1881 / 128 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 03 Jun 1881 18:00:01 GMT) scan diff

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Arbeitnehmer in Elsaß⸗Lothringen der Landesgesetzgebung zu uberlassen. Der Ansicht der Kommission, daß ein Stagtszu⸗ schuß unter allen Umständen zu verwerfen sei, stimme er durch⸗

Das Risiko für diese Gefahr müsse der Industrie

Gewinn und

Deutschkonservativen in dieser Frage?

Antrag von Kleist befinde si

versicherten Gewerbe dermaßen beschränkt sei, daß der Staats⸗ zuschuß eine Prämiirung weniger. Gewerbe auf Kosten der übrigen, namentlich der ländlichen Arbeiter und der Steuerzahler überhaupt wäre. Sollte sein Antrag, der sich mit dem Antrag der Fortschrittspartei decke, nicht durchgehen, so werde er und seine politischen Freunde allerdings 93 den Staatszuschuß stimmen. Der Antrag der Kommission e

i dagegen für seine Partei unannehmbar. Die Rede des

Abg. von Kleist⸗Retzow habe ihm in einem Punkte sehr ge⸗

fallen, insofern derselbe mit Entschiedenheit für die Staats⸗

hülfe eingetreten sei. Es freue ihn, daß auf der rechten Seite seine Argumente in Bezug auf den Sozialismus an— erkannt würden, und er wundere sich nur, daß man immer dort sage, die Fortschrittspartei sei sozialdemokratisch. Die

Konservativen seien sozialdemokratischer als die Fortschritts⸗ partei. In diesem Falle glaube er allerdings, daß nicht der

Staat, sondern die Industrie einzutreten habe. Die Prämien⸗

zahlung gehöre zu den Produltionskosten und er finde nichts Unge⸗ rechtes darin, wenn den Fabrikanten die Prämien aufgebürdet

würden. Daß sie aber dieses Opfer bringen könnten, beweise das Beispiel vieler Fabrikanten, welche schon jetzt ihre Arbei⸗

ter freiwillig auf eigene Kosten versichert hätten. Der Staat, welcher einen Zuschuß aus öffentlichen Mitteln verlange, komme ihm so vor wie der heilige Crispin, der den Reichen

Leder gestohlen habe, um es den Armen zu schenken. Anneh⸗

men könne aber der Arbeiter jede Unterstützung. Verschmähe

doch der Offizier, der auf dem Schlachtfelde gekämpft und ge—

blutet habe eine Pension nicht; sollte der Arbeiter, der auf

dem Schlachtfelde der Industrie ein Opfer gebracht, die Hülfe

latz greifen. Er bitte seinen Antrag anzunehmen. Der Abg. Winterer erklärte, er habe das Wort genommen,

um dem Hause die Annahme des Antrages zu empfehlen, die

Vertheilung der Versicherungsprämie zwischen Arbeitgeber und

aus bei; eine solche Forderung stehe auf gleicher Stufe mit

dem zu anderer i. laut gewordenen Verlangen nach Staats⸗ zuschuͤssen zur

nach ÄUnerkennung des Rechts auf Arbeit und Unterstützung. Gewiß habe der Staat die Pflicht, den Arbeiter so viel

ründung von Produktivassociationen oder

als möglich gegen Unfälle zu schützen, derselbe habe aber nicht den Lohn der Arbeiter zu ergänzen auf Kosten der übrigen Steuerzahler. Sein (des Redners) Ideal, die sozialen Ungleichheiten auszugleichen, sei ein anderes, als das des Abg. von , Wenn er hiernach mit dem Grundgedanken der Kommission vollkommen übereinstimme, so köunne er es doch nicht mit der Art, wie sie die Vertheilung der Versicherungsprämie zwischen Unternehmer und Arbeiter regele. Nach seiner Ueberzeugung müsse dem Arbeitgeber prinzipaliter die Zahlung der Prämien zufallen. Mit dem Betriebe einer Industrie sei an sich eine Gefährdung des Lebens und der

Gesundheit der Arbeiter untrennbar verbunden, denn sonst

würde eine allgemeine Versicherung gar nicht of sein.

Last fallen und eine Heranziehung der Arbeiter zu den Prämien würde sich nur rechtfertigen lassen, wenn die Arbeiter an dem Verlust des Unternehmens betheiligt wären. Es werde dagegen eingewendet, daß Unfälle auch häufig durch e nl der Arbeiter herbeige⸗ führt würden, und daß man für diese die Kasse des Unter⸗ nehmers nicht hafthar machen könne. Dem gegenüber dürfe man nicht übersehen, daß ein gewisser Grad von Fahr⸗ lässigkeit in der menschlichen Natur begründet sei, und des⸗ halb mit in den Begriff der Betriebsgefahr hineingezogen werden müsse; für einzelne ö. eines besonderen Ver⸗ schuldens aber könne man wohl den betreffenden Arbeiter, aber nicht die Gesammtheit der Arbeiter verantwortlich machen. Er halte es deshalb nicht für gerechtfertigt, die Arbeiter bis zur Höhe eines Drittels der Prämien heranzu⸗ zielen. Für Elsaß-Lothringen habe die Vorlage eine ganz besondere Bedeutung, und darum wünsche er nicht, daß die vorliegende Bestimmung auf diesen Landestheil ausgedehnt werde. Die Großindustrie in Elsaß-Lothringen habe vielfach Einrichtungen getroffen, welche dem Arbeiter eine günstigere Entschädigung sichere, als die Vorlage, ohne sie doch in gleichem Maße zu belasten. Das Gesetz würde also im Elsaß nicht als eine Wohlthat, sondern als eine Last empfunden werden und nicht sondern entzweiend wirken. Er wolle keineswegs behaupten, daß seine Auffassung, daß der Arbeit⸗ eber die Prämien allein zu tragen habe, von allen Interes⸗ enten in Elsaß-Lothringen getheilt würde, aber das könne er mit Sicherheit aussprechen, daß es wenige Betriebsunternehmer Che welche sorderten, daß die Arbeiter bis zu der Höhe des Kommissionsvorschlages herangezogen würden. Die Zustände im Osten kenne er nicht genug, um zu beurtheilen, ob dort die Verhältnisse anders lägen, und deshalb habe er keinen generellen Verbesserungsantrag gestellt, sondern seine Forde⸗ rung auf Elsaß Lothringen beschränkt. Formell sei ein solcher Antrag durchaus berechtigt, da viele Reichsgesetze für Elsaß⸗ Lothringen Ausnahmebestimmungen enthielten, und zwar meist zu Ungunsten vom Elsaß. Er wolle sich nicht in Gegensatz u dem Kommissionsvorschlage setzen, sondern die Entscheidung ur Elsaß Lothringen nur der Landesgesetzgebung vorbehalten. Er zweifle nicht, daß man dort leicht zu einer alle Theile be—⸗ a, . Verständigung kommen werde. er Abg. Richter (Dagen) erklärte, er fühle sich doch ver⸗ anlaßt, auf die Haltung hinzuweisen, die die Deutschkonser⸗ vativen in dieser —— jetzt gegenüber der ersten 4 ein⸗ nähmen. Damals habe der Abg. von Marschall im Namen der Mehrzahl seiner politischen Freunde treffend alle die Be⸗ denken hervorgehoben, die gegen den Staatszuschuß sprächen. eute spräche sich der Abg. von Kleist mit dem ihm eigen⸗ thümlichen Feuer und Enthusiasmus für diesen Staatszuschuß aus. Auf welcher Seite stehe jetzt eigentlich die Mehrheit der Er wisse es nicht, möchte aber doch die große Mehrheit der Konservativen aus der ersten Lesung gegen den r von Kleist einiger⸗ maßen vertreten. Schon der bg. von Marschall habe gesagt: werfe man einmal einen Blick in die Dütten der kleinen Bauern, kleinen Handwerker auf dem Lande, der kleinen Tagelöhner, so finde man, daß die Leben zhaltung derselben noch . unter derjenigen der In⸗ dustriearbeiter stehe und es sei sehr bedenklich, schwacheren Schultern etwas aufzulegen, um stärkere zu entlasten. Der fich zu dieser Anschauung in noch schrofferem Gegensatze, als selbst die Regierung vorlage; denn

Idi während diese die Arbeiter bis 7609 M von * Beitrage

befreien wolle, wolle der Abg. von Kleist die Befreiung sogar

ben

sammenfunden hätten.

elbst zur

auf dem Gebiete des Zolltarifs keine P

Beziehungen keine Rückkehr mehr gebe. die Privatgesellschaften zerstört, so würde ein Menschenalter nicht

Zweck des jetzigen

auf alle diejenigen erstrecken, welche loog M0 und darüber einnähmen. Wunderbar sei es nun, daß die Unterzeichner big Antrages, welche vornehmlich aus Vertretern des Ostens

anden und mmer während über den Fortzug ihrer Arbeiter nach dem industriereichen Westen klagten, hier zu Gunsten des Letzteren aus den Mitteln des Staates, also auch des Ostens, eine Subvention vorschlügen. Früher habe man

immer geklagt, daß durch die Eisenzölle. den Eisen⸗ bahnbau die Entwickelung des Westens und der Groß⸗ industrie zum Nachtheil des Ostens so sehr gefährdet werde.

Hier umgekehrt stelle man sich an die Spitze eines Subven⸗ tionssystems, auf Kosten wesentlich der Entwickelung im Osten, und zwar eines Subventionssystems, das der Westen gar nicht verlangt habe. Der Abg.

von Kleist habe für seinen Antrag das Hauptargument angeführt, auf das sich Ferdinand Lassalle in allen seinen

Reden und Schriften von Anfang an gestützt habe. Lassalle be gesagt: wie könne man sich weigern, den Arbeitern von

taatswegen fen m , ,,. Banken und dergleichen zu

geben, bewillige man doch käglich à fonds perdu den Eisen⸗ bahnen eine Staatsgarantie, einen Staatszuschuß! Dasselbe Argument habe der Abg. Hasenelever geltend gemacht. Alle drei, ,, von Kleist-Retzow und Ferdi⸗ nand Lassalle seien hier in dem

Irrthum befangen, daß sie Staat Zuschüsse, um die Aktionäre zu unterstützen.

ͤ glaubten, der ebe jene 5. Gegentheil, es geschehe, um einen Landstrich zu unter⸗

stiützen, durch den eine Eisenbahn gesührt werden solle, es ge—⸗

schehe, weil Rs Privatkapital ohne diese Unterstuͤtzung über⸗ urückweisen? Ein ethisches Bedenken könne hier also ni 2961

aupt keine Eisenbahn bauen würde. Wenn der Abg. von

ö die Schriften Lassalle's kennen würde, so würde

derselbe sinden, daß die Herren von der konservativen Partei piel mehr mit den Sozialdemokraten auf gemeinschaftlichem Boden ständen, als irgend welche anderen. Er freue sich, daß über den Antrag von Kleist namentlich abgestimmt werden solle. Man werde da sehen, daß die Sozialisten und der Abg. von Kleist⸗Retzow zusammen für diesen Antrag stimmen würden,

und es verdiene durch eine namentliche Abstimmung urkundlich

der Zukunft übergeben i , wie diese Parteien sich zu⸗

Das sei für ihn um so interessanter, als man dem Lande auf jede mögliche Weise einzureden suche, daß die Fortschrittspartei in irgend welcher Verbindung mit der Sozialdemokratie stehe. Durch dieses Gesetz, dieses Prinzip

des Staatszuschusses ermuthige der Reichskanzler die sozia⸗ listisch Bewegung um sehr viel stärker, als sie durch das

Sozialistengesetz zurückgedrängt werde. Es hätte gar nichts

erdacht werden können, womit man dem Ansehen der Sozia—⸗

listen mehr hätte aufhelfen können in ihren Kreisen und in der Bevölkerung als durch dieses ie in Verbindung mit dem Staatszuschuß. In seinen Citaten sei der Abg. von Kleist glücklicher durch den Hinweis auf Friedrich Wilhelm J., der manchen gewaltsamen Eingriff ins . ins Gewerbe, in die Landwirthschaft gemacht habe, aber so wenig man heute zur Zeit der allgemeinen Wehrpflicht das Einfangen der Rekruten bei Nacht ebenso wenig könne man der Gesetzgebung des 19. . das Regiment des Korporalstocks als

uster empfehlen. Der Abg. von Kleist⸗Retzow habe auf die Zollreform von -1879 hingewiesen. Das erinnere ihn daran, daß der Fortschrittspartei in früheren Jahren artei näher ge⸗ standen habe, als gerade die deutschkonservative. Es sei doch eigenthümlich, daß die Herren jetzt mit der Heftigkeit gegen die Fortschrittspartei kämpften, wie man sie allerdings bei Neubekehrten vielfach finde; wenn die Freihändler hier mit Koloradokäfern verglichen würden, dann rufe man Bei⸗ fall, ohne sich daran zu erinnern, daß vor Kurzem die Konservativen auch solche Koloradokäfer gewesen seien. Durch den Staatszuschuß ermuthige der Kanzler die Sozial demokraten nur. Die Konservativen hätten ihre innere kon⸗ servative Ueberzeugung gewechselt, denn sie hätten diese Schwenkung mit dem Kanzler machen müssen. Die Freihan⸗ delsfrage, wegen welcher der Abg. von Kleist den Reichskanzler efeiert habe, stehe in gewissem Zusammenhang mit dieser i. Die Frage hänge in der That eng zusammen mit allen übrigen Steuer- und Finanzfragen. Die Konseguenz aber trete jetzt nach einer anderen Seite hervor. Bisher habe man den Arbeitern versprochen, aus den großen indirekten Steuern würden ihnen die direkten Steuern er⸗ lassen werden. Nun sage der Abg. von Kleist-⸗Retzow: da⸗ mit nicht dem Versprechen des Erlasses eine Mehrbelastung durch Beiträge zur Unfallversicherung gegenüber stehe, darum wolle er diesen Beitrag aus der Staatskasse. Der Staat habe aber wieder nicht, was derselbe nicht anderweitig den Steuer⸗ zahlern wieder fortnähme. Also die Folge sei, je mehr der Staat jetzt zuschieße, desto weniger habe derselbe übrig, um direkte Steuern zu erlassen. Indem man also auf der einen Seite dem Arbeiter Wohlthaten erweise, entziehe man sich selbst auf der anderen Seite die Mittel zur Erfüllung älterer Ver⸗ sprechungen. Das sei ein Verfahren, das man im gewöhn⸗ lichen Leben, im Wechselverkehr, sehr schwer verurtheile, wenn man durch Ausstellung neuer Wechsel sich der älteren Ver⸗ sprechungen zu entledigen suche. Seine Partei sei für die alleinige Tragung dieser Last von Seiten der Arbeitgeber, zumal diese die Kosten schon öh in sehr großem Umfange trügen. Wenn also nun eine Theilung der Lasten eintrete, so sei das kein Vortheil für die Arbeiter, sondern um⸗ gekehrt eine Befreiung der Arbeitgeber von der Last, die 2. jetzt freiwillig übernommen hätten. Die Arbeitgeber hätten ja auch ein Interesse daran, eine solche Last t tragen, weil sie, um die Chancen eines guten rbeiterstandes zu erhalten, die Gefährlichkeit ihres Be⸗

triebes dem Arbeiter arm. in besonderen Leistungen ab⸗

tragen müßten, denn sonst würden die Arbeiter lieber in ein weniger gesährliches Gewerbe eintreten. Es werde nunmehr von andern Seiten anerkannt, daß eigentlich die Resorm des Haftpflichtgesetzes das beste sei, daß man damit einen Weg betrete, den man kenne, während man mit dieser Vorlage einen ganz unbekannten Weg betrete, auf dem es in manchen be man einmal

hinreichen, um sie wieder ing Leben zu rufen. Durch seinen An⸗ trag auf Erweiterung des Haftpflichtgesetzes würde allerdings der ntrages, nämlich dem Arbeitgeber allein die Kosten der Unfall versicherung aufzuerlegen, schon erreicht und das Vedürfniß der zwangsweisen Heranziehung der Arbeiter zu den Kosten überflüssig gemacht sein. Diese Idee der zwangs⸗

weisen Monopolisirung der Versicherung sei ja so neu, da

die Arbeitgeber sich die Sache kaum hätten überlegen können. Er sei überzeugt, daß die Arbeitgeber, nachdem die Wirkungen

gemeinschaftlichen

empfehlen werde,

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dieses Gesetzes hervorgetreten sein würden, gerne die Prämie für ihre Arbeiter allein übernehmen würden. Für eine Zucker⸗ fabrik, deren Arbeiter mit 8090 6 gegen Invalidität ver— sichert würden, würden sich die Kosten auf 4.5 8 pro Centner Rohzucker belaufen, also 383; des Werths. Bei einer Masc inenfabrik mit 3000 000 S würden nur 4 6 pro 1000 6 bei einer Bierbrauerei mit 6000 66 235 3 auf die Tonne Bier herauskommen. Auch ethisch lasse sich gegen die Befreiung der Arbeiter von den Lasten nichts einwenden.

Anders läge die Frage bei Genossenschaften, wo die Arbeiter

bei der Verwaltung mitzuwirken hätten, bei einer Zwangs— einrichtung aber müsse der Arbeiter jeden Beitrag als eine ungerechte Steuer empfinden. Da die Lebensmittel vertheuert, die Löhne aber überhaupt nicht gestiegen seien, so wäre es

ungerecht, dem Arbeiter einen Beitrag aufzuerlegen, und des⸗

halb bitte er, seinen Antrag anzunehmen. , Der Abg. Dr. Reichensperger (Olpe) bedauerte, daß der Vertreter der Reichsregierung in der Kommission geäußert

habe, daß die Nichtannahme des Staatszuschusses voraus—

sichtlich die Ablehnung der Vorlage zur Folge haben würde, und die offiziöse Presse habe diese Aeußerung sodann noch wesentlich r , . sie verbreitet habe, von einem Zu⸗ standekommen des Gesetzes sei nach Annahme des Kommissions— vorschlages nicht mehr die Rede. Er glaube nicht an die Berechtigung dieses fig onen Waschzettels; derselbe sei nichts weiter, als ein Versuch der Pression, dessen Erfolg im direkten Verhältniß zu der Schwäche des Reichstages stehen werde. Das Centrum werde sich hierdurch in seinem Votum nicht bestimmen lassen, er sei aber auch über— zeugt, daß die Entscheidung über diese wichtige Frage nicht in der Hand des Reichskanzlers, sondern in der des Bundes— rathes liegen werde und daß dieser schwerlich geneigt sein werde, die Mittel des Staates, welche demselben zu ganz anderen Zwecken bewilligt worden seien, zu Prämienzuschüssen für die Arbeiter zu verwenden. Wo sei der Beweis für die Nothwendigkeit eines solchen Staatszuschusses? Man wolle der Gesammtheit Lasten auferlegen, um einen Theil der

Arbeiter von einer Pflicht zu befreien, die ihnen zweifellos

obliege, denn es wäre eine Fahrlässigkeit sonder Gleichen, wenn sie ihren Arbeitslohn vo ständig verzehrten, ohne für etwaige Unglücksfälle Vorsorge zu treffen. Welcher Theil der zur Versicherung nöthigen Prämien auf die Produktionskosten der Industrie zu rechnen sei, lasse sich selbstverständlich mit absoluter Genauigkeit nicht feststellen, das hänge ab von der Sicherheit, welche die Einrichtungen des Betriebes dem Arbeiter gewährten, daß aber Arbeitgeber und Arbeiter gemeinsam die zur Entschädigung von Unfällen erforderlichen Mittel selbst decken müßten, könne keinem Zweifel unterliegen. Der Reichstag habe vor zwei Jahren eine Reihe von Schutz zöllen beschlossen, um die deutsche un r existenzfähig zu erhalten, und habe dadurch mit vollem Bewußtsein der Ge⸗ sammtheit Opfer auferlegt. Wenn man jetzt von Neuem for— dere, daß der Staat zu den Produktionskosten der Industrie beitragen solle, weil dieselbe hierzu nicht selbst im Stande sei, so spreche man über die deutsche Industrie das Todesurtheil aus. Dieses Urtheil sei aber nicht gerechtfertigt; die Indu— strie sei existenzfähig, nachdem der Reichstag sie konkurrenz— fähig dem Auslande gegenüber gestellt habe; die Indu⸗ striellen selbst bestritten die Behauptung der Regierungs— vorlage und die Arbeiter wiesen das ihnen gebotene Almosen des Staatszuschusses mit Entschiedenheit zu— rück. Die Ansicht, daß der Staatszuschuß deshalb be— rechtigt sei, weil die Unfallversicherung die Armen— pflege zum Theil ersetze, sei durchaus unrichtig. Die Armen⸗ flege trete nicht prinzipaliter, sondern nur subsidiarisch ein, ofern der Verunglückte nicht selbst im Stande sei, sich zu er⸗ nähren und kein leistungsfähiger Alimentationspflichtiger vor⸗ handen sei, hier aber solle der Staatszuschuß grundsätzlich für alle industriellen Arbeiter gewährt werden. Der Bundes— kommissar habe dies in der Kommission dadurch zu rechtferti= gen gesucht, daß man dem Arbeiter das Bewußtsein geben müsse, „daß der Staat auch sür ihn sorge.“ Dieses „auch“ habe hier eine ganz polizeiwidrige Verwendung gefunden. Der industrielle Arbeiter erhalte durch den Staatszuschuß nicht das Bewußtsein, daß auch für ihn gesorgt, sondern daß im Gegen⸗ satz zu allen andern Arbeitern für ihn gesorgt werde. Dis jetzt . es dem Staate noch gar nicht eingefallen, für alle, insbesondere für die landwirthschaftlichen Arbeiter zu sorgen. Der Abg. Liebknecht habe vollkommen Recht, wenn derselbe sage, noch berechtigter als die Anerkennung der Pflicht eines Siaatszuschusses sei die Anerkennung der Pflicht, dem Ar— beiter lohnende Arbeit zu sichern, um dadurch der Nothwen⸗ digkeit einer Unterstützung überhaupt vorzubeugen. Der Bundeskommissar habe in der Kommission kan, geäußert: es sei zwar richtig, daß das vorliegende Gesetz nur partiell wirke und einen Theil der Bevölkerung zu Gunsten des an— dern belaste; das öffentliche Interesse lasse indessen eine solche Belastung als zulässig erscheinen. Er sei erstaunt, daß solchen Änschauungen gegenüber nicht ein allgemeiner Schrei der Ent⸗ rüstung laut geworden sei, denn wohin komme man, wenn man im angeblichen öffentlichen Interesse einzelne Gesellschaftsklassen auf Koften der Andern unterstütze? Der Abg. von Kleist habe die Regierungssorderung mit den Geboten des Christen⸗ thums rechtfertigen wollen, übersehe dabei aber, daß das Christenthum wohl ein freiwilliges Geben, aber niemals ein Kann Nehmen vorschreibe, Niemand werde behaupten önnen, daß die industriellen Arbeiter nicht den Willen und die Fähigkeit hätten, sich selbst zu alimentiren. Die Hoffnung. daß die Bewilligung eines Staatszuschusses als ein geeignetes Mittel a, Wahlagitation benutzt werden könnte, würde eine ganz; falsche Spekulalion sein. Weder die Arbeitgeber noch die Arbeitnehmer wollten den Staatszuschuß und das übrige Publikum habe sicher kein Bedürfniß, zu Gunsten der Industrie neue pekunläre Lasten zu übernehmen. Er habe das Ver—= trauen, daß der Bundesrath sich seiner Verantwortlichkeit in vollem Umfange bewußt sein werde, und nicht wegen Ableh⸗ gung des Staatszuschusses ein als nützlich und nothwendig anerkanntes Gesetz fallen lassen werde.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundes rath Staats Minister von Boetticher das Wort:

Meine Herren! Es hätte nicht des Appels des Herrn Vorregnet bedurft, um die verbündeten Regierungen auf ihre Verantwortlich kein hbinzuweisen gegenüber den Beschlüssen, die Sie in der zweiten Lesunn fassen werden. Es verstebt sich ganz von . daß bei einer 1 wichtigen und bedeutsamen Vorlage, wie sie Ihnen bier gemacht in und bei einer so wichtigen und bedeutsamen Frage, wie sie sveile zum 3. 13 auftancht, die Regierungen alles Ernstes und mit green Gewissenbaftigkeit daran gehen werden, ju prüfen, ob die Beschluh des Hauses geceytabel, ob mit diesen Beschlüssen der Vortheil und die Woblthat, die das Gesetz anstrebt, zu erreichen sind.

Meine Herren, der Dert Vorredner hat sich des weiteren mit der

Erklärung beschäftigt, welche ich Namens der verbündeten Regierungen bei Ihren Kommissionsberathungen abgegeben habe, und er hat 3 zanächst bemängelt, daß ich in dieser Erklärung es ausge— frrochen, ich glaubte nicht, daß ie verbündeten Regierungen vhne die Annahme des Prinzips eines Staatszuschusses zur Sublevation der nichtleistungsfähigen Arbeiter das Gesetz für annehmbar erachten würden. Meine Herren ich bin weit davon entfernt gewesen, und es würde dem mir gewordenen Auftrage auch sehr wenig entsprochen haben, wenn ich mit digser Erklärung irgendwie eine Pression hätte ausüben wollen. Es ist nicht die Stellung der verbündeten Regie⸗ rungen zu diesem Hause und zu einer Kommission dieses Hauses, daß auf irgend welchem Gebiete Pression geübt werden soll. Wir sind aber von vornherein verpflichtet, den Standpunkt zu bezeichnen, hen wir für den richtigen erkennen, und anzuempfehlen, daß dieser Standpunkt eine volle und ernstliche Würdigung in der Kommission und im Hause finde.

Meine Herren, der Herr Vorredner hat gemeint, es wundere ihm, daß nicht ein lauter Aufschrei der Entrüstung durch das ganze Reich ertönt sei, nachdem die Worte meiner Erklärung in der Kom—⸗ mission veröffentlicht worden seien, daß es zwar richtig sei, daß das porliegende Gesetz nur partiell wirke und einen Theil der Bexöl⸗ kerung zu Gunsten des anderen belaste, das öffentliche Interesse indessen laffe eine solche Belastung als zulässig erscheinen Nun, meine Herren, aus der Thatsache, daß der Herr Vorredner und wir Alle keinen Schrei der Ent⸗ rüstung im Lande vernommen haben, glaube ich, rechtfertigt sich der Schluß, daß nicht Jedermann im Lande der Meinung des Herrn Vorredners sst' Hätte dieser Satz die Bedeutung, die der, ᷣ. Vorredner ihm untergelegt hat, daß es die Absicht sei, eine Klaͤsse der. Bevölkerung zu Gunften der anderen auszubeuten, dann allerdings wäre ein solcher Schrei der Entrüstung gerechtfertigt. Das besagt aber der. Satz fäineswegs. Der Satz sagt weiter nichts, als daß eine Einrichtung getroffen werden soll, an deren Vortheilen nicht gleichmäßig. alle Rlassen der Bevölkerung partizipiren und daß, wenn der Staats zuschuʒ bewilligt wird, dann allerdings dieser Staatszuschuß auf die Steuer⸗ kraft des Reichs lasten würde. Nun, meine Herren, ist denn das etwas Verwerfliches, ist das ein staatssozialistisches Prinzip, zu dem sich der Herr Vorredner nicht sollte bekennen können? Hat er denn selber nicht mitgewirkt im Reichstage und im Landtage zu einer zanzen Reihe von Ausgaben zu Gunsten einzelner Landestheile, ein. elner Schichten der. Bevölkerung, und die man, gleichwohl weil sie

gleichzeitig öff entlichen Interessen dienen, kein Bedenken getragen

hat, auf den Steuersäckel des Staats zu übernehmen; Meine Herren, ich glaube also, daß dieser Vorwurf des Herrn Vorredners nicht begründet ist. ; Er hat die Regierungsvorlage weiter bemängelt, daß er gesagt hat: weshalb, bleibt man stehen bei einem Lohnsatze von 30 g? weshalb individualisirt man nicht einmal nach den persönlichen Ver⸗ hältniffen der Arbeiter? Weshalb sondert man nicht nach den ver— schledenen Landestheilen und macht verschiedene Abstufungen? Nun, meine Herren, ich gebe Ihnen den Satz von 7590 46 vollständig preis. Wir haben bei den Vorberathungen des Gesetzentwurfs allerdings schr reiflich und fehr wohl erwogen, wie die Grenze zu ziehen sein mochte, bis zu der eine Sublevation des Arbeiters auf Staatskosten ein⸗ treten foll. Meine Herren, die allgemeinen Industrieverhältnisse im Reiche und die individuellen Verhältnisse der Arbeiterbevölkerung sind so ver⸗ schiedenartig, daß in der That irgend eine Grenze, welche nicht voll das Richtige trifft, gezogen werden muß. Einer der Herren Vor⸗ redner hat schon ganz mit Recht bemerkt ich glaube, es war der err Referent in jeder Grenze, die Sie ziehen, liegt ein gewisser . eine gewisse Willkürlichkeit; aber wir sind in Bezug auf diese Frenze der besseren Belehrung sehr wohl zugänglich, und wenn uns der Nachweis geführt wird, daß in der That eine niedrigere Grenze den Vorzug verdient, so glaube ich in Aussicht stellen zu können, daß eine solche bereitwillig angenommen werden wird. .

Nun sagt der Herr Vorredner, weshalb ist die Regierung nicht dazu übergegangen, einfach das Unfallversicherungsgesetz in dem Sinne vorzuschlagen, wie es aus der Berathung in Ihrer Kommission her⸗ vorgegangen ist, weshalb hat sie nicht abgewartet, bis Erfahrungen gesammelt sein würden, ob mit diesem Gesetz zu marschiren sei, ob s die wohlthätigen Wirkungen äußern werde, die man von ihm erwarte, weshalb hat man nicht mit einer Korrektur nach der Rich⸗ tung der Staatshülfe oder nach anderer Richtung hin gewartet, bis sich die UMhaltbarkeit des Systems des Gesetzes herausgestellt hat? Ja, meine Herren, wir bewegen uns und das ist von allen Seiten anerkannt auf einem neuen, auf einem unbekannten Terrain, wir müssen einen Versuch wagen, wenn wir überhaupt das erreichen wol⸗ len, was das Gesetz anstrebt. Die Statistik giebt uns keine ausrei— chenden Unterlagen an die Hand für das Maß der Belastung sowohl der Arbeiter wie der Arbeitgeber und des Staats für den Fall, daß der Staatszuschuß eintritt. (Hört! hört! links) Das Hört! glaube sch, war um deswillen nicht am Platze, weil Jedermann bekannt ist, daß die Statistik in der That durchaus unvollkommen ist. Meine Herren, wenn wir in der Lage gewesen waren, eine bessere Statistik in Aussicht zu stellen durch bm arten, durch Ajournirung des Gesetz⸗ entwurfs, wir warden es gewiß gern gethan haben; denn wir würden dann den Schwierigkeiten nicht begegnet sein, die jetzt aus der man⸗ gelnden statistischen Grundlage uns entgegengetragen werden. Das war aber nicht möglich. Wie soll eine selche Statistik hergestellt werden? Die Ünfallversicherungsgesellschaften, die allein auf Tie- sem Gebiet thätig sind, haben bekanntlich nur einen beschränkten Kreis in ihren Geschäften, und sie werden kein Bild dafür geben, wie hoch das Maß der Belastung wird, wenn man über die gegen⸗ wärtig verficherfen Unfälle hinaus den ganzen Kreis der Unfälle in Betracht zieht, die nun bier unter das Gesetz fallen sollen. Also, meine Herren ich gebe Ihnen zu, wir bewegen uns auf, einem neuen unbekannten Terrain, wir kennen nicht das Maß des Risikes, das der Unternehmer zu tragen hat, wir kennen nicht das Maß der Belastung, das der Arbeiter zu tragen hat. Und, meine Herren, wenn wir nun vorschlagen und namentlich wie Hr. von Kleist⸗etzow vorschlägt, daß so lange bis bessere Erfahrungen gesammelt sind, ein gwisses Maß des M weer ein gewisses Maß der Belastung auf die Staats. kasse übernommen werden soll, ist das etwas Verwerfliches? Ist das nicht ganz natürlich, daß wir lieber bestrebt sind, die ungewis Be⸗ lastung, die drückend werden kann, zunächst auf die breiteren Schul ; tern des Reichs und des Staats zu legen, als daß wir ganze In— dustriezweige stören, daß wir sie ernstlich bedrohen, und der Arbeiter, der fich in einer minimalen Lebensexisten; befindet, vor die Gefahr setzen, fich überhaupt nicht mehr ernähren zu können. Meine Herren! Ich muß sagen, ich habe kein rechtes Verständniß für den Foben volltischen Schwung, der in dieser Frage von einzelnen Rednern genommen worden ist, ich sebe die Sache rein nüchtern und prakiisch an und frage mich ganz einfach: Wellen wir das erreichen, was müssen wir dann thun, um das möaglichst, geringe Risiko der Ungewißbeit zu haben, was müssen wir thun, um die Sache moglichst lebens sahiß zu machen? ĩ . ;

Meine Herren! Vor den Konsequenzen erschrecke ich auch nicht, und wenn heute der Staats- oder Reichszuschuß bewilligt wird und wir kommen nach 5 Jahren oder meinetwegen auch in kürzerer Frist ju der Ueber zeugung, der Staats zuschuß wäre entbehrlich, die Industrie könne die Belaftung allein tragen, der Arbeiter, aucb wenn er unter o M Ginkommen hat, sei leistungsfäbig, die Prämie zu zahlen, dann glaube ich wird kein vernünftiger Mensch im Reiche sein, der blos aus Liebe zu dem Ziel, der Industrie und den Arbeitern . e dir zu machen, auf der ferneren Leistung des Staats zuschusses esteht.

Meine Herren! Ich möchte deshalb, sofern Sie nicht gentigt . und dazu scheink ja nach den Erfahrungen, welche wir in der Vommission gemacht haben, keine Aussicht vorhanden zu sein sofern Sie nicht geneigt sind, die Regierungs er age anzunehmen, mich wenigstens dafür verwenden, daß Sie sich denn Antrage des Hrn. von Kleist⸗Retow freundlich gegenüäberstellen. Der Antrag ist in einem Punkt aller⸗ dings weiter gefaßt, er geht bis zur Grenze von 1000 ½, wollen Sie das forriglren, Ferunter setzen, so habe ich auch nichts dagegen; aber er ist insosern den Wünschen der Herren, die nicht in acternum den Staatezuschuß bewilligen wollen, entgegenkommend, als er eine

Revision in Aussicht nimmt. Meine Herren, wie gesagt, ich verkenne keinen Augenblick, wir können Ihnen keine positiven statistischen Daten dafür geben, daß die Industrie absolut unfäbig ist die ganze Prämie zu zahlen, daß der niedrig gelohnte Arbeiter absolut außer Stande ist, einen Theil derselben zu über— nehmen; aber, wenn hier davon gesprochen ist, daß bei⸗ spielsweise der hochverehrte Hr. Abg. Stumm aus seinen Er⸗ fahrungen heraus das Urtheil gesprochen hat, die Industrie sei leiftungsfähig auf diesem Gebiete, so darf ich bei aller Achtung vor diefem Urtheil und bei aller Neigung, demselben nachzugeben, doch daran erinnern, daß diesem Urtheil gegenübersteht eine ganze Reihe von anderen Urtheilen. Meine Herren, wir haben hier die Verhand⸗ lungen des preußischen Volkswirthschaftsrathes, wir haben das Urtheil von Männern, die theilweise in der Industrie stehen, oder ihr doch sehr nahe stehen, die doch übereinstimmend ganz das Gegentheil sagen, und Ramen von sehr gutem Klang, wir haben den Hrn. Geheimen Berg— Rath Leuschner, Hrn. Mewissen aus Cöln, Hrn., Born aus Dort— mund, genug, wir haben eine, ganze Reihe von Sachver— standigen, die damals als Mitglieder des Volkswirthschaftsrathes über die Sache gehört worden sind und nicht etwa von Leuten, die dabei interessirt sind, Hr. M en ist, so viel ich weiß, bei der Indu⸗ strie nicht betheiligt, aber er ist sehr bewandert in den Zuständen der rheinischen Gewerbsthätigkeit. Alle diese Herren haben uns felaßt. sie halten es für ganz unmöglich, daß alle Industriezweige überein⸗ . die volle Belastung tragen können, welche das Gesetz in ussicht stellt. Nun, meine Herren, will ich nicht entscheiden, wer Recht hat, ob die eine Partei oder die andere, aber ich meine, für den Gefetzgeber ziemt Vorsicht, und wenn die Wohlthat des Gesetzes auch nur rücksichtlich eines untergeordneten Industrie⸗ zweiges damit erkauft werden mußte, daß wir ihn ernftlich schadigen, daß wir ihn beispielweise erportunfähig machen und ich erinnere Sie in dieser Beziehung an die sehr beherzigens⸗ werthen Deduktionen, die wir bei Gelegenheit der Berathung des Zolltarifs gehört haben, wo es hieß, daß man sich scheuen müsse, uch nur eine minimale Belastung eintreten zu lassen, wenn man nicht dadurch die Cxportunfähigkeit herbeiführen wolle, ich sage, wenn der Gesetzgeber vor der Frage steht; was thun? da, meine ich, gebührt ihm Vorsicht. Wir können jeden Augenblick zurück, wir können jeden Augenblick den Staatszuschuß einziehen. (Rufe: Nein!!

Warum nicht? Ich bin sehr begierig auf, die Deduktion, welche mir nachweist, daß wir nicht jeden Augenblick den Staatszuschuß zurückziehen können.

Ich bleibe vorläufig dabei stehen, daß die Gesetzgebung, welche heute den Staatszuschuß beschließt, morgen in der Lage ist, ihn auch wieder aufzuheben. Ich bin, wie gesagt der Meinung, es gebührt uns Vorsicht. Lassen Sie uns diese Vorsicht üben, und stellen wir die Wirkungen des geh e, nicht dadurch in Frage, daß wir mög— licherweise schlimmere Folgen heraufbeschwören als die, welche die ö des Staatszuschusses schlimmsten Falles im Gefolge haben kann.

Der Abg. Dr. Bamberger bemerkte, die eben gehörte Er⸗ klärung lasse den Reichstag immer noch im Zweifel, ob die Regierung der Veränderung, die von der Koömmission vor— geschlagen sei, ihre Zustimmung geben werde oder nicht. Bis⸗ her habe man geglaubt, die Annahme des 5. 13 nach der Kommissionsvorlage werde das Gesetz zu Falle bringen; nun nehme heute die Regierung eine neue Stellung ein, sie akkor⸗ dire bereits und nehme den Vorschlag des Abg. von Kleist— Retzow an, die Sache probeweise auf 5. Jahre einzuführen. Einer der originellsten Gedanken, der vielleicht in der Ge— schichte der menschlichen Kultur vorgekommen sei, den Sozia⸗ lismus 5 Jahre auf Probe einzuführen. Man empfehle jetzt, wenn man 5 Jahre lang diese Subsidien an die Ar beiter bestimmter Kategorien bezahlt habe, dieselben wieder rückgängig zu machen. n w gegen einen solchen Vorschlag gebe es gar nicht, das

ille Lächeln, das erstaunte sich gegenseitig Ansehen, was durch das Haus gegangen sei, als der Minister das vorgetragen habe, sei besser als jedes Argument. Denke man doch, an den Ausgangspunkt dieses Gesetzes Es sei gesagt, der Reichs⸗ tag müsse etwas thun, um das ungeduldige und bedrohliche Geschrei der Sozialdemokratie zu befriedigen. Und jetzt solle man, wenn die Arbeiter an diese Staatsleistungen gewöhnt seien, nach 5 Jahren die Sache rückgängig machen. Er 6 dem Para⸗ graphen gegenüber in einer eigenthümlichen Lage. Man wisse, er ftimme schließlich gegen das ganze Gesetz, bisher sei er bis u dem §. 13 immer in der Lage gewesen für das minder Schlechte in enn zu können bei den eventuellen Abstimmungen, hier sei er in der fatalen Lage, weder für die Kommissionsbeschlüsse noch für die Regierungsvorlage stimmen zu können, weil er eins mathematisch genau für ebenso schlecht halte, als das andere. Man wolle mit dem Gesetz einen Zwang ausüben, und zwar nur auf gewisse Klassen der Bevölkerung. Bis jetzt habe man einen 57 nur auf Kinder ausgeübt, die erziehe man dann so, daß sie, mündig geworden, für sich selst sorgen könnten. Das Gesetz sei gar kein Unfallgesetz, sondern es sei ein Gesetz durch welches man einen Theil der Bevõlkerung vor der Furcht der Verarmung bewahre, indem man einen anderen ö belaste. Man könne a priori nicht sagen, wer die Lasten tragen werde, die Arbeiter oder die In⸗ dustrie. Man könne nur auf den Gedanken eingehen, wie derselbe von der linken Seite des Hauses gefaßt sei. Man brauche eigentlich aus dem Gebiete des Privatrechts gar nicht herauszugehen. Er wisse nicht, wie man die Tendenz der Unterstützung des Arbeiters durch den Staat als christlich auffassen könne, sie sei einfach heidnisch oder cäfarisch. Den sozialdemokratischen Gedanken habe er schon im Jahre 1867 noch unter dem ersten Minister Grafen Eulenburg kommen sehen und damals habe er als Kassandra gesagt, die Gefahr des Sozialismus drohe nicht von den Sozial⸗ dem ektaten, sondern von der Regierung. Zunächst sei aus einer Anleihe ein Steuererlaß gemacht, es seien neue Zölle eingeführt und dagegen Versprechungen gemacht. Dazu gehörten auch die Versprechungen an die Arbeiter. Der Appetit werde mit dem Essen kommen. Das vorliegende Gesetz sei nur die Probir⸗ mamsell für die Altersversorgung und die d, , m, , werde die Probirmamsell für den ganzen sozialistischen taat sein. Wenn man dieses Gesetz annehme, so werde man in der nächsten Session, d. h. diejenigen, die da sein würden er sei vielleicht alsdann nicht da ganz gewiß das Tababs⸗ monopol votiren müssen, vielleicht auc, damit es schmackhafter

demonstrirt werden, die Prügelstrafe gehöre zu den die man in England besitze (Ruf: Zur Sache l Er (Redner) be⸗ weise dem Hause, daß das System, welches diesem Paragraphen zu Grunde liege, der leitende Grundgedanke des ganzen Systems der neuen Wirthschaftsresorm sei. Der Abg. von Kleist⸗ Jietzow habe bedauert, daß er (Redner) den Tag, an welchem die erste Lesung dieses —w , habe, als einen dies nefastus bezeichnet habe. er Abg. von Kleist habe gewiß nicht geglaubt, daß im Deutschen Reiche die Aera a m c Jah so bald h würde. Er fühle wohl, wie glücklich derselbe fein müsse, wenn er seind Augen auf die jetzige Rückwärtsgent= wickelung richie. Aber keine. Freude sei Ühland habe von einem Tropfen demokratischen

reiheiten,

werde, die Prügelstrafe dazu; es werde dem . vor⸗

l8 ge⸗

ungemischt. i en, sei die

sprochen, mit welchem der Kaiser gesalbt werden müsse; es scheine, der Kanzler müsse mit einem Tropfen sozialdemokra⸗ tischen Oels gesalbt werden, und so falle in den Kelch der Freude, den der Abg. von äleist trinke, der bittere Tropfen, daß derselbe sich sagen lassen müsse, daß er sich mit der Sozialdemokratie, die er wegen ihrer Weltanschauung be⸗ kämpfe, in den praktischen Zielen doch sehr nahe berühre. Und nicht der Abg. von Kleist allein, sondern auch die Regierung, wie man aus der Erklärung des Regierungskommissars er⸗ sehen habe. Der Bundeskommissar bitte, wenn das Haus den Gedanken des Reichskanzlers nicht annehmen wolle, doch den des Abg. von Kleist als den nächstliegenden anzunehmen; also die Regierung stehe bereits in Fühlung mit der Sozialdemokratie, und statt der Compagniebildung aus der Linken und Rechten von der früher die Rede gewesen sei, würden sich vielleicht dem⸗

nächst Compagnien bilden wenn im nächsten Reichstage

noch mehr Sozialdemokraten gewählt würden —, die sich aus der alleräußersten Rechten und alleräußersten Linken aus dem Berge heraus formiren würden. Man merke es bereits an der liebenswürdigen, er möchte sagen, gesättigten Haltung,

welche die Sozialdemokraten bei den jetzigen Reichstagsver⸗

handlungen einnähmen. Der Abg. von Kleist⸗Retzow habe neulich seine Rede mit einem Citat von ihm (dem Redner) über den Nachtwächterstaat begonnen, und habe in seiner bil⸗ derreichen Sprache gesagt: jetzt fliehe der Nachtwächter vor dem aufgehenden Morgenroth. Er als Manchestermann wolle den Nachtwächter nur bei Nacht, aber der Abg. von Kleist wolle ihn auch bei Tage. Er sei zufrieden, wenn die Staatsordnung während der Zeit, wo die schwachen Sterb— lichen auch einmal ruhen müßten, für sie sorge, im Uebrigen möge jedem sein Schicksal selbst überlassen werden. Der Nachtwächter des Abg. von Kleist aber, der nicht zur Ruhe komme, der auch am Tage wache, würde am Tage zur Kinder⸗ frau. Der Abg. von Kleist habe damals mit Geringschätzung vom Manchesterthum gesprochen, und sein Freund Rickert habe ihm zugerufen: was sei Manchesterthum? Er wolle dem Hause nun sagen, was Manchesterthum sei; Es sei die Staatsordnung, welche sich auf, die Sittlichkeit basire, und die Sittlichkeit anerkenne in der Freiheit, welche keinen unmündigen Menschen kenne, der sich nicht empor⸗ arbeiten könnte aus niedrigen Geschicken zu hohen, welcher wisse, daß jede Staatsweisheit und jede obrigkeitliche Klugheit nur ungeschickten Erfolg herbeiführen könne. Das einzige Wohl, die einzige Zukunft der Menschheit liege darin, daß in jedem Einzelnen der Keim der Selbstbestimmung und der all⸗ mählichen Befreiung aufgerufen werde. Ohne den Ideen des Abg. von Kleist zu nahe zu treten, nehme er für seine Ideen dieselbe Höhe der sittlichen Empfindung in Anspruch, wie der Abg. von Kleist für die seinigen. Mit Recht habe der Abg. Liebknecht gestern gesagt, dieses Gesetz verdanke man der Sozialdemokratie. Die Arbeiterbevölkerung aber mit Drang nach höheren Rechten sei aus dem modernen Stagte selbst erwachsen. Das Bedürfniß, sich zu helfen, wäre diesen Klassen nicht gekommen, wenn sie einem Staate untergeben gewesen wären, der sie unmündig erhalten hätte. In dem Staat, der als das Ideal des Manchesterthums gelte, in England, seien die Versicherungsanstalten in großer Zahl vorhanden und prosperirten außerordentlich und in Frank⸗ reich sei Lie Lage der Arbeiter in den Fabriken eine solche, daß sie ein solches Zwangsgesetz nicht brauchten. Die Regierung habe die Sozialdemokratie äußerlich unterdrückt, proklamire jetzt aber selbst deren Grundsätze. Es sei gewisser⸗ maßen das te toi, que je m'y mette in anderer Form, die Agitation, welche die Sozialdemokratie früher gemacht habe, werde jetzt von der Regierung selbst oder ihren Dolmetschern betrieben, und nun schlage ian, um dir Welthrand zu löͤschen, eine Probe von 5 Jahren vor. Es lohne sich nicht, über diesen Vorschlag ein Wort zu verlieren. Ebenso würde es aber verfehlt sein, den Appetit der Sozialisten dadurch be⸗ friedigen zu wollen, daß man die Arbeiter nach dem Porschlage der Kommission zun Prämienzahlung zwinge. Man werde damit das Gegentheil von der Absicht erreichen, die in den Motiven ausgesprochen sei. Auf dieses Gesetz mit seinen charakteristischen Motiven könne man mit einer kleinen Kor⸗ rektur das dogmatische Wort anwenden: visihile signum zisi⸗ pilis gratige. Dieser Gedanke sei allerdings die Quintessenz des Systems Bismarck, wie es heute praktizirt werde. Der Grundfatz sei, auf möglichst wenig merkbare Weise nehmen und auf mbglichst merkbare Weise dagegen schenken. Das sei die ganze Kunst. ; .

Der Abg. Stumm erklärte, im Interesse der Stimmung der Mehrheit dieses Hauses widerstehe er der Versuchung, das ganze Staatsleben der Gegenwart in der Weise zu beleuchten, wie der Vorredner es gethan habe. Er wolle sich vielmehr gleich zu 8. 13 wenden. er Vorredner sei bezüglich desselben in 2 u da nnen r alte ich men befangen: erstens, daß der Anstoß zu der von der Vorlage , . Richtung von den Sozialisten ausgegangen sei. Woher stammten denn aber die Hülsskassen⸗ und Knappschaftsgesetze, die doch für die alten Arbelter in weit ausreichenderer Weise sorgten, als dieses Gesetz es thue? Schon 1868, als von einer Gefahr vor den So⸗ zialdemokraten noch nicht die Rede gewesen sei, habe er für eine Ausdehnung der Knappschaftskassen auf alle Fabrik⸗ arbeiter plaidirt. Zweitens: der moderne Staat kenne nur einen Zwang für Unmündige und Schulkinder. Auch da habe der Abg. Bamberger die Hülfs⸗ und Knappschaftskassen vergessen, bei denen der Arbeiter im eigenen Interesse zur Versicherung gezwungen sei. Er hätte diese Irrthümer bei dem Abg Bamberger nicht erwartet. Die Herren, welche in dem Staatszuschuß einen Sprung in das ozialdemokratische Lager erkennten, verweise er auf 8. 4, wo widerspruchslos das Prinzip der Verwaltung der Kassen auf Staatskosten ge⸗ nehmigt 6. Ein so großer Unterschied zwischen, beiden Verhältnissen liege gar nicht vor. Es sei für ihn die wiederholt laut gewordene Behauptung gewiß, sehr schmeichel⸗ haft, daß er Opfer für die Arbeiter bringen könnte, zu denen anbere nicht im Stande seien. Indessen sast alle größeren Ver⸗ bände von Ärbestgebern hätten sich dahin ausgesprochen, daß die Industrie sehr wohl die Last auf die eigenen Schultern neh⸗ men könne, und aus Arbeiterkreisen kenne er überhaupt keine Petitionen, die sich für den Staatszuschuß ausgesprochen hätten. Der Weg vollends, den der Abg. von Kleist vorgeschlagen

abe, sei undurchführbar. Die willkürliche Herausreißung der 8 niklasse von 1000 66 habe, ab eh von technischen Schwierigkeiten, große Verwirrungen im ih n es den⸗ noch a erscheinen ließen, daß Prinzip Staats bei⸗ trags gleichmäßig auf alle Arbeiter auszudehnen, falls man es nicht vorziehen sollte was von vielen Arbeitgebern vor⸗ Hälfte den Arbeitgebern, ein Viertel den

rbeitern aufzulegen. Die Gründe, die ur die formelle

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