1881 / 122 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 27 May 1881 18:00:01 GMT) scan diff

wie denn im Allgemeinen darauf Rücksicht zu nehmen wäre,

daß die hier während des größten Theils des Jahres präpa⸗

lirende Feuchtigkeit auf viele Artikel schnell verderbend ein⸗ wirkt. Ebenso löst sich Leim und Gummi leicht, während die andauernde Wärme Siegellack oder ähnlichen Harz⸗ und

Wachsverschluß leicht zum Schmelzen bringt und dadurch nur

zu oft die ganze Aufmachung der Waare beeinträchtigt.

Während bei theueren Artikeln eine kleine Raumverschwendung

in Folge reichlicheren Packmaterials im Interesse des größeren

Schutzes gegen Bruch vorzuziehen ist, sind in allen Fällen, wo

es thunlich, die Waaren möglichst eng und mit größter Raum⸗

ersparniß zu verpacken, um das Volumen und damit die

Frachtauslagen möglichst zu vermindern.

Es verdient ferner erwähnt zu werden, daß Kisten mit starken Holzleisten an der Außenwand bei dem Seetransport möglichst zu vermeiden sind, da bei Berechnung der Fracht (mit Ausnahme von Schwergütern) das Volumen der Kiste über die Leisten gemessen wird. Auch sollten die Kistenbretter eng aneinander schließen, keine Astlöcher aufweisen und die Eisenreifen mit ihren Enden gut übereinander befestigt sein, da diese Vorsicht hesser vor Diebstählen schützt und eine Be⸗ 4 bei der Besichtigung der Kiste leichter wahrnehmbar macht.

Während Rheinweine stets wohl verpackt und frei von Bruch anzukommen pflegen, kann man nicht das Gleiche von natürlichem Selterswasser sagen. Bei einer Bestellung, welche ich vor einigen Jahren durch eine Wiesbadener Firma bei der Königlichen Brunnenkommission in Selters machen ließ, kostete die Verpackung (Kisten) mehr als die Waare und trotzdem fanden sich unter 200 Flaschen bei der Ankunft in Cairo etwas über 80 zerbrochen. Verpackung in Körben wäre billiger, außerdem sind Strohhülsen losem Stroh vorzuziehen, da das letztere auf der Reise leicht fault und die losen Flaschen dann gegeneinanderstoßen und leicht zerbrechen.

Bei einer im vorigen Monate per Dampfer „Lydia“ hier eingetroffenen Sendung Möbel aus Berlin war ein Spiegel, obwohl er angeschraubt und sonst ordnungsmäßig verpackt war, dadurch in Bruch gerathen, daß der Lieferant in die Spiegelkiste Bücher gepackt hatte, die durch irgend eine Ur— sache sich losgemacht und die Spiegelscheibe eingedrückt hatten.

An einem Speisetisch hatte man übersehen die Messing⸗ rollen an den Füßen abzunehmen. Zu schwach, um den Druck zu tragen, brechen sie ab, der Tisch wurde dadurch lose und durch das Hin⸗ und Herschieben in der Kiste die Politur beschädigt. An einem Waschtische endlich war mit der Marmorplatte gleichzeitig die aus demselben Steine ver— fertigten auf der Platte angekitteten Aufsatzwände mit in die— selbe Kiste verpackt worden und in Folge dessen zerbrochen angekommen. Wären die Letzteren, von der Platte losgelöst, . verpackt worden, hätte der Bruch vermieden werden önnen.

Bei einem in Bremen verschifften Service aus Milchglas (Bowle mit 12 Gläsern) traf bei der Ankunst in Hongkong der große Unterteller zerbrochen ein. Der als Ersatz später unter Garantie gegen Bruch durch den Fabrikanten versandte Teller kam trotz der soliden Kiste ebenfalls wieder in zer— brochenem Zustande an.

Es ist schließlich bei Verpackungen noch des Umstandes Erwähnung zu thun, daß Fabrikanten häufig Preislisten in die Kisten legen oder Preise an die Waaren befestigen. Direkte Verbindungen können durch solche eingelegte Preis⸗ listen hier nicht herbeigeführt werden, da das Geschäft mit Chinesen immer einer Vermittlung bedarf, dagegen veranlaßt die Angabe der Fabrikpreise, oft noch unter Zufügung der bewilligten Skontis, die Chinesen, ihre Gebote ohne Rücksicht auf Fracht, Spesen und Kommission nach Maßgabe dieser Preisangaben, mithin auf einen Betrag zu reduziren, der den Originalpreis der Fabrik in Deutschland kaum übersteigt und der selten später einer Steigerung fähig ist. Daß die auf diesem Wege dem Abnehmer direkt mitgetheilten Fabrikpreise den Kommissionär überdies dem Ersteren gegenüber leicht in ein falsches Licht be,. können, ist einleuchtend. Die fach⸗ männische schöne uud gleichmäßige Aufmachung der Waare hat speziell in China großen Einfluß auf den Preis und den leichteren Absatz einer Waare.

Während es dem Geschmack des Fabrikanten überlassen werden kann, durch hübsche Vignetten, Bilder, Pappschachteln, Goldstreifen, Buntpapier, farbige Bindsäden 2c. das Aussehen des Artikels zu heben, ist andererseits darauf zu achten, bei Massenartikeln eine von den Chinesen verständliche Marke zu wählen und diese bei allen Waaren gleicher Gattung beizu⸗ behalten. ;

Die Chinesen gewöhnen sich leicht und schnell an solche Marken; nach dem Charakteristischen ihrer Aufzeichnung nennen sie sie Eagle, horseshoe Sun, tiger ete. chops oder Brands, legen diese Benennung in der Regel auch dem Artikel selbst bei und setzen durch die gleiche Marke unbedingtes Vertrauen in die gleiche Qualität der Waare. Da einzelne Artikel bei der außerordentlich zahlreichen Bevölkerung, mit gleichen Bedürsnissen und gleichem Geschmack, häufig einen raschen und sehr bedeutenden Absatz finden, empfiehlt es sich, solche Marken gehörigen Orts registriren zu lassen, um gegen Betrug durch Imitation geschützt zu sein. Gleichmäßig⸗ keit der Lieferungen in Qualität und Quantitat ist von eminenter Bedeutung. Daß ein Abfall in der einen oder anderen früher oder später in der Regel sehr bald bemerlt und die betreffende Marke alsdann nur als War⸗ nungstafel für die Käufer dient, ist selbstverständlich. Daß solche Fälle auch bei unseren Fabrikanten vorkommen, ist oben bereits erwähnt worden; wenn Vorkommnisse der Art auch nicht die ganze deutsche Industrie verdächtigen, die Folge haben sie jedenfalls, daß in dem betreffenden Artikel die deutsche Industrie für lange Zeit von dem Markte ausge⸗ schlossen ist. Dem Chinesen gegenüber, welcher, soweit es sich nicht um längst eingeführte und als zuverlässig bekannte Marken handelt, jedes Nadelpaquet, wo möglich selbst die ündhölzerschachtel, nachzählt, überhaupt mit ängstlicher

enauigkeit Wagren übernimmt, kann nicht genug empfohlen werden, sich bei . sowohl was Qualität als Quantität betrifft, strenge an die 1 Muster und beziehungsweise die früher gelieferte Waare zu halten und selbstverständlich fakturengemäß zu liefern.

. —— die an, n. der Lieferzeit bildet bei deutschen Exporten den (Mgenstand wiederholter Klagen. Handelt es sich um eine kontraktlich stipulirte Lieferzeit, so wird bei veränderbarer Marktlage der chinesische Empfänger die Waare, wenn sie auch nur einen Tag später eintrifft, unbarmherzig verweigern oder doch nur gegen unverhältniß⸗

ihrer Natur nach, wie Weihnachts- und Neujahrsgeschenke zu

einer bestimmten Saison beziehungsweise vor einem bestimmten

Tage einzutreffen haben, wegen Unkenntniß der Versendungs⸗

route oder der Dauer des Transports sehr häufig auch, um

etwas Fracht dem Empfänger zu ersparen, verspätet an⸗— kommen.

Derartige Mängel in der Ausführung geschäftlicher Auf— träge sind um so mehr zu rügen, als bei jedem Exporteur Kenntniß der muthmaßlichen Zeitdauer des Transports über⸗ seeischer Güter erwartet und ebenso als bekannt bei ihm vor— ausgesetzt werden darf, daß dergleiche Artikel nur bei recht⸗ zeitiger Lieferung verkäuflich sind und ein Aufbewahren bis zur nächsten Saison in Folge des feuchten Klimas uninöglich, jedenfalls außerordentlich verlustbringend ist.

Eine Firma in Hongkong hatte in Deutschland (Cöln a. Rh.) Chocoladen⸗ Bonbons für Weihnachten bestellt. Durch Versendung der Waaren per Hamburger Dampfer statt der französischen oder englischen Mail trafen dieselben nach Weih⸗ nachten und resp. in der ersten Hälfte des Monats Januar ein.

Daß manche Artikel in Europa während des Winters nicht verfrachtet werden sollten, weil sie durch Kälte leiden (z. B. Gefrieren des Biers, Weins ꝛc.), darf als bekannt vor⸗ ausgesetzt werden, dagegen dürfte es von Interesse sein, da— rauf aufmerksam zu machen, daß die feuchte Witterung hier Ende März beginnt und bis Oktober anhält, zu welcher Zeit alsdann der trockene Winter mit dem NO. Monsoon einsetzt.

Für gewisse durch Zutritt der Feuchtigkeit leicht verderb— lich Waaren (Tabake, Leder, Stiefel, Modewaaren 2c.) sollten deshalb Verschiffungen erst im August und September vorgenommen werden.

Bei der Billigkeit des Portosatzes für Drucksachen wäre es sicher angezeigt, wenn die deutschen Fabrikanten öfter und in größerer Anzahl Kataloge und Preislisten ühber— enden würden; durch ein einziges auf diesem Wege erzieltes Geschäst würden diese verhältnißmäßig kleinen Mühen und Auslagen xeichlich ersetzt.

Bei Katalogen und Preislisten wäre ferner die Auf— merksamkeit der Fabrikanten auf korrekte und ver ständliche Uebersetzungen in die englische Spxache zu richten.

Fehlerhafte Uebersetzungen geben nicht nur Anlaß zu Mißverständnissen, arbeiten also dem beabsichtigten Zwecke direkt entgegen, sie geben auch auf den Empfänger einen sehr ungünstigen Eindruck über den Umfang der Geschäfts⸗ beziehungen des Exporteurs mit dem Auslande, oder geben gar Anlaß, sich über die fehlerhafte Sprachkenntniß des Be— treffenden lustig zu machen.

Da es nicht immer gelingt, auf Zeichnungen und Preis⸗ courante allein Bestellungen zu erzielen, Fabrikanten deshalb öfters um Mustersendungen gebeten werden, so möge be⸗ treffs dieser Letzteren noch bemerkt werden, daß es sich empfeh⸗ len dürfte, nicht so sehr auf eine große Anzahl verschiedener ein—⸗ zelner Muster, als darauf zu sehen, die Muster in solcher Quantität (Dutzend, Groß, Kiste 2c. je nach Aufmachung und Form, in welcher der Artikel auf den Markt kommt) zusammenzustellen, daß die einzelnen Mustersorten einen Werth repräsentiren und verkäuflich bleiben.

Eine große Anzahl verschiedener einzelner Muster ist meist ganz werthlos, während eine kleine Kollektion in ent⸗ sprechender Packung, Anzahl und Aufmachung fertiggestellt und mit Bemerkungen über Preise und Aussehen der anderen vorräthigen, nicht durch Muster vertretenen Sorten, sich meist nicht allein zum Verkaufe eignet, sondern dem hiesigen Kauf— mann auch erlaubt, den Artikel richtiger zu beurtheilen und mit Rücksicht auf Fracht und Spesen besser zu kalkuliren. Der Gebrauch imitirter englischer, französischer oder ame—

rikanischer Etiquetten, um deutsche Fabrikate als fremde Waaren einzuführen, hat alücklicherweise bereits nachgelassen. In Toilettartikeln, speziell Floride⸗Wasser besteht dieser Miß—⸗ brauch jedoch auch heute noch. Die meisten der hier und in Hongkong etablirten deut⸗ schen Firmen sind gleichzeitig in Deutschland oder England durch eigene Häuser beziehungsweise Agenten vertreten. Diesen Häusern und Agenturen, deren Chefs zum größeren Theil Theilhaber diesseitiger Firmen gewesen oder noch sind, steht eine gründliche Kenntniß des chinesischen Geschästs zur Seite, die sie theilweise durch jahrelangen Aufenthalt in China und daneben durch langjährige Geschäftsbeziehungen mit ihren diesseitigen eigenen oder Korrespondenzhäusern in China er⸗ worben haben.

Gestützt auf das in allen geschäftlichen Anfragen der heimischen Kaufleute und Fabrikanten sich manifestirende Be⸗ dürsniß, deutsche Firmen, welche sich mit dem Importe heimi⸗ scher Waaren in China befassen kennen, zu lernen und von der Erfahrung ausgehend, daß der überwiegende Theil der gerügten Mängel unseres Exporthandels in einer ungenügen⸗ den Kenntniß der Verhältnisse Chinas, der Bedingungen und Anforderungen, die an das Exportgeschäft gestellt werden, be⸗ ruhen, ein Fehler, der sich in kürzerer und gründlicherer Weise durch direktes Einvernehmen mit den in Deutschland etablirten Agenten und beziehungsweise Partnern der diesseitigen Firmen vermeiden läßt, glaube ich dem hier verfolgten Zwecke förder⸗ lich zu sein, wenn ich zum Schlusse die hier und in Hongkong etablirten deutschen Firmen, welche sich mit dem Importe heimischer Erzeugnisse befassen, ebenso wie ihre heimischen Agenten und beziehungsweise die Personen, an welche sich der deutsche Exporteur wenden kann, namentlich aufführe.

In alphabetischer Ordnung sind es folgende:

Arnhold, Karberg C Co., Canton, Hongkong, Shanghai.

Agenten in n Fertsch und Laeisg.

Partner in London: Jacob Arnhold, 9 Firma A. Runge u. Co., 4 East India Avenue E. C. Leader- hall street.

Carlowitz u. Co. Canton, Hongkong, Shanghai.

Agenten in Hamburg: Krdnte 5 96 *.

Partner in London: W. Rost, Firma Lienhardt u. Hoerder, 22 Great St. Helens E. C.

Deetjen u. Co. Hongkong.

. A. Bock, Agent.

remen: Ed. Deetjen, Partner der Firma.

Großmann u. Co. Hongkong.

Partner in —— G. A. Großmann.

Hesse u. Co. Hongkong.

Agent in Hamburg: * M. Wolf, Rathhausmarkt 9, Theilhaber: C. R. Hirst.

London. Agent: W. Schütte.

Lembke u. Co. Hongkong.

di ic lien geln fin in Hamburg:

J. Lembke u. Co., vertreten durch Paul Ehlers.

naß hohe Abzüge sie annehmen. s kommt ferner nicht selten vor, daß Waaren, welche

Bremen. Theilhaber Herrmann Melchers. London. John Batt u. Ed., Agenten. Meyer u. Co. Hongkong. de en, Vertreter: H. E. Eduard Meyer, 2. Brands. iete 60.

Der Chef der Hongkong Firma A. E. Meyer he— giebt sich dieses Frühjahr nach Deutschland und hat sich bereit erklärt, deutschen Fabrikanten während seines Aufenthalts in Europa jede gewünschte Aus— kunft über den Absatz ihrer Fabrikate in Ching zu ertheilen. Briefe würden ihn unter Adresse Ohlen—

doorff u. Co.,, Hamburg, erreichen. Pustau u. Co. Canton und Hongkong.

Hamburg. Agent: Gebrüder Cordes. Sander u. Co. Hongkong. Hamburg. F. Sander, Ferdinandstraße 55. . Prokurist: Th. v. der Heyd. Schellhaß u. Co. Hongkeng und Shanghai. Hamburg. Zweigniederlassung: Ed. Schellhaß u. Co. Siemssen u. Co. Canton, Hongkong, Shanghai. Hamburg. Zweigniederlassung: Siemssen u. Co. London. Agent: Ludwig Wiese, 9 Minring Lane. Vogel u. Co. Canton, Hongkong, Shanghai. Hamburg. G. Richter, Agent. London. Theod. Schneider, Theilhaber der Firma. Wieler u. Co. Hongkong. Hamburg. Agenten; J. Bohrstedt u. Co. Theil haber Oscar Wieler, unter Adresse obiger Firma. Von Firmen, welche in Europa eigene Vertretungen nicht besitzen, sind noch zu erwähnen: Heuernann, Herbst u. Co. in Hongkong. Offenes Ge— . . 9. K und ö. . Viktualien. use u. Co. in Hongkong. ffenes Geschäft. Juwelen, Porzellan, Tabak, Weine ꝛe. . Gaupp u. Co. in Hongkong. Juwelen- und Uhrengeschäft. Raedecker u. Co. Hongkong. Import und Export. G. Raynal. Kommissionsgeschäft. Hongkong. G. A. Raven. Kommissionsgeschäft. Canton. Agent für Krupp in Essen. (Schluß folgt.)

Zum Besuch der Allgemeinen deutschen Patent- und

Musterschutz⸗Ausstellung in Frankfurt a. M. haben nun sämmtliche in Frankfurt mündende Bahnen und zwar sämmtliche dreußische, badische. bayerische Staatsbahnen sowie die Hessische Ludwigsbahn Ermäßigung für Einzelreisende, für Vereine, Ärbeiter, Schulen u. s. w. eingeführt. —die Sommer-Ausstellung der Gartenbau⸗Gesellschaft beginnt am 15. Juni und dauert bis zum 15. Juli. An Belohnungen und Aneiferungen für die Aus— steller wird es nicht fehlen. Außer den pogrammmäßig vorgesehenen Preisen stehen den Preisrichtern noch Staats-, Ehren- und Privat— preise zur Verfügung. Stuttgart, 25. Mai. Heute wurde die permanente Aus— stellung des Württemhergischen Kunstgewerbevereins im Königsbau eröffnet. Die anerkennenswerthe Liberalität des Münchener Nationalmuseums und des Gewerbemuseums in Kaiserslautern sowie die rege und opferwillige Theilnahme vie— ler Privaten ermöglichte es, in den beiden Spezialitäten, auf welche zunächst die „Permanente“ sich beschränkt, namlich in der Keramik und Schmiedekunst, ein anschauliches Bild von den früheren und heutigen Kunstleistungen ins Leben zu rufen. Manche der Gegen— stände sind keine bestechenden Glanzstücke, und legen doch bei näherer (e,. Feinheiten in der Erfindung und Ausarbeitung dar, welche eute noch unerreichbar dasteht. Interessiren wird vor Allem die eiserne Hand von Götz von Berlichingen und eine Wügelthüre der St. Michaeliskirche in Hall, ein Meisterstück alter Schlosserei. Ihnen reihen sich als Repraͤsentanten der letzten Branche aus der Neuzeit die feinen kunstsinnigen Arbeiten von E. Puls in Berlin und C. Moradelli in München würdig an. Die Gegenstände zeigen eine so liebevolle Behandlung des Materials, als beständen sie aus Edelmetall. Selten wird man ferner eine solche Vereinigung von Kabinetsstücken finden wie die hier ausgestellten Sammlungen des Hrn. Professor Dr. Seyffer (gra⸗ virte, geätzte und geyunzte Schmiede⸗ und Schlosserarbeiten, Krugsammlung von seltener Reichhaltigkeit und Konditor Murschel (Fayencen, Majoliken, deutsche und orientalische Porzellan) sowie zweier Ulmer, der Herren Häußler und Hauptmann Geiger GBeschläge, Schlüssel) darstellen. Um das mühsame Arrangement hat sich Hr. Ober⸗Baurath Dr. ven Leins verdient ge— macht. Gewiß wird die Ausstellung nicht bloß den Fachmann, sondern auch den Laien, nachdem er den Stand der einschlägigen Gewerbe bei uns in der Landesgewerbeausstellung kennen gelernt hat, erfreuen und zu lehrreichen Vergleichen anregen. Der erste Versuch ist überraschend gelungen und verspricht für das weitere Gedeihen und Emporblühen der jungen Schöpfung das Beste.

London, 25. Mai. (W. T. B.) Vom Ontario wird ge—

meldet, daß der Dampfer ‚Victoria“, auf welchem gestern gegen 60 Personen einen Ausflug unternommen hatten, auf der Rückfahrt gescheitert ist, und daß dabei gegen 175 Personen im Wasser ihren Tod gefunden haben. 62 25. Mai. (W. T. B.) Das Scheitern des Dampfers Vieteria- fand eine Meile von London in Ontario (Ober⸗Kanada) statt. Der Dampfer war auf der Rückfahrt von einem Ausfluge nach einem vier Meilen entfernt gelegenen Vergnügungsorte begriffen. 26. Mai. (W. T. B) ö. Meldungen aus London am Ontario waren bis gestern Abend 10] Uhr die Leichen von 235 Personen, die durch den Untergang des Dampf ers „Victoria“ ihren Tod gefunden haben, ans Land gebracht; die Zahl der bei der Katastrophe ums Leben Gekommenen stellt sich voraussichtlich noch höher. In der Stadt ist allgemeine Trauer; alle Geschäftlokale sind geschlossen.

Der IV. Cyclus der Aufführungen des Festspiels Der Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner im Vietoria⸗Theater hat am Mittwoch mit dem Vorabend Das Rheingold“ begon⸗ nen und wurde gestern mit der Walküre fortgesetzt. Das Inter⸗ esse des Publikums an dem Werke ist eher gewachsen, als es im Ge⸗ ringsten nachgelassen hätte. Das große Haus war an beiden Abenden ausverkauft; gestern bei der Aufführung der Walküre“ war der An⸗ drang an der Kasse sogar ein solcher, daß bei Weitem nicht Alle Einlaß erhalten konnten und sogar die Gänge des Theaters bestanden waren. Der Dichterkomponist, welcher, wie versprochen, den Aufführungen dieses letzten Cyklus' beiwohnt, war an beiden Abenden Gegenstand enthusiastischster Ovationen, welche sich bis auf die Straße fort⸗ setzten, und fast ebenso überreichlich wurden die Mitwirkenden, dat Kuͤnstlerpaar Vogl; die Herren Skaria, Schelper, Liebau mit Beifall ausgezeichnet. Morgen, Sonnabend, folgt der 3. Abend: Sieng⸗ fried, und am Sonntag der letzte: die ‚Götterdmmerung.

Redacteur: Riedel.

Berlin: . Verlag der Exxedition (Kessel)h. Druck: W. Elgner.

Melchers u. Co. Canton, Hongkong, Shanghai. Hamburg. Agent: Emil Friedrich Meyer u. Co.

Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

M H22.

Er ste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Freitag, den . Mai

Aichtamtliches.

Preußen. Berlin, 27. Mai. In der vorgestrigen (49.) Sitzung des Reichstags trat das Haus in die Be⸗ rathung des Antrages des Abg. Freiherrn von Varnbüler und Genossen ein, betreffend die Revision des Gesetzes vom 6. Juni 1870 über den Unterstützungswohnsitz. Der Antrag lautet:

Der Reichstag wolle beschließen:

den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, das Gesetz vom 6. Juni 1870 über den Unterstützungswohnsitz einer Revision zu unterziehen und dabei nachstehende Gesichtsspunkte in Erwägung zu ziehen:

1) Der Besitz des Heimathrechts begründet die Verpflichtung des Heimathortes zur Armenunterstützung des Heimathberechtigten.

I) In Ermangelung eines Heimathrechts trifft diese Ver⸗

pflichtung, den, nach Maßgabe des Gesetzes vom 6. Juni 1880 zu ermittelnden Ortsarmenverband. .

ö Hat der Unterstützungsbedürftige weder Heimathrecht noch Unterstützungswohnsitz, dann tritt als unterstützungspflichtig der J ein nach Maßgabe des Gesetzes vom 6. Juni 1870.

4 Der einmal begründete Besitz eines Heimathrechts geht nur verloren: . ;

a. durch Erwerbung eines anderen mittelst Aufnahme,

b. bei Frauen durch Verehelichung,

. durch Auswanderung, .

Dem Heimathrechte steht in dieser Beziehung gleich der Unter— ützungswohnsitz. J d , Veutsche kann unter den durch Reichsgesetz festzu⸗ stellenden Bedingungen die Aufnahme in das Heimathrecht seines Aufenthalsortes verlangen.

6) Unter denselben Voraussetzungen kann der. Heimathort (Unterstützungswohnsitzort) die Aufnahme eines in einem anderen Orte wohnhaften Heimathangehörigen verlangen,

7) Der Unterstützungspflichtige hat das Recht, dem Unter stützungsbedürftigen die Unterstützung auch außerhalb der Heimath (des ÜUnterstützungswohnsitzes) des Letzten zu gewähren. ;

s) Die Art der Armenpflege, der Bildung von Armenverbänden, die Regelung ihrer Verpflichtungen, die Art der Aufbringung und Vertheilung der Armenkosten unter den verschiedenen Ver bänden erfolgt durch Landesgesetzgebung.

Hierzu lagen folgende Anträge vor; 1) vom Abg. Graf Udo zu Stolberg (Rastenburg) wird eine Revision beantrngt in dem Sinne, daß der Unterstützungswohnsitz bereits. nach dem zurück⸗ gelegten 21. Lebensjahre durch einjährigen Aufenthalt erworben und durch zweijährige Abwesenheit verloren wird; 2) vom Abg. Gerwig in den Sinne, daß der Unterstützungswohnsitz durch dreijährigen Aufenthalt erworben, durch fünfjährige Abwesen⸗ heit verloren wird: 3) vom Abg. Streit, daß bei einem be⸗ stimmten Lebensalter (60 Jahre etwa) ein neuer Unter⸗ i men nicht mehr erworben, der alte nicht mehr verloren werden kann; die Frist der Ao⸗ wesenheit, welche den Verlust zur Folge hat, soll auf 6 Jahre ausgedehnt werden; H vom Abg. Kiefer: an den Reichskanzler unter Ueberweisung der vor⸗ liegenden Anträge auf Abänderung des Gesetzes vom 6. Juni 1870 über den Ünterstützungswohnsitz zur Kenntnißnahme das Ersuchen zu richten, er wolle zum statistischen Nachweis der Wirkungen dieses Gesetzes für die Vertheilung der Ar⸗ menlast unter den verpflichteten Verbänden, sowie zur Fest⸗ stellung des Einflusses desselben auf die sittlichen Zustände der bezüglichen Bevölkerungstheile, für die ganze Geltungsdauer des Gefetzes eine Erhebung veranstalten und über das Er— gebniß seiner Zeit dem Reichstage Kenntniß geben; endlich 5) vom Abg. Frhr. von Schorlemer⸗Alst: die vorliegenden Anträge auf Abänderung des Gesetzes vom 6. Juni 1870 dem Reichskanzler zur Erwägung zu überweisen, mit dem Ersuchen, über das Ergebniß derselben s. Z. dem Reichstag Kenntniß zu geben. .

Der Abg. Frhr. von Varnbüler bemerkte, er sei sich der Schwierigkeiten der Armenfrage, deren Lösung nicht mehr aufgeschoben werden könne, wohlbewußt und schon zufrieden, wenn sein Antrag mit den Gegenanträgen der Reichsregierung als Material sür' eine künftige Gesetzgebung überwiesen werde. Seine Vorschläge hätten mit der Freizügigkeit gar nichts zu thun, sollten auch nicht die Ehebeschränkung wieder einführen. Die Gesetze von 1870 und 1872, welche die Armenpflege regel⸗ ten, seien ein Ausfluß der Reichsversassung, welche jedem Deutschen das Indigenat in jedem deutschen Lande gebe. Nach dem Vorschlage des Präsidiunis des Norddeutschen Bundes sollte in den Ländern des Heimathsrechts der 8 nach dem Prinzip des Heimathsrechts, der Nichtein eimische nach den Grundsätzen des Unter ützungswohnsitzes beurtheilt werden. Dieser Vorschlag involvire einen unheilsamen Dualismus, eine Verletzung der Freizügigkeit und der Neichstag habe wohl daran gethan, denselben abzulehnen. Das alte Heimathsrecht, welches mit dem neuen nicht zu verwechseln sei, mache die Erlaubniß zur Verehelichung vom Bürgerrecht abhängig, es habe sich daran die m . * Betriebe aller zünftigen Bewerbe geknüpft, das Ausenthaltsrecht, welches man nur in

einer Gemeinde gehabt habe, das politische, das gemeinde⸗ ürgerliche Wahlrecht. Das jebige Heimathsrecht unterscheide sich von dem Unter lützungswoͤhnsitz nur durch die Stabilität, der letztere enthalte etwas absolut Vorübergehendes, man verliere denselben nach einer gegebenen Zeit und schwimme dann ganz frei als Landarmer im Staat ather. Er (Redner) stehe auf Seiten des Heimathsrechts; denn der Unterstützungswohnsitz habe eine ungerechte Vertheilung der AÄrmenlasten zur Folge, führe zum Kriege aller Gemeinden gegen alle, korrumpire das Heimathsgefühl und vermehre die Zahl der Landarmen. Diese Uebelstände beseitige sein Antrag, indem derselbe die Landarmenverhaände, aber auch die kleinen Gemeinden 3 und die Gemeindestiftungen den Gemeinden wirklich erhalte, statt sie Fremden zuzuwenden. Der Fall der Rückverweisung in eine andere Gemeinde werhe aller⸗ dings häufiger werden, sehr ost sei es aber auch das Richtige. Das bisherige Gesetz sei zu unklar und schwer verständlich für den „ie, fen, es leide auch an dem Fehler, daß mit dem Verlust der Ortsangehörigkeit und des Unterstützungs⸗ anspruchs nicht gleichzeitig ein anderer Unterstützungs⸗ wohnsitßz entstehe, so daß der Arme Jahre lang nicht wisse, wohin derselbe gehöre und dadurch

weiterer Mangel sei, daß der Unterstützungswohnsitz mit dem Staatsbürgerrecht nicht zusammenhänge und die pro⸗ phylaktische Armenpflege absolut ausschließe. Da der Arbeiter mit dem 24. Monate etablirt sei, so suche man denselben im 23. los zu werden und ihm den Aufenthalt zu verleiden, da— mit derselbe im Falle der Verarmung der Gemeinde nicht zur Last falle. Finde der Arme nun keine Arbeit trotz eifrigen Bemühens, so suche derselbe schließlich keine mehr, verwahr— lose und werde ein Bettler. Das jetzige Gesetz führe zu großen Härten. Häufig werde Jemand mit seinen Armen⸗ ansprüchen recht weit fort an Orte verwiesen, die demsel ben minder angenehm seien, als die Heimath. Ein fleißiges tüchtiges Ehepaar, aus Sachsen, welches beim Eisenbahnbau beschäftigt gewesen sei und deshalb stets von einem Orte zum anderen habe ziehen müssen, fei nach der schwäbischen Alp gekommen. Seinen sächsischen Unterstützungswohnsitz babe es natürlich verloren, ohne in— zwischen einen anderu erworben zu haben. In dem schwäbischen Orte habe es über 22 Monate lang zur Zufriedenheit seiner Auf⸗ traggeber Sieine geschlagen, da sei dem Armenpfleger die Sache bedenklich geworden und um die Leute nicht den Unterstützungs⸗ wohnfitz erwerben zu lassen, habe derselbe ihren Vermiethern bedeutet, daß die Leute hinaus müßten und habe auch ihre! Ent⸗ lassung aus der Arbeit veranlaßt. In diesem Falle habe die Sache zufällig nicht tragisch geendigt, aber die Fälle, in denen die Leute auf diese Weise geradezu ins Elend, hinausgestoßen würden, seien nicht selten. Aus ganz zuverläsiger Quelle sei ihm bekannt, daß eine große Grundherrschaft ihren zahlreichen Pächtern zur Bedingung gemacht habe, keinen Dienstboten länger als 23 Monate zu behalten. Noch unsicherer als mit den Ortsarmen stehe es mit den Landarmen. Das Landarmeninstitut sei geradezu eine Schule des Vagabondenthums. Die Landarmen kennten die Gemeinden mit den besten Wohlthätigkeinrichtungen, Spitälern u. s. w. ganz genau. Sie wüßten, daß namentlich die früheren Reichsstaͤdte in dieser Beziehung sich vortheilhaft auszeichneten und die Folge davon sei ein rapides Zuströmen in diese Städte und eine bedeutende Vermehrung ihres Armenetats. Ein großer Uebelstand des gegenwärtigen Systems sei die pro—⸗ visorische Verpflegung. Entweder stehe der Gemeinde ein Re— greß gegen eine andere zu, dann mache sie sich ein gewisses Vergnügen die Leute zu erhalten oder sie würden schlecht ernährt. Das schweizer, bayerische Armengesetz gehe in dieser Beziehung viel weiter. Wenn eine Armengesetzgebung den Beirag der Armenkosten enorm vermehre, so sei das ein Symptom ihrer Fehlerhaf⸗ tigkeit! In Hannover und Württemberg lasse sich zahlen⸗ mäßig die Zunahme der Armenlast nachweisen. Die Armen⸗ gesetzgebung erscheine Allen revisionsbedürftig, aber die An⸗ sichten in dieser Beziehung gingen auseinander. Die Einen wollten die Unterstützun Hfri verkürzen, die Andern sie ver⸗ längern. Er stehe nun dem Antrag Gerwig viel näher als dem Antrag Graf Stolberg, aber beide gewährten keine Ab⸗ ülfe, weil sie das Vakuum übrig ließen, daß ein Mensch eine eitlang nirgends eine Heimath habe. Was nun das Hei⸗ mathsrecht in seiner Beziehung zur Freizügigkeit betreffe, so gewinne die Freizügigkeit durch das Heimathsrecht. Wenn setzs Jemand an einen andern Ort komme, so werde derselbe mit Mißtrauen angesehen, habe derselbe aber ein Heimaths⸗ recht, so habe er seinen Heimathsschein bei sich, und wenn er sich dadurch a fi seiner Heimath legitimire, so finde er eine viel willkommenere Aufnahme. Werde eine Fabrik geschlossen, so sollten nach dem Heimathsrecht die brodlos gewordenen Arbeiter nicht der Gemeinde zur Last fallen, sondern ihren Heimathsorten. Die Furcht, daß diese zu sehr belastet würden, sei unbegründet, denn in der Regel scheue sich ein Mensch, der in guten Verhältnissen sortgegangen sei, nach Hause zu kommen und in das Armenhaus der Ge⸗ meinde zu gehen. Derselbe habe früher also noch mit seiner ganzen Kraft gekämpft, während er sich jetzt ganz ruhig beim Armen⸗ pfleger melde und Verpflegung verlange. Die Folge dieses Zu⸗ standes sei eine bedeniliche Abnahme milder Stiftungen. Er gehe nun zur Begründung der einzelnen Punkte über. Da wo ein Cine er. noch bestehe, solle der Verarmte dieser Hei⸗ math vermöge des Bürgerrechts zugewiesen werden. Bestehe ein folches Bürgerrecht nicht, so bleibe transitorisch nichts anderes 9 , als die Prinzipien des Unter— stützungswohnsitzgesetzes anzuwenden, aber mit der Wirkung, daß der Unterstützungswohnsitz nicht aufhöre und fich also in ein Heimathsrecht umwandele, welches in großen Städten allerdings nur einem geringen Bruchtheil, in kl ineren Srten und auf dem Lande aber dem größten Theile der Drts⸗ bewohner gehöre; er (Redner) habe nun einen Antraglsormulirt, wonach derjenige, welcher eine Zeit lang in einem Orte sei die Zahl der Jahre zu bestimmen sei Sache der Gesetzgebung die Aufnahme in das Heimathsrecht zu fordern berechtigt sei. Was den Punkt 8 betreffe, so sei er der Ansicht, daß die Landesgesetzgebung größere Bezirke bilden sollte, welche den einzelnen Gemeinden irgendwie zu Hülfe kämen; ob man zu diesem Behuse sich die Kreise und Provinzen in die Kosten theilen oder, wie in Bayern, den Staat eintreten lasse, würde keinen erheblichen Unterschied machen. Man möge die Wirkungen der industriellen Krisis so hoch an⸗ nehmen, wie man wolle, das enorme Anwachsen des Vagabon⸗ denthums in neuerer Jeit, komme allerdings auf Nechnung der deutschen Armengesetzgebung. Das Hauptmittel gegen das Vagantenthum sei, die Armenpflege auf eine Weise Ju leiten, 8 die Leute nicht Vaganten werden müßten. Die Repression durch Strafen, zumal sich selten die Vorstrafen seststellen ließen, helfe gar nichts, so lange man die Quellen nicht verstopfe. Nun hätten seit Erlaß des Armengesetzes die Klagen über Landstreicherel und Bettelei nicht ab- sondern zugenommen. Das sollte doch beweisen, daß eine Nepression gegenüber der Noth nichts helfe und daß auch 9 6 eilte: „Noth kenne kein Gebot“. Wenn er auch eine große ö egen die Vaganten für geboten erachte, so sei doch die Represston lein Rabilalmiitel bagegen. Der Schwernunlt der Armenpflege liege in der Nächstenliebe, der höchsten Pflicht, die allen obliege und die man ausüben müsse, wenn man nicht die von den unteren . gegen die höheren 2 erhobenen Beschwerden verschärfen wolle. Er bitte seinen An⸗

naturlich gegen die Gesellschast erbittert werde. Ein

trag anzunehmen.

1881.

Der Abg. Udo Graf zu Stolberg (Rastenburg) erkannte an, daß über die vorliegende Materie sehr verschiedene An⸗ sichten herrschten; er bedaure indeß, daß der Vorredner die Frage einer Revision des Gesetzes über den Unterstützungs⸗ wohnsitz in einem Augenblick angeregt habe, wo dessen Lösung unmöglich sei und wo deshalb auch die Debatte eine praktische Bedeutung nicht haben könne. Die wirthschaftliche und soziale Reform, welche der Reichstag in Angriff genommen habe, werde, wenn dieselbe zum Abschluß gekommen sei, die Ver⸗ hältnisse in vielen Beziehungen erheblich ändern, so daß auch die Frage des Unterstützungswohnsitzes dann vielleicht auf einer ganz anderen Basis zu regeln sei. Nach seiner Ueberzeu⸗ gung sei der Antrag des Abg. von Varnbüler nicht geeignet, den auf diesem Gebiete bestehenden Uebelständen abzuhelfen. Die Frage, um die es sich handele, sei eine volkswirthschaft—⸗ liche. Die Erziehung jedes Inviduums bis zu seiner eigenen Erwerbsfähigkeit koste Geld. Die Höhe dieser Summe sei sehr verschieden; im Allgemeinen werde sie durchschnittlich auf etwa 1000 Thaler geschätzt. Nun nehme man an, es werde Jemand in A. geboren und koste dieser Gemeinde 1000 Thaler. So⸗ bald derselbe wererbsfähig geworden sei, gehe derselbe nach B., wo er seine er er n verbrauche und werde dann als un⸗ terstützuns bedürftig nach A. zurückgebracht. Welche Ungerech⸗ tigkeit liege in diesem Verhältniß! Dieselbe würde annähernd ausgeglichen werden, wenn ungefähr eben so viele Menschen in erwerbsfähigem Alter von A. wegzögen, wie aus anderen Orten wieder dorthin kämen. Dies sei aber keines— wegs der Fall. Die Verhältnisse in den einzelnen Be⸗ zirken seien“ wesentlich von einander verschieden. In den landwirthschaftlichen Distrikten würden mehr Men⸗ schen produzirt als konsumirt; sie zögen sich in großen Mengen nach den Centren der Industrie, um ihre Arbeitskraft zu verwerthen, und deshalb würden hier umgekehrt viel mehr Menschen konfumirt als produzirt. Hieraus ergebe sich, daß das Prinzip, die Pflicht zur Unterstützung der Erwerbsunfähi⸗ gen dem Geburtsort aufzuerlegen, ein durchaus falsches sei. Am richtigsten würde es sein, die Unterstützungspflicht dem Wohnort aufzuerlegen, wo der Sitz der Thätigkeit des Be⸗ treffenden fei, da sich dies praktisch aber nicht durchführen lasse, so habe das Gesetz von 1870 ein Kompromiß geschaffen, indem es bestimme, daß durch einen zweijährigen Aufenthalt der Unterstützungswohnsitz erworben werden könne. Wenn jetzt die Grundlage dieses Kompromisses erschüttert werden solle, so sei er mit dem Abg. von Varnbüler darin einverstanden, daß die Revision in einem Sinne geschehen müsse, welche dem Uebel⸗ stande der Heimathlosigkeit möglichst abzuhelfen geeignet sei. Er glaube dies aber nicht durch das System des Antrages Varnbüler, sondern dadurch am besten zu erreichen, daß man die Erwerbung eines neuen Hei nathrechtes thunlichst erleich— tere, und deshalb beantrage er, daß, wenn im Interesse der ländlichen Gemeinden der Verlust des Unterstützungswohn⸗ sitzes schon durch eine zweijährige Abwesenheit eintreten solle, andererseits zur Erwerbung des Unterstützungswohnsitzes schon einjähriger Aufenthalt genüge. Den Einwurf, daß eine solche Aenderung des bestehenden Zustandes nur im Interesse der Großgrundbesitzer liege, müsse er entschieden bestreiten; er be⸗ haupte im Gegentheil, daß viele Gutsbesitzer durch diese Re⸗ gelung ihre Interessen geschädigt glauben würden. Sein An⸗ trag habe auch lediglich die ländlichen bäuerlichen Gemeinden im Auge, welche durch die bestehende Gesetzgebung schon em⸗ pfindlich betroffen würden und es durch den An⸗ trag Varnbüler noch in viel höherem Grade wür⸗ den. Durch eine solche ungünstigere Stellung der acker⸗ bautreibenden östlichen Provinzen, deren Gemeinden that⸗ sächlich keineswegs wie vielfach behauptet werde in der Belastung hinter den Gemeinden der westlichen Provinzen zurückständen, werde man die jetzige Auswanderung nach Ame⸗ rila nur befördern. Gegen die Anträge der Abg. Kiefer und von Schorlemer habe er gar nichts einzuwenden; er wünsche vielmehr dringend, daß in dieser Frage nicht eher vorgegan⸗ gen werde, als bis dieselbe nach allen Seiten gründlich er⸗ riert sei. Gewiß müsse es das Bestreben des Neichstags sein, die Noth und das Elend der erwerbsunsähig Gemorde⸗ nen nach Möglichkeit zu mildern; als einen wesentlichen Schritt, der sich in dieser Richtung bewege, betrachte er das Unfallversicherungsgesetz, und wenn dasselbe auch in dieser Session nicht mehr zu Stande kommen sollte, so hoffe er doch, daß jedenfalls rect bald nicht blos dieses Gesetz, sondern auch weiter gehende ergänzende Vorlagen die sozialen Uebelstände mildern und die Dringlichkeit einer Reform des Unterstützungs⸗ wohnsitzgesetzes abschwachen würden. .

Der Abg. Gerwig erklärte, von dem speziellen Stand⸗ punkte des Badensers könne er die Klagen über die Nachtheile des gegenwärtigen Gesetzes und das Bedürfniß nach einer Aenderung des bestehenden Zustandes nur bestãtigen. Ein⸗ gekeilt zwischen die Grenzen Bayerns, Elsaß⸗Lothringens und der Schweiz, welche alle eine von der deutschen abweichende Gesetzgebung hätten, befinde man sich in Baden fortdauernd in einer Reihe der widerwärtigsten Prozesse über die Unter⸗ stützungspflicht Erwerhsunsähiger, die den badischen Gemeinden von anderen Nachbargemeinden zugewiesen würden. Bei der Berathung des Unterstützungswohnsitz⸗Gesetzes seien die Süddeutschen nicht betheiligt gewesen; würde das Gesetz heute gemacht, so würde es wesentlich anders ausfallen. Die Verhälinisse der Landestheile rechts von der Elbe seien von denen der westlichen außerordentlich verschieden. Frage man im Osten nach dem Besitzer irgend eines größeren Voden⸗ komplexes, fo sage man sicher: derselbe gehöre der und der Familie an; im Wesien dagegen höre man; derselbe ei Eigen. 2 der und der Gemeinde. Das Gemeindebewußtsein sei

entwickelt, von der man hier im habe. ** 5 66 n . feinen voriheilhasten Tausch gemacht, als Baden sein altes ien —— den deutschen Unterstützungswohnsitz ver⸗ sauscht habe und nicht ohne Neid blicke Baden auf. Bayern, das im Besitz seines Rechts sehr zufrieden sei. Wenn man dem gegenüber von Parti ularismus und Mangel an Vatrio⸗ tiömus' in Baden spreche, so seien das nichts als Phrasen. Könnte Baden zu seinem Heimathsrecht nicht zurückkehren,

in Baden in einer Weise Osten gar keine Vorstellun

so wünsche er wenigstens, daß die Fristen für den Er⸗