1881 / 116 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 May 1881 18:00:01 GMT) scan diff

nomie des Straßenpublikums besonders wahrnehmbar. Die Schaulust des Volkes antizipirt bereits die i g und jedes fahnengeschmückte Haus findet ein dankbares Publikum. Das Gewühl in den Straßen ist namentlich in den Abendstunden bedeutend. In den Gasthöfen ist kein mehr zu er⸗ halten, und Ankömmlinge sind schon seit gestern, 1. sie keine Zimmer bestellt hatten, auf die Unterkunft in Privatquartieren angewiesen. Am Donnerstag, 19. d. M., werden sich an der Aufwartung bei dem Durchlauchtigsten Kronprinzlichen Paare sämmtliche in Budapest befindlichen Generale, Stabs⸗ und Oberoffiziere des gemeinsamen Heeres sowohl wie der Honvedarmee vereint betheiligen. Vom Momente der Ankunft Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten am Bahnhofe in Budapest werden bis zum Eintreffen in der Burg von der Citadelle am Blocksberge drei Mal je vierundzwanzig Kanonenschüsse abgefeuert werden.“

19. Mai. (W. T. B.) Das neuvermählte Kronprinz—⸗ liche Paar ist gestern Nachmittag hier eingetroffen und von den Ministern, Hof⸗ und Staatswuͤrdenträgern, Magnaten, Abgeordneten und den Vertretern der Stadt am Bahnhof empfangen worden. Die Fahrt vom Bahnhofe nach der Hof⸗ burg in Ofen durch die festlich geschmückten Straßen erfolgte unter dem Voraufreiten eines glänzenden Banderiums in malerischen Kostümen und unter stürmischen Ovationen der Bevölkerung. In der Hofburg fand später ein Empfang der Magnaten und der Generalität statt. Abends war die Stadt glänzend illuminirt.

Frankreich. Paris, 17. Mai. (Cöln. Ztg. Am Donnerstag wird, wie die „Corr. Havas“ meldet, Gambetta die Listenabstimmung vertheidigen. Die Regierung wird sich neutral verhalten und jedem Minister freistellen, mit oder dagegen zu stimmen.

Der Dampfaviso „Cassard“ traf in verwichener Nacht um 2 Uhr im Marseiller Hafen als Ueberbringer des Bürg⸗ schaftsvertrages ein. Das Aktenstück wird heute Nacht in Paris erwartet und morgen dem Präsidenten Grsvy vor— gelegt werden.

(Fr. C) Vom Kriegsschauplatze wird gemeldet: La Calle, 16. Mai. Der Befehlshaber der Unterdivision an den Kriegs-Minister: Dem Oberst Delpech haben drei oder vier Gruppen der Huamdia ihre Unterwerfung angetragen. Der letzten Gruppe dieses Stammes werden härtere Bedin⸗ ungen auferlegt werden, wenn ihr Scheik nicht heute im ö erscheint. Fast alle Krumirstämme der Umgebung von Tabarca haben sich unterworfen; die Mokta und Nefza gehören nicht zu ihrem Verbande.

18. Mai. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nachrichten sollten die französischen Truppen heute Mate ur besetzen.

Italien. Rom, 18. Mai. (W. T. B.) Wie ver— lautet, hat der Deputirte Sella die Verhandlungen mit eini⸗ gen Deputirten der Linken behufs Bildung eines Ka— binets, in welchem die verschiedenen Fraktionen des Parla— ments vertreten sein sollen, wieder aufgenommen.

Türkei. Konstantinopel, 18. Mai. (W. T. B.) Die gestrige, lang andauernde Sitzung der Delegirten in der griechisch⸗türkischen Grenzfrage nahm abermals einen äußerst befriedigenden Verlauf; in der für morgen anbe⸗ raumten Sitzung wird der Modus für die Räumung und Uebergabe der abzutretenden Gebietstheile berathen werden. Die den Botschaftern beigegebenen Militär⸗-Attachés haben be— reits gestern über die Räumung und Uebergabe konserirt. Der „Polit. Corresp.“ meldet man von hier: Die Kon— vention, betreffend die Modalitäten der Uebergabe der an Griechenland cedirten Gebietstheile wird heute, spätestens morgen, unterzeichnet, da die aufgetauchten Schwie⸗ rigkeiten behoben und nur einige militärische Details festzu⸗ stellen bleiben, deren Ordnung heute bestimmt erwartet wird.

In dem Rundschreiben, welches die Pforte am 16. d. in der tune sischen Angelegenheit an ihre Ver⸗ treter im Auslande gerichtet hat, erklärt sie den zwischen Frankreich und dem Bey von Tunis abgeschlossenen Vertrag für null und nichtig, da er unter außerordentlichen Bedingun⸗ gen und im Widerspruche mit den Rechten des Sultans ab⸗ geschlossen worden sei. Weder der Bey von Tunis, noch die Tunesen, welche türkische Unterthanen 36 seien verpflichtet, sich diesem Vertrage zu unterwerfen. In der bereits signa⸗ lisirten Depesche Said Paschas vom 17. d. an den Bey von Tunis heißt es: „In Folge Ihrer Depesche, betreffend die erzwungene Unterschrift unter dem Ihnen von Frankreich aufgenöthigten Protektoratsvertrag hat die Regierung der Pforte offiziell energisch gegen den Vertrag protestirt; Lie Souzeränetätsrechte der ur auf Tunis werden gewahrt. Ich erkläre im Na⸗ men der Pforte, daß der besagte Vertrag für null und nichtig angesehen werden soll. Dem Vernehmen nach hat der Sultan eine Prüfung des von Musurus Pascha beantrag⸗ ten Finanzprojekts angeordnet. Dieses mit dem Tabak⸗ steuerprojekte in Widerspruch stehende Projekt basirt auf der Note der Pforte vom 23. Oktober 1880.

Der französische Botschaster hat auf Grund ihm von der französischen Regierung zugegangenen Instruktionen den französischen Konsul in Smyrna angewiesen, Midhat Pascha das Asylrecht zu verweigern und demselben zu bedeuten, daß er das Konsulat verlassen solle. Die anderen von Midhat Pascha um Schutz angegangenen Regierungen haben ihren Konsuln gleiche Weisungen ertheilt. Midhat Pascha hat sich heute Abend den türkischen Behörden gestellt, unter der Bedingung eines gerechten Urtheilsspruches.

Der „W. Z.“ meldet man von hier:

Die Pforte hat bereits angefangen, die neue Situation in Bul garien ju ihren Gunsten zu benützen. Sie hat an den Fürsten Alexander telegraphisch die Anfrage gerichtet, welche Gründe ihn be⸗ stimmt haben, die bekannte Proklamation, welche die Notbwendigkeit von Verfassungs nderungen verkündete, zu erlassen. Diese Anfrage geschah in einem Tone, als wenn ez sich um einen Akt eines Provinzigl⸗Gouver⸗ neurs gehandelt bätte. Außerdem hat Assym Pascha Hrn. Balabanow, dem bulgarischen Agenten, zu verstehen gegeben, daß er wobl eine Antwort auf seine Zuschrift in Bezug auf die Korrespondenz mit der Agentie erhalten werde, aber daß dieselbe ausweichender Natur sein werde, weil die Pforte entschlossen sei, die Lösung dieser Frage zu vertagen, wodurch im Verehrte mit der Agentie, welcher viele Privatangelegenheiten, Legalisirungen 1c. betrifft, Stockungen eingetreten sind. 3 die d des Fürsten Alexander be⸗ trifft, so darf nicht aus den ugen gelassen werden, daß die bulgarische Konstitution, selbst vom liberalen Standpunkte aus betrachtet, große Mängel besikt, und daß durch dieselben eine völlig unbaltbare Situation geschaffen worden war. In Bulgarien herrscht das allgemeine Stimmrecht in absoluter Weise; aber der öffentliche Unterricht ist sehr mangelhaft und von je 10) Personen können kaum 20 lesen und schreiben. Die meisten Wähler

wissen also nicht, und ihre soziale und wirthschaftliche Lage zu ver

* wen sie wählen und weshalb sie wählen. Außerdem ge⸗ tattet die Konstitutiön die Beamtenwahl, und es giebt daher eine Menge Richter, Präfekten und Unterpräfekten in der Kammer. Ferner erlaubt die Konstitution nicht, daß irgend ein Staatsrath oder ein anderer Rath außer dem Ministerrathe Gesetze vorbereite. Die Kammer hat wohl das Recht der Initiative, aber es fehlen da⸗ selbst die Männer, welche schwierigere Projekte, auszuarbeiten ver⸗ möchten. Art. 144 der Konstitution giebt dem Fürsten das Recht, die große Nationalversammlung zur Revision und Abänderung der Ver⸗ sassung einzuberufen. Diese Versammlung muß aus der doppelten Anzahl von Mitgliedern bestehen, und die Modisikationen können nur mit Zweidrittel⸗Majorität votirt werden. Allerdings hat Fürst Alexander in seiner Proklamation nichts darüber bestimmt, ob und wann die große Versammlung zusammentreten wird.

Rumänien. Bu karest, 18. Mai. (W. T. B) In der Sitzung der Deputirtenkammer erklärte der Minister des Innern auf eine an ihn gerichtete Interpellation, es hätten in allen Distrikten des Landes Ueberschwemmun⸗ gen stattgefunden, insbesondere habe das Austreten des Serethflusses eine große Anzahl von Städten und Dörfern in Schaden gebracht; Seitens der Regierung seien die erfor⸗ derlichen Rettungs- und Hülfsmaßregeln angeordnet worden. Eine weitere Interpellation darüber, welche Maßregeln die Regierung gegen die massenhafte Einwanderung der aus Rußland flüchtenden Juden getroffen habe, versprach der Minister in 3 Tagen zu beantworten. Die Nachricht von der Kreirung eines neuen rumänischen Ordens wird von dem „Romanul“ für unbegründet erklärt. .

Der „Pol. C.“ wird unter dem 13. d. M. von hier geschrieben: „Anläßlich der bevorstehenden Krönung wird auch die Thronfolgefrage durch offizielle Proklamirung des Prinzen Ferdinand von Hohenzollern zum Erbprinzen Rumä— niens ihre formelle Erledigung finden. Der designirte Thron⸗ folger wird in Begleitung seines Vaters, des Erbprinzen Leo⸗ pold von Hohenzollern, und seines jüngeren Bruders Carl Anton zu den Krönungsfestlichkeiten in Bukarest erwartet, und wird dieser Besuch mit dem zwar noch nicht offiziell angekündigten, aber gleichwohl als beschlossene Thatsache zu betrachtenden Proklamirungsakte in Verbindung ge— bracht. Von den beiden bei der Krönung zur Ver⸗— wendung kommenden Kronen ist nur die Krone der Königin von Gold, jene des Königs aber aus dem Stahl einer in Plewna eroberten Kanone angefertigt. Erstere repräsentirt sich als ein mit acht Kronzacken verzierter Gold⸗ reifen, über welchen acht mit Erbsenornamenten gezierte und an ihrer Verbindungsstelle mit einem Kreuze geschmückte Gold—⸗ spangen eine Mütze aus karminrothem Sammt umschließen. Die Krone entbehrt des Schmuckes von Edelsteinen, und es wurden zu ihrer Fertigstellung 400 Stück Dukaten verwendet.“

Bulgarien. Sofia, 19. Mai. (W. T. B.) In einer hier verbreiteten Mittheilung heißt es: Die europäische Presse beurtheilt die Ereignisse in Sofia und die Lage der Dinge daselbst meist in wenig gerechter Weise. Der Fürst hat die Verfassung weder verletzt noch aufgehoben, auch hat er sich keine Machtbefugnisse angemaßt. Er will die große Nationalversammlung einberufen, wie dies sein verfassungs⸗ mäßiges Recht ist und ihr die Machtbefugnisse, die er im Jahre 1879 durch einstimmige Wahl erhielt, zurückgeben. Wenn die Nationalversammlung der Regierung die unent—⸗ behrlichen Bedingungen zugesteht, wird der Fürst auf dem Throne bleiben. *

RNußland und Polen. St. Petersburg, 18. Mai. (W. T. B.) In dem Cirkular des Ministers des Innern, Grafen Ignatieff, an die Gouverneure heißt es: „Die Missethäter führten nicht nur ein Attentat auf den Kaiser aus, sondern auch auf die Selbstherrschergewalt, die Grund⸗ lage unseres Staatsbaues, in welchem unser ganzes Volk seit undenklicher Zeit den Schutz seiner Unabhängigkeit und das Unterpfand seiner Wohlfahrt und friedlichen Entwickelung er⸗ blickte. Der Grund der schrecklichen Ereignisse sei aber nicht allein in den unmittelbaren Urhebern derselben zu suchen, sondern liege tiefer: in der des religiösen Bodens und der festen sittlichen Grundlage entfremdeten Kindererziehung, in der Unthätigkeit der Behörden, in der nachlässigen Erfüllung der Obliegen⸗ heiten und in der Gleichgültigkeit gegen das allgemeine Wohl Seitens vieler administrativen und Kommunalbeamten, in jenem gewinnsüchtigen Verhalten zum Staats- und Gemein⸗

ut, welches in Rußland eine so allgemeine Erscheinung bilde. . diesen Schattenseiten der jetzigen Gesellschaft sei die Er⸗— lärung zu suchen für jene tro, und allgemein anerkannte Erscheinung, daß die großen weit angelegten Reformen des hingeschiedenen Kaisers nicht den erwarteten Nutzen brachten. Das Manifest vom 29. April habe die Größe des Uebels und die Ausrottung desselben durch die oberste Gewalt als beschlossen bezeichnet. Die große mühevolle Aus⸗ art könne nur gelöst werden durch den Selbstherrscher, der tark durch die treue und unbegrenzte Liebe seines großen Volkes und in engem unverbrüchlichem Bunde mit ihm. Das Wort des Kaisers habe alle zur Mithülfe aufgerufen und das Ziel vorgezeichnet. Die erste Aufgabe, die Ausrottung der r Bestrebungen, könne nur mit energischer Hülfe der Gesellschaft gelöst werden. Die Bewegung gegen die Juden in den * Tagen sei ein trauriges Beispiel dafür, wie Leute, welche Thron und Vaterland ergeben sind, böswilligen Einflüsterungen folgend, in völligem Unverstande ihrer Hand⸗ lungen zu solchen Ausschreitungen gelangten. Solche Stö⸗ rungen der Ordnung sollen nicht nur aufs Strengste ver⸗ hig sondern ihnen vorsorglich vorgebeugt werden. Die esestigung von Glauben und Sittlichkeit und die Ver⸗ nichtung von Lüge und Veruntreuung sei die zweite Auf⸗ gabe. Es sei eine allgemeine Erscheinung unserer Zeit, daß man nicht wählerisch in den Mitteln und der An⸗ wendung ungesetzlicher Wege behufs Erreichung von Ge⸗ winnen sei, aber die sittliche Reinheit und der Glaube an die gestellte Aufgabe und der treue Dienst sollen die heilige Pflicht für Alle und Jeden und besonders für die nächsten Diener des Kaisers sein. Die Veruntreuung muß aufhören und allüberall verfolgt werden.“ Nachdem sodann in dem Cirkular auf die unzweifelhafte bereitwillige Mithülse des Adels hingewiesen ist, heißt es: „Mögen der Adel, die Land⸗ schaften und die Städte sfest überzeugt sein, daß die ihnen ver⸗ liehenen Rechte nach Allerhöchstem Willen ganz unantasibar bestehen bleiben sollen, und daß die Regierung Alles thun wird, um alle im Grunde gelegten Reformen thatsachlich zu ver⸗ wirklichen. Auch die Bauern sollen die schädlichen Ge⸗ rüchte nicht glauben und vollständig versichert sein, daß nicht nur die ihnen gewährte Freiheit und ihre Rechte 4 bleiben, sondern daß auch die Negierung damit k st, die auf den Bauern ruhenden Lasten möglichst z erleichtern

essern.“ Das

Cirkular schließt dann mit den Worten: „Die Regierung wird ugleich unverzügliche Maßregeln ergreifen, welche der le⸗ endigen Antheilnahme der örtlichen Faktoren bei der Aus⸗ rn der Kaiserlichen Absichten den größtmöglichen Erfolg ichern.“

19. Mai. (W. T. B.) Durch einen Kaiserlichen Ukas vom 18. d. wird der Finanz-Minister Geheime Rath Aba sa aus Gesundheitsrücksichten seiner Bitte gemäß seines Postens enthoben und der Gehülfe desselben Geheimer Rath Bunge zum Verweser des Finanz⸗Ministeriums er⸗ nannt. Anläßlich des Ablebens des Prinzen Peter von Oldenburg ist eine dreimonatliche Hoftrauer an⸗ geordnet worden.

Das vor Kurzem verhaftete Frauenzimmer, welches den Hausknechten behufs Identifizirung 6 wurde, wurde als eine Genossin des hingerichteten Jeliaboff rekognoszirt. In ihrer Wohnung wurden eine geheime Druckerei, ver⸗ schiedene Waffen, Sprengstoffe und Proklamationen aufgefun⸗ den. Der Zeitung „Porjadok“ zufolge hatte die Polizei Kenntniß erhalten von einer . von An⸗ archisten, welche am 17. Abends in einem kleinen Hause an einem abgelegenen Orte außerhalb der Stadt abgehalten werden sollte. Die Versammlung wurde am 17. Abends 8 Uhr aufgehoben; sämmtliche Anwesenden wurden verhaftet.

Neichstags⸗Angelegenheiten.

Von dem Abg. Dr. Schulze ist beim Reichstage folgender Antrag gestellt worden: Der Reichstag wolle beschließen: dem anliegenden Gesetzentwurfe, betreffend die Abänderung des Gesetzes vom 4. Juli 1868, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs⸗ 6 Wirthschaftsgenossenschaften, die Zustimmung zu er—

eilen.

Dieser Gesetzentwurf lautet:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen re.

verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmun des Bundesraths und des Reichstags, was folgt: = 7

ß Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, welche die Förderung des Kredits, des Erwerbes oder der Wirthschaft ihrer Mitglieder mittelst gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes bezwecken (Genossenschaften), namentlich:

I) Vorschuß⸗ und Kreditvereine,

2) Rohstoff⸗ und Magazinvereine,

3) Vereine zur Anfertigung von Gegenständen und zum Verkauf

der gefertigten Gegenstände auf gemeinschaftliche Rechnung gbroduktivgeno sen schaften) Vereine zum gemeinschaftlichen Einkauf von Lebensbedürfnissen im Großen und Ablaß in kleineren Partien an ihre Mitglieder Konsumvereine),

5) Vereine zur Herstellung von Wohnungen für ihre Mitglieder erwerben die im gegenwärtigen Gesetze bezeichneten Rechte einer „ein⸗ getragenen Genossenschaft“ unter den nachstehend angegebenen Bedin— , . .

Ausgeschlossen sind jedoch Vrsicherungẽgesellschaften jeder Art.

ö

Zur Gründung der Genossenschaft bedarf es:

D der Exrichtung eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages (Statuts),

2) der Annahme einer gemeinschaftlichen Firma,

3) der Betheiligung von mindestens 10 Personen.

Eingetragene Genossenschaften können einer anderen eingetragenen Genossenschaft nicht beitreten.

2. Firma der Genossenschaft muß vom Gegenstande der Unter— nehmung entlehnt sein und die zusätzliche Bezeichnung „eingetragene Genossenschaft“ enthalten.

Der Name, von Mitgliedern (Genossenschaftern) oder anderen en, darf in die Firma nicht aufgengmmen werden. Jede neue

irma muß sich von allen an demselben Orte oder in derselben Ge—⸗ meinde bereits bestehenden Firmen eingetragener Genossenschaften deutlich unterscheiden.

Der Beitritt der einzelnen Genossenschafter geschieht, nach vor— gängiger Aufnahme derselben, durch Unterzeichnung des Gesellschafts⸗ vertrags oder einer schriftlichen Beitrittserklärung dazu. Zum Beweis der Aufnahme genügt die Anzeige des Eintritts in den Quartalslisten nach 5§. 25.

Der Gesellschaftsvertrag muß enthalten:

1) bis 4) (bleiben wie bisher),

5) die Bestimmung über den Betrag von Geschäftsantheilen der einzelnen Genossenschafter, sowie die Bestimmungen über die Bildung dieser Antheile und einer Reserve,

6) (bleibt), ;

7a. die Art der Wahl und Zusammensetzung des Vorstandes und die Formen für die Legitimation der Mitglieder des Vorstandes und der Stellvertreter derselben, sowie b. die Art der Wahl und Zu⸗ sammensetzung des Aufsichtsrathes (Verwaltungsrathes oder Aus— schusses),

8) bis 12) (bleiben).

§. 4.

Der Gesellschaftsvertrag muß bei dem Handelsgerichte, in dessen Bezirk die Genossenschaft ihren Sitz hat, im Original und Abschrift oder Abdruck nebst dem Mitgliederverzeichnisse durch den Vorstand eingereicht, vom Gerichte in das Genossenschaftsregister, welches, wo ein Handelsregister eristirt, einen Theil von diesem bildet, eingetragen und im Auszuge veröffentlicht werden.

Der Auszug muß enthalten:

1) bis 6) (bleiben).

Zugleich ist bekannt zu machen, daß das Verzeichniß der Ge⸗ nossenschafter jederzeit bei dem Handelsgericht eingesehen werden könne, worauf die Abschrift oder der Abdruck des Gesellschaftsvertrages nach dem Original, welches bei dem Gericht verbleibt, von diesem beglau⸗ bigt und dem Vorstande zurückgegeben wird.

Ist in dem Gesellschaftsvertrage eine Form bestimmt, in welcher ter Dorstand feine Willenserklaärungen kund giebt und für die Ge— nossenschaft zeichnet, so ist auch gieß; Bestimmung zu veröffentlichen.

Jede Genossenschaft muß einen von ihr zu wählenden Vorstand haben, dessen Mitglieder auch Mitglieder der Genossenschaft sein müssen. Sie wird durch denselben gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

Der Vorstand muß mindestens aus jzwei Mitgliedern besteben; diese können besoldet oder unbesoldet sein. Ibre Stellung ist zu jeder Zeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus be— stehenden Verträgen. g

§. 19.

Der Vorstand hat in der durch den Gesellschaftsvertrag bestimm⸗ ten Form seine Willenserklärungen kund zu geben und für die Ge—⸗ nossenschaft zu zeichnen. Ist nichts darüber bestimmt, so ist die Zeichnung durch sämmtliche Mitglieder des Vorstandes erforderlich; mindestens muß sie aber von zweien geschehen. Die Zeichnung ge⸗ schiebt in der Weise, daß die JZeichnenden zu der Firma der Genossen⸗ schaft oder ju der Benennung des Votstandes ihre Unterschrift hinzufũgen.

8. 25.

Der Vorstand ist 6 dem Gerichte am Schlusse a Quartals über den Eintritt und das Ausscheiden von Genossenscha schriftlich Anzeige zu machen und allsäbrlich im Monat Januar ein vollständiges, alvbabetisch geordnetes Vezeichniß der Genossenschafter einzureichen.

Den Quartalsanzeigen müssen die Beitrittserklärungen, wie die Kändigungen vom Vorstande im Original beigefügt werden, ferner Abschrift der Gesellschaftebeschlüsse über den Ausschluß von Mit— gliedern und die Todesanzeigen über das Ausscheiden Verstorbener.

Das Gericht ö. und vervollständigt danach die Liste der Genossenschafter und behält die eingereichten Dokumente in Ver⸗

ahrung. 2 S. 26a.

Sobald sich ergiebt, daß der Mitgliederbestand unter die in §. 2 Nr. 3 bestimmte Zahl sich vermindert hat, ist dieses, falls nicht innerhalb 4 Wochen die Ergänzung auf die genannte Zahl erfolgt, von dem Vorstande dem Gericht (5. 34 Nr. Y) schriftlich anzuzeigen.

6 M.

Mitglieder des Vorstandes, welche in dieser ihrer Eigenschaft außer den Grenzen ihres Auftrages, oder den Vorschriften dieses Ge— setzes oder des Gesellschaftsvertrages entgegen, handeln, haften per— sönlich und jolidarisch für den dadurch entstandenen Schaden.

Sie haben, wenn ihre Handlungen auf andere, als die in dem gegenwärtigen Gesetze (56. I) erwähnten geschäftlichen Zwecke gerichtet sind, oder wenn sie in der Generalversammlung die Erörterung von Anträgen gestatten, welche auf öffentliche Angelegenheiten gerichtet sind, deren Erörterung unter die Landesgesetze über das Versamm⸗ lungs- und Vereinsrecht fällt, eine Geldbuße bis zu 600 verwirkt.

S. 28.

Jede Genossenschaft muß dem Vorstande einen Aufsichtsrath (Verwaltungsrath, Ausschuß) von mindestens drei Mitgliedern an die Seite setzen, welche von den Genossenschaftern aus ihrer Mitte, jedoch mit Ausschluß der Vorstandsmitglieder, gewählt wird.

Derselbe überwacht die Geschäftsführung der Genossenschaft in allen Zweigen der Verwaltung. Er kann sich von dem Gange der Angelegenheiten der Genossenschaft unterrichten, die Bücher und Schriften derselben jederzeit einsehen, den Bestand der Genossen— schaftsfasse untersuchen und Generalversammlungen berufen. Er kann, sobald es ihm nothwendig erscheint, Vorstandsmitglieder und Beamte vorläufig und zwar bis zur Entscheidung der demnächst zu berufenden Generalversammlung, von ihren Befugnissen entbinden und wegen einstweiliger Fortführung der Geschäfte die nöthigen An— stalten treffen. . .

Er hat die Jahresrechnungen, die Bilanzen und die Vorschläge zur Gewinnvertheilung zu prüfen und darüber alljährlich der General— versammlung Bericht zu erstatten. . .

Er hat eine Generalversammlung zu berufen, wenn dies im In— teresse der Genossenschaft erforderlich ist. ö .

Zum Abschluß von Rechtsgeschäften, außer den ihm im 8. 29 übertragenen, ist er nicht befugt, vielmehr kann der Vorstand dabei nur an seine Genehmigung mit der im 5§. 21 bestimmten Wirkung verwiesen werden. .

Dagegen liegt ihm die ordnungsmäßige Wahrnehmung der ihm im Vorstehenden, sowie im Gesellschaftsvertrage übertragenen Kon— trole der Geschäftsführung des Vorstandes ob, und ist er der Ge— nossenschaft wegen des durch sein pflichtwidriges Verhalten dabei ver— ursachten Schadens J 3

Der Betrieb von Geschäften der Genossenschaft, sowie die Ver— tretung der Genossenschaft in Beziehung auf diese Geschäftsführung, kann auch sonstigen Bevollmächtigten oder Beamten der Genossen— schaft zugewiesen werden. In diesem Falle bestimmt sich die Befug— niß derselben nach der ihnen ertheilten Vollmacht, sie erstreckt sich im 8 auf alle Rechtshandlungen, welche die Ausführung derartiger

eschäfte gewöhnlich mit sich bringt. . .

Die Bestellung von Handlungsbevollmächtigten zum Betriebe des ganzen Geschäfts und Prokuristen mit den in den Artikeln 41 ff. des Handelsgesetzbuches bestimmten Befugnissen ist nicht gestattet.

5. 34.

Die Genossenschaft wird aufgelöst: ;

1) durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrage bestimmten Zeit;

2) durch die im Falle des 8. 26 a. dem Gericht erstattete Anzeige;

3) durch einen Beschluß der Genossenschaft;

4) durch Eröffnung des .

Die Auflösung der Genossenschaft muß, wenn sie nicht eine Folge des eröffneten Eh es oder der im §. 34 Nr. 2 vorgesehenen An⸗ zeige ist, durch den Vorstand zur Eintragung in das Genossenschafts⸗ register angemeldet werden; sie muß zu drei verschiedenen Malen durch die für die Bekanntmachungen der Genossenschaft bestimmten Blätter bekannt gemacht werden. ö .

Durch die Bekanntmachung müssen die Gläubiger zugleich auf— gefordert werden, sich bei dem Vorstande der Genossenschaft zu melden.

§. 38.

Jeder Genossenschafter hat das Recht, aus der Genossenschaft auszutreten, auch wenn der Gesellschaftsvertrag auf bestimmte Zeit ge— schlossen ist. r, 287

Der Austritt findet nur mit dem Schluß des Geschäftsjahres nach vorheriger, mindestens vierwöchentlicher schriftlicher Aufkündi⸗ ung statt.

; 9. austretenden Genossenschafter sind berechtigt, dem Gericht ihren Austritt anzuzeigen, welches denselben unter Benachrichtigung des Vorstandes vorzumerken hat, wodurch dem Austretenden der Nach weis des Austritts entweder durch Anerkennung des Vorstandes oder durch Richterspruch gesichert wird. .

Ferner erlischt die Mitgliedschaft durch den Tod, doch bleiben die Erben bis zum Schluß des Geschäftsjahres an dieselbe gebunden.

In jedem Falle lun die Genossenschaft einen Genossenschafter aus den im Gesellschaftsvertrage festgesetzten Gründen, sowie wegen des Verlustes der e nen , r ausschließen.

Die aus der Genossenschaft ausgetretenen oder ausgeschlossenen Genossenschafter, sowie die Erben verstorbener Genossenschafter bleiben den Gläubigern der Genossenschaft für alle bis zu ihrem Ausscheiden von der Genossenschaft eingegangenen Verbindlichkeiten bis zum Ab⸗ lauf der Verjährung (5. 63) gleich den übrigen Genossenschaftern soli⸗ darisch verhaftet, und unterliegen, in Gemeinschaft mit denselben, dem, in den §§5. 52 bis 61 zur Geltendmachung dieser Haft ange⸗ ordneten Verfahren. ;

An den Reservefonds und an das sonst vorhandene Vermögen der Genossenschaft haben sie keinen Anspruch, vielmehr sind sie nur berechtigt, zu verlangen, daß ihnen ihr Geschäftsantheil, in dem Be⸗ stande, wie er sich durch die Bilanz über das Geschäftsjahr ihres Ausscheidens ergiebt, binnen 6 Monaten nach dessen Schluß aus— gejahlt werde. z ,,

Gegen diese Verpflichtung kann sich die Genossenschaft nur da⸗ durch schützen, daß sie ihre Auflösung beschließt und zur Liquidation schreitet.

§. 45. .

Die Liquidatoren haben sofort beim Beginn der Ligquidatign eine Bilanz aufjustellen. Ergiebt diese oder eine später aufgestellte Bilanz, daß das Vermögen der Genossenschaft nach Aufopferung des Reserve⸗ fends und der Geschäftsantheile der Genossenschafter ur Deckung der Schulden der Genossenschaft nicht hinreicht, so haben die Liquidatoren bei eigener Verantwortlichkeit sofert eine Generalversammlung zu be⸗ rufen und dieser die durch den Aufsichtsrath geprüfte Bilanz nebst einer Berechnung der Beträge vorzulegen, welche die einzelnen Ge—⸗ nossenschafter zur Deckung des Defizits einzuschießen haben würden.

Insosern alsdann nicht Genossenschafter binnen 14 Tagen nach der Generalversammlung den zur Deckung des Ausfalls erforderlichen Betrag einzahlen, haben dieselben bei dem Gerichte die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Genossenschaft zu beantragen.

Den Genossenschaftern, ,. den zur Deckung des Ausfallez er⸗

fer etlichen Betrag nge elt haben, steht das Recht zu, zur Beitrei⸗

ung der für die übrigen bis zur Auflösung in der Genessenschaft verbliebenen Genossenschafter vorgeschossenen Antheile die Einleitung des in den §5§. 52 ff. dieses Gesetzes vorgeschriebenen Umlageverfah⸗ rens durch die Liquidatoren zu verlangen, wobei jedoch die dort an⸗ geordnete Zuziehung von Vertretern der Gläubiger wegfällt.

5. 51 a.

Die Bestimmung des 5. 49 findet auch auf den Fall des Kon⸗ kurses entsprechende Anwendung, soweit sich aus dem Wesen des Kon⸗ kurses nicht ein anderes ergiebt.

Sofort nach der Konkurseröffnung ift vom Vorstande oder den Liquidatoren eine Generalversammlung zu berufen, welche über die Beibehaltung derselben beschließt oder andere an ihrer Stelle zur Vertretung im Konkurse erwählt.

Die Generalversammlung kann die Aufbringung der Summe, welche zur völligen oder theilweisen Deckung der Ausfälle der Gläubi⸗ ger, insbesondere wegen Einstellung des Konkursverfahrens, erforder⸗ lich erscheint, durch Einleitung des in den 55. 52 ff. angeordneten Verfahrens behufs Einziehung der antheiligen Beiträge der Mitglieder, in jeder Lage des Konkurses, jedoch unter den in 5. 48 enthaltenen Einschränkungen, beschließen. ö

Nachdem das Konkursverfahren soweit gediehen ist, daß mit dem Vollzuge der Schlußvertheilung begonnen wird, liegt dem Vorstande ob, eine Berechnung (Vertheilungsplan) anzufertigen, aus welcher sich ergiebt, wieviel jeder Genossenschafter zur Befriedignng der Gläubiger wegen der im Konkurs erlittenen Ausfälle beizutragen habe.

Der Vertheilungsplan ist von dem Vorstande dem Konkurs— gericht mit dem Antrage einzureichen: den Vertheilungsplan für vollstreckbar zu erklären. Dem Antrage ist eine Abschrift oder ein Abdruck des Gesellschaftsvertrages, ein Verzeichniß der Ausfälle der Gläubiger, sowie der nach dem Gesetze (5. 39 Abs. 1) zu einem Beitrage verpflichteten und in den Plan aufzunehmenden Genossen— schafter beizufügen.

Wird die Einreichung des Vertheilungsplanes bis zur Aufhebung des Konkursverfahrens verzögert, so steht dem Gläubigerausschusse das Recht zu, durch das Gericht die Ernennung dritter Personen bewirken zu lassen, welche an der Stelle des Vorstandes oder der Liquidatoren zur Aufstellung und Einreichung des Planes und Vornahme aller dazu erforderlichen Handlungen ermächtigt sind.

Während des ganzen demnächst eingeleiteten Verfahrens vertritt sodann der Gläubigerausschuß die Interessen der Genossenschafts— gläubiger, kann jedoch seine Funktionen jederzeit auf einen oder meh— rere Bevollmächtigte übertragen. Die dadurch erwachsenden Kosten fallen den Genossenschaftern zur ö.

58.5

Bevor das Gericht über den Antrag Beschluß faßt, sind die Ge— nossenschafter, sowie der Gläubigerausschuß oder dessen Vertreter mit ihren etwaigen Erinnerungen gegen den Plan in einem Termine zu hören. Bei der Vorladung der Genossenschafter ist eine Mittheilung des Planes nicht erforderlich; es genügt, daß derselbe drei Tage vor dem Termine zur Einsicht der Genossenschafter bei dem Gerichte offen liegt, und daß dies denselben bei der Vorladung angezeigt wird. Von dem Termine ist auch der Vorstand in Kenntniß zu setzen. Die nochmalige Vorladung eines Betheiligten, welcher in dem Termine nicht erscheint, ist nicht erforderlich. Werden Erinnerungen erhoben, so ist das betreffende Sach- und Rechtsverhältniß in dem Termine thunlichst insoweit aufzuklären, als zur vorläufigen Beurtheilung der Erheblichkeit der Erinnerungen . ist.

Nach Abschluß des im 5§. 53 bezeichneten Verfahrens unterzieht das Gericht auf Grundlage der beigebrachten Schriftstücke und der von dem Richter aufgenommenen Verhandlungen den Vertheilungsplan einer näheren Prüfung, berichtigt den Plan, soweit nöthig, und er— läßt hierauf den Beschluß, durch welchen derselbe für vollstreckbar er— klärt wird. Das Gericht kann vor Abfassung des Beschlusses von dem Vorstande jede nähere Aufklärung und die Beibringung der in dem Besitze desselben befindlichen, zur Erledigung von Zweifeln die— nenden Urkunden fordern.

Gegen den Beschluß ist ein . nicht zulässig.

S. 55.

Eine Ausfertigung des Planes, sowie des Beschlusses, durch wel⸗ chen derselbe für vollstreckbar erklärt ist, wird dem Vorstande und dem Gläubigerausschusse mitgetheilt.

Die Urschrift oder eine zweite Ausfertigung ist bei dem Gerichte zur Einsicht der Genossenschafter offen zu legen; sämmtliche Genossen— schafter sind hiervon in Kenntniß zu setzen.

Der Vorstand ist verpflichtet, die Beiträge, welche nach den für voll— streckbar erklärten Vertheilungsplane von den einzelnen Genossen— schaftern zu zahlen sind, im e . Exekution beitreiben zu lassen.

S. 56.

Jeder Genossenschafter, sowie der Gläubigerausschuß oder dessen Vertreter ist befugt, den Vertheilungsplan im Wege der Klage anzu⸗ fechten; die Klage ist gegen die übrigen betheiligten Genossenschafter zu richten; diese werden in dem Prozesse von dem Vorstande ver⸗ treten. Für die Klage ist das Gericht zuständig, bei welchem die Genossenschaft ihren allgemeinen Gerichtsstand hatte (8. 11). Durch die Anstellung der Klage und die Einleitung des Prozesses wird die Exekution nicht gehemmt. .

Fp. 50.

Ist die Exekution gegen einzelne Genossenschafter fruchtlos, so hat der Vorstand den dadurch entstehenden Ausfall in einem anzu⸗ fertigenden neuen Plane unter die übrigen Genossenschafter zu ver⸗ theilen. Das weitere Verfahren bestimmt sich nach den Vorschriften der 55. 52 56. ‚.

S. 58.

Der Vorstand ist zur Erhebung der von den Genossenschaftern zu entrichtenden Beiträge berechtigt und zur Ablieferung an den Gläu⸗ bigerausschuß Behufs der bestimmungsmäßigen Verwendung derselben verpflichtet.

8. 59. Wenn das Vermögen der Genossenschaft zur Befriedigung der

Gläubiger sich als unzureichend erweist, ohne daß die Eröffnung des Konkurses erfolgen kann, so hat das Konkursgericht bei Ablehnung

des Antrages darauf, insofern die Genossenschaft nicht bereits auf=

gelöst war, den Vorstand zur sofortigen Auflösung derselben nach 8. 36, und Berufung der Generalversammlung unter Vorlegung einer Bilanz

anzuhalten, welche Versammlung über die Beibehaltung des Vor⸗ standes zu beschließen, oder zu einer Neuwahl zu schreiten befugt ist. Hat die Auflösung stattgefunden, so ist der Vorstand verpflichtet, das in den §§. 52 58 angeordnete Verfahren zur Aufbringung der zur Befriedigung der Gläubiger erforderlichen Mittel unverzüglich ein— zuleiten. S. 60.

Gleichzeitig mit der Verfügung an den Vorstand hat das Gericht zur Wahrnehmung der Interessen der Gläubiger bei dem hiernach einzuleitenden Verfahren diesen einen Vertreter von Amtswegen zu bestellen, welcher alle im 5. 57 dem Gläubigerausschusse beigelegten Rechte auszuüben befugt ist. Demselben bleibt überlassen, sich mit den Gläubigern in Verbindung zu setzen und sie vom Sachstande zu benachrichtigen. Die dadurch entstehenden Kosten fallen den Genossen⸗ schaftern zur Last.

5. 61

Sind an die Stelle des Vorstandes Liquidatoren getreten, so gelten die Bestimmungen der S§. 52 60, insoweit sie den Vorstand betreffen, für die Liquidatoren. 20

Durch das in den §S§. 52 61 angeordnete Verfahren kommt das Recht der Genossenschaftsglaubiger, wegen der an ihren Forde⸗ rungen erlittenen Ausfälle die Genossenschafter einzeln in Anspruch zu nehmen, in Wegfall. 86

Die Verjährung zu Gunsten eines ausgeschiedenen oder ausge⸗ schlossenen Game., wird nicht durch Rechte handlungen gegen einen anderen Genossenschafter, wohl aber durch Rechtshandlungen gegen die fortbestebende Genossenschaft, sowie, nach deren Auflösung, gegen die Liquidatoren beziehungsweise die Konkursmasse unterbrochen.

Die Versährung zu Gunsten eines bei der Auflösung der Genossen⸗ schaft zu derselben gebörigen Genossenschafters wird nur durch Rechte⸗ handlungen gegen die Liquidatoren, beziebungsweise gegen die: Konkurs⸗ masse unterbrochen.

5. 69.

Die Eintragungen in das Genossenschaftsregister und die Zurüd⸗ weisung der Eintragungsgesuche erfolgen kosten⸗ und stempelfrei. Für Benachrichtigungen der Betheiligten sind die gewöhnlichen Schreib⸗ gebühren anzusetzen.

Gegeben ꝛc.

Urkundlich ꝛc.

Ferner hat der Abg. Frhr. von Mirbach folgenden Antrag ge⸗ stellt: Der Reichstag wolle beschließen: dem anliegenden Gesetz⸗ entwurfe, enthaltend die Ergänzung des Gesetzes vom 4. Juli 1868. betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossenschaften, die Zustimmung zu ertheilen.

Dieser Gesetzentwurf lautet:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen ꝛe. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt: 4

Den Genossenschaften, welche die im 8§. 1 des Gesetzes vom 4. Juli 1868, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossenschaften bezeichneten Zwecke verfolgen, ist ge⸗ stattet, die unbeschränkte Haftung der Genossenschafter für die Ver⸗ bindlichkeiten der Genossenschaft nach Maßgabe dieses Gesetzes aus⸗ zuschließen.

§. 2.

Die Firma muß die Bezeichnung „eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung“ enthalten. §. 3.

Der Gesellschaftsvertrag muß außer dem in 5. 3 Nr. 1—11 des Gesetzes vom 4. Juli 1868 angegebenen Inhalt enthalten:

12) den in einer bestimmten Summe anzugebenden Betrag, in Höhe dessen die einzelnen Genossenschafter über ihre Geschäftsantheile hinaus die solidarische Bürgschaftsverpflichtung für die Verbindlich keiten der Genossenschaft übernehmen; die Summe darf nicht niedri⸗ ger als der Betrag der Geschäftsantheile (Nr. 5) bemessen werden. Die Haftbeträge der Genossenschafter sind durch Deposition sicher⸗ zustellen.

13) die höchste Zahl der Geschäftsantheile, welche die einzelnen Genossenschafter zu erwerben berechtigt sind.

§. 4.

Der zu veröffentlichende Auszug des Gesellschaftsvertrages muß außer dem im §. 4 Nr. 1—6 des Gesetzes vom 4. Juli 1868 ange⸗ gebenen Inhalte enthalten: ;

7) den Betrag der einzelnen Geschäftsantheile (8. 3 Nr. 5),

8s) die Summe, bis zu welcher die einzelnen Genossenschafter solidarisch als Bürgen haften (58. 3 Nr. 19).

An die Stelle des 5. 9 Abs. 2 des Gesetzes vom 4. Juli 1868 tritt folgende Bestimmung: .

In Ermangelung anderweiter Festsetzungen des Gesellschafts⸗ vertrages wird der Gewinn unter die Genossenschafter nach Höhe von deren Geschäftsantheilen vertheilt; ebenso der Ver⸗ lust, soweit diese Antheile zusammen zu dessen Deckung aus⸗ reichen, wogegen ein nach Erschöpfung des Genossenschafts⸗ vermögens derselben noch zu deckender Rest von den Genossen⸗ schaftern nach dem Verhältniß derjenigen Summen, in Höhe welcher sie den Genossenschaftsgläubigern haften (5. 7), aufzu⸗ bringen ist.

6.

An die Stelle des §. 10 Abs. 2 des Gesetzes vom 4. Juli 1868 tritt folgende Bestimmung: Jeder Genossenschafter hat hierbei so viel Stimmen, als er Geschäftsantheile besitzt, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag ein Anderes festsetzt.

8. bs.

6 An die Stelle des 5. 12 des Gesetzes vom 4 Juli 1868 tritt folgende Bestimmung:

In so weit die Genossenschaftsgläubiger aus dem Genossen⸗ schaftsvermögen nicht befriedigt werden können, haften alle Ge⸗ nossenschafter, ohne daß diesen die Einrede der Theilung zu⸗ steht, für die Ausfälle solidarisch in Höhe der gemäß 5§. 3 Nr. 12 festgesetzten Summe.

Für Genossenschafter, welche mehrere Geschäftsantheile haben, erstreckt sich die Haftung auf das der Zahl ihrer Ge⸗ schäftsantheile entsprechende Vielfache dieser Summe.

Der Betrag der Geschäftsantheile (8. 3 Nr. 5) und der Bürg⸗ schaftssumme (5. 3 Nr. 12) darf während der Dauer der Genossen⸗ schaft nicht herabgesetzt werden.

9.

Die nach 5. 25 des Gesetzes vom 4. Juli 1868 am Schlusse jedes Quartals zu machende Anzeige muß ferner die Gesammtzahl der Geschäftsantheile und das alljährlich einzureichende Verzeichniß muß ferner bei jedem Genossenschafter, welcher mehrere Geschäftsantheile hat, deren Zahl angeben.

§. 10

An die Stelle des 8. 38 Abs. I tritt folgende Bestimmung: Jeder Genossenschafter hat, auch wenn der Gesellschafts⸗ vertrag auf bestimmte Zeit geschlossen ist, das Recht, aus der Genossenschaft auszutreten oder ihm gehörige Geschäftsantheile zu kündigen. .

An die Stelle des 8. 39 tritt folgende Bestimmung:

Die aus der Genossenschaft ausgetretenen oder aus⸗ geschlossenen Genossenschafter, sowie die Erben verstorbener Genossenschafter, ingleichen Genossenschafter, welche Geschäfts⸗ antheile gekündigt haben, bleiben den Gläubigern der Ge⸗ nossenschaft für alle bis zu ihrem Ausscheiden oder dem Inkrafttreten der Kündigung (8. 10) eingegangenen Verbind⸗ lichkeiten bis zum Ablauf der Verjährung (5. 63 des Gesetzes vom 4. Juli 1868) verhaftet.

Wenn der Gesellschaftsvertrag nichts Anderes bestimmt, haben sie an den Reservefonds und an das sonst vorhandene Vermögen keinen Anspruch, sind vielmehr nur berechtigt zu verlangen, daß ihnen ibr Geschäftsantheil, wie er sich aus den Büchern ergiebt, binnen 3 Monaten nach Ablauf der Verjährung (5. 63 des Gesetzes vom 4. Juli 1868) ausgezahlt werde. .

Gegen diese Verpflichtung kann sich die Genossenschaft nur dadurch schützen, daß sie ihre Auflösung beschließt und zur Liquidation schreitet.

ß. 12.

Die Abtretung von Geschäftsantheilen ist nur zulässig, wenn der Erwerber gleichzeitig Genossenschafter wird (dz. 3 Nr. 4) oder bereits Genossenschafter ist. Der Abtretende bleibt für alle von der Ge⸗ nossenschaft bis zu dem Zeitpunkte, in welchem die Abtretung ibr

mitgetheilt ist, eingegangenen Verbindlichkeiten bis zum Ablaufe der Verjährung (5. 63 4. a. D.) ve nt.

An die Stelle des Slunsanh⸗ in 5§. 47 des Gesetzes vom 4. Juli 1868 tritt folgende Bestimmung: e . In Ermangelung anderer Vertragsbestimmungen erfolgt

die Vertheilung weiterer Ueberschüsse unter die Genossen⸗ schafter nach Verhältniß derjenigen Summen, in Höhe deren sie bei Auflösung der Genossenschaft für die Verpflichtung hafteten (8. 7).

Urkundlich ꝛc.

Gegeben ꝛc.

Endlich beantragte der Abg. Ackermann:

Der Reichstag wolle beschließen: . ö den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, daß über die Ursachen der bei den nach dem Gesetz vom 4. Juli 1868 gebildeten Genossenschaften erkennbar gewordenen Mißstände Erörterungen angestellt werden, daß, soweit mönlich, auf deren Beseitigung Bedacht genommen und dabei mit in Erwägung gezogen werde, ob es sich nicht empfehle: