dann eine zweckdienliche Disposition für die ganze Arbeitslast treffen, während derselbe jetzt schon vom ersten Augen⸗ blick an mit Schwierigkeiten zu kämpfen habe. Wenn dagegen neben den laufenden Geschäften nur kleinere Vorlagen gemacht würden, so werde der Reichstag eher die Möglichkeit besitzen, in den einzelnen Sessionen die eine oder die andere Vorlage zu Stande zu bringen, als jetzt, wo man bei dem emharras de zichesse gar nicht wisse, welche Vorlage man zuerst in Angriff nehmen solle. Ginge es so weiter wie jeßt, dann fürchte er allerdings auch, daß man in Deutschland einer Stagnation in der Gesetzgebung und in der politischen Entwickelung verfalle, die allen, denen das Wohl des Vaterlandes am Herzen liege, höchst unerwünscht sein müsse. Das Unerfreulichste aber sei, daß in dieser Session und auch in der letzten Session des Landtages fast bei der Hälfte aller Neden, er möchte sagen, der Schatten der kommenden Wahlen 6 auf die Verhandlungen des Hauses und wo nicht blos die Führer der Partei und die Vertreter der einzelnen Parteien, sondern, vielleicht in ebenso großem Umfange auch die Vertreter der verbündeten . auf diese Wahlen — er wolle nicht sagen bei ihren Vorlagen schon Gewicht gelegt hätten, wie das ost ausgesprochen sei vom Reichskanzler und den Führern der Parteien, so daß ein großer Theil der Zeit hier wie im preußischen Landtage in Anspruch enommen sei auf Rekriminationen wegen der früheren ahlen, durch Eröffnung von Perspektiven zu den nächsten Wahlen und durch Versuche der Negierung und Parteien, möglichst Kapital für die nächsten Wahlen herauszuschlagen. Wenn der Abg. von Maltzahn meine, durch die Vorschläge der Regierung würde nach seiner (des Redners) Auffassung das Reich zu Grunde gerichtet, weil eben das einheitliche Or⸗ gan in der Reichs verfassung zurückgestellt würde gegen die Regierung und die Vertretungen der Einzelstaaten, — einer solchen Uebertreibung habe sich, 6. er, Niemand von Den⸗ jenigen schuldig gemacht, die bei der ersten Berathung die Reglerungsvorlage angegriffen hätten. Zu Grunde gerichtet würde das Reich nicht, wenn auch alle Einrichtungen, die er sür nicht begründet halte, aufgenommen würden und noch Mehreres. Ein großes Reich wie das deutsche, auch wenn es erst seit 12 10 Jahren bestehe, könne recht viel vertragen,
tung eine Kombination für eine Mehrheit zu suchen sei; dieses
ein Reich und Schaden nehmen könnten die Zustãnde mehr und mehr, und davor wünsche er das Jieich bewahrt zu sehen und deshalb wünsche er solche Vorlagen abzulehnen, von denen er fest überzeugt sei, daß sie die berechtigte Stellung de Neichstages schwächten, daß mit der Schwächung der berechtiglen Stellung des Reichstages auch der Einheitsgedanke diesen neuen Reichs nicht mehr zur Entwickelung kommen könne, wie es da sein müsse, wo neben dem Kaiser und dem Kanzler der Reichstag das hauptsächlichste Organ zur Vertretung des Emm heitsgedankens der Nation sei.
Hierauf ergriff der Reichskanzler Fürst von Bis marc das Wort:
.Ich bin überzeugt, daß der Herr Vorredner mit seiner letzten mit erhobener Stimme gesprochenen Versicherung, daß er und? die Seinigen beabsichtigten, das Reich vor Schaden zu wahren, nicht hat ausdrücken wollen, 3 uns, und namentlich denjenigen, die berufen sind, einen amtlichen Einfluß auszuüben, diefes Bedürfniß, dieses Pe streben auch nur um ein Haar reit ferner läge als dem? Herrn Rö redner und seinen Genossen. Es kommt nur darauf an, wie der Schaden abgewehrt werden soll und wodurch der Schaden dem Reiche gethan wird, über den der Herr Vorredner klagte.
Ich will zunächst einige Fragen, einige Theile des Gebietes, auf dem wir, uns in der Diskussion befinden, mit kurzen Worten bei Seite schieben. Zunächst habe ich dabei den Vorwurf im Auge, daß Die Diskussion von Seiten der Regierung mit Rücksicht auf Pie zu künftigen Wahlen und die Wähler geleitet, auch die Vorlagen zum Theil darauf berechnet wären. Dem muß ich entgegenffellen, daß die Reichsregierung und die verbündeten Regierungen meines Erachtenz gar nicht das Recht haben, die Wähler und die Nation darüber im Dunkeln zu lassen, was sie beabsichtigen, namentlich wenn diese Absicht durch parlamentarische Reden und durch ein monopolisirte Presse in den Augen des Wählers verdunkelt zu werden Gefahr läuft. Allerdings ist ein wesentlicher Theil meines Bestrebens und der Ausübung meiner Pflicht gegen die Nation und ihre Wähler, sie darüber vollständig ins Klare zu setzen, wo die Reichsregierung hinaus will. Sb es mir gelingt, sie auch darüber ins Klare zu setzen, wo die einzelnen Parteien hinaus wollen, und was die Motive ihres Verhaltens und ihrer Fraktionz⸗ politik sind, das weiß ich nicht. Ich will mich nach Kräften dazu be— mühen, bei den Wahlen und durch Vorlagen und bei allen Diskussionen, und ich will die Publizität und das Tribünenrecht, was mir meine Stellung hier giebt, jeden Tag dazu benutzen, die Ration daruber auf⸗ zuklären, wo Jeder von uns hin will. Ich fürchte nicht, daß ich irgendwie meine Wege, die offen daliegen, daß ich die Beleuch' tung meiner vergangenen Wege im Dienfte des Reiches zu scheuen ha be. Ich habe an dem, was wir besitzen, gearbeitet, unter Bei⸗ hülfe der Fraktionen, bald von der einen unterstützt, bald von der anderen, was sie „unterstützen! nennen. Sie haben mit mir gemeinsam gearbeitet, das heißt, sie haben die Heckenscheere angelegt und das, was beantragt war, verkürzt, vielleicht verstümmelt, vielleicht verbessert, vielleicht in eine mehr künstlerische, den allge⸗ meinen politischen Grundsätzen entsprechendere Form gebracht. Für mich hat der Beistand, den ich von den Fraktionen erfahren habe, sehr häufig doch die Natur eines Kampfes, einer Verkürzung des Er⸗ reichbaren angenommen, dem gegenüber ich meine besten Kräfte habe aufreiben müssen, und wenn wir noch nicht weiter gekommen sind, so mache ich den Fraktionen den Vorwurf, auch auf die Gefahr hin, daß von der äußersten Linken noch einmal der Ausdruck des Ver— drußes darüber laut wird, daß Ihre Kämpfe untereinander haupt— sächlich schuld daran sind, daß das Reich nicht besser vorwärts kommt, daß man zweifelhaft wird an dem, was man errungen hat, daß eine gewisse Abspannung und Verstimmung eintritt. Das Volk ist es müde, sich mit hoher Politik und mit Fraktionspolitik zu befassen.
Es will seine praktischen Interessen wahrgenommen sehen, die Streitigkeiten der Fraktionen halten es davon ab' und sind ihm lang⸗ weilig, und das werden Sie finden bei dem Ausgang der Wahlen, und wenn nicht bei diesen, dann bei den folgenden.
Der Herr Vorredner hat ferner gegen Schluß seiner Rede dar⸗ über geklagt, daß die parlamentarischen Körperschaften mit Ärbeiten überlastet, und mit Gesetzvorlagen überschüttet würden, auch mit solchen, die schen einmal vorgelegt wären. Ja, da komme ich auf das eben erwähnte Argument zurück. Wir wiederholen die Gefsetz! vorlagen, in denen die Ueberzeugung der Regierung sich aus—⸗ drückt, um den Wählern dadurch zu fagen: wir' haben die Ueberzeugung, daß unsere Vorlagen richtig waren, keineswens deshalb; aufgegeben, weil wir an der Majorität von 1563 gegen 191 damit gescheitert sind, wir balten vielmehr an unserer Ueberzeugung fest, wir haben sie nicht frivol gefaßt, sondern nach sorgfältigem Nachdenken und halten daran fest, so lange der Einzelne von uns lebt und strebt. Das haben wir fagen wollen mit der Wiederholung unserer Vorlage. Auch sie ist eine Sprache zu den Wählern, zu der ich uns berechtigt und verpflichtet halte, um dieselben aufzuklären über die Ziele der Regierungen. Gerade die Hast und die Ueberlastung der Geschãfte, über die der Herr Vorredner klagt, wollen wir, ja vermindern dadurch, daß wir Ihnen die Möglichkeit geben zu längeren Sitzungen, indem Sie nicht eingeengt sind durch die Nothwendigkeit, in jedem Jahre zwei große Körperschaften, groß oder klein, den Reichstag und die Landtage, nebeneinander fungiren zu lassen, und die Zeit, die eine dieser Versammlungen braucht, der anderen zu verkümmern, wenn wir dahin kamen, und allerdings ist, wenn die Annahme des Systems, welches die Vorlage zum Ausdruck bringt. sich auf das Reich beschränkt, das Werk nur halb gethan, es muß auf sämmtliche Landtage übergehen, es muß die Gesetzgebung des Reichs ein Verbot bringen, daß Reichstag und Landtag gleichzeitig tagen, ein Jahr sollen die Landtage haben, ein Jahr foll der Reichs tag haben für seine Geschäfte. Daneben sind ja Berufungen nicht ausgeschlossen. Die Hauptarbeit liegt eben in dem Budget und in dem Zwang der Termine. Die dringende Hast, über die der Herr Vorredner klagt, liegt hauptsächlich in dem Zwang zum Fertigwerden des Budgets, welches in jedem Jahr neu geschaffen werden muß. Man hat mit berechtigtem parlamentarischen Egois= mus bisher nur von den Schwierigkeiten gefprochen, die Ihnen und den Landtagen nur die eine oder andere Entwickelung der Sache bringt. Eine leise Anwandlung von Mitgefühl mit der Lage der Minister oder des Bundegraths babe ich in keiner der Reden bisher finden können, und doch sind diese gerade die Gehetzten bei dem bis— herigen System und es giebt keine Ministernatur, die ledern und interesselos genug wäre, um das auf die Dauer ausbalten zu kõnnen. Wollen Sie andere Minister und Leute, fo hetzen Sie die todt, die gegenwärtig am Ruder sind, aber Jeder geht bei dieser leber⸗ arheitung der Geschäfte zu Grunde, und nicht blos die leitenden Minister, guch alle goupernementalen Kräfte nutzen sich ab. Ich babe erlebt, daß im preußischen Landtage bei der Bubgetberafbung die Blüthe der Geheimräthe, 15 vielleicht, weil im Budget ihre Auf⸗ gabe heran kommen konnte, am Montage erschienen sind, am Dienstag und so an jedem Wochentag bis Sonnabend — ich kann das Beisriel thatsächlicöh mit Daten belegen — und am folgenden Montag ist endlich der Gegenstand der Etatberathung berangekommen, für den diese außerhalb der Minister circa ein die, der höchstgestellten und am meisten beschäftigten Beamten eine Woche lang im Landtage gesessen und Reden, die für diese kein Interesse batten, stundenlange Reden angehört haben, und die ganze Sache ist für alle funffebn am nächsten Montage ohne ein Wort der Diskussion vorübergegangen, sie konnten am nächsten Montag Abend, ohne gebraucht zu sein, nach Hause gehen. ⸗ Das ist ein Zeittodtschlagen, welches von dem Sxystem vielleicht nicht ganz zu trennen, aber doch etwas zu vermindern ist. Auch den Ministern ist es so gegangen, den Leitern der Ressorts im Reiche, die gerade in dieser Zeit viel zu thun haben, daß sie Hier im Reichatag drei, vier Tage hintereinander erschienen sind auf die Gefahr bin, ob der zwei te Her nnr der Tagesordnung daran kommen werde oder
ehe es zu Grunde gerichtet werde, aber Schaden leiden könne
nicht, und daß sie nachher * Dause gegangen sind uud seviel Arbeitstage verloren haben. Man kann arbeiten, auch wenn man bier
Herren, wenn sie hier mit ihren parlamentarischen Geschäften auseinander
sitzt und zuhört, aber doch nicht jede Arbeit machen, namentlich die ernsteren nicht. Ich möchte deshalb all die Argumente, die der Herr Vorredner vorhin gegen das jetzige System „der Hast“ anbrachte, wegen der Art der Vorlagen der Regierung in engere Schran⸗ ken führen; und sie fallen mit, erheblichem Gewicht, in die parlamentarische Waagschale. Wir werden beiderseits Zeit haben, wenn der Reichstag oder der Landtag in dem Jahre, wo er sich versammelt, sich von Haus aus der Hoffnung hingeben kann, daß Ss kein Unglück ist, wenn er seine Sitzungen auf drei oder fünf Monate ausdehnt und die Arbeitszeit der Minister in der Zwischen⸗ zeit so bemessen ist, daß sie wirklich die Vorlagen rechtzeitig seststellen können. Das ist sehr leicht gesagt, daß die Säumigkeit der Minister, die die Vorlagen nicht rechtzeitig bringen, schuld an Zeitmangel ist, wie ein Diener, der nicht rasch genug die Tre pe heraufgekommen ist. Aber die Herren sollten doch einmal sehen, ob Lie im Stande wãren, in dieser kurzen Zwischenzeit, die bleibt, die Dinge früher fertig zu stellen. Das Budget, ist kaum votirt, so habe ich drei Tage darauf schon die Vorlagen für das neue zur Arbeit bekommen, die bereits in vorräthiger Arbeit waren. So geht es in Preußen, so geht es im Reich. Die
sind, dann mag es für einige unangenehm sein, in ihre Büreaux wieder zurückzukehren, für sie hören die Ferien dann auf, allerdings, für die Anderen aber, die wirklich nur hierher gekommen sind, um den Beruf eines Volksvertreters zu erfüllen, die diesen Beruf nicht mit dem eines Redacteurs einer Zeitung verbinden, kombiniren und so das ganze Jahr für denselben Beruf beschäftigt sind, für diese fangen dann ihre eigentlichen und regelmäßigen Geschäfte erst wieder an. Für die Minister ist in beiden Zeiten die Arbeit gleich schwer, gleich ermüdend, gleich aufreibend, und das ist, glaube ich, nicht nützlich, die Minister zu nöthigen, daß sie ihre Arbeiten flüchtig und mit mehr Gleichgültigkeit machen sollen. Sie würden, wenn Sie immer, solche Minister, gehabt, hätten, gar nicht so weit gekommen sein, wie wir uns hier bei einander sehen, und es ist nicht nützlich, die Träger der Staatsarbeit auf diese Weise zu ermüden und ihnen die Zeit zur Besinnung nicht zu lassen. Diese Rüchsichts— losigkeit auf. die ministerielle Menschenklasse liegt auch in dem Antrag, daß der Reichstag im Oktober zusammentreten solle. Es ist ja klar, daß der Bundesrath in diesem Falle 3 bis 4 Monate früher zusammentritt; wir können das auf 3 Monate abkürzen, aber unter 3 Monate vorher wird der Bundesrath seine Arbeit nicht erledigen können. Wenn Sie also den Reichstag im Oktober hier haben wollen, dann müssen Sie von dem Bundesrath verlangen, daß er Ende Juli etwa. zusammentritt. Alle die bundesstaatlichen Minister, welche eben noch im Gefechte mit, ihrem Land— tage waren, kommen nicht her, um sich an dem Bundesrath zu betheiligen. Dann wird der Bundeẽrath schließlich etwas, was dem, alten Frankfurter Bundestage mehr und mehr ähnlich sein wird. Die Hauptsache, daß dieses Centrum der Regierungsautorität im Reiche in Ansehen und wirksamer Thätigkeit bleibt, ist die daß die dirigirenden Minister selbst im Bundes rath erscheinen. Wir haben deshalb in unserer Geschäftsordnung im Bun— desrath die Aenderung getroffen, daß alle wichtigen, entscheidenden Beschlüsse auf eine kürzere Zeit der Sitzung konzentrirt werden. Ich wage nicht, dem Reichstage etwas Aehnliches vorzuschlagen, denn dieser — wie ich glaube — fruchtbare, Gedanke würde dadurch unannehmhar werden, daß er von ministerieller Seite zuerst gebracht wäre, aber im Bundesrath spüren wir seitdem eine große Erleichterung und die Möglichkeit, daß auch diejenigen Herren, die zu. Hause nothwendig sind, sich an wichtigen Beschlüssen versönlich betheiligen können, und wir . dort noch eine zweckmäßigere Einrichtung, wir haben gar keine Grenze der Beschlußfähigkeit — und ich glaube, daß der Reichs— tag auch gewinnen würde, wenn er die nicht hatte, so daß diejenigen, die ein Vergnügen daran haben, Reden zu hören, jederzeit erscheinen könneng ohne ausgezählt zu werden, daß aber eine höhere, Beschluß, fähigkeit wie die jetzige gesetzt wird, wenn solche Beschlüsse gefaßt werden sollen, welche die Zukunft des Reiches durch Gesetze binden. Das Reich hat ein Recht darauf, daß mehr wie die Hälfte der im Lande gewählten Abgeordneten., bei einem solchen Beschlusse anwesend sei, der auf die Geschicke der. Nation einen wesentlichen, dauernden und schwer wieder zu beseitigenden Einfluß übt. Die Hälfte des Reichstags ist nicht mehr der Reichstag, so, wie die Verfassung ihn kennt, er hat auch nicht das Ansehen im Publikum und in der öffentlichen Meinung. Die Abspannung, von der der Herr Vorredner so viel sprich und die er, wie es schien, der ministeriellen Politik zuschrieb, geht vorzugsweise von dem Beispiel aus, welches eine große Anzahl der Herren Abgeordneten gieht und davon, daß es eine reichliche Zahl dieser Herren nicht der Mühe werth hält, den Sitzungen beimwohnen; bei einer der letzten Ab⸗ stimmungen ist mir gesagt worden, daß ohne Angabe des Grundes ] ich . 111 — Mitglieder des Reichstags gefehlt haben. Wie wollen Sie da annehmen, daß die Bevöllerung noch mit demselben Eifer wie früher an den Geschäften des Reiches Theil nehme, wenn ihre gewählten Vertreter ihr ein solches Beispiel geben? 6 Der frühere Eifer hatte auch wohl darin seinen Grund, daß das Deutsche Reich Anfangs etwas Neues war, man hatte eine gewisse Weihnachtsfreude daran, es zu besitzen, und nahm mit Vergnügen Theil daran, aber das „beati possidentes“ sindet hier kaum Anwen dung, was man hat, verliert an Werth, der Besitz macht gleichgültig — was man hat, das will man nicht, und was man nicht hat, das will man, und so geht es mit dem Deutschen Reich. Seitdem es als wohl besessen erscheint, bat man nicht mehr dieselbe lebendige Theil nahme, es ist nichts Neues mehr, es kommt vielen Leuten vor, als wenn es immer so gewesen wäre, namentlich denjenigen, die leine Er. innerung an die Vergangenheit haben, und als ob es immer so bleiben müßte. Ich möchte doch darum sehr inständig bitten, daß man sich diesem Wahn nicht bingiebt, als ob ohne eigene Mitwirkung, ohne eigene patriotische und selbstlose Hingebung für das Vaterland je eine Nation die Wohlthaten, deren sich jetzt die deutsche nach langer Ent ˖ behrung erfreut, sich auf die Dauer bewahren könnte. ann Ich wollte ferner noch eine Frage womöglich aus der Diskussien ausscheiden, das ist die Frage von der Prärogative des Kaisers. Es ist ja zweifellos, daß bierin, in der Beschränkung des Berufungs— rechts des Kaisers auf den Oktober, oder vielmehr in der Nöthigung zur Berufung dadurch, daß Sie also im 5. 13 einschalten binter: „der Kaiser kann berufen: der Kaijer muß im Oktober berufen“, eine Beschränkung der Prärogative liegt, aber ich meine, diese Frage sollte nicht Gegenstand der Diskussien dieses Hauses sein, so lange Se. Masestät der Kaiser Seine Ansicht darüber nicht ggaußert bat. Wenn der Kaiser es den Interessen des Reiches entsprechend findet, Seine Prärogative zu beschränken, so wird die Frage der Prärogative Se. Majestät nicht auf⸗ halten, dem Lande dieses Opfer an Machtvollkommenbeit zu bringen; aber wohl kann es Ihn empündlich berübren, daß man über Seine Rechte aburtheilt, che Er Seine Meinung geäußert hat, und Be— schluͤsse faßt, ob Er sie aufgeben soll oder nicht. Ich glaube, da könnte man eine Initiative oder Andeutung des Kaisers durch Seine berufenen Organe abwarten, ob Er dazu geneigt sei, denn ohne Seine Bereitwilligkeit kommen Sie doch nicht darüber hinweg, und das ist Deshalb eine Frage — ich kann die Diskussion nicht hindern, sich be⸗ liebig zu bewegen, aber ich muß sagen, das hängt allein von der Ent⸗ schließung des Kaisers ab. Der Taiser hat kisher Seine person= lichen Rechte noch nicht zur Diskussion und Beschlußfassung durch den Neichstag gestellt, die Frage der Priorität des Reichs, die durch den Oktober erreicht werden en. und die der Hr. Abg. Rickert durch seinen Antrag ganz allgemein erreichen will, wäre ganz einfach dadurch u erreichen, daß man den Anfang des Budgetjahres noch um drei onate verschiebt, und dann würde bei jährlichem Budget für die Tandtage der Zeitraum nach der Reichstagssitzung von Ostern bis obanni ein vollkemmen geeigneter sein zur Berathung. Daß der Neichstag und der Bundegrath im Allgemeinen auf fur sie unbequeme Jest abgeschoben werden sollen, damit kann ib alg Reichs lanzlez mich nicht einverstanden erklären, und schon diese Zurücksetzung des Reichs ⸗
Das Deutsche Reich ist uns noch lange nicht, bei unserem an⸗ geborenen Partifulgrismus, nicht nur staatlichem, sondern auch pro. vinziellen und Ressort⸗Partifularismus, noch nicht so in Fleisch und Blut eingedrungen, daß wir nicht wohlthäten, es stets vor Aller Augen auf den ersten Platz zu schieben und ihm den Ehrenplatz zu lassen, und ich werde, so lange ich irgend mitzureden habe, für den Reichstag oder den Bundesrath Lie ginstigste Zeit, den Winter, nicht aufgeben, das heißt natürlich fur die Regel — es kann ja nothwendig werden, auch im Sommer Reichstage und Landtage zu berufen — wir waren früher darin nicht verwöhnt — ich erinnere an die Jahre 1848 bis 1852 und 1853, da haben wir im Monat Jmni, Juli, August, ja das Jahr hindurch hier und auch in Erfurt getagt, hier auch in den heißesten Sommertagen, wo Berlin von allen denen, die nicht hier bleiben müssen, sorgfältig gemieden wurde. Da bitte ich nun also die Herren, deren Interesse sich mehr den Landtagen als dem Reiche zuwendet, Ihr Wohlwollen für jene nicht so weit zu treihen, daß die Landtage im Januar und Februar in der Stadt bleiben wollen und nachher die Sommerzeit für den Reichstag resp. für den Bundesrath übrig bleibt. Wann müßten denn die Mit— glieder des Bundesrathes mit ihren Arbeiten beginnen, um im Oktober mit der Pünktlichkeit, die Hr. Abg. von Bennigsen verlangt und gegenwärtig vermißt, als fertige Arbeit abzuliefern, sowohl das Budget, als auch die übrigen Vorlagen? Hoch im Sommer!
Es ist als eine Ungeheuerlichkeit in der Diskussion bezeichnet worden, daß jetzt überhaupt noch Vorlagen kommen, ja, meine Herren, Sie werden auch noch später manche erhalten, und ich wilk mich fragen, ob meine Pflicht nicht von mir fordert, außer denen, die jetzt in Arbeit sind, Ihnen noch andere zuzuschicken. Sie sind ja nicht ge— zwungen, sie zu vergrbeiten; aber die Regierung hat doch das Be— dürfniß, ihre eigene Meinung vollständig kund zu geben und über die— selbe in der Oeffentlichkeit keinen Zweifel zu lassen. .
Der Herr Vorredner hat gesagt, es sei früher Großes geschehen und jetzt nicht — so verstand ich ihn — nun wir haben auch jetzt — glaube ich — große Aufgaben vor uns, und ich habe die Hoffnung, daß auch weiter Großes geschehen werde. Es ist z. B. vor [z Jahren Großes geschehen dadurch, daß wir in der Zollgesetzgebung aus dem Wege, auf welchem das Land der, langsamen Aushungerung unter— zogen wurde, wieder in eine verständige Bahn eingelenkt sind, in die alte gute Gesetzgebung des Zollvereins — lange nicht so weit wie früher — wir hatten damals, als wir prosperirten, einen viel höheren Schutzzoll, als heute, als wir ihn jetzt erstreben, namentlich aber, als wi ihn bisher erreicht haben. Aber dieses Herausrücken des Staats— wagens und des Reichswagens aus der fehlerhaften freihändlerischen Richtung, bei der das Land von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr mehr ausgehungert wurde und ohne den gleichzeitigen Zuschuß der Milliarden viel früher an Verblutung und Entkräftung zu Grunde gegangen wäre. Das Ausbiegen aus der falschen Bahn war eine große Leistung, für die ich Anerkennung erwarte, so weit ich dabei mitgewirkt habe, wenn auch nicht von Denen, denen dadurch ihre politischen Zirkel gestört worden sind. Das Interesse an theoretischen Prinzipien und großen. Grund-, Rechts- und Verfassungsfragen und parlamentarischen Gleichgewichtsfragen im Staate ist eben, nachdem man den ersten Durst an der parlamentarischen Quelle dreißig Jahre lang gestillt hat, im Lande sehr vermindert, und man sieht sich jetzt um und fragt, was erfordert unser praktisches Interesse? Die praktischen Interessen leichter zur Vertretung zu bringen, ist der Zweck der Vorlage, und würde ich erfreut sein, wenn schon in dieser Session, worauf ich nach der Lage der Dinge wenig Aussicht habe, oder in der nächsten, wo ich, wenn ich lebe, wiederum und zum vierten oder fünften Male, wenn es sein muß, dieselben Vorlagen mache, — ich muß nach meiner Ueberzeugung handeln, wenn ich ein ehrlicher Mann bleiben will. Wenn ich die Vorlage immer wieder vorbringe, so verbinde ich damit allerdings das Interesse, denjenigen, die im Volke eine produktive Beschäftigung haben, der sie für die Dauer ihrer Theilnahme an den parlamenta⸗ rischen Debatten entsagen müssen, wenn sie den ehrenvollen Auftrag ihrer Mitbürger annehmen, denen die Theilnahme am Parlament dadurch etwas zu erleichtern, daß sie nicht genöthigt sind, in jedem Jahre an zwei Parlamenten Theil zu nehmen. Wenn wir das nicht thun, werden wir die Leute, die im praktischen Leben stehen, ich meine, die irgend etwas materiell produziren, Handwerker, Kaufleute, Advokaten und Aerzte mit wirklicher Praris, Landwirthe, Fabrikbesitzer, Industrielle, Leute, deren praktische Erfahrungen uns von hohem Werthe sind und die ein volles Recht haben, ihre Interessen hier vertreten zu sehen und deshalb von den Wählern hierhergeschickt wer ⸗ den, — denen machen wir es bisher ja beinahe unmöglich, daß sie an den parlamentarischen Sitzungen auf, die Dauer Theil nehmen. Einer nach dem Andern wird es müde, hierberzukommen und — ver— zeihen Sie, ich will Niemand persönlich verletzen, ich selbst verfalle in den Fehler, zu lang zu reden — bei der ungeheuerlichen Länge der einzelnen Reden und bei den sehr geringen Bezirken, politisch be⸗ trachtet bei dem sehr geringen Bruchtheil der politischen Elemente des Reichstags, von dem die Redner gestellt werden — das ermüdet zuletzt außerordentlich; namentlich, da man viele von den Reden vor— her zu Hause gedruckt gelesen hat, lieber, als daß man sie hier an⸗ hört, wo man dazu die Natürlichkeit des Redners vor sich hat. Wir bekommen auf diese Weise schließlich zwei verschieden veranlagte Kategorien von Abgeordneten. Die einen, die die Zeit des Schlusses gar nicht abwarten können, um ihre Geschäfte, worin sie schwer vermißt werden, wieder aufzunehmen, die Anderen, die bedauern und seufzen, wenn sie der liebgewordenen Gewohnheit, hier öffentlich zu sprechen, und. den, Fraktionen und Kommissienen Kei⸗ zuwohnen und den ganzen öffentlichen und kamergdschaftlichen Re ziehungen entsagen zu müssen, weil sie in Gottes Welt weitere Be—⸗ schäftigungen eigentlich nicht haben, wenigstens keine solche, dis sie lieben. Wenn ich mir einen Beamten in guten oder geringen Ver⸗ hältnissen denke, der nach einer Reichstagesitzung bei gutem Sommer- wetter in warmen Tagen wieder seine staubigen Buregur besuchen und seinen strengen Dienst thun soll und demselben Vorgesetzten wiederum eine gewisse Anerlennung zollen soll, auf den er bis dabin von seinem kurulischen Sessel mit einer gewissen Geringschätzung berabgeblickt hat, von der Höhe des Abgeordneten, so begreife ich. daß den, wenn er an die Annebmlichkeiten des vergangenen parlamen⸗ tarischen Lebens zurückddenkt, ein gewisses Heimweh be- schleicht, und er wegen SFrmüdung durch die parla⸗ mentarischen Arbeiten einen, berechtigten Badeurlaub anstrebt. Aber dabei läuft ein solcher Abgeordneter, der mit dem Lande nicht die Fühlung hat, welche gemeinsame Arbeit, gemeinsames Schaffen und Erwerben mit den Wählern geben, auch sehr leicht Gefahr, jede Füblung und jede Möglichkeit der 2 Beurtheilung der Inter⸗ essen und der Wünsche des Kreises, der ihn gewählt hat, zu verliefen. Es ist ja schwierig und lange dauernd, bis der Wäbler in seiner Pro. vinz sich über diesen Mangel vollständig klar wird, denn es giebt immer sehr viele Mittel, ihn darüber zu einer unerwünschten Ansicht nicht kommen iu sassen. Ich babe ja selbst früher Wahlreden zu hal= ten gebabt — stenographirt werden sie in der Regel nicht — und ich babe sehr oft das Gefühl gebabt, wenn der Wähler mich vollständig und meine Jänze Thätigkeit kennte, würde er mich nicht wählen; ich habe aber von Andern das Gefühl, wenn er mich lennte und wüßte, was ich erstrebe, so würde er mich wäblzn. Also es ist nicht leicht, eine vollständig klare Ansicht über seine Vertreter zu ge= winnen. Aber ich halte es im Interesse des Reichs für eine große Gefahr, wenn es dahin kommen sollte, daß die Mehrheit unter die e t derjenigen Abgeordneten fallen sollte, die ane n, eine rürgerliche Beschäftigung eben nicht haben, dig generbsmäßig Volle. vertreter, und desbalb im Reden die Geübtesten sind, und die die Stoffe, über die gesprochen wird, uf Monate und Wochen vorher sorgfältig durchgearbeitet baben, weil sie dieselben auch in der Publi— zistik vertreten und ihnen Anklang zu rer baffen suchen — ihre eit erlanbt es ja, sie sind datanf ausschließ ich angewiesen. Und sie steben dann, so wie es auf die Gescyicklichkeit, auf die rbe— Iborische Mensur ankommt, ja vermöge der größeren Mensur⸗
lageg und des Bundesratke; winde mich zu cinem Gegner solcher Bestimmungen machen, welche die angenebinere Sitzungs zeit dem Landtage zuwiese.
praris, die sie haben, außerordentlich im Vardergrunde.
hier nicht giebt; aber dort sieht man, wie die jeden Widerstand so⸗— fort niederrennen und scharf im Zaume halten; aber ich wiederhole, wie ich das schon neulich bemerkt habe, daß im Reichstage die Reden zwar zur Orientirung dienen, aber daß sie keine Herrschaft üben dürfen; der Wähler hat ein Recht auf einen unabhängigen, auch von der überiegenen Beredtsamkeit weder beeinflußten noch einge⸗ schüchterten Vertreter. ᷣ
Ich erwähnte, daß mein Spstem, von dem ich ja hier nur die ersten Jalons zu stecken suche, dahin gehen würde, daß auch die Land⸗ tage durch Reichsgesetz genöthigt werden sollen, diesem selben System zu folgen, und dann wird auch die Priorität des Reichs budgets ʒu erreichen sein, das Weichsbudget von 181/83 wird die Unterlage fein des Landesbudgets 1582,84, und so werden sie eins in das andere greijen und sich rechtzeitig ergänzen und Porrigiren.
Die Rinanziellen Schwierigkeiten, die der Herr Vorredner in der Vorlage fand, kann ich doch in dem Maße, wie er sie schilderte, nicht anerkennen. Schwierig sind beide Wege. Aber wir haben früher manches Schwierigere überwunden, es giebt in einzclnen Bundesstagten schon längft mehrjährige Budgets, and ich habe nicht gebört, daß deren Finanzen schlechter verwaltet werden wie die anderen, Relleicht im Gegentheil.
Wenn man durch die Jebertzeibung und Häufung der parlamen— tarischen Sitzungen und durch die Uebertreibung der Tauer der ein— zelnen, denen, die auch noch andere Geschäf?z haben, denen, die nicht blos fruges éonsumersé nati find, die nickt blos von Gehalt. Hongrar und Kapital leben, wen man denen die Betheiligung am Reichstag schwer macht, kann wird man mit der Zeit dahin kommen, daß die Volksvertretuug nur eine neue Syezies oder. ich will lieber sagen, Gattung der Büxeaukratie werde, daß wir, wie wir erbliche Beamtenfantilien haben, so auch erbliche Parlamentarierfamilien haben werden, die von Hause aus ihr Studium darauf richten, und die, wie der valksthüm— liche Mund sich ausdrückt, sagen: Ich will Abgerdneter lernen“ und wenn man findet, daß dieses Gewerbe doch auch seinen Mann nährt und zuweilen einen recht gut in die Höhe Rringt — meine Carrisère ist ja auch lediglich eine parlamentarssche, zn mir hätte Niemand etwas erfahren in meiner ländlichen Zurückgewgenbest, wenn ich nicht zufällig Mitglied des vereinigten Landtags von 1817 gewesen wäre, also ich rechne mich immer ein, wenn ich von Parla⸗ mentariern rede. .
Aber die Büreaukratie weiter hinaus und auf das varlamenta— rische Leben auszudehnen und auch dieses zu einem Zweige der Reichs— und Landes-Beamtenverwaltung werden zu lassen, der mit der misera contribuens plebs, die da schafft und arbeitet., wagt und wettet, er⸗ wirbt, gewinnt oder verliert, wenig Berührungspunkte und namentlich nicht gemeinsame Interessen und Denkungsweise hat, halte ich für schädlich denn der beste Beamte, dessen Großvater und Vater Beamte waren, dessen ganze Erziehung darauf gerichtet war, weiß bestimmt nicht, wie seinem Wähler, der nie Beamter gewesen ist, der auch in seiner Familie nicht einen Beamten gehabt hat, in seinem Hause,⸗ seinem Streben, seinem Wesen zu Muthe ist. Wir baben früher auf dem Lande gesehen, wenn die Herren Regierungsräthe auf das Land kamen, um praktische Dinge zu untersuchen, so hatte man lächt den Eindruck: na, recht viel versteht er nicht davon, aber man hat bei dieser Büreaukratie doch noch die Beruhigung, daß sie kein anderes Bestreben kannte, als zu finden, was Rechkens war. Letzteres ist letzt leider mehr in den Hintergrund gedrängt durch manche neueren Ein⸗ richtungen; die ehrliche rechtliche Ueberzengung, der dringende Wunsch zu finden: wer Recht hat, war unserer Berwaltungès burgaukratie vollständig treu geblieben und ist bei ihnen durch politisches Partei⸗ wesen noch heute nicht so beeinflußt, wie andere Kategorien. Nun weiß ich nicht, ob ich die mannigfach und mir im Munde des Herrn Vorredners nach ihrer Schärfe unerwarteten Ausstellungen, die er an der Vorlage und an der Tendenz derselben machte in der ganzen Po⸗ litik der Regierung, indem er sie als die Ursache des Zuräckgehens im öffentlichen Interesse am Deutschen Reich anfübrte, ob ich die werde alle beleuchten können, es ist mir ja nicht möglich, obschon ja der Herr Vorredner nach seiner Gewohnheit klar und verständlich sprach, so würde ich doch darauf nicht eingehen können, indem ich mich physisch nicht beherrsche. Aber ich möchte ihn bitten, sich persönlich und mit den Freunden, die ihn anhängen, doch nicht dieser traurigen, pessimistischen Auffasfung hinzugeben, die ich im Namen der Fraktion, welcher er angehört, zuerst ankünzigen hörte von Seiten der „Nationaljeitung“', etwa vom Ende 1877 an, wo alle unsere Zustände, geflissentlich in den düsterften Farben gemalt wurden, es gehe zurück, die Reaktion sei im Anzuge, die Reaktion jeder Art, die schließlich doch nur darauf sich konzentrinte, daß auch die Schutzzölle zur Reaktion gerechnet wurden, ohne zu bedenten, daß die beiden freiesten Republiken, die wir augenblicklich hagen, Amerika und Frankreich, recht tüchtige Schutzzölle uns gegenüber Fellen, Also diese Klagen über Befürchtung der Reaktion. die düstere Mißstim— mung — ich verweise jeden auf den Stil der Leitartikel in der Nationaljeitung', mir ist er nicht geläufig, weil er zu beladen und schwer ist in den Schilderungen der Wolken, die üer uns herab⸗ bängen. Die Nationalzeitung' betrachte ich jetzt zicht mehr als Blatt der Fraktion, aber sie war es damals. l
Ich möchte dringend den Herrn Vorredner bitten, der mir unter seinen Fraktionsgenossen der Mitkämpfer gemesen ist, dem ich wirk⸗ lichen Beistand verdanke und dem das Dentsche Reich für seimg Her. stellung, für seine Konsolidirung soviel schuldig ist, Ar seinz Politik von langen Jahren her — an ibn möchta ich vewönlich, doch die Bitte richten, sich durch Bestrebungen und Einflüsse, die ich für sach⸗ liche nicht halten kann. nicht der Reichsrolitit wie sie jetzt getrieben wird, weil ich, so lange ich die Leitung in den Händen Habe, keine andere gegen meine Ueberzeugung treiben kann, us sich nich? der Reichsregierung in dem Maße nn entfremden, wie ich es befürchten muß, wenn ich die Richtung und Tonart seiner Mede höre. Gs wäre das meines Erachtens ein großer Verlust für untcre parlamentarische Entwicklung auf der Basi der Verständiging zwischen Par⸗ lament und Reichsregierung nach, allen Seiten hin und mir versönlich sebr schmerzlich nicht bloß wagen næiner versön⸗ lichen Gefühle für den Hern Vorredner, sondern aach wesen der. Pläne, die ich an die Möglichkeit geknüpft batte, den wichen den Herren, die der Führung des Berrn Vorredners folgen, und Denen. die sich rechts ax ihn amfcslie gen, zine Verschmelzui eher moglich sein würde, als zwischen Diner, die sich linke an ihn anschrießen, und deren äußerster linker Flägel überhaupt im Ende ger nicht abzuschen. ist. Nachdem wir bei mehreren Wahlen göchen haben, daß die So⸗ zialdemokratem einstim mig für fortschrittliche Kandidamm stinim n mössen wir befürchten, daß zwijchen diesem Verlindungen eins Art Kartellverhältniß für die Wehlen dech eingerreten ist. Nach- dem wir gejehen kaben, daz die Verren, die aus der na- tionalliberalen Fretrion nach linka hin aus gesch ieden sind. ibre Füblang bei der Forrschrittsrartei nchmen, so lann ich wohl sagen, daß auf diese Wise, wenn die jetzige natic aa liberale Fraktion die Anlebnung nach links fenr nimmt, dis Ron nit t * gegenseitigen BeKlchungen ron deim rechten Flügel der Naticnal. liberalen kis in die Sozialdemokratk bincin, wenigfstens in dem vrak= tischen Zusammengehen, wöe weit fie in der Tbegrie auch von ein- ander entfernt sein mögen, nicht ewgeschleseen 1 sondern zu meinen Befürchtungen für die Jakunft gebört. Und deshalb möchte ich dem
verrn Vorregner noch rufen, was in dem bekanr den Gedicht ron eee, ibm in Erinne⸗ung sehn wird, dez auf Hanüisverschem Grund und Boden entstand, vad warum ich ihn mit voller Herzlichkeit bitte:
ß nicht vom Linken dich umgarnen. e gr Lime e. n Vertagung antr es bemerlte der Abg. Richter personlich; Die Vehauptung, daß die Fortschritte⸗ partei in einem Kartell mit der Sozialdemokratie stehe, weise er als eine unwürdige Verdächtigung zurück. Der Reichskanzler erhob sich mit einem Ruf des Unwillens rasch von seinem. 323 um zu antworten, der Vize⸗Prasident von Frandenstem kam demselben aber zuvor, indem derselbe die Aeußerung
In den Volkeversamn gungen kenna wir ja die Tvpen, die sich bis zu rbetorischen a rn ausbilden — dle es natürlich
des Abg. Richter als varlamentarisch unzulässig zurücwiee. Fran vertagte sich das Haus um 3 auf Freitag 11 Uhr.