1881 / 138 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Jun 1881 18:00:01 GMT) scan diff

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Die Frequenz im Personenverkehr betrug; in 1880 wurden 304777 Personen befördert, in 1879 296518 Personen, in 1878 308711 2 in 1877 349 072 Personen; die Einnahme aus dem Personenverkehr betrug: in 1880 316 286 S, in 1879 305 606 M, in 1878 315 1099 nA, in 1877 322 355 M; im Passagiergepäck⸗ und Hunde verkehr wurden in 1380 1171 t, in 1879 979 t befördert; die Gesammteinnahme im Personengepäck= und Hundeverkehr betrug in 1380 325 980 M, in 1879 315 109 . An Güter, Leichen und Vieh wurden befördert; in 1880 Ii9 472 t, in 1879 97 172 t, in 1878 79 806 t, in 1877 53140 t. Die Gesammteinnahme des Güter- Leichen- und Viehverkehrs betrug in 18806 As 295 M, in 1879 240 942 M, in 1878 222 500 Æ , in 1877 161701 .

Die Betriebsausgaben vertheilten sich in 1880 folgender— maßen: I Besoldungen 146 368 S 40 , 2) Andere, persönliche Ausgaben 78 825 46 22 3, 3) Allgemeine Kosten 47 590 M WM —, I) Kosten der Unterhaltung der Bahnanlagen auf freier Strecke 356 878 M 35 3, 5) Kosten der Unterhaltung der Bahnhofsanlagen 13 401 S6 A Z, 6) Kosten der Unterhaltung der Telegraphen, Signalvorrichtungen und Zubehör 1618 M 68 4, 7) Kosten der Jüge 53 014 Æ 4 , 8) Unterhaltung der Betriebsmittel 37 081 . IJ 3, 9 Kosten der Benutzung fremder Bahnanlagen 25 143 M. 47 3, 10) Kosten der Benutzung fremder Betriebsmittel 16392 . 67 3.

Die gesammten schwebenden Schulden bezifferten sich unter Hinweis auf die Bilanz am 1. Januar 1881 auf: Kapital⸗ schulden 370 00000 ιε, Erneuerungsfonds 143 395,90 „, Beamten— Pensionskasse 10 728. 36 M, Arbeiterkrankenkasse 297, 32 60 Unerho⸗ bene Stammaktien⸗Dividende 12 305,25 1ƽ , Unerhobene Prioritäts⸗ zinsen 1741,50 MSS, Uneingelöste amortisirte Prioritäten 1400,00 46, Diverse Kreditoren 3278,19 S6, Bestand laut. Betriebsrechnung M 1II3,„9 S6, Summa 587 26005 6. Abzüglich: Guthaben an Kautionen und Vorschüssen 44115, 31 6, Kassenbestand 2546,43 , zufammen 46,661.74 S6. Summa 540 598,31 M gegen 648 92, S0 M. am 1. Januar 1880, 720 728,13 M am 1. Januar 1879.

Die kürzlich ausgegebene Nr. 47 (XIII. Jahrg.) der Bau⸗ gewerks-Zeitung, Organ des Verbandes deutscher Baugewerks⸗ meister, Zeitschrift für praktisches Bauwesen (Redaktion und Verlag von Bernhard Felisch, Baumeister in Berlin) bringt eine sorgfältige Zeichnung der prächtigen altdeutschen Weinstube auf der württember—⸗ Jischen Landes-Gewerbegusstellung, zu Stuttgart. Ferner hat die Rummer folgenden Inhalt: Freiwillige Schiedsgerichtsbarkeit.! Doljcement⸗Bedachungen. Die Kunsthalle zu Düsseldorf. Zur Pflasterung der Stadt Berlin. Vereinsangelegenheiten. Parla⸗ imnentarisches. Lokales und Vermischtes. Bücheranzeigen und Re⸗ zensionen. Brief- und Fragekasten. Berliner Baumarkt. Submissionen. Annoncen. . . .

Der Einlöfungscours für die an deutschen Plätzen in Silber zahlbaren Coupons österreichischer Werthe ist unver— ändert 175 für 100 Fl. ö. W. geblieben.

Der Times“ wird aus Philadelphia gemeldet:; Der amerikanifche Eisenmarkt ist gedrückt, mit unsicherer Tendenz im Handel. Die großen Einfuhren jowie die Entnahmen aus dem Zollverschluß während der letzten 5 Wochen haben 200 00 Tonnen auf den Markt geworfen, wovon ein Drittel aus Roheisen bestand. Zwanzig Hochöfen sind ausgelöscht worden.. Nach England wurden Bestellungen auf Bessemer Stahl zu 223 Dollars per Tonne frei hier gesandt. Der Verbrauch aller Gattungen von Eisen ist unge⸗ heuer. Die Bestellungen in den Walz und Schienenfabriken reichen auf lange Zeit hinaus, während die Maschinen- und Wer kzeugfabriken mit fertiger Waare iberfüllt sind.

Stettin, 16. Juni. (W. T. B. Woll markt. Die Zu⸗ fuhren sind gering, die Käufer trotzdem zurückhaltend. Wäschen nur theilweise gut. Preife 144 165 S, Preisabschlag gegen das vorige Jahr durchschnittlich 190 46. .

Nachmittags. Die Zufuhr betrug 5600 Ctr. Der Markt ist fast gänzlich geräumt; Preise stellten sich bis zum Schluß 10 bil⸗ liger gegen das Vorjahr.

Leipzig, 16. Funi. (W. T. B.). Wollmarkt. Angefahren 1300 Ctr., bis jetzt meistens verkauft, Preise je nach Qualität 3 bis 10 ½ niedriger als im Vorjahre.

Amsterdam, 15. Juni. (W. T. B.). Die heute von der niederländischen Handelsgesellschaft abgehaltene Kaffee⸗ Auktion eröffnete fuͤr Nr. 1 zu 384385, Nr. 2 zu 3946 à 393, Rr. 4 zu 386 à 385, Nr. 5 zu 366 à37, Nr. I14. zu 383. Cent.

London, 16. Juni. (W. T. B.) Wie die „Times“ erfährt, wird sich Kobert Bourke im Juli nach Konstantinopel be— geben, um die englischen Inhaber türkischer Schuldtitel bei den ÜUnterhandlungen zur Reorganisation der türkischen Finanzen zu vertreten und eine Abmachung auf Verzinsung der türkischen Schuld⸗ titres zu 40,0 herbeizuführen.

Verkehrs⸗Anstalten.

(Wien. Ztg.) Wie man aus Odessa meldet, ist die dortige Handels- und Schiffahrtsgesellschaft eifrig mit dem Projekte beschäftigt, durch die Kegulirung und Schiffbarmachung des Dniester diesen Fluß zur Hauptverkehrslinie für den Getreidetransport aus Bessarabien und Podolien zu machen, und trifft schon gewisse Vorbereitungen zur Realisirung dieses Unternehmens,. Die Reise des Direktors der genannten Gesellschaft, des Vize⸗Admirals Czpchaczew, der auf dem Schiffe ‚Woroncow“ von Bender aus den Lauf des Dniester bis zur österreichischen Grenze befährt, ist mit dem in Rede stehenden Projekte in Verbindung zu bringen. Die xrussische Re⸗ ierung ist dem Unternehmen günstig gesinnt und leiht demselben ihre Unterstützung. .

(Wes. Itg.) Die Suezkanalgesellschaft hielt kürzlich in Paris ihre Generalversammlung. Nach dem Berichte, der ihr vorgelegt wurde, haben die Einnahmen nahe an 42 Millionen Fres. betragen, die Ausgaben fast 29 Millionen Fres,, so daß ein Ueber⸗ schuß von 12 980 000 Fres. bleibt. Der Verkehr hat im Jahre 18806 eine bedeutende Steigerung erfahren. Es passirten den Kanal 2026 Schiffe mit einem Gehalt von 4344 519 t oder über eine Million mehr als im Vorjahre. Die n,, ist gegen die Entwickelung vorhergehender Jahre, sehr bedeutend. Nachdem 1873 die Zahl von 2 Mill. Tons erreicht war, kam der Verkehr 1877 in die 3 Millionen, fast 34 Millionen, sank dann aber wieder um einige hunderttausend Tons. Der Kanal hat unter den Dampfern denn nur Dampfer befahren ihn seine regelmäßigen Gäste, die ihn fortwährend besuchen; im vorigen Jahre waren es 221 Dampfer, die den Kanal zum ersten Male Fafsirten. Alle Linien, die sog. Ducal Line, Bird, Union Line, Rotterdamer Llovd und die italienische Gesellschaft Rubattino haben ihre Flotten um je ein Schiff vermehrt, eine Anzahl anderer Linien um 2, 3 und 4 Schiffe. Der Verkehr Rußlands mit seinen Kolonien am Amur hat dem Kanal ebenfalls viel Leben zugeführt. Von England kamen u. A. 230 Dampfer, die mit Kohlen beladen waren; von New-⸗York haben zwei Schiffe mit Petroleum den Suez kanal passirt. Allem Anschein nach wird die Schiffahrtsbewegung in diesem Jahre wieder stärker anwachsen.

Southampton, 15. Juni. (W. T. B.) Der Dampfer des Rorddeufschen Llovd General Werder! ist hier ein⸗ getroffen.

Berlin, 16. Juni 18851.

Gestern fand im Evangelischen Vereinshause eine Konferen; für das Gefängnißwesen statt. Dem von dem Prediger Schröter vom Moabiter . erstatteten Jahresbericht ist Folgen⸗ des entnommen: In den unter dem Ministerium des Innern stehenden Strafanstalten waren im vergangenen Jahr 128 559 Personen detinirt, darunter 103 143 männliche, 25 425 weibliche. 27 935 von diesen waren Zuchthausgefangene, 56ß 834 Gefängniß, 26 576 Polizei- inhaftaten, 1108 Korrigenden, 16 352 e , und 534 Schuldgefangene. Zwar ist die Zahl, der Detinir⸗

ten gegen das Vorjahr um 4000 gefallen, aber seit 1871 um 89 0 /n gestiegen; ebenso ist die Zahl der Untersuchungsgefangenen um 80, 7 o/o gestiegen. Nach Angaben des Polizei⸗Präsidiums in Berlin wurden im vergangenen Jahre außerdem an schweren Verbrechen verübt, deren Thãter noch nicht ermittelt sind: 9 Raubmorde, 2 Raubmordversuche, 8 Morde, 8 Straßenraube, 4 Raubanfälle, 5 Brandstiftungen, 8 Nothzuchtsfälle, z Kinderaussetzungen, 4 Kirchendiebstähle, 35 Diebstähle von Gold⸗, Silberwaaren und Juwelen, 44 Diebstähle von Uhren u. s. w. Beim Kriminalkommissariat im hiesigen Polizei⸗Präsidium wurden im ver⸗ gangenen Jahre 22 253 Anzeigen über begangene Verbrechen und Ver⸗ gehen gemacht, darunter 12 192 wegen Hehlerei, 234 wegen Verbrechen gegen die Sittlichkeit ꝛc. Außerdem wurden im vergangenen Jahre 4087 Personen festgenommen, darunter 2458 wegen Diebstahl; 93 wegen Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit, 34 wegen Raub, 21 wegen Mordes oder Mordversuches 2c. Im vorigen Jahre fanden in Berlin 471 Einbrüche mehr statt als 1879. Wegen Trunkenheit wurden in Berlin im vergangenen Jahre 1895 Personen sistirt, unter diesen 407 Burschen und 12 Mädchen unter 18 Jahren.

80 von diesen Trunkenen kamen wegen Bettelns zur Bestrafung.

an. wurden 236 Anzeigen wegen strasbarer Handlungen gemacht, ei denen 271 Kinder unter 12 Jahren betheiligt waren. M7 von diesen strafbaren Handlungen betrafen Diebstahl, 91 Betteln ꝛc. 125 Anträge wurden von der hiesigen Po— lizeibehörde wegen Unterbringung solcher Kinder gemacht. Der Bericht erwähnt die verschiedenen Gefängnißgesellschaften und Vereine zur Besserung entlassener Strafgefangener, ferner die in Weißensee belegene. Anstalt „Bethabara“,. Rettungshans für gefallene Mädchen, in das im vorigen Jahre 97 Mädchen auf⸗ genommen wurden. Von diesen erhielten Dienststellung bei christlichen Herrschaften o3, in die Heimath wurden befördert 3. nach Brandenburg ins Stift 3 z. Die Fürsorge für männliche Entlassene liegt fast ganz in den Händen der Stadtmission. Es wurden von diesen Entlassenen im vergangenen Jahre 1559 mit. Kleidung, Essen, Wohnung, Arheit 2c. unterstützt. Gegenüber diesen Anstrengungen könne man auch getrost sagen; die Arbeit ist nicht umsonst gethan. Es ent— spann sich hierauf eine längere Debatte, in welcher die Gefahren erörtert wurden, die durch die große Zunahme der Verbrechen der bürgerlichen Gesellschaft erwachsen, sowie die Mittel, mit. denen diesen Gefghren zu steuern sei. An der Debatte betheiligten sich auch der Geh. Ober⸗Regierungs Rath Illing und der Geh. Ober⸗Justiz⸗ Rath Starke. Von allen Rednern wurde die Nützlichkeit der Fsolir⸗ haft und die systematische Beschäftigung aller Gefangenen betont. Wolle man die Gesellschaft vor den Gefahren der überhandnehmenden Verbrechen schützen, so müsse mehr als bisher für die entlassenen Strafgefangenen und zwar nicht blos für die jugendlichen gesorgt werden. Die Versammlung xesolvirte schließlich: „Der Vorstand wird beauftragt, an die oberste Kirchenbehörde die Bitte zu richten, die An⸗ EFlegenheit betreffs der Besserung und Unterbringung der entlassenen Strafgefangenen auf die Tagesordnung der nächstjährigen Kreissynoden zu setzen.“ .

Als vor nun etwa zehn Jahren die den gesteigerten Ansprüchen des Verkehrs nicht mehr genügende ehemalige Königsbrücke durch einen ansehnlichen Neubau ersetzt wurde, erhielten die Bildhauer Schweinitz, Calandrelli, Wittig, Brodwolf, Janda und Itzenplitz den Auftrag zur Anfertigung der Modelle zu einer Reihe von zwölf Sandsteingruppen, die als plastischer Schmuck der Brücke auf den Pfeilern der Brüstungsmauern aufgestellt werden sollten. Vier dieser Gruppen sollten den Auszug, den Kampf, die Verwundung und die Heimkehr des Kriegers in allgemein verständ— licher, realistischer Auffassung schildern, vier andere in den allegorischen Hauptfiguren die vier größten Ströme Preußens, Rhein, Elbe, Oder und Weichsel, darstellen und in den ihnen zugesellten Kindergestalten Auf die in den durchströmten Gebieten herrschenden Betriebe friedlicher Arbeit hindeuten, vier kleinere Kindergruppen endlich als verbindende Mittelglieder dienen. Die inzwischen in Angriff genommene Anlage der Stadtbahn führte indeß die Zuschüttung des Königsgrabens und den gänzlichen Wegfall der neu errichteten Brücke herbei, und für die bereits fertig gestellten Gruppen waren nunmehr nicht ohne Schwie⸗ rigkeiten möglichst geeignete andere Aufstellungsorte zu suchen, die sie jetzt an drei verschiedenen Punkten des Thiergartens, in einem der Rondele am Goldfischteich, auf dem halbrunden Platz an der Pro— menade von den Zelten zum Schloß Bellevue und auf dem sogenann⸗ 29 kleinen Königsplatz in der Verlängerung der Alsenstraße gefunden haben.

An der erstgenannten Stelle präsentiren sich auf der einen Seite des Teiches die beiden von Jan da, auf der anderen die beiden von Itzenplitz modellirten Kindergruppen. Aus je zwei Figuren be— stehend, versinnlichen sie hier den kaufmännischen Handel und das durch Weberei und Eisenindustrie revräsentirte gewerbliche Schaffen, dort aber das Schmieden und Prüfen der Waffen des Krieges und den Aufruf und Auszug zum Kampf wider den Feind. Inmitten der Promenaden des Parks erscheinen sie dem Gegenstand der Darstellung nach allerdings nicht sonderlich motivirt; fofern man jedoch auf ihre Aufstellung nicht völlig verzichten wollte, hätte sich dieser Uebelstand an einer anderen Stelle so wenig wie hier vermeiden lassen.

Ein desto angemessenerer Platz konnte den vier Kriegergruppen zu beiden Seiten des auf das Sieges denkmal zuführenden breiten Weges angewiesen werden. Hier eröffnet die Reihe die von Wittig modellirte Darstellung des zum Kampf ausziehenden, von der Ge— liebten Abschied nehmenden jungen Soldaten, dem ein Knabe das Gewehr nachträgt. Es folgt sodann eine Schilderung des Kampfes von Schweinitz, der die im Handgemenge sich Bahn brechenden Figuren eines Landwehrmannes und eines Infanteristen mit der eines terbend zusammenbrechenden Husaren zu einer ungleich wirkungs⸗ volleren, obschon übermäßig bewegten Gruppe vereinigte. Ihr gegen über erhebt sich diejenige von Brodwolf, die den Ver- wundeten in der Pflege eines Krankenträgers und einer barmherzigen Schwester zeigt, und den Abschluß endlich bildet die Gruppe von Ealandrelli, ein bärtiger Kürassier, der, den bekränzten Helm am Arm, weitausschreitend der Gattin und dem von ihr getragenen Kinde entgegeneilt und die Lieben freudig umschlingt. Zu beiden Seiten der Straße sind zwischen den Gruppen gleichzeitig je zwei Fontainen mit runder Sandstein⸗Einfassung angeordnet werden, so daß der Platz nach Abschluß der neuen gärtnerischen Anlagen erheblich an Ansehen gewinnen wird. ;

Dasselbe gilt von dem bereits bezeichneten Platz an der längs des Spreeufers hinführenden Promenade, auf dem sich die vier Fluß⸗ gruppen um ein in der Mitte aufgestelltes Springbrunnenbecken glei⸗ cher Art im Halbkreis ancinanderreihen. Zur Rechten erhebt sich der von Schwelnitz modellirte Rhein“, eine kräftige Männergestalt mit vollem Bart und freiem Blick des ins Weite schauenden Auges, die, rubig dasitzend, die . Über der gegen den Schenkel gestützten Urne zusammengelegt hält, während auf der einen Seite ein Fischer⸗ knabe sich anstrengt, das gefüllte Netz emporzuziehen und auf der an deren eine jugendliche Winzerin die reifen Trauben vom Weinstock schneidet. Nach links hin schließt sich hieran, von Calandrelli modellirt, die Elbe“ in Gestalt einer weiblichen Figur in faltenreichem Gewande, neben der zwel Knaben den Handel und die Eisenindustrie reprä- sentiren. Als schönste der ganzen Reihe ragt sodann die „Oder von Schweinitz empor, ein mit den Händen sich auf das Ruder ö jugendliches Weib mit stelzem, freudig blickendem Haupt, u deren Füßen ein Knabe in , , die Hacke gegen den . schwingt, während eine liebliche Mädchenfigur auf der anderen Seite als Vertreterin der Landwirthschaft bei, der Schafschur be. griffen ist. Der von itt modellirten Weichsel! endlich gesellt sich ein Knabe, der als Holzflößer einen Baumstamm herbeischleppt, und ein gleich ihm etwas gar zu dünn und unscheinbar gerathenes Mädchen, die mit der Garbe im Arm auf den Ackerbau der Weichsel gegenden wer.

Die nur dekorative Bestimmung sämmtlicher 12 Bildwerke, bei deren Ausführung allerdings sich einige der beauftragten Bildhauer der Aufgabe kaum gewachsen zeigen, darf bei der künstlerischen Beurtheilung der überdies für einen ganz anderen Aufstellungsort als den jetzigen gear⸗ beiteten Gruppen nicht außer Augen gelassen werden. m 3 beden ·

tender aber heben sich einige derselben hervor, die durch Kraft und Frische der Auffassung und durch, schönheitsvolle Gestaltung einer eingehenderen Beachtung werth erscheinen und die Reihe unserer öffentlich aufgestellten Bildwerke um einige treffliche Stücke vermehren. Wie die Gruppe des Rheins von Schweinitz (der auch in der sterbend zu= sammenbrechenden Gestalt seiner Kriegergruppe eine tüchtig erfundene 3 vorführt) durch die schlichte und würdige Hauptgestalt und nicht weniger durch die lebendig bewegte des jungen Fischers erfreut, so fordert vor Allem desselben Künstlers vortreffliche Odergruppe und in gleichem Grade die meisterhafte Kriegergruppe von Calandrelli, dem Berlin bereits das bronzene Denkmal für die Gefallenen des Ostbezirks verdankt, die uneingeschränkteste Anerkennung. Beide Werke zeigen in jeder Figur die volle, warme Frische des Lebens mit kräftiger, echt künstlerischer Empfindung vereinigte und wissen in der Kompo⸗ sition bei durchaus selbständiger, . an ein terne . Schema gebundener Erfindung und Anordnung die einzelnen Ge⸗ stalten mühelos zu einem in den Linien einheitlich geschlossenen Ganzen zusammenzufassen, das namentlich bei, der Gruppe von Schweinitz zugleich mit großem Geschick auf eine Ansicht von den verschiedensten Seiten her berechnet ist.

Breslau, 14. Juni. (Schles. Ztg.) General⸗Feldmarschall Graf von Moltke traf heute Nachmittag, von Schloß Kreisau kommend, hier ein und begab sich sogleich nach der Schlesi⸗ schen Gewerbe- und 5 Bei dem etwa. anderthalb Stunden währenden Aufenthalt besichtigte Graf Moltke besonders die Erzeugnisse der Glas⸗, Porzellan⸗ Eisen⸗ und. Montan⸗Industrie, die Webereien und den Maschinen⸗ betrieb. Die von Ganz u. Comp. in Ratibor ausgestellten Geschosse und Granaten, sowie die von der Wilhelmshütte aufgestellte Förder⸗ maschine von 10990 Pferdekraft wurden einer besonderen Besichtigung unterzogen. Schließlich besuchte der General-Feldmarschall noch die altdeutsche Weinstube von Lübbert und die deutsche Bierstube von Conrad Kißling. Um 6 Uhr verließ Graf Moltke die Ausstel⸗ lung. Se. Excellenz versprach den Comité Mitgliedern, die ihren Dank für den Besuch der Ausstellung abstatteten, in uächster Zeit zu längerer Besichtigung der Ausstellung wiederzukommen.

Halle, 14. Juni. (Ausst.Ztg.) Am letzten Sonntag war der Besuch der Ausstellung um so lebhafter, als verschiedene Extra— züge, so besonders einer von Leipzig mit 1300 Reisenden, nach unserer Skadt abgelassen waren. Die von den Staatsbahnverwaltungen ge⸗ währten Fahrtvergünstigungen, denen sich nunmehr auch die Bersin⸗ Anhaltische Eisenbahngesellschaft angeschlossen hat, machen ihren för⸗ dernden Einfluß geltend. Hoffentlich wird fich der Besuch noch immer mehr steigern, zumal die Ausstellung an Großartigkeit der An⸗ lagen und interessanten Ausstellungsobjekten wohl von keinem der zahlreichen zur Zeit inszenirten Unternehmungen übertroffen wird. Wir machen ganz besonders darauf aufmerksam, daß Gruppe MI. Berge, Hütten- und Salinenwesen), ferner Gruppe LT. (Chemische Industrich, Gruppe VII. (Metall⸗Industrie und Armaturen), Gruppe VIII. (Porzellan⸗ , Thon⸗ nnd Steinwaagren), Gruppe XX. (Haus- und Zimmereinrichtungen Gruppe XVIII. (Musikalische . und Gruppe XIX. (Schulwesen) eine solche Fülle von einschläglichem Material liefern, daß sicherlich kein Fachmann diese Gruppen ohne das Gefühl hoher Befriedigung verlassen wird. Neben dem Studium sind auch dem Vergnügen in solchem Maße Kon— zessionen gemacht worden, wie sich dessen wenige Ausstellungen rühmen können.

Stuttgart, 14. Juni. Se. Majestät der König besuchte heute die Ausstellung und machte, geführt vom QOber⸗-Inspektor Senfft, bei einer großen Anzahl von Ausstellern sehr reiche Einkäufe.

Allg. Corr) In Typhon (Armenien) hat ein Erdbeben stattgefunden, wobei 100 Personen ihr Leben verloren, etwa 60 Ver⸗ letzungen davontrugen und eine große Anzahl von Häusern zerstört wurde. Unter den am Leben Gebliebenen herrscht großes Elend.

Selten ist wohl das der komischen e geweihte Wallner⸗ Theater Zeuge einer so tiefen Ergriffenheit seiner Insassen ge⸗ wefen, als sie die Gäste vom Münchener Gärtnerplatz⸗ Theater am Schluß des 3. Akts der gestrigen Novität, „Der Prozeßhans'l!' in dem sonst nur von Lachsalven durchschütterten Hause zu erregen verstanden. Der Streit des prozeßwüthigen Bauern mit seinem Gesinde, dem er den Lohn schuldig geblieben, die furchtbare allgemeine Betäubung bei dem Herniederdonnern einer Lawine, deren Fall der Unselige, durch Nieder⸗ schlagen des Schutzwaldes verschuldet hat, dann nach einer Pause das erschreckte Hinausstürzen der Knechte und Mägde, die unheildrohende Stille zwischen Vater und Tochter, das heranbrausende Gemurmel der Menge, welche den verunglückten Sohn hereinträgt, die Anklage der Mutter, das Wehklagen der Geliebten und die Ver⸗ zweifelung des zerknirscht an dem Körper niedersinken⸗ den Vaters, der herrisch Alle , um allein sein zu können mit seinem Schmerze über den Verlust des geliebten, einzigen aber einem außerehelichen Verhältniß entsprossenen und darum von ihm nicht öffentlich anerkannten Sohnes, wie dann, als der Todtgeglaubte wieder Augen und Mund aufthut, der schwergeprüfte Mann in fast kindlicher Freude aufjauchzt, emporspringt und die eben erst Hinausgejagten wieder hereinruft, damit sie nun an seiner namenlosen Freude theilnähmen, das alles tritt so tiefergreifend wahr, so in jeder Beziehung ungekünstelt und doch in allen einzelnen Momenten und ihrer Aneinander⸗ reihung und Steigerung so fein dynamisch und künstlerisch abgewogen in die Erscheinung, daß diese dramatische Gesammtleistung als ein ch in der darstellenden Kunst, bezeichnet werden muß. In der Hauptsache ruhte die Scene auf den Schultern des Hrn. Neuert, eines vortrefflichen Künstlers von einer tragischen Kraft, wie man sie in dem naturwüchsigen Idiom kaum für möglich halten möchte. Von prächtiger Treuberzigkeit war ferner der Toni (Sohn des Prozeßhans') des Hrn. Albert, und daß Fri. Schönchen die Mutter wieder mit allem dem charakteristischen kami⸗ schen Detail ausstattete, in dem sie Meisterin ist, versteht sich von selbst. Reizend neckisch waren Frl. Bach als Burgl und Frl. Truhart als Refs'l, die diesmal in einer dankbareren Rolle auch ein flotteres Spiel zeigen konnte. Hr. O. Beck (Franzl) half die hübsche Scene des ersten Wiedersehens mit Burgl zu einem höchst anmuthigen kleinen Genre⸗ bilde ausarbeiten, und nicht minder hübsch waren die Scenen des letzten Akts zwischen den beiden glücklichen Pärchen. Der Gemeinde⸗ diener Schlaucherl des Hrn. Dreher mit , Daber ü ärgr' mi niet war von drastischer Komik, während der Leiter der Gefellschaft, Hr. Hofpauer, sich diesmal mit der kleinen Rolle des Sberknechts bei dem Großbauern begnügt hatte. Fr. Reschreiter als Sberdirn nebst Chor der Dirnen und Knechte erfreuten wieder durch einige reizende ,, Das Stück hat die⸗ selben Verfasser wie der „Herrgottsschnitzer und ist, was Unge⸗ Wwungenßeit des Aufbaues der sich aus naiven, dörssichen Konflikten ergebenden Handlung angeht, ebenso glücklich, ja vielleicht noch glücklicher, als jenes. Die Ausstattung der Novität war wieder von wahrhaft känstlerischem Arrangement, die Dekorationen und Gruppirungen des letzten Aktes von entzückender Schönheit. Leider will die Gefellschaft uns schon am Sonnabend wieder verlassen. Das Haus war gestern wie alle Tage vollständig ausverkauft.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Grpedition (Kessel). Druck: W. El s ner. Fünf Beilagen (einschließlich Börsen · Beilage).

Berlin:

3 138. .

Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 16. Juni

188.

Königreich Preußen. Finanz⸗Ministe rium.

Zusammenstellung der am 1. April 1881 durch die Provinzial-Rentenbanken erzielten Resultate (exel. Ratzeburg.

Am 1. April 1881 sind an Renten übernommen:

erhalten:

Die Berechtigten haben dafür Abfindungen

Die ausge⸗ looste ; 266 An nam Die Kapitalien, welche von

P f ö ? Bezeichnung zu R/ io des Betrages der

vollen Rente

der

a. aus der b. von den Staats⸗Kasse Pflichtigen

. 6

Rentenbank.

überhaupt

des Betrages der vollen

in Renten⸗ S a. ö zu di0 J briefen = baar sämmtlicher ö (Kapital⸗ 8 . S U d⸗ 83 6 Renten vẽrfchrei⸗ spitzen) bungen

ö l 3 162 s 9 6. Mt *

Rente

9 * Renten ⸗Ablö⸗ 1 den Pflichtigen mit dem ,, ,. faülnen 18 fachen Betrage der Rente w—— talien sind bis Renten; an die Staats kasse . zum I. April briefe ap eingezahlt sind und wofür der . gekün⸗ S le Heir , ö Abfin⸗· 9. igt resp. re ungen in Rentenbriefen Abfindungen. eingezahlt . rerlangt haben, betragen: betragen M6 * x 2 l. 6

= Nummer.

r 64 5. Münster und zwar:

1 11 585 1 ) 27 0M980 Königsberg... 4 4740610 Magdeburg, und zwar: ; aus der Provinz Sachsen

= Hannover.

aus Westfalen und der Rheinprovinz .

aus der Provinz dessen Nassau

3. Posen. w

Stettin, und zwar:

aus der Provinz Pwmmerm. 4 ö Schleswig⸗ Holstein. .

818320 1017970 27 80620

21 68890

67 409 60

i is s GJ r ss 2707280 5h gh 3 673 333 17 41606516 ö ; 1616 35. 7443 S868 /

53 161 60 1166 550 2599 2212 383 298252 65 235

178 950 325 575 608 925

21 688 90 T6 775 5 2003555

67 412 1523 9535) 4362 1116s

L669 168 88859 38 88s 1141 35320 26 60l 573 33 */ 58 826 719 102 1053 468 888 9249 6 187 800 . .

1181 368 888 71 356 57 317 475 65 426 5585 / 32 15 090

. 181 848 89 329 735 53 iĩ7 95 55s /

16 890020 212775 12 060,37 294 M5 481 975 5585/9 15 833 055 193 875

8 317 1110 261656 96750 648 2

Summa I39 76 Hierzu die in den früheren Ter—⸗ minen von den Rentenbanken

übernommenen Renten und die

342 489 021,2

288 187 /9

dafür ausgefertigten Rentenbriefel 1288 373 6712 132223 6G n sh 277i Ii 190 749 30 18 404 598 57 υ tor 967 34511 377 624 58*οτο 344269 580 1 46L HMM - 2s 872

1528

7710 803 1879 239 557 89s 2 419 440 64 246 50 11461 600 54 ab 461100 rückgängig gewordenen Ablösungen.

256 771473 50

Summa 129178600 Außerdem sind an Renten über⸗ nommen und haben die Berech⸗ tigten dafür an Schuldverschreibun⸗

gen erhalten: . a. von der Paderborner Til⸗ ö b. von der Eichsfeldschen Til⸗ gungskasse. ..

243 15431 8 93604

128 97037

6090000 3 437 745

1 , ff sss s Lie is s sed R is sid Soi 3 diz 77M 14 Gos 77a 77s s 1ITG1OI2 3274706531535 235 855 ,,

098 936 0 991 27 8 5884 200 ö

3437 745 312 473 53 1 405470 . .

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D e d i d sssiᷓ l Gs 5s ies 146 si 451 S848 Sis / e425 592 453 SI5/9 . 13 0604713 72181 995 985

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Aichtamtlich es.

Preußen. Berlin, 16. Juni. Im weiteren Ver⸗ laufe der gestrigen (61) Sitzung begann der Reichstag die dritte Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Unfallversicherung der Arbeiter auf Grund der Zusammenstellung der in. zweiter Berathung gefaßten Be⸗ schlüsse. In der Generaldiskussion erklärte sich der Abg. Frhr. Langwerth von Simmern gegen das Gesetz. Man, müsse die Privatversicherungsanstalten bestehen lassen, um die Staats⸗ onmipotenz nicht zu sehr anwachsen zu lassen. Die Negelung dieser ganzen Materie müsse der. Privatthätigkeit überlassen werden, in welche der Staat freilich fördernd oder bestim— mend eingreifen könne. Eine Förderung der Privatgesell⸗ schasten, eine Begünstigung der. Unterstützungskassen sei dem Arbeiterstande nützlicher, als die. Errichtung einer Landes⸗ anstalt, welche nicht dem Föderalismus, sondern dem Staats⸗ sozialismus Vorschuh leiste. ö ;

Der Abg. Dr. Lasker richtete an die Majorität des Hauses die Frage, ob heute nur akademisch oder über ein Gesetz, was praltisch vielleicht noch zu Stande kommen könne, verhandelt werden solle? Er hoffe, daß sich die Majorität darüber schlüssig gemacht haben werde. Er frage ferner:; solle die Verhandlung heute oder erst am Freitag zu Ende geführt werden, in welchem Falle der dazwischen liegende freie Tag zu einem Kompromiß über die heute bestritienen Punkte benutzt werren könnte. Er (Redner) würte einen festeren Boden unter sich fühlen, wenn einer der Herren von der Majorität vor ihm gesprochen und diese Fragen beantwortet hätte, die er aus praktischem Interesse, nicht aus Neugier aufgeworsen habe. Man schweige, kein Zuruf von irgend einer Seite werde laut, er müsse also an— nehmen, die Herren wüßten es auch nicht. Diese Lage ber Sache beweise ihm, daß dieses Gesetz, das in wirihschaftlicher Beziehung von eminentem Interesse sei, leider zum Gegenstande von Abmachungen, Verträgen und. Ab⸗ schlüssen der Parteien geworden sei. Der Kommissionsvor⸗ schlag sei in der zweiten Lesung nach Art der Verträge fast ohne Abänderung angenommen worden, viele gute Gründe seien gegen denselben vorgebracht, die Majorität habe sie niedergestimmt, denn Verträge nehme man im Ganzen an orer lehne sie im Ganzen ab. Solle das Gesetz in dritter Lesung zu Stande kommen, müßte man die Voraussetzung haben, daß man den Vertrag in Pausch und Bogen annehmen könne, die Präliminarien seien fertig und in die gn en eingerückt, aber ob die Verträge vollständig ahgeschlossen seien, wisse man nicht. Der zuerst begangene Fehler, die Einbrin⸗= gung des Gesetzes mit viel zu viel Gerausch und viel zu wenig Vorbereitung, beherrsche sein Schicksal und dieses wäre, Cedäes müsse seine nachtheiligen Folgen äußern. Der wahre Inhalt sei nur von sehr kleinem Umfang. Denn er nehme an, daß z. B. die Frage der Lebensversicherunzen von zehnmal so großer Bedemung sei, wie die, von der das Unfallgesetz handele. Frage man nun, wie weit das Gesetz Diejenigen, die es zu Veiträgen sür die Versicherungsanstalt verpflichte, heranziehe, so erhalte man nur die Antwort: man wisse es nicht. Dies zignoramnz zt

jgnorabimussei gerade eine Ursache für die Regierung, sich so viel Vellmachten wie nur irgend möglich, zu ichern. Es sei ein bedenkliches Zeichen und eine Warnung für das ae: dies Gesetz nicht zu Stande kommen g lassen, daß die besten Kenner des Gegenstandes in den Hauptsachen ihre Ansicht geändert hätten und in wenigen ochen gerade ent⸗ egengesetzte Meinungen gewonnen hätten, wie die

de sich um sich selbst, drehe, unbekümmert darum, daß das, was eben beleuchtet gewesen, jetzt dunkel würde. Er habe in der ersten und zweiten Lesung die Ansicht vertreten, daß die Arbeitgeber allein die Versicherungs prämie aufzubrin⸗

gen hätten, allerdings unter der Bedingung, daß man diese dann auch selbst die Anstalt müsse wählen lassen, bei der sie versichern wollten, aber zur Staatsanstalt könne man unter diefen Unständen den Arbeitgeber nicht zwingen. Die Konser— vativen dagegen hätten in der ersten Lesung gesagt: der Arbeit— geber allein sei nicht im Stande, die ganze Leistung zu er⸗ schwingen; in der zweiten Lesung hätten die Konservativen ihre Meinung nicht mehr völlig aufrecht erhalten und jetzt zwischen der zweiten und dritten Lesung habe sich in der Gesinnung der Konservativen ein Umschwung von solcher Bedeutung voll⸗ zogen, daß es über die Kräfte gewöhnlicher Gesetzgebung hinausgehe, demselben zu folgen. Es sei angenommen worden, daß man dem Gesetz seine hauptsächliche Wirksamkeit raube, wenn man die Karenzzeit von 4 Wochen aufrecht erhalte, Dieser

stimmung mit großer Masorität abgelehnt habe; die Minoritãät habe sich zusammengesetzt aus denen, die sür vierwöchentliche wund denen, die für gar keine Karenzzeit gestimmt hätten. Run solle sich plbtzlich eine neue Majorität bilden, einige Mitglieder des Hauses seien bereit, dies Sakrifizium ihrer Gesinnung zu Gunsten der dritten Lesung zu bringen. Er wolle feine Haupteinwände gegen das ganze Gesetz, daß es nur einzelne Arbeiterklassen privilegire und ähnliche, die er schon früher aufgezählt habe, nicht noch einmal wiederholen. Aber was habe sich die Regierung bei Einbringung dieses Ge⸗ setzes eigentlich gedacht? Wollte sie in Wahrheit innerhalb eines kleinen und beschränkten Kreises den Arbeitern Abhülfe gegen gerechte Beschwerden gewähren, dann hätte es dazu zwei einfache Mittel gegeben: entweder die Ausdehnung des Haft⸗ pflichtgesetzes oder das System der Tarifirung und Versiche⸗ rung daneben, womit dem großen Uebelstand ohne weitläufige Organisationen abgeholfen gewesen wäre. Oder die Regie⸗ rung habe in der That nicht sowohl jftzt eine Abhülse schaf⸗ fen wollen, sondern auf die großen sozialistischen Fragen ant⸗ worten, von denen die Molive sprächen, dann wäre es viel vorsichtiger gewesen, alle diese Fragen mit einem Mal der Volksvertretung und selbst der öffentlichen Meinung vor⸗ zulegen und nicht mit kleinen Dingen anzufangen, Denn was die Regierung in den Motiven wolle, sei so weittragend, daß damit die Besitzverhältnisse, vollständig umgeändert würden. Er wolle ein Beispiel geben, ohne daß er es 1 den Zahlen zutreffend nennen könne. Wenn etwa der Erwerb' in der deutschen Nation im Ganzen 10 Milliarden jährlich betragen möchte und es würde an diesen Milliarden der Besitz in Höhe von 6 Milliarden und die Arbeit in Höhe von 4 Milliarden theilnehmen, so würde es nach dem neuen Gesetz ungefähr zutreffen, daß in Zukunft in Deutschland der Vesitz, d. h. Rente, Zinsen u. s. w., herunter⸗ gehen würden auf 5. Milliarden und die Arbeit auch mit 3 Milliarden theilnehmen würde. Das wäre nur möglich durch Entwerthung des Kapitals jeder Art, sofern es als Besitz und als rentbares Eigenthum existire. Wenn die Re⸗ jerung in dieser Form die Frage vorgelegt hätte und dann ämmtliche Besitzer dieses Hauses und im Lande einwilligen würden, daß ihr Besitz bis zu einem bestimmten Grade ent⸗ werthet würde, damit die Arbeiter an dem Aufkommen der Nation einen größeren Antheil nähmen, so würde er der Erste fein, der dies freudig begrüßen würde, alles was man in dieser Hinsicht tree r ih nenne, sei ihm keineswegs antipa⸗ thisch. Ob aber die Regierung dieselbe Unterstützung auf den Seiten finden würde, die in ihrer eigenen erson und An⸗ schauung Vertreter der jetzigen Ordnung des Bsitzstandes seien, sei ihm noch sehr zweifelhaft. Glaube die Regierung darauf rechnen zu können, dann müßte sie mit dieser i ren Frage offen hervortreten und sich nicht hinter einigen Redens⸗ arten in den Motiven verstecken. Dann würde auch diese Frage nicht innerhalb dieser Session gelöst worden sein, dann

Grund sei so einleuchtend gewesen, daß das Haus diese Be⸗

würde man nicht den Muth gehabt haben, sofort eine Ant⸗ wort auf diese Frage zu verlangen, denn das wolle reiflich erwogen sein, und die Regierung gestehe es selbst zu, daß sie mindestens 4 bis 5 Jahre Zeit brauchen würde, ehe sie eine solche Organisation ins Leben rufen könnte. Die Kommission habe nicht den Muth gehabt, einen Zeit— punkt als Endtermin zu bestimmen, bis zu welchem das Gesetz rechtskräftig werden solle, vermuthöich, weil sie nicht wisse, ob es möglich sein würde, solche Grundsätze in 6—7 Jahren fertigzustellen. Sei es nun nöthig und gerathen, dieses Gesetz in das Land hineinzuschleudern und nachträglich zu erklären, man wolle mehrere Jahre für die Insormation gebrauchen, um dann zu sehen, ob dann erst das Gesetz in Wirksamkeit treten könne? Wäre es nicht nöthig gewesen, dies vorher zu thun? Das Zustandekommen des Gesetzes angenommen, werde es die ersten 5 bis 6 Jahre praktisch nicht durchgeführt werden können und jede Nesorm der Haft— pflichtgesetzgebung, auf welche die Arbeiter ein Recht hätten, werde ausgeschlossen; also weil die Gesetzgeber nicht die Fähigkeit hätten, schnell genug das, was sie in den Grundsätzen anerkannt hätten, auszusühren, müsse der Arbeiter auf sein gutes Recht verzichten. Und jeder Verletzte sage angesichts dieses Wortlautes im Gesetze: was er moralisch zu fordern habe, sei von den Gesetzgebern Deutschlands aner⸗ kannt, was er thatsächlich bekomme, darüber, könnten die Herren sich noch nicht einigen und deswegen sei er für das ganze Leben ein verlorener Meann. Das halte er (Redner) für moralisch unstatthaft, mit, der Gesetzgebung große Prinzipien auszusprechen, welche die Einzelnen bis aufs Tiesste erschütterten, weil ihre Lebensexistenz in Frage komme, und es fehlen zu lassen an der Geschicklichkeit, diese großen Prinzipien ins Leben zu rusen. Auf eine solche Verirrung könne man auf wirthschaftlichem Gebiete nur kommen, wenn man die wirthschaftlichen Angelegenheiten und selbst die Leiden des Volkes in die polttische Agitation einwerfe und politische Zwecke damit verfolge. Wenn das Haus heute in der That nur theoretisch verhandele, dann bitte er, wenn über die Reichsanstalt abgestimmt werde, die Herren, welche aus praktischen Iründen die seiner Meinung nach vollständig loyale Einwirkung des Reiches verleugnet hätten, bei der theoretischen Abstimmung dem Reiche zu geben, was dem Reiche gezieme, damit für die Zukunft ein richtiger Wegweiser gegeben sei; bei den Herren auf der rechten Seite sei es gewiß ein praktischer Grund ge⸗ wesen, weshalb sie für die Staatsanstalt gestimmt hätten; äben die Herren heute dem Reiche die Ehre. Von den Herren in der Mitte des Hauses gestehe er offen, er halte es für eine Verleugnung im edlen Sinne der Bestrebungen dieser Herren, daß sie dieses Gesetz nicht annähmen, obschon die Staatsanstalten darin sländen. Auch er sei für Dezentralisation, sie müsse aber in der Verwaltung gesucht werden und das sei viel leichter auszuführen, wenn das Neich, als wenn die Einzelstaaten die Angelegenheit in die Hand nähmen. Äber er glaube, man werde nicht allein dem Lande, sondern auch der e ft nn Lösung dieser Angelegenheit einen guten Dienst leisten, wenn man nach Erledigung aller Abstimmungen zuletzt gegen das ganze Gesetz stimme. Stimme man dafür, so könne der Bundesrath das Gesetz liegen lassen, und die wirklich jetzt schon durchführbare Resorm zur Abhülse der Veschwerden der Arbeiter werde lahm gelegt. Er bitte, nicht vom Standpunkte der Opposition aus, das Gesetz, wie es auch aus den heutigen Beschlüssen herauskommen möge, abzulehnen. ;

Der Abg. v. Kardorff bemerkte, keine Behauptung des Vorredners sei unberechtigter als die, daß die Regierung dieses Gesetz unvorbereitet und sensationell ins Werk gesetzt, roße Prinzipien in Fluß gebracht habe, welche die sessten

chichten der Massen aufrührten, ohne dieselben zur Durch⸗