1881 / 118 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 May 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Amortisation wurden ausgegeben 211 770 M, in den Reserve⸗ fonds sind 65 605 ½ und in den Erneuerungsfonds 436 500 „, zusammen also 502 105 6 zurückgelegt. Nach Abzug dieser Ausgaben von 2160 699 M ergiebt sich ein Ueberschuß von 573 800 S6. Dieser Betrag soll wie folgt verwendet werden: zur Gewährung einer Divi⸗ dende von 3*0½ für 165009000 M, Stamm-⸗Prioritäts⸗Aktien 550 000 M, zur Zahlung der Eisenbahnsteuer von 14,102 (66, zur Zahlung der an die Mitglieder des Verwaltungsraths zu gewährenden Tantieme 5500 S, für Remunerationen 4000 M, als Vortrag auf neue Rechnung 198 An Dividendenscheinen der Stammprioritäts⸗ Aktien sind rückständig für 1874 106, 1876 5960. 1877 50 so, 1878 40½, 1879 130, 1880 1350, , zusammen 180,0. Die Betriebs⸗ einnahmen betrugen in 1880 6127268 S gegen 5983719 4. in 1879, die Betriebsausgaben 3 420 308 M gegen 3 289 650 0 in 1879. Der Erneuerungsfonds beläuft sich auf 1525 650 . (gegen 1363 647 ult. 1879). Der Reservefonds zeigt einen Bestand von 34 553 S gegen 95 400 M. ult. 1879.

Brieg, 19. Mai. An dem heute hier abgehaltenen Woll⸗ markt sind 6 Ctr. gewaschene Wolle und 4 Ctr. ungewaschene Wolle von Rustikalbesitzern zum Verkauf gebracht und von hiesigen Kauf⸗ leuten gekauft worden. Der niedrigste Preis gewaschener Wolle stellte sich vro Centner auf 135 6, ungewaschene Wolle auf 54 M und der höchste Preis gewaschener Wolle pro Centner auf 150 66 und unge⸗ pe che Wolle auf 60 ½, Dominial-Wolle war zum Verkauf nicht gestellt.

Am sterdam, 20. Mai. (W. T. B.). Bei der heute von der niederländischen Handelsgesellschaft abgehaltenen Zucker⸗ auktion wurden 231 Barrels zu 2 à 281, 297 Boukant zu 277 à 283 Cent. verkauft.

London, 20. Mai. (W. T. B.) In der gestrigen Woll⸗ auktion waren Preise bei fester Stimmung unverändert.

Havre, 20. Mai. (W. T. B.). Wollau tion. 2308 B., verkauft wurden 645 B. Matt; gestrige Preise.

New ⸗Jork, 20. Mai. (W. T. B.) Baum wollen⸗ Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 42 000 B., Aus⸗ fuhr nach Großbritannien 33 9000 B., Ausfuhr nach dem Kontinent 29 000 B., Vorrath 531 000 B.

Verkehrs⸗Anstalten.

Die Riaschk-Wjasma Eisenbahn hat den Verkehr seit dem 11. April er. wieder aufgenommen.

Ein unter dem Titel Berliner A. B. C.“ in dem, Kursbureau des Centralbureaus für den Weltverkehr“ von Brasch u. Rothenstein hier bearbeitetes, im Verlage der Centralbuchhandlung (Hugo Steinitz, Centralhotel) erfchienenes alphabetisches Eisenbahn⸗Kursbuch beabsichtigt für Berlin, die durch die wachsende Ausdehnung des Eisen⸗ bahnnetzes sich immer mehr steigernden Schwierigkeiten bei Auffindung der Reiseziele, Bestimmung der Fahrzeiten und Preise ze. leicht und und schnell zu überwinden. Das „Berliner A. B. C.“ enthält alle deutschen sowie die wichtigsten Eisenbahnstationen des übrigen Europa unter , , der bedeutenderen Bäder, auch wenn diese nicht an einer Eisenbahn gelegen, giebt ihre Lage, nach Regierungsbezirk oder Land und die Einwohnerzahl, die Entfernung von Berlin in Kilo— metern nebst dem Abgangsbahnhofe sowie die Preise sämmtlicher hier käuflichen Eisenbahnbillete mit Gültigkeitsdauer, endlich die Fahrzeiten, d. h. Abfahrt von hier und Ankunft am Ziel, Rückfahrt von dort und Rückkunft hier an. Von den aufgeführten nahezu 6000 Eisenbahnstationen ist etwa der vierte Theil, darunter alle inner⸗ halb eines Umkreises von 150 kin, als für den hiesigen Verkehr wichtigsten fahrplanmäßig, oft mit mehreren Routen zur Aufnahme ge⸗ kommen, während die übrigen von diesen abgeleitet sind. Auch die Pferdebahnfahrpläne und Tarife, die Dampfschiffahrten auf der Spree uͤnd die Droschkentarife für Berlin sind vollständig aufgenommen. Der auf nur 50 4 gestellte Preis leinschließlich einer Eisenbahnkarte von Mitteleuropa, die für sich im Buchhandel 1,50 M6 kostet) ge⸗ stattet, das „Berliner A. B. C. auch als Wegweiser in dem amtlichen Kursbuch zu benutzen.

Angeboten

regelrechten

Berlin, 21. Mai 1881.

Zur Hebung des deutschen Ausfuhrhandels.

Beirut, März, 1881.

Der Export aus Deutschland nach dem Orient unter⸗ scheidet sich insofern wesentlich von dem nach Central⸗Amerika, Australien u. s. w. als zur Zeit die Ausfuhr für eigene Rechnung (Konsignation) Seitens deutscher Industrieller nur noch für alt eingeführte und demnach durchaus bekannte Stapelartikel praktizirt wird, weil der Kampf mit den schnellerer Entwicklung des Imports deutscher Provenienzen entgegenstehenden Schwierigkeiten die Nothwendigkeit hervor⸗ gerufen hat, vorzugsweise festzubestellen und die . Aufträge dahin zu bedingen, daß Abwickelung erst nach Erhalt und Prüfung der Waare zu erfolgen hat, so daß der eventuelle Rekurs gegen vom Auessender verschuldeten Minderausfall stets e bleibt.

zas die Qualität der von Deutschland nach Syrien ge— lieserten Waare anlangt, so ist dieselbe fast durchgehends als sehr gering zu bezeichnen, woraus jedoch den Fabrikanten kein Vorwurf gemacht werden darf. Im Gegensatz zu früheren Jahren, wo selbst die schwersten und besten Stoffe in Syrien getragen wurden, ist der syrische Konsument nach Maßgabe des stetigen Rückgangs seiner materiellen Lage in seinen An⸗ sprüchen nach und nach sehr bescheiden geworden und be⸗ gnügt sich heute mit dem Schlechtesten, was die euroyäische 2 hervorbringt. Seidene und wollene Stoffe, früher tark begehrt, sind bis auf die unentbehrlichsten Artikel dieser Waarengattungen, wie Satins, Tuche u. s. w., fast vollständig durch die baumwollenen Fabrikate Manchesters verdrängt worden und auch diese gelangen hier nur in geringster Güte zum Verkauf. Unter solchen Umständen kann Deutschland, wenn es überhaupt an dem swrischen Geschäsft theil nehmen will, nur seine ordinärsten Industrieerzeugnisse auf den hiesigen Markt bringen, und es ist kein Fehler, wenn es seine Fabrikation den Bedürfnissen und Geschmacksrichtungen eines jeden Absatzgebietes anzupassen sucht und so auch den An— sprüchen der syrischen Konsumenten gerecht wird. Eine Schädigung der überseeischen Kundschaft liegt offenbar nicht in der Lieserung geringerer Waare, so lange die Fakturen⸗ preise in einem richtigen Verhältnisse zu ihr stehen, und daß die deutsche Waare im Allgemeinen preiswürdig ist, kann nicht bestritten werden.

Dagegen ist es eine beklagenwerthe Thatsache, daß die deutschen Fabrikanten nicht immer mustergültig liefern, daß die Aufmachung der Waaren, das Gesammtaussehen und die Verpackung derselben Vieles zu wünschen übrig lassen.

Obgleich nun seit einigen Jahren schon Fabriken ersten Ranges und in neuester Zeit auch minder bemittelte . als rühmliche Ausnahmen des bedauerlichen Sparsystems auftreten, bleiben dennoch und für die Mehrheit der für Syrien arbeitenden kleineren Fabrikanten die oben hervorgehobenen und andere Mängel vorherrschend und geben zu . zwischen Empfänger und Absender Anlaß, welche Letzterem stets höhere, oft effeltiv nicht gerechtfertigte Einbußen auferlegen, und zwar deshalb, weil die Geschmacke⸗ richtung der einzelnen Besteller so verschieden und capricibs auftritt, daß zur Verfügung gebliebene Waare, selbst wenn sie im Moment dem neuen Reflektanten gut passen sollte,

von diesem nur beträchtlich unter dem bei früherer güt⸗ licher Einigung (so ungerecht sie erscheinen mochte) erzielten Preise erworben wird.

In Betreff der Verpackung richtet sich die Hauptklage egen die zerbrechlichen Gegenstände, wie Glas, Porzellan, Fayence, Kurzwaaren u. s. w. Der hier häufig vorkommende, meist absurder Sparniß des ordinärsten Packpapiers und weniger Stroheinlagen verdankte Bruch ist ost so empörend, daß trotz der Bedingung „Bruch auf Gefahr des Empfängers“ oft Abzüge gemacht werden, deren Berechtigung unmöglich zu widerlegen ist.

Schlecht gepackt wird namentlich in Sachsen, wo das Exportgeschäft überhaupt in sehr mangelhafter Weise und oft mit erstaunlicher Unkenntniß der überseeischen Absatzverhält⸗ nisse gehandhabt wird. Der Vorwurf der lässigen Verpackung trifft aber selbstverständlich nur einen Theil der deutschen Exporteure, denn aus der Rheinprovinz kommen z. B. vor⸗ züglich gepreßte Ballen, welche mit der besten englischen Ballenverpackung ohne Noth den Vergleich aushalten.

Auch die Ausführung der Kurzwaaren bringt fortgesetzt Ausstellungen, welchen französische Aussendungen ganz fremd bleiben. Forin, Qualität und Ausrüstung stehen sehr oft dem Originalmuster weit nach. So werden die kleinen türkischen Fayence Kaffeebecher nicht konform geliefert. Hier stimmt die vorgeschriebene Form nicht überein, da ist über verschrobene Qualitat zu klagen, dort ist auf die Goldverzie— rung gespart und diese nicht mehr mustergetreu. Bei kleinen vergoldeten Rahmen-Spiegeln ist es vorgekommen, daß statt wie beim Muster, wo der Rahmen mit Tischlerleim zusammen⸗ gefügt war, bei der Waare die 4 Stäbe von einem Klecks von Kitt zusammengehalten wurden und, da die Größennummern übersetzt und demzufolge größere Kartons verwendet waren, lose eintrafen, weil der getrocknete Kitt der Erschütterung beim Tranzport nicht Widerstand zu leisten vermochte.

Bei Manufakturen vermißt man nicht allein die geschmack⸗ volle Ausrüstung, auch der Waare selbst fehlt häufig das von anderen Nationen Gebotene in Griff, Glanz und Appretur, wie überhaupt der durch lebhafte Farben erzeugte wohlgefällige Eindruck. So sind z. B. für orientalische Tuche die Oester⸗ reicher (Bielitz uns am Appret weit überlegen; ihre Waare ist griffig, kurz geschoren, hart und glänzend appretirt und behält demnach die für unsere Tuche unerläßliche Geschmeidig— keit selbst bei den ordinärsten Qualitäten, während die deut⸗ schen Tuche, trotz aller Vorschriften, meist langhaarig ohne festen Griff, ohne Lüstre und so weich appretirt auf den Markt kommen, daß ihnen alles Ansehen fehlt. Versuche, den schar⸗ fen und doch geschmeidigen wohlgefälligen österreichischen Appret zu appliziren, bleiben seit Jahren ohne Erfolg; in den meisten Fällen ist dem brettharten Gewebe ein Aussehen unregel—⸗ mäßiger widerlicher Verkleisterung aufgeprägt. Hier handelt es sich nun freilich um Fabrikationsgeheimnisse, welche schwer zu enthüllen sein mögen, indeß in Anbetracht, daß in Qua⸗ lität der Wolle geringere Waare der Konkurrenznation unseren feineren Qualitäten den . streitig macht, sollte doch etwas geschelen, um diesem Uebelstande abzuhelfen. Ueberhaupt thäte dem Veredlungssystem der Wollwaaren noch in mancher Hinsicht Vervollkommnung dringend noth, wenn deutsche Pro— venienzen herrschen sollen.

Ueber zu knappes Maß werden nur selten Klagen laut, dagegen muß den Fabrikanten häufig der Vorwurf kleinlicher Breitenminderungen gemacht werden.

Fast nie werden von den Fabrikanten Reisende nach Syrien geschickt, um sich über das hier Gangbare zu informi— ren und solche Waaren anzubieten.

Auch hier werden deutsche Erzeugnisse unter fremder, namentlich englischer und französischer Etiquette verkauft. Doch versuchen schon die hiesigen Kommissionäre diesem Mißbrauche zu begegnen. Wenn ag die alten Aushängeschilder, drap de Sedan, Elboeuf, drap de Paris, casimir London, wie überhaupt die mit Vorliebe bei deutschen Provenienzen angewendeten fremden Bezeichnungen, schwer zu beseitigen sind, so ist man in Syrien doch schon ziemlich aufgeklärt über das, was die deutsche Industrie leistet.

Die Bemerkungen Nr. 11 und 12 der Enquete kommen hier weniger in Betracht, weil Masseneinkäufe, wie die großen amerikanischen Importhäuser gelegentlich der Anwesenheit ihrer Chefs in Europa bewirken, nicht in Aussicht genommen wer⸗ den. Man ist hier auf successive Bestellung von kleineren Posten deshalb angewiesen, weil mit einem höchst wichtigen Faktor, dem Interessensatz von 1 Proz. pro Monat gerechnet werden muß, andererseits aber durch eine ost sinnlose Kon⸗ kurrenz Risiken entstehen, welche peinlich strenge Vorsicht für größere Einkäufe bedingen.

Sehr fühlbar ist der Mangel an großen in den Industrie⸗ Centren ansässigen Export⸗Kommissionshäusern, die im Stande wären, hierher zu gleicher Zeit deutsche Erzeugnisse der ver⸗ schiedensten Art zu liefern, die musterkonsorme Lieferung zu überwachen, für eine solide und zweckmäßige Emballage zu sorgen, sowie für den Transport die billigsten Mittel und Wege außßzusuchen. Während von 4 oder 5 englischen Kom⸗ missionshausern alle Fabrikate Englands bezogen werden können, braucht man . 100 Verbindungen in Deutsch⸗ land zum Bezuge aller seiner großen und kleinen Artikel, welche hier verkauflich sind. Es liegt auf der Hand, daß viele Mühe, Zeit und Weitläufigkeiten gespart werden würden, wenn die hiesigen Häuser ihre Geschäfte mit Deutschland in wenigen guten Händen konzentriren könnten. Es ware des⸗ halb sehr wünschenswerth und jeder überseeische Importeur würde es gewiß mit Freuden begrüßen, wenn auch in Deutsch⸗ land endlich das englische und französische System acceptirt würde, wonach ein Fabrikant ohne Schaden nicht gleichzeitig Exporteur sein kann.

Als großer Uebelstand ist noch hervorzuheben, daß die Exporteure in Deutschland sich nicht an strenge Pünktlichkeit gewöhnen mögen. Zu klagen ist sowohl über nicht rechtzeitige Aussendung der Muster für die Bestellzeit, als über unver⸗ antwortlich verspätete Lieferung übernommener Bestellungen. Der Fabrikant fixirt die ihm nöthige Lieferfrist selbst, über⸗ nimmt Aufträge fun einen bestimmten Termin, läßt aber hie und da rücksichtelos, vielleicht weil ihm inzwischen eine etwas vortheilhastere Limite eingelaufen, einen hiesigen Besteller Monate lang warten und zieht sich dadurch außer Unannehm⸗ lichkeiten, Dispositionen, oft noch Schadenansprüche und Ver⸗ luste zu, welche ihn arg bestrafen. Es ist haufig vorgekommen, daß im Mai bestellte, für September sest zugesagte Lieferungen erst im Januar und Februar ausgeführt wurden, wofür natürlich der durch Ablauf der Verkfaussperiode geschädigte Empfänger, wenn er die Annahme nicht verweigerte, sich ent⸗

sprechende Vergütung sicherte. Wie nachtheilig der Mangel an Pünktlichkeit oft werden kann, erfuhr ich, so schreibt der 26

eines der angesehensten hiesigen Häuser, an einer für die Ab⸗ reise der Pilgerkarawane nach Mekfa ertheilten, bizarre Farben⸗ sortimente enthaltenden Bestellung, welche verspätet eintraf,

zur Verfügung blieb und erst nach 2 Jahren gegen ein Viertel

des Fakturenbetrages begeben wurde. Deutschland ist gegen die übrigen Nationen schon an und für sich dadurch im Nachtheil, daß

die Güter selten ganz pünktlich eintreffen und daß ungewöhn⸗

lich hohe Landfrachten die Bezüge sehr vertheuern.

Zur Förderung des deutschen Exporthandels erscheint es vor Allem nothwendig, daß die deutsche Industrie sich dahin einigt, die an sie gerichteten Forderungen, auf Kosten der Qualität Preisminderung eintreten zu lassen, rund abzuschlagen

und gleichzeitig zu trachten, ihrem Nutzen feste Sätze anzu⸗

passen. Ein neuer Artikel taucht auf und findet Beifall, trotz dem daß der Fabrikant sich einen Nutzen über Gebühr gesichert hat, der es ihm bei Erneuerung der Bestellung leicht macht, einem Drucke auf den Preis nachzugeben. Bei der dritten Bestellung erfolgt neuer Druck des Bestellers und wenn er dem willfahren und den eigentlich richtigen Satz seines Nutzens festhalten will, muß er schon die Qualität, wenn auch nur unbedeutend abmindern, wovon er jedoch nichts erwähnt, weil eine scharfe Konkurrenz kleinerer Fabriken erstanden ist. Die Waare muß, um den Vorsprung zu wahren, billiger werden; der hiesige Besteller verlangt nun die bereits verrin⸗ gerte Qualität zu noch tieferem Preissatze, wobei sich, Dank den stets bereiten Fabrikanten Alles wiederholt und eine Anzahl kleinerer gäte-métiers den Hals bricht.

Zur Veranschaulichung eines ähnlichen Manoeuvres möge Folgendes dienen. In den Jahren 1869 / 70 bezog ein hiesiges Haus aus dediegener Quells Super Stont Socken vorzüglicher Qualiät, welche leicht für 75 Piaster das Dutzend komptant verkauft wurden. Heute kann dieses Haus, Dank dem un⸗ glückseligen, wohl hauptsächlich von deutschen und Schweizer Fabrikanten adoprirten System, „billig und schlecht“ eine dem Aussehen und dem Gewebe nach sehr ähnliche, in Qualität aber auffallend verringerte Waare Super Stout Socken gleicher Verpackung und Etiquette für 40 Piaster das Dutzend bei vier bis sechs Monate Ziel in nichtssagenden Posten und immer mit gleichem Nutzen beschaffen. Auf eine Anfrage unter Beifügung von Mustern erhielt das Haus aus Frank— reich vor zwei Monaten die Antwort: „solche Waaren faori— ziren wir nicht, unsere Super Stout, wie Sie seiner Zeit zu 1021 Piaster bezogen, kosten heute 1071 P.“ Auf nach Li⸗ moges gesandte Typen der oben erwähnten Tassen Nürnberger Fabrikates kam die Antwort: „Pareil rebut ne se fait pas dans notre usine.“ Trotzdem blüht die französische Industrie und behauptet, wo es auch sei, einen so ausgesprochenen Vorzug, daß es genügt, irgend welche Waare als französisches Fabrikat anzupreisen, um ihr Vertrauen zu sichern.

Als ein großer Krebsschaden des deutschen Exports ist noch die Unzahl kleiner Gerne⸗Groß von Fabrikanten zu be— zeichnen, welche, wenn sie ein Paar Tausend Mark erspart haben. die Exporteure spielen, mit hie und da aufgefischten Adressen, je fremdartiger die Namen, desto willkommener, Verbindung anknüpfen und mit diesen oft aller soliden Basis entbehrenden Korrespondenten den solideren Geschäften so lange die Geschäfte verderben, bis sie sich die Flügel verbrannt.

Schließlich ist leider noch zu konstatiren, daß der Absatz deutscher , , ,, . in Syrien in den letzten Jahren einen unverkennbaren Rückschritt zu Gunsten der Konkurrenz- länder, speziell Englands und Frankreichs gemacht hat, und daß manche früher recht kurrente Artikel vielfach infolge ge⸗ wissenloser Qualitätsverringerungen ganz von den spyrischen Märkten verschwunden sind.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz haben

als stellvertretender Protektor der Kaiser⸗Wilhelms⸗Stif⸗ tung für deutsche Invaliden bestimmt, daß die statuten⸗ mäßige Versammlung des Gesammtvorstandes am Mon⸗ tag, den 30. Mai 1881, Abends 6 Uhr, im Zimmer Nr. 5 des Gebäudes des deutschen Reichstages hierselbst stattfinden soll, und uns beauftragt, dieselbe in Höchstihrem Namen zu berufen. Wir erlauben uns demnach, die geehrten Herren Mitglieder des Gesammt⸗ vorstandes zu dieser Sitzung ganz ergebenst einzuladen. Tagesord⸗ nung: 1) Erstattung des Jahresberichts und der Jahresrechnung pro 1886, sowie Ertheilung der Decharge, 2) Wahl von Mitgliedern zum Verwaltungsausschusse.

Auf Höchsten Befehl: Anzug: Ueberrock.

Berlin, den 14. Mai 1881.

Der Verwaltungs⸗Ausschuß der Kaiser⸗Wilhelms⸗Stiftung für Deutsche Invaliden. A. von Etzel.

Die Kassenbücher und Beläge liegen vom 16. d. Mts. ab in dem Bureau, Matthäikirchstraße 19, 3 Tr., zur Einsicht der Mitglieder des Gesammt⸗Vorstandes aus. Es wird gebeten, Kenntniß von den⸗ selben zu nehmen und etwaige Monita zu ziehen.

Der erste deutsche Geographentag ist auf den 7. und 8 Juni d. J. nach Berlin einberufen. An den genannten Tagen werden Vormittags von 10—1 Uhr Vorträge und Verhandlungen über Ge— genstände aus den verschiedenen Gebieten der Erdkunde stattfinden, während die Nachmittagsstunden von 4—ß Uhr den Fragen des geographischen Unterrichts gewidmet sein sollen. Vorträge werden halten die Herren Professoren Dr. Zöppritz (Königsberg), Dr. Neu⸗ maver (Hamburg), Dr. Rein (Marburg), Dr. Bastian (Berlin), Dr. Kirchhoff (Dalle), Dr. Wagner (Göttingen), Dr. Meitzen und Dr. Ascherson. Die Sitzungen finden im Architektenhause statt. Mitgliedkarten können für 3 ½ in der Bibliothek der „Gesellschaft für Erdkunde“, Friedrichsstraße 191, oder an den Sitzungstagen im Architektenhause in Empfang genommen werden.

Mit der morgigen Aufführung der Götterdämmerung“ im Victoria⸗Theater endet der III. Cyklus des Ringes des Nibelungen“ und zugleich das Gastspiel der Fr. Friedrich⸗Materna.

Sgr. Ernesto Rossi tritt morgen im National-Theater als Romeo“ und am Dienstag als „Shvlok“‘ auf. Diese definitiv letzte Vorstellung findet zugleich zum Benefiz des Künstlers statt.

Im Flora⸗Etablissement zu Charlottenburg sind gestern Nachmittag die Luftschiffer Eugene Godard und Pierre Crom⸗ melin aus Paris mit ihrem Ballon La Cometen, 1 500091 Gas fassend, eingetroffen. Der Ballon mit der Gondel hat ein Gewicht von 709 kg; die Gasleitung zur Füllung des Ballons ist bereits sertig gestellt, und es wird mit der Füllung selbst morgen, Sonntag, Vormittags 8 Uhr, begonnen werden, während die are Nach⸗ mittags 7 Uhr erfolgen soll. Der Ballon trägt 8— 10 Personen. Meldungen zur Mitfahrt werden im Etablissement entgegengenommen.

Redacteur: Riedel.

Berlin:

Verlag der Crpedinon (Kef feh. Druck W. Ele ner. Sechs Beilagen einschließlich Börsen⸗ Beilage).

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Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M HHG.

Berlin, Sonnabend, den 21. Mai

E881.

Aichtamtliches.

Preußen. Berlin, 21. Mai. Im weiteren Ver⸗ laufe der gestrigen (65) Sitzung setzte der Reichs tag die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung auf Grund des Berichts der XI. Kommission mit der Diskussion des §. 100 E. fort. Der Abg. Dr. Delbrück bemerkte, die frühere preußische Gesetzgebung von 1845 —= 49, welche in ihrer allge⸗ meinen Tendenz vollkommen auf dem Boden der Vorlage einschließlich des 8. 100 E. gestanden hahe, habe bei der Bil—⸗ dung der Innung vorausgesetzt, daß die Betheiligten in der Regel an denselben Orten wohnten, und daß nur Vertreter gleicher oder verwandter Gewerbe, zusammentreten soll⸗ ken, sie habe die Anzahl der Mitglieder bestimmt und habe für die Befugniß zum Halten von Lehrlingen und zum selbständigen Gewerbebetrieb Prüfungen ein— geführt. Die Vorlage sehe von diesen Beschränkungen ab. Es sei auch charakteristisch, daß in derselben das Wort „Handwerk“ und „Handwerker“ nicht ein einziges Mal vor⸗ komme. Aber die Sache gewinne ein vollkommen anderes Gesicht, wenn in dieses von dem früheren fundamental abweichende System der Freiheit nun in der einen Ecke das Prinzip des Zwan— ges hineinkomme. Ueber die wirkliche Tragweite der Eingangs⸗ worte des 8§. 100 E. gingen die Ansichten weit auseinander. Der Abg. Stumm habe sogar gemeint, der Fall komme nur ganz vereinzelt vor. Könnte er (Redner) diese Ansicht theilen, bann könnte er sich wohl beruhigen, aber es würden auch die— jenigen Kreise, welche sich jetzt für das Zustandekommen des Ge— setzes interessirten, sich ganz unglaublich getäuscht haben. So schwer auch eine Definition des Zustandes zu geben sei, welchen man im Auge habe, wenn man einer Innung die in Rede stehenden Befugnisse verleihen wolle, so konne er doch daraus nicht folgern, daß man die Eriheilung dieser Befugnisse in die Willkür der Verwaltungsbehörden stelle, sondern umgekehrt solle man in einem solchen Falle von der ganzen Sache ab— stehen. Es sei gestern die Frage aufgeworfen worden, ob ein Holzarbeiter, der Gegenstände der Kunstindustrie fertige, nach der Vorlage in die Drechslerinnung aufgenommen werden könne? Ber Bundeskommissar habe die Frage verneint. Er zweifle, ob derselbe damit auf dem Boden der Vorlage stehe. Die Vorlage lasse es zu, daß sich eine Innung der vereinigten Holzarbeiter bilde. Daß aber zu den vereinigten Holzarbeitern demnächst auch der Kunstdrechsler gehöre, sei ihm zweifel— haft. Es heiße im Gesetz nur, die Innung solle einen Namen haben, der sich von dem anderer Innungen unterscheide, der⸗ selbe könne ganz allgemein sein. Wenn die Sache so stehe, so glaube er, daß die Ausdehnung der Befugnisse des §. 100 R. in Bezug auf den wirklichen Großbetrieb gar nicht verhindert werden könne. Daß ein Fabrikant von den Wirkungen des Gesetzes ausgeschlossen sei, sei nirgends festgesetzt. Für die eigentlichen Fabrikanten habe dies nicht viel auf sich, da sie meistens keine Lehrlinge hätten. Aber zwischen dem Hand⸗ werk und dem eigentlichen Großbetrieb lägen eine Anzahl Zwischenstusen, in denen Überwiegend Lehrverträge geschlossen würden, und die Betheiligten ständen hier vor der Alternative, entweder in die Innung einzutreten, was sie, wie er glaube, nicht blos aus Leichtfertig⸗ keit oder Hochmuth, sondern aus ganz gerechtfertigten materiellen Gründen ablehnen möchten oder ihre Lehrlinge in die Innung eintreten zu lassen. Das letztere würde gerade das Gegentheil sein von dem, was der Reichstag gewollt habe, als derselbe das Gesetz von 1878 über die Lehrlingsverhält⸗ nisse votirt habe. Dieses habe die entschiedene Tendenz in allen Betrieben gehabt, die nicht eigentlich Großbetriebe seien, die Lehrlingsverhältnisse aufrecht zu erhalten und unter einen geeigneten Schutz zu stellen. Wenn der Abg. Stumm

emeint habe, daß der Reichstag sich einer Inkonsegquenz chuldig machen würde, wenn derselbe den 8. 106 E. ablehne, nachdem derselbe den entsprechenden Satz der vorjährigen Anträge angenommen habe, differirten doch die da⸗ maligen und heutigen in sehr erheblicher Weise. Im 8. 97 sei ausgedrückt, daß die Innungen nicht auf den Drt beschränkt feien, sondern daß sie in Beziehung auf ihre unbeschränkt seien. Nun entstehe die Frage, wie geschehe es, wenn in einer kleineren Kreisstadt sich eine Innung bilde, welche ihrerseits das Bedürfniß empfinde, sich über das platte Land des Kreises auszudehnen? Er sei in Verlegenheit, diese Frage zu beantworten, möchte jedoch nach der Tendenz des Gesetzes annehmen, daß man nicht gerade

eng verfahren werde mit einer Handwerkerabstimmung auf

m platten Lande darüber, ob eine Neigung zum Anschlusse an die in der Kreisstadt befindliche Innung vorhanden sei. Er unterstelle, daß die Innungen, die sich in der Kreisstadt ge⸗ bildet hätten, den Bestimmungen des 8. 100. fut en ie stehe es nun aber mit den Landhandwerkern? Selbst in der alten Innungezeit seien diese frei vom Innungszwang. Diese Gewerbe nun bedürften durchaus der Lehrlinge, sie seien aber außerordentlich schwer in der Lage, an irgend einem Vor⸗ theile der Städte Theil zu nehmen. Sie könnten wegen der Entfernung kaum in die Innunsversammlungen klammen, ebensowenig könnten sie ihre Lehrlinge in die Fortbildungs⸗ schule schicken. Die Sache würde dann darauf hinauslaufen, daß diese Landhandwerker gezwungen würden, nachträglich die Meisterprüfung zu machen. Ob sie sie bestehen würden, 6 eine Frage für ih. Das Ende des Ganzen sei: große Be⸗ schränkungen für den Betrieb des Handwerks auf dem Lande ohne irgend einen entsprechenden Nutzen. Hätte sich die

orlage auf den Ort beschränkt, so ware ja diese ins überhaupt nicht zu diekutiren. Er könne hier⸗

i ein ländliches Gewerbe, das der Müllerei, nicht unerwähnt lassen. Eine große Anzahl von Gutshesitzern in den preußischen östlichen Provinzen trieben die Müllerei ge— werbsmäßig und selbständig. Sie würden, wenn sie nicht 2. beitreten würden, durch das Gesetz in die Nothwendig⸗ eit versetzt, ch prüfen zu lassen. Was die Frage der Ge⸗ e der Sache betreffe, so werde jede Innung ihr ganzes

estreben dahin richten, die eh gn e aus z 100 zu er⸗ halten. Sie werde sich daher Mühe geben, die Einrich⸗

tungen in Bezug auf Lehrlingsverhältnisse möglichst gut zu

treffen und werde sich dann an die Behörde wenden mit dem Antrage, ihr die Befugnisse zu ertheilen. Daß dadurch die Behörden zu viel behelligt würden, darauf komme es nicht an, aber werde es wirklich nützlich für die Verwaltung sein, wenn sie zu wählen hätten, entweder mit einer gewissen Milde in den Anforderungen diese Befugnisse zu ertheilen oder braven Leuten, die sich viel Mühe gegeben hätten, zu erfüllen, was nach ihrer Ansicht das Gesetz vor⸗ schreibe, die Befugnisse zu versagen, deren Ertheilung sie als ein Recht beanspruchen zu können glaubten? Es werde durch Annahme dieser Bestimmung ein Ferment in die Innungen hineingeworfen, welches nicht zum Nutzen des Gewerbes und Gemeinwohles gereichen dürfte, und deshalb bitte er, die Be⸗ stimmungen des 5§. 100E. abzulehnen. Der Abg. von Kleist-⸗Retzow konstatirte, daß der Haupt⸗ einwand des Vorredners der gewesen sei, daß eine scharfe Grenze zwischen Fabrikation und Handwerk sich nicht ziehen lasse, und daß man deshalb die für den Fabrikationsbetrieb völlig ungeeigneten Bestimmungen des vorliegenden Para— graphen nicht annehmen dürfe. Es sei dies ein Vorwand, der von dem Liberalismus sehr häufig benutzt werde, und in der deutschen Gesetzgebung schon die unheilvollsten Folgen ge— habt habe. Es liege in der Natur der Sache, daß die be⸗ stehenden Organismen des öffentlichen Lebens da, wo sie sich berührten, gewisse Grenzverschiebungen erlitten und in ein⸗ ander übergingen; solle aber das Gesetz deshalb diese beiden verschiedenen Organismen unizifiren und nach einer ein— heitlichen Schablone behandeln? Man habe dieselbe Argumentation früher bezüglich der Unterscheidung von Stadt und Land geltend gemacht, weil sich die Grenze zwischen städtischen und ländlichen Verhältnissen an gewissen Orten schwer ziehen lasse, und die unselige Folge sei gewesen, daß man ganz verschiedene Dinge nach derselben Schablone behan⸗ delt und dadurch die größten Mißstände herbeigeführt habe. Im Großen und Ganzen sei die Fabtikation vom Handwerk sehr wohl zu scheiden, und man brauche gerade hier die Be⸗ denken des Vorredners um so weniger zu berücksichtigen, als die Fabrikation meist gar keine Lehrlinge habe, sondern froh sei, wenn das Handwerk ihr tüchtige Kräfte ausbilde, und das Handwerk gar kein Interesse daran habe, die Fabrikation in das Innungsrecht hineinzuziehen. Derartige künstlich konstruirte Konflikte, die sich in der Praxis sehr leicht lösen ließen, dürfte das Haus nicht veranlassen, eine Bestimmung aus dem Gesetze zu entfernen, die dem letzteren seinen Hauptwerth gebe und es erst in vollem Umfange wirksam mache. In dem Kampfe gegen die gefährlichen Bestrebungen der Sozial⸗ demokratie sei es eine der schärfsten Waffen, wenn man die Bedürfnisse des kleinen Mittelstandes zu befriedigen wisse und dem Handwerk eine feste Stütze gebe; er bedauere deshalb, daß die Regierung in vielen Punkten ihrer Vorlage hinter den im vorigen Jahre aufgestellten Forderungen des Reichs—⸗ tages zurückgeblieben sei. Nur durch eine feste Organisation könne das Handwerk widerstandsfähig gemacht werden gegen die Konkurrenz, die es mehr und mehr zu vernichten drohe, eine solche Organisation aber lege naturgemäß den Betheiligten, nicht nur den Lehrlingen und Gesellen, sondern auch den Meistern selbst sehr erhebliche Beschränkungen auf, und des⸗ halb sei es nothwendig, daß das Gesetz den Innungen eine Stellung gebe, welche mit jenen Beschränkungen aussöhne und den Veitritt lieb und werth mache. Thue man dies nicht, so sei die unabweisliche Folge, daß man, um die im öffentlichen Interesse nothwendige Organisation aufrecht zu erhalten, schließlich doch fu obligatorischen Innungen über⸗ gehen müsse, welche die linke Seite dieses Nuses so ent⸗ schieden bekämpfe. Zur Entscheidung der Frage, welchen Innungen die im 5. 100 E. aufgesührten Rechte gewährt werden sollten, habe seine Partei vorgeschlagen, allge⸗ meine Normativbestimmungen zu erlassen, deren Erfüllung jede Innung berechtigen sollte, die Uebertragung jener Privilegien zu beanspruchen. Die. Negierung habe dies für unmöglich erklärt, weil die Qualifikation der Innung nur nach den lokalen Verhältnissen beurtheilt werden könne, und deshalb habe sie die Forderung des Gesetzes dahin formulirt, daß die Thätigkeit der Innung auf dem Gebiete des Lehrlingswesens sich bewährt haben müsse. Mit vollem Nechte werde hiergegen eingewendet, daß zur ciusch eng darüber, ob diese Thätigkeit sich bewährt habe, der Ablau vieler Jahre erforderlich fei, er glaube aber nun, daß gerade für eine erfolgreiche Wirksamkeit der Innung die Rechte, welche ihr nach §. 100 E. gegeben werden könnten, unentbehr⸗ lich seien, und somit komme man in einen vitiösen Zirkel, der dahin führe, daß die Absicht des Gesetzes gar nicht zur Verwirklichung gelangen könne. Um diesem Uebelstande abzu⸗ helfen, habe er sein Amendement gestellt, welches einer 1 die in Rede stehenden Rechte gewähre, sobald ie „nach Umfang, Organisation und Thätigkeit die Gewähr für die Erfüllung der in 85. 97 und 97a. gedachten Zwecke biete.“ Die Forderung des Gesetzes, daß einem Meister, wel⸗ cher sich der Innung entzidz die Annahme von Lehrlingen verboten werden lönne, sei durchaus berechtigt. Möge der⸗ selbe immerhin in technischer Beziehung ein tüchtiger Lehr⸗ meister fein, so dürfe man doch nicht vergessen, daß das Ver⸗ häliniß zwischen dem Lehrherrn und dem Lehrling auch ein sittliches sei, und daß ein Meister, der sich den Pflichten gegen sein Handwerk entziehe, in dieser Hinsicht nicht die wünschens⸗ werthẽn Garantien bieie. Ueberdies schädige ein solcher Meister zugleich seine Gesellen und Lehrlinge, indem derselbe lhnen das Recht der Benutzung des Schiedsgerichts und anderer nützlicher Institutionen der Innung vorenthalte. Wenn die linke Seite dieses Hauses diese Vefugnisse des 8. 100 E. als unzulässige Privilegien bezeichne, so geschsze dies nur, um die volle Üngebundenheit zu rechtfertigen, die die linke Seite selbst anstrebe. Eine Veschränkung sei en. das öffentliche Interesse geboten, und der kleine Nachtheil, welchen eine solche, bel jedem gemeinsamen Zusammenwirken nothwendige Beschränkung mit sich bringen werde ebenso wie in der Ehe bei weitem überwogen durch die damit

erzielten Vortheile. Nicht seine Partei, sondern die Liberalen . verlangten Prioilegien, indem sie jedem Meister das Recht geben wollten, nicht nur sich selbst, sondern auch seine

Gesellen und Lehrlinge den im öffentlichen Interesse für das Handwerk geschaffenen Institutionen zu entziehen.

Der Abg. Dr. Löwe (Bochum) erklärte, die konservativen Mitglieder behaupteten, daß sie obligatorische Innungen nicht wollken, dabei sei aber ihr ganzes Streben dahin gerichtet, den Innungen solche Vortheile und solche Herrschaft einzuräumen, daß schließlich doch jeder Meister zum Beitritt gezwungen sei. Die Vorzüge einer solchen Organisation verkenne er keines⸗ wegs, er glaube aher, daß die Tüchtigkeit derselben und die Erfolge ihrer Wirksamkeit allein genügen müßten, alle Ge⸗ werbetreibenden zur Theilnahme heranzuziehen. Wenn man die gewaltige Leistungsfähigkeit des freien Genossenschafts— wesens ins Auge fasse, solle man dann daran verzweifeln, daß es auch auf dem Gebiete der gewerblichen Organi⸗ sation gelingen werde, ohne Polizei und allein aus der freien Entschließung der Gewerbetreibenden selbst zu günsti⸗ gen Resultaten zu kommen? Er empfehle deshalb in erster Linie die Ablehnung des ganzen 5. 100 E. Sollte das Haus trotzdem die Bestimmung annehmen, daß dem Meister, welcher der Innung nicht beitrete, die Befugniß zum Halten von Lehrlingen entzogen werden könne, dann bitte er auch, den von ihm beantragten Zusatz anzunehmen, daß die In— nungsmeister selbst in Bezug auf die Zahl der Lehrlinge be— schränkt würden. In der Ausnutzung billiger Arbeitskräfte, wie sie die Lehrlinge böten, liege ein großer materieller Vor— theil; wenn man also auf der einen Seite durch den Aus— schluß der Meister, welche der Innung nicht angehörten, viele tüchtige Lehrherren der Ausbildung von Lehrlingen entzöge, müsse man andererseits auch dafür sorgen, daß nicht schlechte Innungsmeister die Kraft der Lehrlinge lediglich für den eige— nen Vortheil ausbeuteten und durch einseitige Beschäftigung ohne Rücksicht auf ihre allseitige technische Ausbildung sie zu einem bloßen mechanischen Werkzeug herabdrückten.

Der Abg. Dr. Reichensperger (Olpe) erkärte, die Auf⸗ fassung, daß die Handwerker einer Erweiterung der Befugnisse der Innungen unsympathisch gegenüberständen, wie von der linken Seite immer hervorgehoben werde, sei durchaus irrig. Im Gegentheil nähere man sich jetzt sogar mehr und mehr dem Gedanken der Zwangsinnungen. Eine Stärkung des Innungswesens lasse sich noch dadurch erreichen, daß die In— nungen in die Stadtverwaltung hineingezogen würden, wozu die Städteordnung die Hand biete. Die Blüthe des Hand⸗ werks in früherer Zeit habe gerade darauf beruht, daß die Innungen an das Stadtregiment gelangten. Mit der Blüthe der Innungen sei der Wohlstand und die Macht der Städte selber Hand in Hand gegangen. Auch heute müsse es sich demnach darum handeln, die Innungen rationell zu organisiren.

Der Abg. von Kardorff konnte in der Empfehlung dieses Paragraphen nicht so weit gehen, wie sein Freund Stumm. Er sei der Ansicht, daß schon die in den Nummern 1 und 2 enthaltenen Befugnisse ein genügendes Kompelle zum Eintritt in die Innung enthielten. Dagegen würde er der Bestim⸗ mung, betreffend das Lehrlingswesen, denn doch obligatorische Innungen vorziehen. Bei dem größten Wohlwollen der Ver⸗ waltung könnten doch in dieser Beziehung Fehlgriffe vor⸗ kommen, die oft zu großen Aergernissen Anlaß geben und der Stärkung des korporativen Geistes schwer schädigend im Wege stehen würden. Er bitte, den Antrag Kleist, sowie die Nr. 3 abzulehnen.

Der Abg. Dr. Baumbach bemerkte, auch er hoffe, daß es gelingen werde, die Nr. 3 zu streichen, um so mehr, als die⸗ selbe in der Kommission mit nur einer Stimme Majorität angenommen sei. Er beantrage deshalb, über die 3 Ziffern getrennt abzustimmen. Der Abg. Stumm habe die Sache so dargestellt, als ob sie gar nicht die Bedeutung habe, welche man ihr vindizire. Er glaube aber, daß gerade Ziffer 3 den Zwang in einer Weise sanktionire, daß damit die „Zwangs⸗ innung sans phrase“ etablirt sei. Bei allem Vertrauen, das er für seine Person den Verwaltungsbehörden entgegenbringe, meine er doch, daß dieselben durch diese Bestimmung sehr oft in eine sehr prekäre Lage kommen würden. Einen Vorge⸗ schmack von dem, wie dieser Zwangs⸗Paragraph in Handwerker⸗ kreisen wirken werde, zeige das neuerliche Vorgehen der hie⸗ sigen Bäckerinnung. Nun sollte man meinen, daß eine solche Innung doch wenigstens Vorzügliches auf gewerblichem Ge⸗ biete leiste. Auch das scheine indessen nicht der Fall zu sein; denn nach dem Etat der genannten Innung werde der größte Theil der im Ganzen 97560 S0 betragenden Einnahmen durch Gehälter und Repräsentationskosten verschlungen, während für gewerbliche Zwecke nur minimale Aufwendungen gemacht seien. Die Blüthe der Gewerbe hänge auch keineswegs von der Schaffung korporativer Innungen ab. Das heweise die letzte Berliner Gewerbeausstellung. Die Holzindustrie habe 77 Aus⸗ steller gezählt, wovon nur 21 Innungsgenossen gewesen seien. Die Thonindustrie habe unter ihren 43 Ausstellern nur einen einzigen Innungsgenossen gehabt. Kurz⸗ und Galanteriewaaren hätten I47 ausgestelli, darunter 39 Innungsgenossen. Im Ganzen habe sich das Verhältniß der ausstellenden Innungsmitglieder zu der Gesammtzahl der Aussteller wie 4 zu 31 gestellt. Dennoch habe diese Ausstellung glänzende Resultate aufgewiesen. Auch die Berliner Lehrlingsausstellung habe gezeigt, daß in hiesigen gewerblichen Kreisen Vorzüaliches geleistet werde, was elbst von der „Norddeutschen Allg. Jeitung“ konstatirt sei. Der „Reichsbote“ hätte allerdings nicht umhin gekonnt, in der Lehrlingsausstellung ein Werk des Manchesterthums der Berliner Stadtverwaltun zu erblicken, das zu dem Zweck ins Leben igen sei, um gegen diese Vorlage Stimmung zu machen. In Wahrheit habe jene Ausstellung einer Anregung des Handelsz⸗ Ministers ihre Entstehung verdankt, der auch zu derselben einen Juschuß von 300 6 gezahlt habe, während der Zu⸗ schuß der Stadt sich auf 4500 6 belaufen habe. Die In⸗ nungen hätten allerdings für die Ausstellung leinen rothen Heller gehabt. Man meine, die Lehrlingsausstellung habe gezeigt, daß die Lehrlinge nicht mehr in dem ganzen Umfange bes Gewerbes unterwiesen würden. Dag sei aber auf die Ar⸗ beitetheilung zurückzuführen, die 1 als ein volkswirthschaft⸗ liches Gesetz darstelle und durch Gesetzesparagraphen nicht be⸗ seitigt werden könne. Was die Petitionen betreffe, die zu Gunsten dieses Gesetzes eingegangen seien, so müsse er gestehen, daß er auf