1881 / 124 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 30 May 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Nachdem jene Eintragung rechtzeitig erfolgt und unter Beifügun von Druckeremplaren des Gesellschaftsvertrages nachgewiesen ist. so die gegenwärtige Urkunde in Gemäßheit des Gesetzes vom 10. April 1872 veröffentlicht werden. ;

Wird da e e, jene Eintragung binnen der vorbezeichneten Frist nicht herbeigeführt, so ist die gegenwärtig ertheilte Konzession ohne Weiteres erloschen, in welchem Falle jedoch die hinterlegte Kaution zurückgegeben werden soll.

Urkundlich unter ie Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.

Gegeben Berlin, den 19. Mai 1881.

(L. 8.) Wilhelm.

Otto Graf zu Stolberg. von Kameke. Hofmann.

Graf zu Eulenburg. Maybach. Bitter. von Puttkamer. Lucius. Dr. Friedberg.

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 30. Mai. In der vorgestrigen (51) Sitzung setzte der Reichstag die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Erhebung von Reichs stempelabgaben, mit der Diskussion der 55. 6—11 Nr. 11. des Tarifs (Schlußnoten und Rechnungen) fort. Nach Nummer 2 des Tarifs sollen nach dem Regierungsvorschlage

a. die Schlußnoten, Schlußzettel 2c. über Geschäfte, welche Wechsel, inländische Aktien, Staats⸗ und sonstige Werthpapiere betreffen, bei einem Werth von 300 1000 66 mit 10 , von 1000-5000 SG mit 25 , von mehr als 5000 M6 mit 50 8 besteuert werden. Betrifft das Geschäft ausländische Aktien, Staats- und Werthpapiere, so soll der Stempel in den betreffenden Klassen 25 resp. 50 und 100 4 betragen.

b. Rechnungen, Notenverzeichnisse, Bücherauszüge ꝛc. über derartige Geschäfte sollen ebenso behandelt werden wie die Schlußzettel, auch hier soll zwischen Geschäften zwischen in⸗ ländischen und ausländischen Papieren unterschieden werden.

Sämmtliche „Zeitgeschäfte“ sollen denselben Bestimmungen unterliegen. Es sollen aber nicht etwa die Cours⸗ oder Preis⸗ differenzen oder die Prämie, sondern die Wechseleffekten und Waaren als Gegenstand des Geschäfts betrachtet und nach ihrem Werth die Steuersätze bemessen werden.

Die Kommission hatte die Eintheilung der Geschäste in Werthklassen verlassen und schlug für Schlußnoten, Schluß⸗ zettel einen Fixstempel von 10 vor. Da durch diesen Kom⸗ missionsbeschluß die Befreiung der Geschäfte unter 300 s6 fortgefallen war, so beantragte der Abg. Hermes, dieselbe wieder einzuführen, zugleich aber die Grenze zu erhöhen bis auf 500 csl⸗

Der Abg. von Wedell⸗Malchow wollte sowohl für Schluß⸗ noten wie für Rechnungen einen Fixstempel von ein Zehntel vom Tausend einführen, dafür aber die betreffenden Schrift⸗ stücke, soweit sie Effektengeschäfte unter 300 6 oder Waaren⸗ geschäfte unter 1000 6 betreffen, von dem Stempel befreien.

Die Abgg. Frhr. von Lerchenfeld, Stelter und Vowinkel beantragten, für Schlußnoten und Rechnungen einen Fix— stempel von 20 3, für Zeitgeschäfte von 100 5.

Der Abg. Freiherr von Lerchenfeld führte zur Motivirung seines Antrages aus, daß er ein Freund der eigentlichen Börsensteuer sei, daß es aber im Interesse des Ertrages der Steuer nothwendig sei, die Stempelsätze so zu bemessen, daß jeder Versuch zur Defraudation ausgeschlossen werde. Dazu gehöre namentlich auch, daß man die Stempelung so bequem wie möglich mache, um das Geschäft nicht zu erschweren. Er schlage deshalb einen Fixstempel von einer Mark für Zeit⸗ geschäste vor, schon weil damit die Möglichkeit gegeben sei, einen Formularzwang sür Schlußnoten einzusühren. Von den Gegnern des Fixstempels werde hauptsächlich darauf hin⸗ gewiesen, daß die Börsensteuer eine Ausgleichung gegenüber dem hohen Immobilienstempel sein solle; man dürfe aber da— bei nicht vergessen, daß vie Schlußzettel nicht nothwendig seien zur Gültigkeit eines Börsengeschäfts. Man würde durch einen zu hohen Stempelsatz das Geschäft lediglich zwingen, diese bis jetzt ziemlich allgemein übliche Form zu verlassen. Um den Ertrag der Steuer zu erhöhen, schlage er außerdem vor, den Fixstempel auf Schlußnoten für gewöhnliche Geschäfte von zehn auf zwanzig Pfennige zu erhöhen.

Der Abg. Schlutow warnte davor, daß man vom grünen Tisch aus ohne praktische Erfahrung in den Börsengeschäften eine Börsensteuer auferlege, welche die Geschäste behindere und erschwere. Wenn dazu noch der Umstand komme, daß der Stempel so enorm hoch sei, wie dies nach dem von Wedellschen Antrage der Fall sein würde, so könne man es der Börse nicht verargen, wenn sie Formen ersinne, um den Stempel zu hinterziehen. Man betrachte allerdings den prozentualen Stempel als einen Ausgleich für den hohen Stempel beim Besitzwechsel von Immobilien, allein er könne die Versicherung geben, daß die Geschäftswelt es verstehen würde, Formen zu finden, um sich der zu hohen Steuer zu entziehen. Eine Aus⸗ gleichung würde deshalb damit nicht erreicht sein. Wenn man aber auf den Ertrag der Börsensteuer rechne, so werde ein fester Stempel, welcher keinen Anlaß zu Defraudationen gebe, einen viel höheren Ertrag liefern als ein noch so hoher pro⸗ zentualer Stempel.

Der Abg. von Wedell⸗Malchow befürwortete seinen An⸗ trag. Bei jeder Steuer würden Einwände von den Interessenten erhoben und was in den Petitionen gegen die prozentuale Steuer der Schlußnoten angeführt sei, gehe doch auch nur von Interessenten aus. Wenn er daher eine Steuer an und für sich gerecht halte, so kümmere er sich um derartige Ein⸗

wendungen nicht. Die Einsührung der Börsensteuer sei aber nur ein Akt der , . Gerechtigkeit, sie sei auch noch lange nicht so hoch als der Immobilienstempel. Es sei übri⸗ gens bemerkenswerth, daß schon jetzt, ehe noch das Gesetz he⸗ schlossen sei, von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen werde, daß die Börse Mittel und Wege finden würde, um den Stem⸗ pel zu hinterziehen. Es liege durchaus nicht in seiner Absicht, durch den prozentualen Stempel die kleinen Geschäfte zu belasten, des halb habe er auch vorgeschlagen, so weit es die Oekonomie des Ge⸗ setzes zulasse, die Geschäfte von niedrigerem Werthe zu be⸗ freien, also z. B. die Effektengeschäste bis zu 300 6 Er habe aber auch auf den höheren vom Abg. Hermes vorgeschlagenen Satz von 509g 6 deshalb nicht eingehen können, weil bei dem⸗ selben die Gefahr nahe liege, daß ein großes Geschäft in mehrere kleinere getheilt werde, um den Stempel zu vermeiden. Bei Waarengeschäften, welche solche Befürchtungen wegen Theilung der Geschäfte nicht in dem Maße aufkommen ließen, habe er auf die Grenze von 10900 6 * en. Die ganze Vorlage sei nicht gegen die Börse als solche gerichtet, sondern sie solle die Bewegung des mobilen Kapitalg treffen. Da

Geschäfte, die für eigene Rechnung ausgeführt würden, nur

lich die Börse einen Theil davon tragen müssen. Daß ein fester Stempel nicht mehr einbringen werde, wie der prozen⸗ tuale, glaube er mit Zuversicht behaupten zu können. Er schließe es namentlich daraus, daß die Petitionen, welche sich gegen den prozentualen Stempel aussprächen, stets von einer . sprechen. Er bitte daher, seine Anträge anzu⸗ nehmen.

Der Abg. Hermes führte aus, daß man durch die Börsen⸗ steuer nicht die Börse, sondern nur das Publikum treffen würde. Die Börsenmänner würden es stets versuchen, die Steuer auf ihre Kommittenten abzuwälzen. Deshalb hätten sich auch nicht die eigentlichen Börsenmänner petitionirend an den Reichstag gewendet. Der Stempel auf Schlußnoten treffe nur eine bestimmte Form des Börsengeschäfts. Diese Form sei aber nicht die einzige, ja nicht einmal die in den meisten Fällen gebräuchliche. Die größte Zahl der Abschlüsse finde statt ohne Schlußnoten, d. h. ohne Vermittlung der Makler. Man habe an der Börse z. B. den sogenannten Frankomarkt, wo Käufer und Verkäufer sich gegenüber ständen und direkte Geschäfte trieben. Wenn das Haus einen zu hohen Stempelsatz für Schlußnoten beschließe, so werde man in allen den Fällen, wo die Geschäfte in dieser Form abgeschlossen würden, dahin drängen, daß der anständige Makler zurücktrete und die Geschäste durch Pfuschmakler erledigt würden. Je niedriger man den Stempel fixire, desto mehr würde derselbe eintragen. Ein prozentualer Stempel würde aber direkt zur Umgehung des Gesetzes auffordern. Der Stempel von 16 8, wie der⸗ selbe von der Kommission vorgeschlagen werde, belaste das Geschäft schon erheblich, denn derselbe werde mindestens zwei⸗ mal, nämlich beim Kauf und beim Verkauf erhoben, vielleicht sogar öfter. Er möchte außerdem noch beantragen, daß mehrere

als eins betrachtet werden müßten. Es komme z. B. vor, daß Jemand den Bankier beauftrage, Effekten im Werthe von ßo00 c zu verkaufen. Es sei aber dem Bankier nicht mög— lich, sämmtliche Effekten an einen Abnehmer abzugeben, das Geschäft zerfalle also in 5 oder 6 Posten und von jedem ein—⸗ zelnen Geschäfte müßte der Stempel erhoben werden. Das würde namentlich den kleinen Verkehr schädigen und den Ab⸗ satz kleinerer Beträge an der Börse verhindern.

. Der Abg. Graf von Droste zu Vischering bemerkte, in Ueber⸗ einstimmung mit seinen politischen Freunden, glaube er, daß das mobile Vermögen zur Steuer mehr herangezogen werden sollte als bisher. Der Betrag der Steuer fließe allerdings zuerst an die Reichskasse, solle aber an die Einzelstaaten herausgegeben werden. Den Einzelstaaten würde also die Pflicht obliegen, gegenüber der hier im Reich beschlossenen Steuererhöhung einen Erlaß an anderen Steuern eintreten zu lassen. Er glaube nicht, daß der Stempel nach dem Antrage des Abg. von Wedell zu hoch sei. Geschäfte, die so viel Ge⸗ winn abwürfen, wie die Börsengeschäfte, würden auch wohl diese kleine Abgabe ertragen können. Außerdem halte er es auch für sehr heilsam, daß die unsoliden Börsengeschäfte ein⸗= geschränkt, würden und die anderen Börsengeschäfte sich auf einen hestimmten kleinen Kreis beschränkten. Ein Firxstempel für Zeitgeschäste würde nur eine Scheinsteuer sein, um die Gemüther derer, welche eine Börsensteuer verlangten, zu be⸗ ruhigen. Seine politischen Freunde und er würden für die prozentuale Abgabe, wie sie vom Abg. von Wedell vorge⸗ schlagen sei, stimmen.

Der Abg. von Kardorff erklärte, er stehe seinestheils dem Antrage von Wedell keineswegs feindlich gegenüber. Wenn von allen Seiten und auch von Seiten der Regierung indessen gesagt werbe, das System des Werthstempels sei undurchführ⸗ bar, es werde Hinterziehungen veranlassen, dann halte er es für gerathen, abzuwarten, ob man nicht später auf den Antrag von Wedell zurückkommen werde. Man wisse jetzt noch gar nicht, welchen Ertrag beide Systeme geben würden. Weder der Abg. von Lerchenfeld, noch der Abg. von Wedell könne sich darüber äußern, weil der Umfang der Geschäfte noch ganz unbekannt sei. Wenn der Antrag von Lerchenfeld angenom⸗ men werde, dann bekäme man wenigstens bald ein Bild über die Umsätze; das gebe einen guten Anhalt für die künftige Legislaturperiode. Er lege größeres Gewicht darauf, daß nach seiner Ansicht durch Annahme des Antrags von Lerchenfeld der Reichskasse ein höherer Betrag zugeführt werde. Er werde für den Antrag von Lerchenfeld stimmen, obwohl er dem An⸗ trage von Wedell nicht prinzipiell gegenüberstehe und sich engagire, später mit dem Abg. von Wedell dafür zu stimmen.

Der Vundeskommissar. Geheime Ober⸗Finanz⸗Rath Girth betonte, daß die Regierung von der Anschauung aus— egangen sei, daß es rationell sei, die Stempelsätze nach dem Werth abzustufen. Sie halte es für schwierig, die Abstufung bis zur äußersten Spitze zu treiben und habe deshalb nur bis zu einer bestimmten Grenze (5000 6) eine Erhöhung der Sätze vorgeschlagen. Er könne deshalb prinzipielle Bedenken gegen den Antrag des Abg. von Wedell nicht vorbringen. Gegenüber den Gegensätzen aber, welche sich hier im Hause zwischen den Anhängern des Fixstempels und des prozentualen Stempels gezeigt hätten, halte er die Regierungsvorlage als vermittelnd für die annehmbarste Form des Stempels. Mit dem Antrag des Abg. Hermes, soweit derselbe die Befreiung der geringwerthigen Geschäfte ne f könne er ja sympathisiren, allein der Antrag v. Wedell sei insosern vorzuziehen, als derselbe schon bei 300 6 Halt mache und damit die Gefahr der Hinterziehung des Stempels durch Theilung der Geschäste ver— mindert werde.

Der Abg. Sonnemann bemerkte, es sei doch merkwürdig, wie die Anschauung der Regierung sich während der Bera⸗ thung verändert habe. In den Motiven sei ausdrücklich her⸗ vorgehoben, daß die Regierung eine prozentuale Abstufung des Stempels, wie sie der Antrag Wedell vorschlage, für sehr bedenklich und für eine Ueberbürdung der Geschäfte halte. Auch in der Kommission sei Seitens der Negierungsvertreter diese Ansicht noch aufrecht erhalten worden. Jetzt 2 der Kommissar und erkläre sich prinzipiell für eine prozentuale Abstufung, die im Antrag v. Wedell enthalten sei. In den Motiven sei auch darauf hingewiesen, daß bei der prozentua⸗ len Abstufung die obligatorische Verwendung eines Stempel⸗ blankets für Schlußscheine unmöglich sei. Er glaube daher vor der Annahme des Antrags v. Wedell warnen zu müssen denn es müsse das größte Gewicht darauf gelegt werden, da man mit der Gesetzgebung keinen Fehler mache und sich nicht nachträglich genöthigt sehe, wiederum einen Schritt zurück zu thun. Er glaube, ein Prozentualstempel würde ih führbar sein und einen viel zu empfehle die Annahme des Antra rung eines Fixstempels von 1

t 29 ren 8 liefern. Er es v. Lerchenfeld auf Einfüh⸗ Das Resultat der nun folgenden Abstimmung, die fünf⸗

diese sich hauptsächlich bei der Börse vollzögen, so werde natür⸗

Schlußnoten die Anträge der Kommission angenommen wur⸗ den; es wurden also die Schlußnoten für Zeitgeschäfte mit ein Zehntel pro Tausend, die übrigen Schlußnoten mit 10 3 besteuert. Bezüglich der Rechnungen, Noten, Verzeichnisse, Geschäftsbücher, Auszüge u. s. w. wurde dagegen der Antrag des Abg. von Wedell, eine Abgabe von ein Zehntel pro Tau⸗ send zu erheben, angenommen. Außerdem beschloß das Haus, dem weiteren Antrage von Wedell entsprechend, die Effekten⸗ geschäfte bis zu 300 MS und Waarengeschäste bis zu 1000 von diesem Stempel frei n lassen

Der nächste III. Abschnitt betrifft die Besteuerung der Lombarddarlehne. Der Vorschlag der Regierung ging dahin, Schriststücke zur Beurkundung von zinsbaren Dar— lehen, welche im Betrage von 300 M6 oder mehr gegen spezielle Verpfändung oder Hinterlegung von edlen Metallen, Wagren, Wechseln oder Werthpavieren gegeben werden, mit einem Stempel von 2/19 pro Mille zu besteuern. Die Kommission hatte diesen Vorschlag gänzlich abgelehnt. Dagegen beantragte der Abg. von Wedell⸗Malchow, Lombarddarlehne von 500 M an, welche gegen Verpfändung von Wechseln oder Werth⸗ papieren gegeben würden, mit 1110 pro Mille zu besteuern.

Der Abg. von Wedell⸗Malchow glaubte durch die vorgeschla⸗ gene Fassung alle Bedenken, welche gegen die Regierungs vorlage erhohen worden seien, beseitigt zu haben. Sowohl in Preußen, wie in Bayern bestehe bereits eine Besteuerung der Lombard⸗ darlehne, ohne daß dadurch eine erhebliche Belästigung des Verkehrs herbeigeführt werde. Der Einwand, daß bei Dar⸗ lehnen auf ganz kurzt Zeit der Steuersatz sehr hoch erscheine, treffe nicht zu, da derartige Lombarddarlehne, welche nur für wenige Tage aufgenommen würden, meist nur zu Börsen— zwecken dienten und deshalb ohne Schwierigkeit den beantrag— ten Satz tragen könnten.

Der Abg. Dr. Wolffson bemerkte, gerade weil die Einzel⸗ staaten bereits zum Theil die Besteuerung der Lombarddar— lehne hätten, erscheine es unzweckmäßig, dieses Objekt der Besteuerung für das Reich in Anspruch zu nehmen und es den Einzelstaaten zu entziehen. Uebrigens zeige die Erfah— rung, welche man hier mit der Lombardbesteuerung gemacht habe, daß diese Steuer sehr wenig einträglich sei, weil der Verkehr sehr leicht andere Formen finden würde, um sich der— selben zu entziehen. Ueberdies sei das Lombardgeschäst ein sehr lokales und gar kein Börsengeschäft. Nicht die Kapitalisten, sondern die Kapitalbedürftigen würden davon betroffen werden und diese Belastung sei gar keine unbedeutende. Das Prinzip des Gesetzes wolle nicht das Geschäft selbst, sondern die Beurkun⸗ dung desselben treffen; durch die vorliegende Bestimmung werde dizses Prinzip durchbrochen, indem man die Banken und Aktiengesellschaften zwinge, über alle von ihnen abge— schlossenen Lombarddarlehne periodische Nachweisungen an die Steuerbehörde einzureichen und hiernach die abgeschlossenen Geschäfte zu versteuern. Angesichts der Belästigung des Ver⸗ kehrs und des voraussichtlich sehr geringen finanziellen Effekts möge man die Lombardsteuer ablehnen.

Der Bundeskommissar empfahl, gerade weil das Lombard⸗ geschäft, das nicht an so feierliche Geschäftssormen gebunden sei wie andere Darlehnsgeschäfte, sich für die landesherrliche Gesetzgebung bisher als schwer erreichbar erwiesen habe, das— selbe unter den vorgeschlagenen Modalitäten zu einem Gegen⸗ stand der Reichsbesteuerung zu machen. Es gehöre hierher schon aus dem Grunde, weil es auf dem Handelsgebiet liege und deshalb nicht der Territorialgesetzgebung unterworfen werden sollte. Daß das Lombardgeschäft in sehr erheb— lichem Grade dem Börsengeschäfte diene und mit die⸗ sem in innigem igen n,. e beweise der Um⸗ stand, daß nach Ausweis der ochenübersichten der Reichsbank der Bestand an beliehenen Effekten unmittelbar vor der Ultimoregulirung ost um mehr als 50 Prozent steige, um dann in der darauf folgenden Woche wieder auf das gewöhnliche Niveau herabzusinken. Die. Behauptung, daß die vorgeschlagene Steuer namentlich bei sehr kurzen Darlehen unverhälinißmäßig drückend empfunden werde, be⸗ weise die Thatsache, daß die Reichsbank zur Zeit der Medio⸗ und Ultimoregulirung bei allen Lombarddarlehnen, auch wenn dieselben nur auf einen Tag gegeben würden, min⸗ destens fünf Tage Zinsen berechne, mithin ihren Zinssatz ver⸗ fünffache. Das Bedenken, daß den Einzelstaaten der Ertrag der Lombardbesteuerung entzogen werde, könne abgesehen davon, daß dieser Ausfall nur seht gering sei um so weni⸗ ger ins Gewicht fallen, als die Regierungen der betroffenen Staaten selbst ihre Zustimmung zu dem vorliegenden Ent⸗ wurf gegeben hätien.

Der Abg. Hermes schloß sich voll und ganz dem Abg. Wolffson an. Der Lombardverkehr mit Effelten werde sich mit Leichtigkeit in andere Formen kleiden; nur die Lombar⸗ dirung der Waaren könne sich der Besteuerung nicht entziehen, und so werde die ganze Last der Steuer auf diese fallen. Dies könne unmöglich die Absicht des Gesetzgebers sein. (Der Abg. von Wedell bemerkte, daß sein Antrag die Lombardirung der Waaren gar nicht besteuern wolle. Dann werde das sinanzielle Ergebniß der Besteuerung gleich Null werden.

Der Bundeskommissar bestritt diese letzte Behauptung. In Preußen sei das Ergebniß der Steuer allerdings ein sehr geringfügiges gewesen, weil hier nur eine bestimmte Form der Veurkundung des Geschästs getroffen sei, während der vorliegende Entwurf diese Beschränkung nicht kenne, sondern das Lombardgeschäft ganz allgemein *

Der Abg. Schlukow empfahl in Uebereinstimmung mit dem Abg. Wolffson die Ablehnung der Lombardsteuer. Der Antrag des Abg. von Wedell beweise schon dadurch, daß der⸗ selbe den Waarenlombard ausschließe, daß in der Vesteuerung eine schwere Belästigung liege. Da nun nachgewiesenermaßen der große Effektenverkehr sich leicht in die Form des Konta— korrents flüchten werde, um die Steuer zu umgehen, so bleibe nur der kleine Foöndsverkehr übrig, der dadurch belastet werde.

Nachdem der Referent Abg. Büsing gleichfalls die An⸗ nahme des Kommissiongantrages empfohlen hatte, indem der⸗ selbe darauf hinwies, daß die Summen, welche zur Ultimo⸗ regulirung von der VBörse durch Lombarddarlehen aufgenommen würden, verschwindend gering seien gegen die vielen Millionen, die zur Befriedigung des Bebürfnisses der Handwerker, Kauf⸗ leute und Industriellen beansprucht würden, trat das Haus nach Ablehnung des von Wedellschen Antrages dem An=

trage der Kommifssion bei und lehnte die Lombardbesteue⸗ run

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Der nächste Abschnitt betrifft den Grein inen unyel. Auch hier beantragte die Kommission die unbedingte Ableh⸗ nung der Regierungsvorlage.

vierlel Stunden in Anspruch nahm, war, daß bezüglich der

Der Abg. von Kardorff erklärte, er wolle diesem Amtrage nicht entgegentreten, glaube aber, der Regierung die dringende

itte ans Herz legen zu müssen, aus der heutigen Ablehnung 9 die w zu ziehen, das Projekt einer Quit⸗ 1ungssteuer gänzlich aufzugeben. Abgesehen von den. Mit⸗ tigen der Linken, die überhaupt das bequeme Prinzin ver⸗ folgten, diesem Ministerium keinen Groschen zu bewilligen, nkfse Jedermann anerkennen und selbst, von liberaler Seite fei dies früher geschehen daß die Quittungesteuer außerordentlich einträglich und gar nicht druckend sei, wie das Beispiel Frankreichs, Englands, Hollands, Italiens ise. . 2 Abg. Frhr. von Minigerode erkannte auch seinerseits an, Daß die Quittungssteuer eine zweckmäßige Art der Be⸗ sleuerung sei; die konservative Partei habe nur. deshalb keinen Werth auf die Annahme des vorliegenden Abschnittes gelegt, weil nach ihrer Ueber eugung die Quittungssteuer nicht eigent⸗ lich als i erf, betrachten sei und deshalb nicht in das liegende Gesetz gehöre. . 79 X; Abg. Nickert gestand zu, daß er selbst früher im Prinzip die Vorzüge der Quittungssteuer anerkannt habe, andrerfeits habe er aber auch damals schon ausdrülich darauf hingewiesen, daß Deutschland für eine solche Steuer noch lange nicht xeif sei und daß dieselde hei der Fiskalität., der Steuerverwaltung zu. den drückendsten Scherereien Anlaß geben würde. Die Be⸗ hauptung des Abg. von Kardorff, daß die Mitglieder der Linken das Prinzip verfolgten, diesem Ministerium keinen Hroschen zu bewilligen, müsse er entschieden zurückweisen. Allerdings habe die liberale Partei gar keine Veranlassung, in eine Vermehrung der Steuern zu willigen, weil nicht die geringste Garantie geboten sei, daß die bewilligten Mehr⸗ einnahmen zu einer Erleichterung der direkten Steuern ver⸗ wendet werden sollten. Nur Zug um Zug könne die Bewilli— gung neuer Steuern gegen eine Entlastung der alten Steuern ausgetauscht werden. Trotz der großen Summe der Zölle und indirekten Steuern habe bis jetzt das Land nicht die geringste Erleichterung gehabt. Allerdings habe die preußische Regierung dem Landtage ein Verwendungs⸗ gesetz vorgelegt, dasselbe habe aber nur bewiesen, daß Die Re⸗ gierung selbst noch nicht wisse, wie ie die direkten Steuern reformiren und wo sie eine Ermäßigung der Last eintreten lassen solle. Selbst die konservativen Mitglieder, wie der Abg. von Meyer (Arnswalde), habe das Gesetz für praktisch unaus⸗ führbar erklärt und schließlich habe die Vorlage gründlich Fiasko gemacht. Aus diesem Grunde halte er es allerdings für seine Pflicht, vorläufig gegen jede Erhöhung der indirekten Steuern zu stimmen. ö ö 2 rr wih Richter (Hagen) schloß sich diesen Aussührun⸗ gen vollkommen an. Die Quittungssteuer treffe gerade den leinen Mann am meisten, der Alles baar bezahle und nicht anschreiben lasse. Durch die ganze wirthschaftliche Reform des Reichskanzlers sei bis jetzt gar nichts erreicht worden. Er könne den Abgg. von Kardorff und, von Minnigerode gar nicht böse sein, im Gegentheil, er sei ihnen von Herzen dank⸗ bar für ihre Auslassungen, denn man hätte im Lande meinen können, gegenüber dem einstimmigen Votum des Hauses hei der Ablehnung der Verdoppelung der Brausteuer, bei der Ab⸗ lehnung der Wehrsteuer und, wie es wieder der Fall sein werde, bei der Ablehnung der Quittungssteuer, daß diese Steuern im Reichstage definitiv gerichtet seien, auch von den Mitgliedern der rechten Seite, und daß man deshalb gar nicht zu besürchten brauche, es würde ein ähnliches Steuerprojekt dem⸗ nächst wieder aufleben. Nun hätten sich die beiden Abgeordneten das Verdienst erworben, das Land darüber aufzuklären, daß eine solche Annahme ganz trügerisch sei, sie hätten ausdrücklich er⸗ klärt, daß sie nur zur Zeit dagegen stimmen würden. Der Abg. von Kardorff habe sogar hervorgehoben, daß es viele gäbe, die vor den Wahlen viel mehr Bedenken hätten, gegen bie Steuer zu stimmen, wie nachher. Auch diese Erklärung sei von ganz unschätzbarem Werthe für das Land. Er habe nicht daran gezweifelt, daß, wenn erst die Wahlen vollzogen seien, dann viele Herren auf der rechten Seite eine ganz andere Stellung zu diesem Projekte der Quittungssteuer ein⸗ nehmen würden und daß sie sich vorbehalten hätten, sie anzu—⸗ nehmen, zeige, wie sie gegen den kleinen Mann gesinnt seien, wenn die Wahlen vorüber seien, denn gerade die Quittungs⸗ steuer werde den kleinen Mann treffen mit den 10 3, die man erheben wolle, dieselbe würde gerade die ordentlichen Leute treffen, die gleich bezahlten, und nicht anschreiben ließen ins Unbestimmte hinein. Also wenn man jetzt ün Lande geneigt sein sollte, einen von den genannten Herren zu wählen bei seiner Vewer⸗ bung, so würden es sich die Wähler selbst zuzuschreiben haben, wenn dieselben nachher eine Quittungesteuer von diesen Her ren zum Dank bewilligt erhielten. Er denke, die heutigen Er⸗ flärungen würden überall im Lande veranlassen, daß, wenn sich die Herren präsentirten, man ihnen die Frage vorlegen werde, cb sie für oder gegen die Quittungssteuer seien und daß das Land sich hüten werde, vor einer solchen Majorität, die so zusammengesetzt sein könnte. Denn, meine er, sei es ganz außer Frage, dann würden alle diese Steuern, die jetzt noch glücklich vorübergegangen seien, wiederkommen und noch ein gutes Theil Steuern mehr, so viele Steuern, wie der Reicht kanzler wolle und alles, was derselbe sonst noch wolle, das würde der Reichstag dann auch thun,

Der Abg. von Kardorff bestritt diese Behauptung ent⸗ schieden und verwies den Vorredner auf die durch die neuen indirekten Steuern ermöglichte Deckung des Desizits und auf den preußsschen Steuererlaß von 14 Millionen. Der lleine Mann werde durch die Quittungssteuer überhaupt gar nicht getroffen. Er halte dieselbe für Cu und zweckmäßig und werde deshalb nicht aufhören, die nführung dieser Steuer zu befürworten, bis dieser Forderung genügt worden sei selbst 3 er dadurch mit einem Theile seiner politischen Freunde n Widerspruch trete.

Der . Freiherr von Minnigerode bat den Abg. Richter, nach der beschämenden Niederlage, die derselbe gestern erlitten habe, einen weniger lauten Ton anzuschlagen, Der Abg. von Meyer (Arnswalde), welchen der Abg. Rickert als Vei⸗ spiel einer lonfervativen Opposition gegen das, Verwen⸗ dungegesetz angeführt habe, stehe be anntlich in vielen Fragen ganz isolirt da und lönne deshalb nicht als Repraͤ⸗ sentant der konservativen Partei gelten.

Der Abg. Br. Windthorst erklärte, daß er die Quittunge— steuer stets und unter allen Umständen ablehnen werde, weil er 2 für sehr drückend halte. Ueberhaupt glaube er nicht, daß es die ö des Reichstages sein dürfe, stets nur darauf 6 uweifen, was Alles noch besteuert werden könne. Man . nicht vergessen, daß jede neue Steuer für das Vols eine schwere Last sei, und wenn er selbst heute ür die Vesteuerung ber Börsengeschäste gestimmt habe, so sei es

Belastung des immobilen Kapitals sehe. Die in Angriff ge⸗ nommen? wirthschaftliche Reform billige er durchaus, dennoch halte auch er für nöthig, daß der Reichstag, bevor er irgend eine neue indirekte Steuer bewillige, eine bestimmte Garantie habe, daß dieselbe auch lediglich zur Erleichterung diretter Steuern verwendet werde. Ein gebranntes Kind scheue das Feuer.

3. Der Abg. Rickert erinnerte daran, daß nicht blos der Abg. von Meyer, sondern auch andere Konservative sich gegen das Verwendungsgesetz in Preußen erklärt hätten. Auf den Steuererlaß sich zu berufen, habe der Abg. von Kardorff um so weniger ein Recht, als bekanntlich die freikonservative Partei im preußischen Landtage gegen diesen Erlaß gestimmt habe, der nicht aus den Mehreinnahmen der Zölle, sondern lediglich aus einer Anleihe bestritten worden sei. Ueberhaupt sei es nur das Verdienst des Abg. Richter, daß der Steuer⸗ erlaß mit großer Mühe in gesetzlicher Form zur Annahme gebracht worden sei. . . Der Abg. Frhr. von Mirbach erinnerte daran, daß nicht im Abgeordnetenhause allein, sondern auch im Herrenhause die konfervatiwwe Partei dem Steuererlaß zur Annahme ver⸗ holfen habe. Was die Quittungssteuer betreffe, so habe die konservative Partei dieselbe weder in der Kommission, noch im Hause vertreten. .

Der Abg. von Kardorff erwiderte dem Abg. Rickert, daß er schon bei der Etatsberathung erklärt habe, daß er in der Frage des Steuererlasses einen von der freikonservativen Fraktion abweichenden Standpunkt einnehme. . Der Abg. Richter (Hagen) glaubte gar keine Veranlassung zu haben, die Abstimmungsresultate des gestrigen Tages als eine beschämende Niederlage zu betrachten. Der Steuererlaß der 14 Millionen sei offenbar nur erfolgt, um bei den Wah⸗— len für die Wirthschaftspolitik des Reichskanzlers Stimmung zu machen. Den besten Beweis hierfür liefere die Thatsache, daß man die Steuerbefreiung auf die Monate Juli, August und September verlegt habe. Interessant werde es sein, die Versprechungen der Konservativen vor den Wahlen mit ihren Bewilligungen nach den Wahlen zu vergleichen. In welcher Weise man schon jetzt agitire, das zeigten die Reden in den Berliner Versammlungen. Das Verdienst des Abg., von Putt⸗ kamer sei es nicht, wenn im Thiergarten sich nicht ähnliche Vorgänge wiederhoölen würden, wie in Rußland. ;

Der Abg. Pr. Windthorst bemerkte, daß die Steuerbe⸗ freiung in die Monate Juli bis September verlegt worden sei, erkenne er als völlig berechtigt an. Es sei dies die Zeit ber Ernte, wo der kleine Landmann Geld nöthig habe und doch noch keine Feldsrüchte verkaufen könne. Wenn nebenbei diefer Steuererlaß dazu diene, die Bevölkerung darüber aufzu⸗ klären, wie völlig unbegründet die Behauptungen des Abg. Richter und seiner Freunde über die wirthschaftliche Reform des Reichskanzlers seien, so könne er dies nur mit Freuden begrüßen. Die Debatte wurde hierauf abgeschlosseen.

Der Bundeskommissar erklärte, er sei nicht zweifelhaft über das Schicksal, welches der vorgeschlagene Stempel haben würde, müsse aber doch darauf hinweisen, daß in anderen Staaten diese Steuer erhoben werde, ohne den Verkehr zu be— lästigen. Den Vorwurf der Fiskalität, den der Abg. Nickert gegen die deutsche Stempelverwaltung erhoben habe, müsse er als einen unbegründeten bezeichnen.

Es folgte eine Reihe persbnlicher Bemerkungen:

Der Abg. von Puttkamer (Lübben) bemerkte, der Abg. Richter habe sich veranlaßt gesehen, aus einer von ihm in einer Berliner Wahlversammlung gethanen Aeußerung den Schluß zu ziehen, daß er öffenklich gegen die Juden gehetzt hätte. Bas sei einfach unwahr. Er habe dort nur die ein⸗ fache Thatsache konstatirt, daß der deutsche Junker, gegen den ber Abg. Richter jetzt das Volk aufhetze, nicht in den Villen des Thiergartens wohne. . ;

Der Abg. Richter (Hagen) wies zurück, daß er das deutsche Volk gegen die Junker aushetze; er suche es

selmehr gegen diejenigen anzuregen, welche es immerfort mit neuen Steuern belasten wollten. Uebrigens halte er feine Aeußerungen gegenüber dem Abg. von Puttkamer vollständig aufrecht; derselbe. habe das Wort „Juden“ zwar nicht genannt, der Chor seiner Zu⸗ hörer habe es aber laut ergänzt. Derselbe habe vollständig zur Judenhetze aufgefordert und dafür auf die Juden. die im Thiergarten wohnten, als diejenigen hingewiesen, die das Volt ausbeuteten. Es sei ihin nur angenehm, wenn die Herren sich vor den Berlinern in ihrer wahren Farbe zeigten. Der Abg. von Puttkamer (Lübben) erkärte, er habe in der betreffenden Wahlrede sich dahin geäußert, daß der preu⸗ ßische Junker jetzt gegen das moderne Fortschrittlerthum, das Jobberihum fechte, welches das Volk aussauge. Dieser An⸗ schauung sei er auch heute noch.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, der Abg von Putt⸗ kamer habe seine neulichen Aeußerungen vollständig bestätigt, ja die Sache noch schlimmer erscheinen lassen; derselbe habe von den modernen Jobbern und Aussaugern gesprochen und hinzugefügt: diese modernen Raubritter wohnten in den Villen des Thiergartens.

Der Abg. von Puttkamer (Lübben) erklärte daß seine Bemerkungen lediglich gegen die gewerbsmäßigen Wucherer als solche ohne Rücksicht auf deren Konfession gerichtet seien.

Der Abg. Richter (Hagen) betonte, daß es also jetzt sest⸗ gestellt sei, daß der Abg. von Puttkamer gesagt habe: Die modernen Raubritter, die Aussauger und Ausbeuter des Volkes, wohnten in den feinen Villen des Thiergartens; die Versammlung habe diese Vemerkung durch den Ausruf „Ju⸗ den!“ ergänzt. Damit sei vollständig lonstatirt, was er be⸗ hauptet habe, daß es nicht das Verdienst des Abg. von Putt⸗ kamer sei, wenn in Berlin das Volk nicht wie in Rußland gegen die Juden vorzehe.

Die Kommissionsbeschlüsse wurden angenommen und da⸗ mit der Quitiungsstempel abgelehnt, desgleichen der Stempel auf Checks und Giroanweisungen, während der Stempel auf Lolterieloose nach den Vorschlägen der Kommission genehmigt wurde. Ebenfalls genehmigte das Haus die dazu gehörigen Paragraphen der Vorlage und die all gemeinen Vestimmungen; zu den letzteren gehörte der nachstehende §8. 50:

„Der Ertrag der Abgaben fließt nach Abzug 1) der auf dem

Geseßc oder auf allgemeinen Verwaltungevorschristen beruhenden Stcuererlaffe und Steuererstattungen, 2) der nach Vorschrift des

C 49 zu berechnenden Erhebungs⸗ und Verwaltungskosten in die

Reichs t den einzelnen Bunde staaten nach dem Maß as , lng mit ö sie zu den Matrikularbeiträgen herangezogen werden, zu überweisen.“ ͤ Der Abg. Dr. Stephani beantragte, um denen, die zwar mit tem in dieser Vorlage zum Ausdruck kommenden Prinzip der

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nur geschehen, weil er darin einen billigen Ausgleich für die

ausgleichenden Gerechtigkeit einverstanden seien, dessenungeachtet

aber nicht dem allgemeinen Steuerreformplan des Reichskanz⸗ lers zustimmten, Gelegenheit zu geben, sich nach beiden Nich⸗ tungen hin zu falviren, über den letzten Passus dieses Para⸗ graphs von den Worten: „und ist den einzelnen Bundes⸗ staaten“ ab getrennt abstimmen zu lassen. ; Der 5. 50 wurde hierauf unverändert genehmigt. Ebenso der letzte 5. 5, demzufolge das Gesetz am 1. Oktober 18851 in Kraft treten solle. . Damit war die Spezialberathung der Vorlage erledigt. Von der Kommission waren folgende zwei Resolutionen vorgeschlagen: . ö .

1) den Herrn Reichskanzler um besondere Fürsorge dafür zu ersuchen, daß für die Abstempelung der nach diesem Gesetz stempel⸗ pflichtigen Werthpapiere bereits 30 Tage vor dem Inkrafttreten des Gesetzes die Möglichkeit dargeboten werde;

3) den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, auf die Aufhebung der noch bestehenden Staatelotterien der deutschen Bundesstaaten hinzu⸗ wirken, inzwischen jedenfalls einer Erweiterung der bestehenden vor— ubeugen.

Die erste Resolution wurde ohne Debatte angenommen. Zur zweiten bemerkte der Bundeskommissar, die Staats⸗ lotterlen bildeten einen erheblichen Theil der Einnahmen mehrerer Bundesstaaten; ihr Aufrechterhaltung oder Auf⸗ hebung stehe lediglich in der Kompetenz der Landesregierungen. Er möchte nicht unterlassen, dies zur Erwägung anheim zu eben. ; Der Abg. Stumm betonte, daß bei einer früheren Gele⸗ genheit das Haus über einen ähnlichen Antrag zur einfachen Tagesordnung übergegangen sei, weil derselbe über die Kom⸗ etenz des Reichstages hinausgehe. Wenn der Reichstag den n . jetzt annehme, so würde das ein Eingriff in die Finanz⸗ gebahrung der Einzelstaaten sein, abgesehen davon, welchen Standpunkt man der Lotterie gegenüber sonst einnehme. Der jetzige Augenblick, wo man von den Einzelstaaten verlange, daß sie an direkten Steuern Erlaß gewähren sollten, sei jeden⸗ falls nicht geeignet, ihnen diese Einnahmequelle zu verstopfen. Ramentlich sei es zu verwundern, daß gerade von jener Seite her, die gestern nur Worte des herbsten Tadels über das durchaus loyale Vorgehen des Reichskanzlers Ham⸗ burg gegenüber gehabt, habe, diese Resolution befür⸗ wortet würde, welche in die Rechte der Einzelstaaten und auch Hamburgs, welches ja auch eine Lotterie habe, so tief eingreife. Das Vorgehen des Reiches gegen die Spielbanken könne man nicht als Analogon anführen; da handele es sich um das Uebermaß des Spiels. Das Spiel an sich sei ebensowenig ein Laster, wie das Trinken; wenn man das Spiel ganz ab⸗ schaffen wolle, dann müsse, man auch das Kartenspiel ver⸗ bieten. Er halte es sogar für ganz nützlich, wenn der arme Mann ein paar Groschen zusammenspare, um auch einmal sein Glück in der Lotterie zu versuchen; das sei besser, als wenn derselbe das Geld anderweitig ausgebe. Er könne des— halb nur empfehlen, die Resolution ab ulehnen.

Der Abg. Sonnemann erklärte, das heutige Auftreten des Abg. Stumm sei um so auffälliger, als gerade die Partei⸗ genossen desselben die Resolution beantragt hätten, die von der Kommission fast einstimmig genehmigt sei. Durch die Reso⸗ intion solle ausgedrückt werden, daß durch die Bewilligung der Steuer auf Losterieloose nicht etwa eine Billigung des un⸗ moralischen Lotteriespiels ausgedrückt werden solle. Der Inhalt der Resolution gehe aber noch weiter; die Lotterien sollten nicht weiter ausgedehnt werden. Es sei ja ein ganz angmaler Zu— stand, daß einzelne Staaten die Lotterie ganz verböten, andere sie nach Vedürfniß jedes Jahr vermehrten, ohne einen festen Lotterieplan zu. haben. Er glaube wirklich, der Ertrag der Börsensteuer könnte nicht besser und würdiger verwendet werden, als zur Deckung der durch Aufhebung der Lotterie entstehen⸗ den Ausfälle. Was die Hamburger Lotterie anlange, für die sich der Abg. Stumm auffälliger Weise engagire, so halte er die Hamburger für viel zu gute Patrioten, als daß sie sich einem derartigen Reichsgesetz nicht gerne würden fügen wollen. Bayern habe gar keine Lotterie und müsse es mit ansehen, wie heimlich dort die Loose anderer Lotterien abgesetzt würden. Wenn irgend wo so sei in diesem Punkte die Unifilation nothwendig. So gut wie man in Deutschland die Spiel⸗ banken hätte aufheben dürfen, habe man auch die Kompetenz durch Reichsgesetz die Lotterien zu verbieten. Auffällig sei es, daß gerade von konser vativer Seite, die sonst in der Be⸗ schränkung der persönlichen Freiheit des Individuums das Möchlichste leiste, für die Spielfreiheit eingetreten werde. Konfequent könne er dieses Verfahren nicht finden.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, es sei charalteristisch, daß die Herren, die Alles vertheidigten, was auf die Beschränkung der derfassun gs mäßigen Rechte Hamburgs abziele, heute plötz⸗ lich „Gottes Segen bei Cohn“ beschützten, während sie sich nicht scheuten, die nothwendigsten Lebensmittel zu vertheuern, wollten diefe Herren dem armen Manne die Betheiligung an Glücksspielen sichern. Bei der jetzigen Wirthschastspolitik lei das schließlich noch der einzige Weg, auf dem der arme Mann überhaupt noch zu Etwas kommen könne. Die Ein künfte aus der Lotterie seien verschwindend klein, im Ver⸗ hältniß zu den Summen, die der Reichstag in letzter Zeit bewilligt habe. Die Resolution scheine ihm allerding ein Internum der Majorität, die den Stempel auf Lotterielgose dewilligt habe; er halte es für verkehrt, das sinanzielle Interesse des Stagtes an der Lotterie zu engagiren und gleichzeitig die Abschaffung derselben zu beantragen. Das heiße ein Pferd vor und eins hinter den Wagen spannen. Nachdem nun die Resolution gestellt seien, würden er und se =

olitischen Freunde für dieselbe stimmen, damit es nich cheine, als ob seine Partei die öffentliche Aufforderung des Staates zur Vetheiligung an einem Giüc'sspiel billige, ö.

Der Abg. Dr. Windthorst sprach sich für die dieso ution aus, weil vom sittlichen Standyunkte aus die Aushebung * Lotterien angestrebt werden müsse. Zwar sei das Deich. ni ht kompetent, selbst die Aufhebung der Lotterien zu beschließen. es gehe aber nicht über seine Vompeten hinaus, wenn der Neichskanzler in freundlicher Weise die einzelnen Staaten darauf aufmerksam mache, daß es Heit sei, die Lotterien ausf⸗ nwarg. Diskussion wurde geschlossen, Die Abstimmung über die Resolution findet erst in dritter Lesung statt. *.

Hierauf vertagte sich das Daus um 4 Uhr auf Montag

11 Uhr.