1881 / 125 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 31 May 1881 18:00:01 GMT) scan diff

gehe auf und nieder, ohne daß der Zoll auf solche Konjekturen einen Einfluß ausübe. Weiter habe der Abg. Forckenbeck ge⸗ sagt, daß die Miethen in Berlin sich entschieden im Aufssteigen befänden. Ein beachtenswerthes Symptom sei auch die Ab⸗ nahme der Konkurse und Subhastationen. Mit den Angriffen auf die neue Wirthschaftspolitik werde man kein Glück . denn das Land habe gesehen, daß die Ref sich entschieden ekräftigt habe, und werde hoffentlich denen kein Vertrauen 6 welche für die Thätigkeit des künstigen Reichstags die Parole ausgäben: „Fort mit der Wirthschaftspolitik.“ Er bitte also, die 3 der Regierung anzunehmen.

Der Abg. von Benda bemerkte, nachdem seine politischen Freunde und er im Jahre 1879 die agrarischen Zölle einstim⸗ mig abgelehnt hätten, würden sie auch gegen den Mehlzoll stimmen. Die Motive der jetzigen Vorlage führten nothwendig zu dem Ergebniß, daß früher die Zölle auf Roggen und Wei⸗ zen zu hoch normirt seien. Man sollte nun daraus folgern, daß die Regierung auf die ursprüngliche Vorlage von 1879, auf die kleinen Kornzölle zurückgegangen wäre. Das sei aber nicht geschehen, und seine Partei werde diese Position weder annehmen noch Anträge zu derselben stellen. Die Frage des Traubenzolls habe auch das Haus schon im Jahre 1879 lebhaft beschäftigt. Man habe damals im Interesse der inländischen Weinfabrikanten und der

inanzverwaltung beantragt einen Zoll von 10 M66 auf

rauben zu legen. Damals habe die Regierung eine solche Verzollung mit Rücksicht auf den überaus geringen Import von Trauben für unnöthig erklärt. Die Regierung gebe nun zu, sich geirrt zu haben und berufe sich auf die Ziffer von 138 000 Doppelcentner, welche im vorigen Jahre importirt worden seien. Obgleich er glaube, daß die überaus schlechte Ernte auf diesen Import von wesentlichem Einfluß gewesen sei, so sei seine Partei doch bereit, die Regierung in der Abwehr jenes Mißbrauchs zu unterstützen, glaube aber, daß man hierin nur so weit gehen müsse als unbedingt nothwendig sei. Der Zoll von 15 S6, nämlich 50 Proz. des Werths, sei viel zu hoch. Er möchte empfehlen mit Rücksicht darauf, daß man den Genuß frischen Obstes nicht übermäßig beschränken solle, den von seiner Partei normirten Satz von 10 M6 zu acceptiren, der auf den Gutachten der kompetenten Interessenten beruhe. Er werde in zweiter Lesung einen diesbezüglichen Antrag stellen. Was die geschäftliche Behandlung der Vorlage betreffe, so schließe er sich dem Antrage an, die zweite Lesung im Plenum vor— zunehmen.

Der Abg. 66 von Mirbach erklärte, der Reichskanzler sei nie ein absoluter Freihändler gewesen, wie der Abg. Bam⸗ berger meine, derselbe sei aber auch nicht ein einseitiger Schutz⸗ zöllner geworden; auch seine (des Redners) Partei stehe auf diesem Standpunkt. Was den österreichischen Handelsvertrag betreffe, so sei seine Partei dem Reichskanzler dankbar dafür, daß der⸗ selbe die speziellen Interessen Deutschlands in den Vorder⸗ grund gestellt und nicht zu weitgehende Konzessionen gemacht habe. Eine Zollunion an der Zollgrenze beider Länder wäre sehr erwünscht. Der Abg. Bamberger habe gemeint, die Aus⸗ führungsbestimmungen des Holzzolles wären zu hart. Wie komme es denn aber, daß der Holzhandel beispielsweise in Tilsit einen außerordentlich bedeutenden Aufschwung genom— men habe? Was diese Zölle betreffe, so stehe er auf dem⸗ selben Standpunkte wie früher; er wolle in dieser Legis⸗ laturperiode Aenderungen des Zolltarifs nicht vorneh⸗ men, er und seine politischen Freunde wollten ab⸗ warten und Erfahrungen sammeln. Bei den vorliegenden , handele es sich aber nicht um Erhöhungen der

blle, sondern um die Konsequenzen einzelner Positionen, welche abhängig seien von Hauptpositionen des Zolltarifs. Zweifellos liege die Sache so beim Mehlzoll. Man habe die Erhöhung des Roggenzolles nicht berücksichtigt, die Konsequenz sei, daß man mit Rücksicht darauf diese Position verbessern müsse. Ebenso verhalte es sich auch mit dem Traubenzoll, anders allerdings mit der Industrieposition, aber da handele es sich um hochwerthige Luxusartikel und seine Partei sei gern bereit, diese Position zu bewilligen, wenn die Sätze auch etwas hoch gegriffen sein mögen. Dagegen könne er die Resolution nicht acceptiren, da dieselbe die Landwirthschaft nicht schütze, sondern ganz erheblich treffe. Die Landwirthschaft bedürfe des Schutzes und diesem Zwecke entsprächen die Kornzölle. Man komme damit aber auch dem deutschen Arbeiter⸗ stande, dem Ackerbürger zu Hülfe. Die überwiegende Mehr⸗ heit der Bevölkerung habe ein sehr lebhaftes Interesse daran, daß die landwirthschaftliche Produktion möglichst hohe Preise habe. Die Gegner der jetzigen Wirthschaftspolitik befänden sich in einem fundamentalen Irrthum, wenn sie glaubten, daß die Frage billiger Lebensmittel für den kleinen Mann ent⸗— scheidend sei. Der ländlichen Bevölkerung, auch dem Arbeiter, dem Drescher, der seinen Lohn hauptsächlich in Feldfrüchten erhalte, liege sehr viel an den hohen Preisen der Produkte, weil davon ihre Einnahmen abhingen. Eine Lebensfrage für die arbeitenden Klassen aber sei, daß sie dauernde und ge⸗ sicherte Arbeit hätten. Für die ländlichen Arbeiter habe es niemals eine bessere Zeit gegeben als die Zeit Anfangs der 60er Jahre, wo die Lebensmittel ganz außerordentlich hoch gewesen seien, die Arbeiter aber lohnende Beschäftigung gehabt hätten. Eine schlechte Ernte treffe zumeist auch den städtischen Gewerbe⸗ treibenden, weil derselbe weniger ländliche Abnehmer finde. Wenn aber die Lebensmittelfrage wirklich eine so große Rolle spiele, wie komme es denn, daß die arbeitende Bevölkerung des Ostens, wo die Lebensmittel billig seien, nach dem theuren Westen wandere? Das liege nur daran, daß sie im Westen eine dauerndere und lohnendere Beschästigung finde als in der Heimath. Damit sei aber schlagend bewiesen, daß für die Lage der Arbeiter die Lebensmittelfrage völlig indifferent sei. Eine solche Theorie habe einen ee Werth nur sür Wahl⸗ agitationen, wenn man Unzufriedenheit schaffen wolle. Er empfehle die Vorlage als Ergänzung zum Zolltarif.

Der Abg. Löwe (Berlin) führte aus, schon bei der Be⸗ rathung des Zolltarifs habe seine Partei darauf hingewiesen, daß das Werk sich sehr bald als fehler⸗ und lückenhaft heraus⸗ stellen würde, und daß man sich in Kurzem werde überzeugen müssen, daß es unmöglich sei, Nothstände, die in allgemeinen Verhältnissen ihren Ursprung hätten, durch eine Aenderung des Zolltarifs beseitigen zu wollen. Die Unzulänglichkeit des letzteren trete jetzt zu Tage, anstatt aber den k . Fehler dadurch gutzumachen, daß man die falsche Maßregel zurück⸗ nehme, gehe man auf dem bedauerlichen Wege weiter und vergrößere dadurch das Uebel. Der Haupt⸗ zweck der ganzen Zollreform sei damals gewesen, die roßen Interessentengruppen der Eisenproduzenten und der

pinner zu gewinnen und diese Koalition zu politischen Zwecken zu gebrauchen. Im Interesse der Spinnereibesitzer

immer

2 man geglaubt, die Garnzölle garnicht hoch genug fest⸗ ellen zu können, obwohl er und seine politischen Freunde schon damals auf das Eindringlichste gewarnt hätten, nicht so weit zu gehen, daß dadurch die en n der Weber in Frage gestellt werde. Jetzt sei das Gefürchtete eingetreten, weil man die Zölle auf ausländische Kammgarne, deren die Meeraner Weberei nothwendig bedürfe, von 3 auf 8 bezw. 12 S6 erhöht habe, angeblich weil es für die Zollbeamten unmöglich sei, Kammgarne von anderen Garnen zu unter⸗ scheiden, und deshalb beide gleichmäßig behandelt werden müßten. Die Industriellen müßten die Kammgarne von anderen doch auch unterscheiden können, man mache also die Gesetze mit Rücksicht auf die mangel⸗ hafte Qualifikation der Beamten. Zu der Nothlage, welche durch die Garnzölle unter den Webern in Meerane herbei— geführt worden sei, komme noch die Vertheuerung der Lebens— mittel. Der Abg. von Mirbach behaupte zwar, die Ver⸗ theuerung der Lebensmittel komme für den Arbeiter gar nicht in Betracht, sobald derselbe nur Arbeit habe, wenn man aber bedenke, daß fast der ganze Arbeitsverdienst zur Befriedigung der nothwendigsten Lebensbedürfnisse in Anspruch genommen werde und daß dabei ganz minime Beträge schon eine erheb⸗ liche Rolle spielten, so werde man schwerlich behaupten können, daß eine Steigerung des Preises der Lebensmittel für den Ar⸗ beiter gleichgültig sei. Und diese Steigerung, welche durch die Zölle herbeigeführt worden, sei keineswegs gering. Nach Er⸗ hebungen, die er in einem rheinisch⸗westfälischen Bezirk ange⸗ stellt habe, beziffere sich dieselbe auf etwa 10 Proz. Der Abg. von Mirbach sage nun, man solle den Arbeitern rathen, aus den westlichen Pfrovinzen nach dem Osten zu gehen, wo die Lebensmittel billiger seien. Glaube denn der Abg. von Mir— bach, daß die Industrie wie eine Feldfrucht ganz nach Be⸗ lieben an irgend einem Orte gezogen werden könne? Sie entwickele sich naturgemäß nach ihren örtlichen Be⸗ dingungen und man vermöge nicht durch künstliche Zoll⸗ maßregeln irgend etwas daran zu ändern. Der Zolltarif habe weder im guten noch im schlimmen Sinne irgend wel⸗ chen Einfluß darauf. Wenn es nun nachgewiesen sei, daß die Meeraner Weber unter der Höhe der Lebensmittelpreise erheblich litten und daß in Folge des durch die Garnzölle herbeigeführten Darniederliegens ihrer Industrie die Löhne außerordentlich niedrig seien, so ergebe sich als nothwendiges Heilmittel, daß man die Kornzölle beseitigen und die Garn— zoͤlle wieder auf ihre natürliche Höhe bringen müßte, um da— durch die deutsche Weberei dem Auslande gegenüber konkurrenz— fahl zu machen. Statt immer neue Zollerhöhungen herbei⸗ zuführen und dadurch Repressalien des Auslandes hervorzu⸗ rufen, sorge man für die Freiheit des Verkehrs; man werde dadurch dem Lande mehr nützen als mit allen Schutzzöllen.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär des Reichs⸗-Schatzamts Scholz das Wort:

Der letzte ö. Redner hat nach seinem Standpunkte selbst⸗ verständlich den Gedanken ausgeführt, wenn auf dem Wege, der 1879 beschritten worden, weiter fortgegangen werde, würde es noch viel trauriger werden; ich glaube aber, er hat durch einen Satz, den er später in seiner Rede aufgestellt hat, schon dazu mitgewirkt, den Ent⸗ schluß zum Weitergehen auf dem Wege etwas leichter zu machen, in⸗ dem er ausführte, daß alle Maßregeln, die getroffen werden könnten auf dem Gebiete der Zölle, nicht im Stande sein würden, die allgemeinen Verhältnisse zu ändern, sei es zu bessern oder zu ver⸗ schlechtern. Ich habs mit diesem Satze nicht recht in Einklang zu bringen permocht die Detailsausführungen des Herrn Redners. Ge⸗— freut hat mich, daß der Herr Redner unumwunden anerkannt hat, daß die Verhältnisse in Meerane und Glauchau einer Besserung be⸗— dürfen und daß er an seinem Theile bereit ist, dazu mitzuwirken, wenn ich auch nicht glaube, daß der Weg, den er in seinem Antrage in Aussicht gestellt hat, der richtige ist.

Der Hr. Abg. von Benda hat Namens seiner Freunde die An— sicht ausgesprochen, daß es ihnen unmöglich sei, etwas anderes zu thun, als mit einer Ablehnung auf die Regierungsvorlage zu ant— worten, weil sie sich einer Initiative zur wirklichen Verbesserung der Zölle auf Wollwaaren enthalten müßten, die er in derselben Rich⸗ tung, wenn ich ihn recht verstanden habe, findet, wie der letzte Hr. Redner. Ich glaube, daß es doch immerhin zwischen diesem Stand— punkt und dem der Regierung noch einen anderen giebt, das wäre der, anzuerkennen, daß innerhalb des bestehenden Systemes Schäden auch ver⸗ bessert werden müssen, wenn man nicht die Majorität dazu erreicht, das ganze System nach seiner Meinung umzuändern, daß man also in einem speziellen Punkte, wo eine Noth besteht, wo eine Verbesserungs—⸗ bedürftigkeit anerkannt werden muß, auch innerhalb des geltenden Systemes die Hand bieten muß, eine Besserung herbeizuführen.

Ich glaube, nach den bisher gehörten Reden, daß ich zur Dar⸗ legung des Standpunktes der Regierung nur noch einige wenige Worte gegen den ersten Herrn Redner zu richten habe. Er hat angedeutet, daß wir uns mit dieser Vorlage an einer bedeutungsvollen Etappe in der Entwickelung unseres Tarifes befinden; er hat gesagt, es sei nicht von einer Analogie mit der Flachszollfrage zu reden, sondern prinzipielle Aenderungen müssen vorgenommen werden, weil das Gesetz sich als schädlich erwiesen habe, und er hat daran eine Betrachtung geknüpft, die der Hr. Abg. von Kardorff schon zum Theil zurückzu⸗ weisen gesucht hat, wie die Regierung ihrerseits das Nichtrütteln an dem Tarif nur in einer sehr einseitigen Weise verstehe. Meine berren! Daß es nicht eine besondere Etappe ist, an der eine sehr zemerkenswerthe prinzipielle Neuerung hervortritt, das können Sie wohl daraus ersehen, daß es drei verhältnißmäßig doch von minder . Bedeutung nur erscheinende Punkte sind, an denen wir die zessernde Hand anlegen. Es ist von vornherein die Ansicht der Regierung gewesen, und sie mußte es auch sein, daß ein Werk wie die Tarifreform von 1879 unmöglich den Anspruch erheben könne, in allen ihren Theilen als vollendetes, für lange Zeit unantastbares Ganze zu gelten. Woran bei dieser Reform nicht ge—⸗ rüttelt werden soll, ist das Prinzip, das zur Durchführung gekommen ist; daß aber in der Anwendung des Prinzipes auch manche einzelne debler untergelaufen sein können, nach menschlicher Weise auch unter⸗

gelaufen sein müssen, das hat die e nie verkannt, und sie

würde sich eines argen Verstoßes gegen ihre Pflichten schuldig machen, wenn sie des Prinzipes wegen, um nicht an dem Tarife zu rütteln, die Uebelstände fortdauern lassen wollte, die schon offen zu Tage getreten sind. Es ist, wie der Hr. Abg. Bam⸗ berger hervorgehoben hat, auf mancherlei Beschwerden im vorigen Jahre in Bescheiden auch gesagt worden, wo es sich um Einzelheiten handelte; am Tarife können wir jetzt nicht rütteln, es ist kelne Zeit dazu, die Frage jetzt schon wieder von Neuem zu untersuchen Und vielleicht zu einer parlamentarischen Erörterung zu bringen. Meine Herren, das galt im vorigen Jahre, wie ich glaube, und auch Ihrerseits anerkannt zu sehen hoffe, mit Recht für alle solche spezielle Punkte mit Aus⸗ nahme des einen, der auf der Hand lag, nämlich des Flachs zolleg. In Be⸗ zug auf alle übrigen Artikel mußte erst wenigstens eine einjährige Erfahrung vorliegen, ehe man sagen konnte, bier ist ein Bedürfniß, etwas zu ändern. Nun ist für solche Detailsfragen die 53. gekommen, um zu sehen, was zu bessern ist. Es ist also das ein Widerspruch gar nicht. Die Regierung ist der Meinung, an dem Prinzip des mäßigen Schutzes, das im Jahre 1879 durchgedrungen ist, soll un f f nichts geändert werden; aber in einzelnen Mängeln Verbesserungen einzuführen, soll nicht von der Hand gewiesen werden.

Der Herr Abgeordnete hat sich auch gewundert, 2 in der Vor⸗ lage keine Betrachtung angestellt sei über die Zollherabsetzungen, die man wohl eintreten lassen, mit denen man den Zweck auch erreichen

könnte. Das würde eben ein Schritt gegen das Prinzip gewesen se deshalb ist es unnöthig, auf diesen 8. näher 9 n sein Der Herr Abgeordnete hat Betrachtungen darüher angestellt wie viel. Schifsbrüche, die Regierung inzwischen erlitten hab mit früheren Aussprüchen und Prinzipien, die von ihr hin. gestellt worden seien. Er hat gesagt, wo sind die Kampf⸗ zölle hingekommen, wo ist hingekommen, was wir mit de Kampfzöllen erreichen wollten? Ja, meine Herren, bisher sind Zolle welche die Regierung als Kampfzöͤlle gebrauchen könnte, hier noch nicht bewilligt worden. Die Regierung ist in der Lage gewesen, einen al⸗ gemeinen Zolltarif, von Ihnen begehren zu müssen, weil das drina⸗ licher war als die Erlangung einzelner wichtiger Kampfzölle; 3. die Idee, die Absicht solche Kampfzölle festzustellen, die dann' einen angemessenen Ausgangspunkt für Handelsverträge geben würden ist nicht aufgegeben, sie ist nur noch nicht durchgeführt. ; Der Herr Abgeordnete hat gefragt, wo die Entwickelung der Spinnerei sei, die damals in Aussicht gestellt wurde. In zwei Jahren ist es gewiß nicht zu verlangen, daß eine solche allgemeine Entwickelung sich schon zeigen sollte, und die Motive heben auẽdrück⸗ lich hervor, daß das grade ein Grund ist, um von dem Wege, der 1879 beschrittten worden ist, nicht abzugehen, nicht den Weg einzu⸗ schlagen, den der letzte Herr Redner vorschlägt, die Garnzölle herab⸗ zusetzen, weil man, da diesen Zweck, die Spinnereien zu heben und bei uns leistungsfähiger zu machen, aufgeben würde, und das will die . . a Der Herr Vorredner hat dann geglaubt, behaupten zu daß die . gar keinen höheren Schutzzoll derlung⸗ 16. Das ist unrichtig. Ich weiß nicht, ob bei dem Reichstag hier keine . ,,,. . . . e. Petitionen zuge⸗ gangen, die nicht einmal mit der jetzt vorgeschlagenen Erhö = ö telt ö. J . zchun in r hat dann bezüglich der Wollwaaren gefragt, warum nicht di schwereren Wollwaaren im Zolle herabgesetzt würden, n,, daran nicht gedacht hat. Da kann ich nur sagen, in dieser Beziehung sind gar keine Erfahrungen gemacht, welche eine e rtf nn dieser Tarifposition verlangen würden. Wie verhält ez ich nun mit seiner Kritik, daß die Vorlage eine neue Anweifung auf den inländischen Verzehrer gebe, mit der nichts geholfen sei? Meine Herren! Das ist ein vollständiger Irrthum. Es ist, was die leich⸗ teren Wollwaaren betrifft, ganz zweifellos, daß unser Markt unter der Ueberschwemmung mit fremden Wollwaaren dieser Art leidet. Wenn Sie nun den Produzenten die Anweisung auf den inländischen Markt geben, wenn Sie purch Erhöhung des Zolles bewirken, daß diefe fremden Waaren in erster Linie nicht hier gekauft und nicht hier getragen werden, so gehen Sie den Produzenten in der That eine Anweisung, die ihre Einlösung finden muß, die nicht auf diejenigen Mittel ge⸗ richtet ist, welche der Konsument nicht hätte, sondern auf die, welche der Konsument bisher zum Ankauf fremder Waare verwendet hat. Die allgemeine Betrachtung, mit der der geehrte Hr. Abg. Bam— berger geschlossen hat, scheint mir nur zu beweisen, wie fehr er die Regierung verkennt. Er sagt, auf, dem Gebiete der Eisenbahnen sieht man eine Umkehr, und er erklärte das daraus, daß es sich dort um die Sache selbst, nicht wie hier, um die fanatische Durchführung eines Prinzipes handelt. . Meine Herren! Diesen Vorwurf der Regierung zu machen, er— scheint mir in der That nicht gerechtfertigt. Glaubt der Herr Ab— geordnete selbst; daß die Regierung nur um der fanatischen Durch führung eines Prinzipes willen hier diese Stellung einnimmt? Gewiß nicht; sie thut es ebenso hier wie anderwärts um der Sache willen. Und ich glaube, er begeht darin einen so fundamentalen Irrthum, wie mit den pathetischen Schlußworten, daß solche Maßregeln dazu führten, eine Nation all ihres Selbstvertrauens zu berauben, sie schwach zu machen und widerstandsunfähig. Meine Herren, ich ant— worte darauf nur mit den Worten; Amerika hat durch die Maßregel wie der Hr. Abg, Bamberger gewiß nicht wird behaupten wollen, si auch nicht schwach gemacht und widerstandslos.

Der Abg. Frhr. von Schorlemer-⸗Alst erklärte, daß er und seine politischen Freunde für die Vorlage stimmen würden. Der Abg. Richter habe heute das Thema vom armen Mann seinen Kollegen Bamberger und Löwe überlassen. Er werde auch eine Lanze für den armen Landwirth einlegen. Den Abg. von Benda frage er (Redner), wenn derselbe die Korn— zölle für so schädlich halte, warum derselbe nicht die Auf— hebung der Kornzölle beantrage? Man wisse nie, woran man mit den Herren sei, sie seien nicht warm, nicht kalt. Wie wenig nuͤtzlich ihnen ein solches Verhalten sei, sollte den Herren doch ihre Beziehung zum Reichskanzler zeigen. Daß der Abg. von Benda den Traubenzoll ab— lehnen wolle, scheine ihm gleichfalls wenig gerecht⸗ fertigt, denn die ausländischen Trauben, soweit sie als Genußmittel dienten, kämen doch nur auf die Tafeln wohl— habender Leute, die den Zoll leicht tragen könnten. Der Abg. Bamberger, der die Verhältnisse der heimischen Winzer ge— nauer kenne, sei über den Traubenzoll schnell hinweggegangen und habe seine Kraftworte vorzugsweise gegen die Getreide⸗ zölle gekehrt. Wenn das ganze , wirklich, wie die linke Seite dieses Hauses behaupte, sich ganz uns gar nicht bewährt habe, so wisse er nicht, weshalb man fort—⸗ während große Reden darüber halte. Das Land müsse es ja dann aus eigener Erfahrung wissen und würde seinen Wünschen schon Ausdruck geben. Der Abg. Bamberger habe seinen Unwillen darüber geäußert, daß man der Wirthschafts— politik des Reichskanzlers eine beinahe göttliche Verehrung zolle. Er sei gewiß ein Gegner alles Byzantinismus und eine Verherrlichung, wie der Abg. Mosle sie neulich hier entwickelt habe und bei der nur noch die Drehorgel gefehlt habe, sei ihm in hohem Grade zuwider. Aber habe die linke Seite selbst nicht früher, als der Reichskanzler noch eine Wirthschastspolitik in freihändlerischem Sinne verfolgt habe, ihn ebenso verherrlicht? Wenn diese immer wiederkeh= renden Behauptungen vom theuren Brode etwas beweisen könnten, so sollte man wirklich glauben, daß das Brod theuer sei. Mit diesem ewigen Geschrei werde es der linken Seite dieses Hauses noch gehen, wie dem Schäfer mit seinem Rufe: „Der Wolf sei da.“ Man werde diefen Worten schließlich nicht mehr glauben, selbst wenn das Brod wirkl! einmal theuer geworden fein sollte. Der Abg. Löwe wolle freilich in Rheinland ⸗Westfalen eine Vertheue⸗ rung um 10 Proz. sestgestellt haben. Der Abg. Löwe übersehe aber, daß derselbe mit dieser Behauptung gegen den Kornzoll zu viel beweise. Nach seiner (des Redners) Ueber= zeugung würden eine oder zwei gute Ernten genügen, um alle Klagen aufzuheben und die Zollpotitik des Reichskanzlers in glän= zendem Lichte erscheinen zu lassen. Gegenwärtig sei de Landmann nicht im Stande, Geld auszugeben, und darunter leide auch die Industrie. Die Interessen beider gingen hand in F. und die Herren von der Linken hofften vergeblich, die Industriellen für die 2 der Kornzölle zu, ge= winnen. Von der Verderblichkeit der übrigen 36. sei es schon ganz still geworden, nur gegen die Getreldezölle eifer man noch, weil diese sich bei der Agitation in Wahl versamm— lungen wirksam verwenden ließen. Äber auch diefe Versuche auf den armen Mann zu speluliren, würde den Liberalen nichts helfen. Der Reichskanzler sei den Liberalen auch darin über, das würden die Wahlen beweisen. Als der Kornzoll beschlossen sei, habe es geheißen, in kurzer Zeit würden hunderttausende von Petitionen die

Wiederaushebung des Zolles gebieterisch fordern. Wo seien enn jene Petitionen? Wo 6 denn die Antikornzollliga, die u! Ausficht gestellt sei? Es sei recht schade, daß fie nicht zu Stande gekommen sei, sie wäre gewiß sehr nett geworden. Die Erfahrung habe gegen die liberale Partei entschieden und alle Versuche, dies zu bestreiten, hülfen nichts. Die liberale artei habe sich verrechnet und sei mit ihrem Freihandel hinter der Zeit zurückgeblieben. In einer Versammlung in Dort⸗ mund habe der Abg. Richter behauptet, er (Redner) hätte sich früher gegen Getreidezölle ausgesprochen, weil dieselben dem Arbeiter das Brod vertheuerten. Es sei dies durchaus unbegründet. Er habe sich gegen Getreidezölle ausgesprochen, welche das Brod vertheuerten, nicht weil sie das Brod vertheuerten. Es sei dies ein sehr wesentlicher Unterschied, denn von den jetzigen Getreidezöllen bestreite er entschieden, daß dadurch eine Ver⸗ theuerung des Brodes herbeigeführt werde. In welcher Weise und bis zu welchem Grade der Zoll auf den Konsumenten abgewälzt werde, sei noch einer der dunkelsten Punkte der Volkswirthschaft. Daß durch die Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer in Berlin die Brod und Fleischpreise nicht billiger geworden seien, sei nachgewiesen. Viel mehr als der Kornzoll trage der Schwindel der Kornbörse zur Vertheuerung des Getreides bei. Es sei unglaublich, was von den Frei⸗ ändlern alles für Behauptungen aufgestellt würden, um die erwerflichkeit der ö Zölle nachzuweisen. So heiße es in einer Broschüre, die 11 Millionen Mark Roggenzoll bedeuteten thatsächlich eine Velastung des Landeß von 208 Millionen, weil auch alles in⸗ sändische Getreide um den Betrag des Zolles im Preife, gestiegen sei. Abgesehen von der Unrichtig⸗ feit dieser Angabe sei dabei ganz übersehen, daß 16 bis 17 Proz. des inländischen Korns, welche der Landwirth an Ausfaat und Futter selbst verbrauche, bei dieser Berechnung völlig ausschieden. Niemals sei der Nachweis gelungen, daß in Folge des Kornzolles weniger Brod gegessen werde als früher. Um zu beweisen, wie schwer die Belastung durch den Kornzoll sei, sei behauptet, der Konsum an Brod betrage z Pfund per Kopf. Denke man sich, daß Jemand täglich 3 Pfund westfälischen Pumpernickel essen sollte; er glaube nicht, daß derselbe das lange aushielte, namentlich wenn er nun gar noch zwei kleine Kinder besitze, für die er auch noch die je 3 Pfund mitverzehren sollte. Man habe sogar der Landwirthschaft gerathen, sie solle sich, wenn ihr die Konkurrenz des ausländischen Getreides zu groß werde, auf den Anbau von Brennnesseln und, Kamillen legen, und mit solchen unglaublichen Rathschlägen glaube man die traurige Lage der Landwirthschaft ernsthaft zu ver⸗ bessern. Ein sehr oft gehörter Rath gehe auch dahin, die Landwirthschaft müsse intensiver betrieben werden, und müsse man an Stelle des Körnerbaues die Viehzucht in den Vorder—⸗ grund stellen. Was nütze aber der intensiveste Betrieb, wenn derselbe nicht einen Ueberschuß über die Produktionskosten liefere, und durch die Masseneinfuhr amerikanischen Getreides werde ein solcher mehr und mehr zur Unmöglichkeit. Historisch entwickele sich die Sache so, daß die Masseneinfuhr auslän⸗ dischen Getreides die Landwirthe zunächst zum Uebergang zur Viehzucht veranlasse, wenn auch hier die Konkurrenz des Aus⸗ landes einen lohnenden Betrieb unmöglich mache, so gehe der kleinere und mittlere Grundbesitz zu Grunde und es trete der ustand ein, der im alten Rom durch das Wort gekennzeichnet i Latifundia perdidere RomJmam! Die Landwirthschaft könne eine Gleichstellung mit den anderen Faktoren der Produktion fordern, sonst gehe sie unter und mit ihr sei das Land ver— loren.

Der Abg. Grad sprach sich für den Weintraubenzoll aus, weil sonst der elsässische Weinbau geschädigt und die Kunst⸗ weinfabrikation befördert werde; dagegen müsse er sich gegen den jetzigen Zoll auf Webewaaren wenden, da ein e ., Zoll die billigen Waaren viel höher treffe, als die feineren, älso z. B. das Hemd des Arbeiters etwa mit dem zwölffachen Satze gegenüber dem feinen Damenkleiderstoffe. Er empfehle im Inkeresse der Feinweberei eine Annäherung an das fran⸗ zösische System, welches je nach der Feinheit der Gewebe in verschiedenen Stufen Zollsätze erhebe, welche die Waaren ihrem Werthe angemessen träfen.

Der Abg. Auer erinnerte an ein Wort des Fürsten Bis⸗ marck, daß die Regierenden oft nicht wüßten, wie den Re⸗ gierten zu 6 sei. Das sei ein wahres Wort und könne gerade jetz auf die armen Weber in Glauchau und Meerane angewendet werben. Diesen armen Leuten sei das ihnen zur Nachtarbeit so unentbehrliche Petroleum durch Zölle vertheuert! Hätte der Reichskanzler gewußt, wie den Regierten zu Muthe sei, so würde belle nicht immer neue Steuern auf die alten häufen! Der Nothstand in den Weber distrikten sei schon sehr lange notorisch und er müsse der sächsischen Regierung den Vorwurf einer merkwürdigen Lässigkeit machen, weil sie erst jetzs auf Mittel zur Abhülfe gedacht habe. Viel hätte nicht gefehlt, so wäre es auch in dieser Session zu nichts gekommen. Der vorgeschlagenen Erhöhung der Gewebezölle hätte seine Partei, im Interesse einer dauernden Hebung dieser Industrie, den entgegengesetzten Weg einer Ermäßigung der Garnzölle vorgezogen, und darauf sei in der That auch ursprünglich die Petit on der Fabrikanten in Glauchau und Meerane hingegangen; letztere hätten sich erst, als sie sich von der Aussichtslosigkeit dieses ersten Petitums überzeugt hätten, dem Gedanlen, der in der Vorlage zu Tage treie, zugewandt. Seines Erachtens . die Vorlage nicht von dem Gesichtspunkt zollpolitischer Rücksichten, sondern als eine Nothstandsvorlage zu beurtheilen. Einen deutlichen Einblick in die dortigen Noihstands verhaltnisse lie⸗ ferten die Ausweise der Sparkassen: im Jahre 18659 seien in Meerane 2765 Einzahlungen mit über 36 090 6 erfolgt, da⸗

egen 355 Auszahlungen mit über S 000 6. Noch schlimmer * es in glen ns. wo 876 an e mit über 66 000 M, 1813 Rückzahlungen mit über 113000 gegenübergestanden hätten. Von Männern, die seit mehr als einem Menschenalter in der dortigen Inbustrie thätig feien, fei ihm versichert worden, daß sie noch nie⸗ mals Krisen von solcher Dauer und so traurigen Wirkungen durchgemacht hätten. Um einigermaßen Erleichterung zu ge⸗ währen, würden er und r politischen Freunde für die Vor⸗ lage stimmen, soweit sie sich auf Erhöhung des Gewehezolles beziehe, wenngleich er das nicht für hinreichend halte, sondern im Interesse der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie eine Erniedrigung der Garnzölle für nothwendig erachte. Der Bericht der Enquetekommission gehe, indem derselbe auf die

mburger Freihasenstellung Bezug nehme und deren Besei⸗ üigung im Interesse der Besserung des Nothstandes empfehle, von der falschen Annahme aus, daß die Hamburger Kauf⸗ leute mit besonderem Interesse lieber auslandische Waaren

nach dem Rorden exportirten als einheimische. Die Hamburger Kaufleute exportirten eben französische Waaren in erster Linie, weil dieselben für den Export bestimmt seien und auch von den nördlichen Ländern Skandinavien und Rußland mehr d,, würden als deutsche Waaren, und so lange diese Geschma 6 sich nicht ändere, werde es nichts helfen, wenn auch Hamburg in den Zollverein ein⸗ geschlossen werde; denn die Exportländer würden, wenn sie die Waaren aus Hamburg nicht mehr beziehen könnten, sie sich aus anderen Stapelplätzen kommen lassen. Der Theil der Bevölkerung, der heute französische Waaren beziehe, sei mehr oder minder auch im Stande, sie zu bezahlen, selbst wenn eine Erhöhung des Preises durch Zölle eintreten würde. Er bitte, diese Vorlage anzunehmen.

Der Bundeskommissar Königlich sächsische Geheime Re⸗ gierungs⸗Rath Böttcher erwiderte, die Vorwürfe des Vorred⸗ ners gegen die sächsische Regierung seien unbegründet. Schon im vorigen Landtage sei die Regierung bemüht gewesen, dem Nothstande in Glauchau und Meerane zu Leibe zu gehen; die dortigen Behörden seien angewiesen worden, Alles zu thun, was in ihrer Macht liege. Es habe sich auch ein ge— wisser Erfolg gezeigt. Nicht nur seien Mittel bewilligt worden, um die Weber anderen Berufszweigen zuzuführen, es sei auch wiederholt untersucht worden, ob man nicht auf dem Wege der Zollgesetzgebung etwas erreichen könne Die Petenten seien übrigens ganz anderer Meinung als der Vorredner, sie hätten sich für die prompte Erledigung ihrer Wünsche bedankt.

Es folgten persönliche Bemerkungen.

Der Abg. Dr. Bamberger erwiderte dem Abg. von Schorlemer, daß er (Redner) heute weder von dem „armen Mann“, noch von dem „theueren Brod“ gesprochen habe. Er gehöre zu denen, die gewiß am Wenigsten Wahlreden dieser Art hielten. U

Der Abg. Richter (Hagen) verwahrte sich dem Abg, von Schorlemer gegenüber dagegen, daß er Massenpetitionen gegen die Getreidezölle in Aussicht gestellt, sowie zur Bildung einer Kornzoll-Liga aufgefordert habe. Was das angeblich falsche Citat aus einer Rede des Hrn. von Schorlemer be⸗ treffe, so habe er, Redner, den stenographischen Bericht derselben vor sich, in dem es heiße: „Er (der Abg. von Schorlemer) wünsche keine Getreidezölle, weil er der Bevölke⸗ rung das Brod nicht vertheuern wolle.“

Der Abg. Frhr. von Schorlemer⸗-Alst bemerkte, bei der letzterwähnten Rede von ihm habe es sich um die Frage eines hohen Getreidezolles gehandelt, gegen den er sich mit jener Aeußerung gewandt habe.

Der Abg. Richter (Hagen) bat den Vorredner, nach den Erfahrungen, die derselbe mit seiner heutigen Ausrede gemacht habe, künftig etwas vorsichtiger zu sein, eine Mahnung, die Abg. von Schorlemer zurückweisen zu müssen glaubte.

Damit schloß die erste Lesung. In der zweiten Lesung, die im Plenum vorgenommen wurde, wurden die einzelnen Tarispositionen besonders diskutirt.

Der Zoll auf Weintrauben soll nach der Vorlage 15 ( für 100 kg betragen.

Der Abg. Sonnemann beantragte, nur einen Zoll von 10 9 einzuführen, dagegen Weintrauben, welche nicht zur Weinbereitung dienten, in Körben von 8 kg und weniger, zollfrei zu lassen.

Der 36 Sonnemann erklärte, er habe sich bei einem früheren Anlaß schon für einen mäßigen Zoll auf Trauben, welche zur Weinbereitung dienen sollten, ausgesprochen, und zwar vorzugsweise im finanziellen Interesse des Reichs. Der vorgeschlagene Zoll von 15 40 sei aber viel zu hoch. Derselbe gleiche einem vollständigen Ausschluß der Traubeneinfuhr. Zunächst sei die Höhe der Einfuhr von Trauben sehr über⸗ trieben worden. Sie könnte nur in Mißjahren stattfinden und habe im vorigen Jahre nur 2— 2 Proz. der normalen Wein⸗ produktion Deutschlands betragen. Sie könne daher die deutschen Winzer niemals schädigen. Wie stark aber in schlechten Jahren der Ausfall der deutschen Weinproduktion sei, wolle er dem . nur an einer Ziffer darthun. In Elsaß—

othringen seien im Jahre 18738 1222 602 hl. Wein produzirt, im Jahre 1879 dagegen nur 246 813 hl. Daß bei einem so starken Ausfall der inländischen Produktion das Ausland einigermaßen aushelfe, sei im Interesse der Kon⸗ sumtion nur zu wünschen. Geschehe dies nicht, dann werde man trotz aller Verbote noch mehr schlechten Kunstwein zu trinken bekommen. Nun finde er um deswillen den Zoll von 15 6 für viel zu hoch bemessen, weil nach seinen Erkun⸗ digungen aus 160 kg italienischer Trauben nur 190 rg Wein gemacht werden könnten, weil auf dem Transport sehr viel verloren gehe und die Rappen stärker seien. Endlich habe die Regierung nicht erwogen, daß Wein erst zwei Jahre nach der Kelterung ausgeführt werde und daß inzwischen ein bedeuten⸗ der Abgang stattfinde. Die Einfuhr der Trauben müsse per Eilgut stattfinden, was den Bezug enorm vertheuere. Das Interesse, welches die Champagnerfabrikation an der Frage habe, sei schon früher von ihm e, wn wor⸗ den. Frankreich führe die italienischen Trauben frei ein, den Wein mit einem nominellen Zoll. In Deutschland würde der Zoll von 156 6 dieser 3 die Konkurrenz im Auslande abermals erschweren. ie betreffenden Interessenten glaubten höchstens einen Zoll von 5 6 zugestehen zu können. Er habe aber das Doppelte beantragt, weil er gewohnt sei, den Stim⸗ men der Interessenten immer nur einen relativen Werth beizulegen. Er habe noch einen anderen gewichtigen Grund sür die Ziffer von 10 6 gebt. Es sei bekannt, daß zwei derjenigen Staaten, in welchen der meiste Weinbau D werde, im de fz 10 6 beantragt hätten. Der Reichstag brauche doch nicht schutzzöllnerischer zu sein als die Regierungen dieser beiden Staaten. Der zweite Antrag (Anmerkung zum Taris) betreffe die Trauben, welche zum Genusse bestimmt seien. Auch hier habe eine in der Holl⸗ technik sehr erfahrene Regierung, die sächsische, im Bundes⸗ rathe einen Antrag gestellt, welcher mit dem ke, gleich⸗ laute. Die Sache müsse also von ihr als unausführbar an⸗ kannt worden sein. Der Zoll 14 rauben, welche als Obst genossen würden, würde eine Bresche in diesen Theil des deutschen Zolltariss schießen, weil alle Dbstgattungen frei seien. Mit demselben Rechte könnten die Gemüsegärtner einen Zoll auf ausländische Gemüse verlangen. Es sei ein Irrthum, wenn angenommen werde, die Trauben würden lediglich zum Luxusgebrauche eingeführi. Dies möge für Norddeutschland richtig sein. In dr würden dieselben von allen Bevolkerungsklassen gekaust. Auch zum Kurgebrauch würden dieselben allen Klassen verordnet. r Zoll von 15 M ver⸗ theuere dag Kilogramm bis es in die Hande der Konsumenten

komme, um 25 3. Er empfehle die Annahme seiner Anträge.

Hierauf nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath Direktor im Reichsschatziemt Burchard wie folgt das Wort: Meine Herren! Ich kann mich gleichfalls sehr kurz fassen, da ja über die Frage, ob ein Traubenzoll aufgelegt werden soll, im hohen . eine Meinungsverschiedenheit so gut wie gar nicht besteht. Es andelt sich um die Frage, ein wie hoher Traubenzoll auferlegt wer⸗ den soll. Die Regierung hat Ihnen vorgeschlagen einen Zoll von 15 6 pro 100 kg und per netto, d. h. es wird dabei für die Ver⸗ packung ein Taraabzug gewährt. Es steht dieser Satz insofern prin⸗ zipiell im Widerspruch mit dem Weinzoll, als der Weinzoll 24 0 pro 100 kg beträgt, aber Brutto, d. h. einschließlich des Gewichts der iin schffeßen Das ist nicht ganz gleichgiltig, denn, wie auch in der Vorlage ausgeführt ist, beträgt das Gewicht der , , . niedrig gegriffen, 16 Proz. bis zu 20 Proz., es würde also der Wein⸗ zoll, d. h. der Zoll, der auf die Flüssigkeit des Weins gelegt ist, un⸗ gefähr 28 bis 30 pro Doppelzentner betragen.

Es kam nun darauf an, zu diesem bestehenden ö. den Zoll für Trauben in ein richtiges Verhältniß zu bringen. Der ö Vorredner hat seinerseits ausgeführt, er halte den

einzoll ganz vorwiegend für einen Finanzzoll und auch den Trauben⸗ zoll für einen Finanzzoll. Ich möchte diese Auffassung im allgemeinen theilen. Allerdings gewährt der Traubenzoll und soll er gewähren einen erheblichen Schutz auch für den inländischen Weinbau. In⸗ dessen, die Regierung müßte zunächst ihr Augenmerk darauf richten, daß die Lücke im Gesetze, die bisher besteht, daß nämlich durch zoll⸗ freie Einfuhr von Trauben das Erträgniß des Weinzolles geschmälert wird, beseitigt werde. Es wäre also von diesem Standpunkte aus vollständig korrekt gewesen, wenn man sich einfach gefragt hätte: wie viel Trauben sind nöthig zur Herstellung von Wein? Wenn nach diesem Verhältniß der Zoll von Trauben berechnet wäre, so würde dafür gesorgt sein, daß der Weinzoll nicht durch die Einfuhr von Trauben umgangen werden kann. Dieser Weg, ist auch zunächst eingeschlagen worden und die Vorlage kommt bei der Berechnung auf dieser Grundlage zu der Annahme eines Traubenzolles von 19,3 4. Sie ist dabei davon ausgegangen, daß 145 kg Trauben zur Her— stellung von 109 kg Wein erforderlich sind. Von verschiedenen un— betheiligten Seiten ist das als eine sehr hohe Annahme bezeichnet, und ich kann darauf hinweisen, daß in der Schweiz in einzelnen Städten bei Erhebung der Accise die Annahme obwaltet, daß 120 Pfund Trauben 2genügen, um 100 Pfund Most oder Wein herzu— stellen. Es erscheint also ausgeschlossen, daß man im Durch— schnitt höher gehen könnte wie 145 kg, daß man also mit dem Hrn. Abg. Sonnemann, wenn ich ihn richtig yerstanden habe, annehmen könnte, es wären 180 oder 160 kg nothwendig. Es ist das nach den angestellten Ermittelungen und solche sind ja angestellt worden fast der höchste Satz, der angenommen werden kann. Ich bin also der Meinung, daß 145 kg Trauben zur Herstellung von 100 kg Wein eine Durch— schnittsannahme bildet, gegen die Einwendungen nicht zu erheben sind.

Man hätte hiernach vom rein finanziellen Standpunkte aus sehr wohl einen Traubenzoll von 19,3 6 vorschlagen können, er ist aber herabgemindert, weil auch die andere Seite des Traubenzolls, nämlich der beabsichtigte Schutz des inländischen Weinbaues, ins Auge zu fassen war und man da von anderen Grundlagen ausgehen müßte. Denn wenn es sich um einen reinen Schutzzoll handelt, so bemißt man diesen in der Regel nach dem Werthe der Waare, die mit dem Zoll getroffen werden soll; man wird z. B. das Verhältniß zwischen Garnzoll und Gewebezoll in der Regel auf der Grundlage der Werthe zu ermitteln haben. Es ist deshalb eine zweite Rechnung auf dieser Grundlage angestellt, und die ungefähre Mitte genommen worden zwischen den Resultaten, die sich auf dem einen Wege und auf dem anderen Wege ergeben. Wenn man lediglich die Werthe zu Grunde legen wollte würde man in der That die Finanzen entschieden gefährden. Ich möchte ferner darauf hinweisen, daß die Trauben, wenn sie ausgepreßt sind, also die Trester noch einen er⸗ heblichen Werth haben, daß also lediglich der Werth der Trauben zur Weinbereitung nicht Ausschlag gebend sein kann, sondern auch noch der Werth der Trestern, die zurück bleiben, in Be⸗ tracht zu ziehen ist. Ich meine also, daß mit dem Zoll von netto

15 das Richtige getroffen worden ist; es ist nicht lediglich den finanziellen Rücksichten Rechnung getragen, aber auch nicht lediglich Werthsrücksichten, sondern die Mitte genommen worden. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß ein Antrag, wie der Hr. Abg. Sonne⸗ mann, soweit mir bekannt ist, in dieser Form bisher nicht gestellt worden ist. Er hat beantragt 10 S, d. h. ohne Zusatz, Netto. So tief hat sich kein Vorschlag bisher verstiegen; man hat wohl 10 (6 Brutto gewollt, d. i. 12 6 Netto, das ist aber immerhin ein erheb⸗ licher Unterschied. 1) S6 Netto, wie vom Hrn. Abg. Sonnemann be⸗ antragt ist, scheint in der That eine vollständig zu niedrige tarifarische Belastung zu sein, die nicht ausreichen würde, den nöthigen Schutz zu gewähren und auch finanziell nicht genügen würde, die Einführung von Trauben hintan zu halten. ;

Ich möchte dann noch auf einige Gründe eingehen, die der Hr. Abg. Sonnemann zur Unterstützung seines Vorschlags geltend ge⸗ macht hat, namentlich auf die Rücksicht, die er der Champagner⸗ fabrikation angedeihen lassen will. Ich muß gestehen, diese Rück= sicht muß etwas verwundern. Als der Zolltarif in den ersten Sta— dien berathen wurde, hat man sich die Frage vorgelegt, ob es statt⸗ haft wäre, die inländische Champagnerfabrikation ohne jede Abgabe zu lassen, während sie einen Schutzzoll genösse von 48 6 ver 1090 kg Brutto. Es ist das ein so weitgehender Schutz, daß man in der That finanzielle Bedenken hegen mußte, ihn in so ausgiebiger Weise einem Industriezweig zukommen zu lassen. Man hat damals von einer Besteuerung Abstand genommen, einerseits der technischen Schwierigkeiten wegen, welche mit der Einführung einer Abgabe auf die inländische Schaumweinfabrikation verbunden sein würden, ande⸗ rerfeits weil man sich sagte: vor der Hand wird es zu einer Gefahr für die finanziellen Interessen nicht führen können, man kann abwarten, wie die Sache im Laufe der Jahre sich entwickelt; es handelt sich um eine Fabrikation, die in den Anfängen sich befindet. Man hat aber dabei nicht angenommen, daß die inländische Cham pagnerfabrikation ihre Trauben vom Auslande beziehen würde. Jetzt genießt sie selbst bei der Einführung der Trauben vom Ausland den vollen Schutz von 48 Brutto, das sind ungefähr 60 oder 58 M Netto. Wenn aber der Traubenzoll eingeführt wird, so verbleibt der Champagnerfabrikatiön noch immer ein sehr erheb— licher Schutzzoll, mindestens die Differenz zwischen dem Zoll von Wein in Fässern und von Wein in Flaschen, das sind auch noch ungefähr 30 M Ich glaube also in der That, daß die inlandische Champagnerfabrikation nicht das Mitleid soweit erregen kann, daß man deswegen Anstand nehmen sollte, diesen Zoll in der Höhe ein—

zuführen, wie er nach anderen Grundsätzen sich rechtfertigt.

Wenn ich nun übergebe auf die vorgeschlagene Anmerkung des Hrn. Sonnemann, daß Weintrauben, welche nicht zur Weinbereitung dienen, in Körben von 3 kg oder weniger, vorbehaltlich der im Falle eines Mißbrauchs örtlich in,, , Be⸗ schränkung dieser Begünstigung, frei sein sollen, so ist der Antrag zu— nächst damit begründet, daß sonst eine Bresche in daz Spstem des Zolltarifs gelegt wurde, weil der ling allgemein die Erzeugnisse des Landbaues zollfrei läßt. Ich kann darauf erwidern, Apfelsinen sind auch Erzeugnisse des Landbaues, sie sind aber nicht zollfrei, ebenso nicht alle Südfrüchte. Gs ist immer als die erste Aufgabe des Zoll⸗ tarlfs angefehen worden, diesenigen Gegenstände mit einem Zoll zu belegen, deren Einführung einem Lurusbedürfniß dient. Et ist gewiß aufsälllg, daß gerade von derjenigen Seite, die sonst immer die in direkten Steuern und Zölle deswegen angreift, weil sie angeblich den Konsum der niedrigen Volkeklassen härter treffen, daß gerade von dieser Seite aus ein Grund gegen das Auflegen des Zolles auf . darin gefunden wird, daß der Ken⸗ sum dadurch vertheuert würde, während doch unzweifelhaft ich glaube, darüber kann keine Meinungsverschiedenbeit obwalten die vom Auclande eingeführten irn afeltrauben hauptsächlich zum Genuß der reicheren und wohlhabenden Klassen bestimmt sind. Daß sie auch zum Kurgebrauch dienen, ist ja zuzugeben, aber erstens

bildet dieser Gebrauch nur einen ganz geringen Prozentsatz der allge⸗