Anmerkung. Die Namensunterschriften der Mitglieder des Kreisausschusses können mit Lettern oder Facsimilestempeln ge⸗ druckt werden, doch muß jede Anweisung mit der eigenhändigen Namensunterschrift eines Kontrolbeamten versehen werden.
Die Anweisung ist zum Unterschiede auf der ganzen Blattbreite unter den beiden letzten Zinsscheinen mit davon abweichenden Lettern in nachstehender Art abzudrucken.
9 ter Zinsschein. 10 ter Zinsschein.
Anweisung.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗Angelegenheiten.
Die Ernennung des ordentlichen Lehrers am hiesigen Sophiengymnasium, Dr. Brosien zum Oberlehrer an der— selben Anstalt ist genehmigt worden.
Bekanntmachung.
Der Eingang zu sämmtlichen Abtheilungen der Königlichen Museen ist vom Dienstag, den 17. d. Mts. ab, wiederum, wie früher, vom Lustgarten aus über die Freitreppe.
Berlin, den 10. Januar 1882.
Generalverwaltung der Königlichen Museen.
eln n nn n nne n auf Grund des Reichsgesetzes vom 21. Oktober 1878.
Auf Grund des §. 6 des Reichegesetzes vom 21. Oktober 1378 gegen die gemeingesährlichen Bestrebungen der Sozial— demokratie wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht, daß der Gesangverein „Union“ in Wiesbaden nach 8. 1 des oben gedachten Gesetzes durch die unterzeichnete Lan— despolizeibehörde verboten worden ist.
Wiesbaden, den g. Januar 1882.
Königliche Regierung. Abtheilung des Innern. Mollier.
Per sonalver änderungen.
Königlich Preußische Armee.
Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. Berlin, 3. Januar. Frhr. v. Steng lin, Sec. Lt. vom 2. Garde⸗Regt. z. F., in das Gren. Regt. Nr. 89 versetzt.
Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. Berlin, 3. Januar. Sandhaas, Hauptm. A la suite des Inf. Regts. Nr. 114 und Vorstand des Festungsgefängnisses in Rastatt, mit Pens. und der Unif. des gen. Regts. der Abschied bewilligt. Seubert, Pr. Lt. 4. D., zuletzt von der Landw. Inf. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 110, früher im Gren. Regt. Nr. 110, die Erlaubniß zum Tragen der Armee⸗Unif. ertheilt. — 5. Janugr, Braemer, Sec. Lt. vom Inf. Regt. Nr. I. mit Pens. der Abschied bewilligt.
Beamte, Ler Militärverwaltung. Durch Verfügung des Kriegs-Ministeriums. 31. Dezember. Neff, Zahlmftr. vom 1. Bat. 3. Garde⸗Regts. z. F., zum 2. Bat. 4. Garde⸗Regts. z. F. Knäiffert, Zahlmstr. vom 2. Bat. 4. Garde⸗Regts. z. F., zum 2. Bat. Garde⸗Gren. Regts. Nr. 1, Knoll, Zahlmstr. vom 2. Bat. Garde ⸗ Gren. Regts. Nr. 1, zum 1. Bat. 3. Garde⸗Regts. z F., versetzt. — 1. Januar. Freyer, Zahlmstr. vom Garde⸗ Füs. Bat. Inf. Regts,. Nr. 115, zum Jäger-Bat. Nr. 11, Stamm, Zahlmstr. von der 1. Abtheil. Feld⸗Art. Regts. Nr. 11, zum Garde Füs. Bat. Inf. Regts. Nr. 115, versetzt.
XII. (Königlich Sächsisches) Armee⸗Corps.
Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. 23. Dezember. Graf Bitz thum von Eck städt, Pr. Lt. im Gren. Regt. Nr. 100, in den Generalstab auf ein Jahr kommandirt. Schmalz, Hauptm. im Gren. Regt. Nr. 101 und. Adjut, im Generalkommando, zum Major, v. Montbs, Pr. Lt. im letztgen. Regt, zum Hauptm. und Comp. Chef, Frhr. v. Wrede, Sec. Lt. in dems. Regt, zum Pr. Lt. befördert. Schnei⸗ der, See. Lt. im Inf. Regt. Nr. J03, der Charakter als Pr. Lt. verliehen. Ihle, See. Lt. der Res. im Inf. Regt. Nr. 134, zum Sec. Lt. der aktiven Armee in seinem Regt. ernannt.
Im Beurlaubtenstande. 23. Dezember. v. Ferber, Sec. Lt. der Landw. Kav. des 1. Bats. Landw. Regts. Rr. 166, Linke, Sec. Lt. der Landw. Kav. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 100, v. Arnim, Geilner, Sec. Lts. der Landw. Kav. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 104, Kürzel, Sec. Lt. der Landw. Nav. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 165, zu Pr. Lts. der Landw. Kab. befördert.
Abschieds bewilligungen. Im aktiven Heere. 23. De⸗ zember. , v. Schnehen, Oberst und Commandeur des Hus. Regts. Nr. 19, in Genehmigung seines Abschiedsgesuches, unter Verleihung des Charakters als Gen. Major, mit der gesetzl. Pens. und der Er laubniß zum Tragen der Gen. Unif. mit den vorgeschrieb. Abzeichen zur Disp. gestellt. Stengel, Pr. Lt. im Hus. Regt. Nr. 18, aus der aktiven Armee, unter Uebertritt zu den Offizieren der Res. feines Regts., ausgeschieden.
Im. Beurlaubtenstande. 23. Dezember. Kürzel, Pr. Lt. der Res. des Train-Batg. Nr. 12, auf geschehenes Ansuchen der Abschied bewilligt. Im Sanitätscorps. 2. Dezember. Dr. Gnauck, Assist. Arzt 1. Kl. der Res. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 1658, Hr. Cahnheim, Assist. Arzt J. Kl. der Res. des Res. Landw. Bats. Nr. 198 zu Stabsärzten d. Res., Dr. Bertheau, Assist. Arzt 2. Kl. des Ulan. Regts. Nr. 18, zum Assist. Arzt 1. Kl., Pr. Gelbke, Assist. Arit 2. Kl. der Nes. des 1. Bats. Landw. Regtg. Nr. 107, Dr. Corrmann, Assist. Arzt 2. Kl. der Res. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 102 zu Assist. Aerzten J. Kl. der Res., Dr. Müller, Unterarzt der Res. des Res. Landw. Bats. Nr. 108, zum ssist. Arzt 2. Kl. der Res. befördert. Dr. Bech, Assist. Arzt 1. Kl. des Garde⸗ Reiter⸗Regts., ein Patent seiner Charge vom 24. September 1879 FE2 verliehen.
Beamte der Militär⸗Verwaltung. Durch Allerhöchste Verfügung, 31. Dezember. Ja cob, Corpö. Roßarzt mit Pr. Liz. Rang, anläßlich dessen 50 jährigen Dienstjubiläums der Hauptmanns⸗— rang verliehen.
Aichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 11. Januar. Se. Majestät der Kaiser und König nahmen heute die Vorträge des Chefs des Civil⸗Kabinets, Wirllichen Geheimen Raths von Wil⸗
l — Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Lronprinz begab Sich gestern früh 8 Uhr 40 Minuten nach Potsdam und hielt in der Umgegend des Neuen Palais eine Jagd auf Hasen und Fasanen ab. Mit dem 4 Uhr⸗Zuge kehrte Höchstderselbe hierher zurück.
Demnächst folgten Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin einer Ein⸗ ladung des Ministers des Königlichen Hauses und der Gräfin von Schleinitz zum Diner.
— Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstags befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (22.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staats-Minister von Boetticher und mehrere Be— vollmächtigte zum Bundesrath sowie einige Kommissarien die Allgemeine Rechnung über den Reichshaushalt für das Etatsjahr 1877478, die Uebersichten der Reichsaus⸗ gaben und Einnahmen für das Etatsjahr 1880/81, und die Rechnung der Kasse der Ober⸗Rechnungskammer für das Etatsjahr 1878/79 und 1879/80 nebst den dazu gehörigen Nachweisungen über die Einnahme und Ausgabe an Schreib— materialien und Druckformularen, bezüglich desjenigen Theils der Rechnung zur Decharge, welcher die Reichsverwaltung betrifft, auf Grund der in zweiter Berathung unver— ändert angenommenen Anträge der Rechnungskommission ohne Debatte erledigt. Sodann wurden eine Reihe von Petitionen als zur Erörterung im Plenum ungeeignet 2 beiwohnten, wurden in dritter Berathung erklärt.
Es folgte die Berathung des Antrages des Abg. Rittinghausen und Genossen, betreffend die gesetzliche Regelung der im 8. 5 des Wahlgesetzes vom 31. Mai 1869 ö Vermehrung der Mitglieder des Reichs— ages.
Derselbe lautet:
Der Reichstag wolle beschließen: den Reichskanzler zu ersuchen, in dieser oder der nächsten Session den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, welches in Gemäßheit des Ss. 5. des Wahlgesetzes vom 31. Mai 1869 und auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1880 die Vermehrung der Mit— glieder des Deutschen Reichstages feststellt.
Nach einer auf der Tribüne unverständlich ge— bliebenen Begründung des Antrages durch den Antragsteller sprach der Abg. Mayer (Württemberg) sein Einverstaäͤndniß mit dem Antrage aus, der nichts sei als eine Konsequenz der Statistik der Bevölkerung und des Wahlgesetzes. Die Re⸗ vision der Wahlkreiseintheilung, wie sie in Bayern zur Ausführung gebracht sei, lade zu einer Nachahmung nicht ein. Es empfehle sich, das die Zahl der wahlberechtigten Personen im Deutschen Reich regelnde Gesetz so einzurichten, daß nach jeder Volkszählung die entsprechende Vermehrung von selber eintrete. Nur ein solches Gesetz werde das all⸗— gemeine Wahlrecht zu einer Wahrheit machen.
Der Abg. Frhr. von Minnigerode bat, einem solchen Gesetze keine zu große Bedeutung beizumessen. Uebrigens seien Unzuträglichkeiten bisher nur in einzelnen Orten auf— getreten, die eine allgemeine gesetzliche Neuregelung nicht geboten erscheinen ließen. )
Der Abg. Dr. Günther ((Berlin) isprach sich gleichfalls gegen den Antrag aus, wenngleich die Motivirungen des Antrag— stellers ihm nicht unsympathisch seien. Gegen den Antrag zu stimmen, bewege ihn zunächst der Umstand, daß die jetzige Zeit eine viel zu unruhige für derartige Reformen sei; sodann sei aber ein solches Gesetz gerade jetzt ein zweischneidiges Schwert, das gar zu leicht schädlich wirken könne. Die Liberalen . aber keine Veranlassung, ihre eigenen Todtengräber zu sein.
Der Abg. von Bennigsen hielt den Antrag mit Rücksicht auf die lokalen, räumlichen Verhältnisse jetzt für nicht accep— tabel, da es unmöglich sei, in diesem provisorischen Hause eine dem Antrag entsprechende vermehrte Zahl von Mitgliedern unterzubringen. Die Entstehungsgeschichte des qu. Paragraphen, des Wahlgesetzes weise übrigens darauf hin, daß nicht die jedesmalige Bevölkerungsziffer, fon⸗ dern die zur Zeit der Entstehung der Verfassung zu Grunde gelegt sei. Im Uebrigen habe man die Frage durchaus späterer gesetzlicher Regelung vorbehalten wollen. Eine solche erheische aber ruhigere politische Zustände, als sie augenblicklich beständen.
Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, dem Antrage zur Zeit nicht beistinmen zu können, wenngleich auch ihm die jetzige Wahlkreiseintheilung nicht zusage. Die jetzige Zeit sei aber für eine derartige Reform nicht ruhig genug.
Nach dem Schlußworte des Antragstellers wurde der An— trag abgelehnt. Bei Schluß des Blattes begann das Haus die erste Berathung des von dem Abg. Dr. Windthorst einge— brachten Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung des Gesetzes über die Verhinderung der unbefugten Ausübung von Kirchen— ämtern, vom 4. Mai 1874.
— Der Minister für Landwirthschaft hat, unter Abän— derung seiner Verfügung vom 9. Juli 1877, unterm 30. v. M. u. J. bestimmt, daß die im Genusse einer freien Dienst— wohnung und freier Feuerung befindlichen vom Amte suspendirten Beamten, sosern diese ganz oder theilweise im Genusse der Dienstwohnung belassen werden, fernerhin eine besondere Entschädigung für die weitere Benutzung der bezeichneten Emolumente nicht zu entrichten haben. Sie müssen sich jedoch ausdrücklich verpflichten, ihre Dienstwohnung jederzeit auf Verlangen zu räumen.
— Die Beschränkung des im Geltungsbereich des Preu⸗ ßischen Allgemeinen Landrechts gesetzlich den Hauseigenthü— mern an städtischen Straßen zustehenden Nutzungsrechts an dem Bürgersteige im Interesse des öffentlichen Verkehrs steht nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Hülfs⸗ senats, vom 7. November v. J, ausschließlich der Polizei⸗ behörde und den der Polizeibehörde vorgesetzten Vehörden, nicht aber der Stadtgemeinde (Magistrat) zu. Die Stadt⸗ gemeinde ist, selbst wenn sie als die Eigenthümerin der Bür—⸗ gersteige zu betrachten ist, nicht befugt, der Nutzung des Bür⸗ gersteiges Seitens eines Adjazenten (beispielsweise der An— lage eines in die Straße hineinragenden Kellereinganges) zu widersprechen, falls die Polizeibehörde ihre Genehmigung hierzu ertheilt hat und von der vorgesetzten Administrativ⸗ behörde zur Zurücknahme dieser Genehmigung nicht ver⸗ anlaßt wird.
— Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Kaiserliche Unter⸗Staatssekretär Dr., von Mayr ist nach Straßburg
moweki, und des Votschafters Grafen von Hatzfeldt entgegen.
Bayern. München, 10. Januar. (W. T. B.) Die Kammer der Abgeordneten berieth heute über die An⸗ träge Lerzers (klerikal) auf Minderung der Militärausgaben und auf spätere Anberaumung der Zeit für die jährliche Hauptübung der bayerischen Truppen. Zu ersterem Antrage lag ein Modifikationsantrag Frankenburgers auf Einschaltung der Worte „soweit dies ohne Schädigung der Neichswehrkraft und der Schlagfertigkeit des Heeres geschehen kann“ vor. Nach längerer Debatte wurde der Antrag Frankenburgers abgelehnt und die Anträge Lerzers angenommen. Der Kriegs⸗-Minister hatte erklärt: auch die Regierung wünsche eine Herabminde⸗ rung der Militärlast, müsse aber ihre Verpflichtung gegen das Reich getreulich erfüllen, und dieses lege nicht ohne Grund Opfer auf. Auch in Betreff der Zeit für die Hauptübungen des Militärs sei Bayern an eine übereinstimmende Hand⸗ habung gehalten.
Sachsen. Dresden, 10. Januar. (Dr. J) Die Zweite Kammer verwies in ihrer heutigen Sitzung den von der Regierung vorgelegten Entwurf einer zwischen ihr und der Großherzoglich sächsischen Regierung abgeschlossenen Uebereinkunft, durch welche der letzteren unter gewissen Be⸗ dingungen die Mitbenutzung der diesseitigen Landesanstalten zu Sachsenburg, Grünhain und Bräunsdorf zugestanden wird. an die Gesetzgebungsdeputation und genehmigte sodann ohne Debatte den Gesetzentwurf, nach welchem vom 1. April d. Is. an das Gewicht, bis zu welchem Kälber von der Schlachtsteuer befreit sein sollen, auf 621, kg festgesetzt wird. Eine längere Debatte knüpfte sich an das Königliche Dekret, betreffend den Turnunterricht in einfachen Volksschulen. Die Gesetzgebungsdeputation widerrieth den Beitritt zu dem Be⸗— schlusse der Ersten Kammer, die Staatsregierung ihrem An⸗ trage gemäß zu ermächtigen, die Zeit zur Einführung des Turnunterrichts an Orten mit nur einfachen Volksschulen anderweit, und zwar bis auf Weiteres, hinauszuschieben, sowie die Einführung des Turnunterrichts an Orten mit nur ein⸗ fachen Volksschulen ohne die im 5. 38 Abs. 3 gemachte Einschränkung des Volksschulgesetzes zu beanstanden, beantragte vielmehr, die Regierung zu ermächtigen, die Einführung des Turnunterrichts an den einfachen Volksschulen, jedoch nur an denjenigen Orten bis auf Weiteres hinauszuschieben, wo sich die hierzu nöthige Ein— richtung nicht sofort, oder bis spätestens Ostern 1883 treffen läßt, dabei jedoch die Regierung zu ersuchen, auf jedem ordentlichen Landtage über die Verbreitung des Turnunter⸗ richts in den einfachen Volksschulen bei der Budgetposition, die Förderung des Unterrichts im Turnen betreffend, der Ständeversammlung Mittheilung zu machen. Von mehreren Seiten wurde der Beitritt zu dem von der Ersten Kammer gefaßten Beschlusse warm eipfohlen. Die Kammer entschied sich mit 43 Stimmen für den Antrag der Deputation, jedoch unter Wegfall der Worte: „sofort, oder bis spätestens Ostern 1883.“
Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 9. Januar. Der Kaiserliche Statthalter hat durch Erlaß vom 7. Januar d. Is. auf Grund der von der Optionskommission in ihrer elften Sitzung abgegebenen Gutachten die Option bezw. Auswan⸗ derung von 686 Personen als gültig anerkannt.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 9. Januar. Die Wiederaufnahme der Sitzungen des Abgeordnetenhauses dürfte, der „Wien. Abdpst.“ zufolge, schon binnen Kurzem erfolgen, nachdem von dem Präsidium bereits die Zu⸗ sammenstellung des vorliegenden Verhandlungsmateriales für die Tagesordnung der nächsten Sitzung veranlaßt worden ist. Jedenfalls wird die Einladung an die Abgeordneten zum Wiedererscheinen im Hause in den nächsten Tagen erfolgen. — Pester Meldungen zufolge wird das ungarische Äb⸗ geordnetenhaus, das übermorgen wieder zusammentritt, schon am 12. d. M. die Budgetberathung beginnen. Man erwartet, daß der Finanz⸗Minister Graf Szapary dieselbe mit einem längerem Exposé über die Finanzlage einleiten werde.
Prag, 9. Januar. Das „Prager Abendblatt“ sagt in einem Artikel: „Wenn die Regierung mit ihren ehrlichen und patriotischen Bestrebungen nicht jene Anerkennung und Unter⸗ stützung gefunden hat, die sie anzusprechen berechtigt war, im Gegentheile ihre Intentionen verkannt und rücksichtslos ange⸗ feindet wurden, so kann und wird sie dies in ihren Grund— sätzen eben so wenig wankend machen als in ihrer Thätigkeit beirren. Sie wird nach wie vor das gleiche Recht für Alle als ihr oberstes Prinzip betrachten und nach Kräften bemüht sein, durch zeitgemäße Gesetzvorlagen und entsprechende admi⸗ nistrative Maßnahmen den Wünschen der Bevölkerung Rech⸗ nung zu tragen und insbesondere deren wirthschaftliches Ge⸗ deihen zu fördern. Am Reichsrathe wird es nun sein, diese Tendenzen kräftigst zu unterstützen.“
„Oesterreich“, sagt das Blatt weiterhin, „muß endlich ein— mal zur Ruhe kommen. Es darf nicht der fortwährende Spielball der Parteien sein. Eine Opposition um ihrer selbst willen hat weder Sinn noch Berechtigung. Eine Partei, die dies nicht einsehen will, darf sich nicht beklagen, wenn sie immer mehr den Boden unter den Füßen verliert.“
Grosbritannien und Irland. London, 10. Januar. (W. T. B.) In einer Höhle in der Nähe von Cork wurden von der Polizei 30 Snidergewehre, S00 scharfe Pa⸗ tronen und 300 Dynamitpatronen entdeckt. — Das kon⸗ servative Mitglied des Unterhauses, Holker, ist zum Lord⸗ Richter des Appellhofs ernannt worden.
Frankreich. Paris, 10. Januar. (W. T. B.) Die heutige Sitzung des Senats eröffnete der 5 Gauthier mit einer Ansprache, in welcher er sagte, daß eine Revision der Verfassung unnöthig werde, da die Senatswahlen am Sonntag eine Vermehrung der republi⸗ kanischen Majorität ergeben hätten, die geneigt wäre, alle dem Lande nützlichen Reformen zu bewilligen. Der Redner erinnerte an die Aeußerungen Gambetta's in Cahors gegen einen be⸗ schleunigten Zusammentritt der Kammern und sagte, daß die 4 dieser Worte auch heute noch gelte. Der Senat ver⸗ tagte sich darauf bis Sonnabend.
In der Deputirtenkammer wurde Brisson zum Präsidenten wiedergewählt; die Wahl der Vizepräsidenten wird am Donnerstag stattsinden.
— 11. Januar. (W. T. B.) Die der Regierung nahe⸗ stehenden Blätter erklären heute, daß Gambetta entschlossen sei, seine Entlassung zu nehmen, wenn die Kammer die Wieder⸗ herstellung des Listenskrutinium s, die in den Entwürfen
wieder abgereist.
zur Verfassungsrevision einbegriffen sei, verwerfen sollte.
Portugal. Lissabon, 10. Januar. (W. T. B.) Der König und die Königin von Spanien sind an der Grenze eingetroffen und von dem Conseils-Präsidenten sowie von besonderen Abgesandten des Königs von Portugal empfangen worden.
Italien. Rom, 10. Januar. (W. T. B.) Die Nach⸗ richt von der Demission des spanischen Botschafters beim Vatikan, Cardenas, ist unbegründet; die Beziehungen zwischen der spanischen Regierung und der Kurie sind ausgezeichnete.
Türkei. Konstantinopel, 9. Januar. Der Wiener „Presse“ meldet man von hier: Nachdem Raubanfälle durch Soldaten am hellen Tage wiederholt sich ereigneten, wurden alle Truppenkommandanten von dem Kriegs-Minister angewiesen, die ihnen unterstehenden Truppen strengstens zu überwachen. Gleichzeitig wurde verfügt, daß Militär⸗ Patrouillen permanent die Stadt zu durchziehen und vor—⸗ kommendenfalls die Polizei und Gensd'armen bei der Habhaft— machung von Verbrechern zu unterstützen haben.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 10. Januar. (W. T. B.) Der Gehülfe des Ministers des Innern, General Tscherewin, ist auf seine Bitte seines Postens enthoben
worden, unter Belassung in seiner Stellung à la suite des
Kaisers und der Garde⸗-Kavallerie.
Amerika. Washington, 9. Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Senats sprach sich der ehe— malige Schatzsekretär Sherman zu Gunsten des Gesetzes über die Konsolidirung der Staatsschuld aus. Der Senat nahm hierauf mehrere Amendements an, durch welche der Be— trag der neuen Anleihe auf 200 Millionen Dollars be— schränkt wird.
New⸗Yor k, 109. Januar. (W. T. B.) In den Haupt— städten der Vereinigten Staaten breitet sich die Pocken— epidemie in beunruhigender Weise aus.
Afrika. Egypten. Aus London, 10. Januar, berichtet W. T. B.“: Dem „Reuterschen Bureau“ wird aus Kairo gleich—⸗ falls gemeldet, daß die englisch⸗französische Kollektiwv⸗ note bei der Militärpartei und bei den Notablen große Auf— regung und Bestürzung verursackt habe. Von der Regierung sei deshalb beschlossen worden, von der Veröffentlichung der Note abzusehen.
Seitungsstimmen.
Ueber den Allerhöchsten Erlaß vom 4. d. M. finden sich folgende Aeußerungen:
Die „Wiesbadener Ztg.“ sagt:
Es ist das eine Kundgebung, die nicht verfehlen wird, das größte Aufsehen zu erregen. ö. . ;
Zweierlei wird Seitenz des Kaisers und Königs, darin klar ge— stellt: Erstens, daß die Stellung des Monarchen bei uns nicht nach der parlamentarischen oder konstitutionellen Schablone aufzufassen ist, sondern nach der historischen Entwicklung. Die Verfassung hat nicht dem Könige sein Recht und seine Stellung gegeben, sondern seine historisch gewordenen Rechte nach ganz bestimmten Richtungen bin be—⸗ schränkt. Der König will, daß einer Verdunkelung dieses Stand— punktes bestimmt und immerfort entgegen getreten werde. Und wahr— lich, daß dieses nöthig ist, zeigen nicht nur die Verhandlungen der gesetzgebenden Körper aus den letzten Jahren und die Wahlkämpfe, sondern auch die Art, wie sich die liberalen Blätter in Berlin über die Kabinets⸗Ordre ö ; ö
Das zweite, worüber der König seinen Beamten keinen Zweifel lassen will, ist deren Stellung zur Regierung. Diese ist so klar aus— gedrückt, daß Niemand mehr im Zweifel sein kann.
— In einem Artikel „die liberale Presse und der Kaiser⸗ liche Erlaß an das Staats Ministerium“ schreibt die „Neue Preußische Zeitung“ Folgendes:
Selbst ein so freisinniger Staatsrechtslehrer wie Bluntschli vin dizirt dem konstitutionellen Monarchen dag Recht, seinen eigenen, per— sönlichen Willen auszusprechen und demgemäß zu handeln. Auch hat er wesentlich andere Anschauungen über die Bedeutung der Mit— wirkung der Minister bei dem Erlaß von Königlichen Akten. In seiner allgemeinen Staatslehre sagt er darüber u. A. (S. 494): Diese Mitwirkung besteht nicht darin, daß der Schwer⸗ punkt der Staatsregierung in den Kammern oder in den Ministern liegt. Würde die Kammermajorität und der Ministerrath in allen Fällen mit formeller Nothwendigkeit die Handlungen des Fürsten be⸗ stimmen, so wäre dies eine Parlaments⸗ und Ministerreglerung und mit dem monarchischen Prinzip im Widerspruch . . . . Es ist ab⸗ geschmackt, den Monarchen verhindern zu wollen, daß er seine eigene Meinung ausspreche. Politische Rücksichten mögen ihn oft zurück— halten, dieselbe ganz und laut zu offenbaren; aber Niemandem steht das Recht zu, ihm die freie Rede zu versagen.“
An anderer Stelle sagt Bluntschli: „Der monarchisch⸗konstitu⸗ tionelle Staat legt auf die individuelle Energie des Monarchen einen großen Werth, und es wäre ungereimt, ihm das höchste Recht im Staate zuzusprechen und zugleich ihn um dessenwillen unter die Vor— mundschaft Anderer zu setzen. Nicht die Kammern schaffen das Gesetz, sondern, indem er seine Sanktion frei ertheilt, begründet er das staatliche Ansehen des Gesetzes. Ebenso fügen die Minister seinen Regierungasbeschlüssen nicht ihre Autorität bei, sondern er verleiht denselben seine Autorität, und die Minister dienen ihm als Organe seines Willens.“
In seinem Staatsrecht (Buch IV. Kap. J.), bei Besprechung der Minister⸗Verantwortlichkeit führt Bluntschli u. A. aus: In Folge der Contrasignatur hat der Minister die Verantwortlichkeit für einen Regierungsakt zu übernehmen und die Maßregel als seine eigene zu vertreten, soweit ö aber der formellen Autorität bedarf, als Hand⸗ lung des Staatshauptes darzustellen.“
— Die „Weimarische Ztg.“ äußert sich bei der Be⸗ sprechung des Allerhöchsten Erlasses vom 4. d. M. nachdem sie bemerkt, der erste Theil des Erlasses sei eine Deklaration der Nechte des Königs im preußischen Staatsorganismus, folgendermaßen:
In dieser Deklaration der Rechte der Krone wird unumwunden anerkannt, daß das Recht des Königs, die Regierung und die Politik Preußens nach eigenem Ermessen zu leiten, durch die Verfassung be⸗ schränkt ist, ebenso aber auch hervorgehoben, daß dies Necht keines wegs aufgehoben sei; die Regierungsakte seien der verfassungs mäßige Ausdruck für die Willensmeinung des Königs. Es ist dies ganz unbestreitbare Wahrheit. Der Satz: „Der König regiert, aber er herrscht nicht, hat, auch seitdem Preußen Ver fassungsstaat ist, niemals dort Geltung gehabt; der König regiert und herrscht in Preußen, wenn er auch in Bezug auf die Ausübung der gesetzgebenden Gewalt an die Mitwirkung der beiden Kammern gebunden ist. Ist dies Sachverhältniß in letzter Zeit verdunkelt worden? Man wird diese Frage in der That be⸗ jahend beantworten müssen. Die Opposition hat mit viel Ausdauer
und nicht ohne Erfolg sich bemüht, glauben zu machen, die Politik der Regierung in Preußen sei nicht der Ausdruck der Willens meinung des Königs. sondern der eines übermächtigen Ministers; man müsse von dem schlecht unterrichteten König an den gut unterrichteten König appelliren; sie hat zugleich in dieser oder jener Weise die Forderung des parlamentarischen Regierungssystems, das die Krone in der Aus⸗ übung des Rechtes auf Berufung ihrer Rathgeber an bestimmte Nor⸗ men findet, also darauf hinaus läuft, ein dem bestehenden entgegen—⸗ gesetztes Verhältniß zu schaffen, vertreten. Durch diese Bestrebungen macht der Königliche Erlaß vom 4. Januar einen Strich. Nicht blos für die Gegenwart, auch für die Zukunft werden durch den⸗ selben die Rechte der Krone festgestellt.
Weiter heißt es dann:
Von den Verwaltungsbeamten wird mit direkter Bezugnahme auf die Wahlen gefordert, daß sie bei den Wahlen für die Politik der Regierung eintreten und sich jeder Agitation gegen dieselbe ent— halten, unter Zurückweisung jeder Beeinträchtigung der Freiheit der Wahlen. Auch diese Meinung wird nur als vollkommen zutreffend zu bezeichnen sein; sie enthält nichts, was nicht dem Geiste der preu— sischen Verfassung entspräche. Die Autorität und die Disziplin im Staatswesen verlangen, daß zwischen den ausführenden Beamten und der Krone in Bezug auf die Politik eine Uebereinstimmung herrscht. Die Theorie, daß der politische Beamte in politischen Dingen han— deln könne, wie er wolle, ist unzulässig. In ruhigen Verhältnissen werden Fragen dieser Art eine große Bedeutung ja nicht erlangen; aber in Zeiten unruhiger Bewegung wird die Leitung des Staats— wesens mit ganzer Energie darauf halten müssen, daß die Beamten ihr eine Stütze sind.
. — Aus Schleswig wurde, wie die „Schleswig. Nach— richten“ melden, am 4. Januar, an den Reichskanzler fol⸗ gendes Telegramm abgesandt:
Der hiesige Handwerkerverein sendet Ew. Durchlaucht seinen ehrfurchtsvollen Glückwunsch zum Jahreswechsel und verbindet damit die Erklärung freudigster Zustimmung zu der von Ew. Durchlaucht befolgten Wirthschaftspolitik. Der Verein hat die feste Ueberzeugung, daß nur in obligatorischen Genossenschaften der Boden des Gedeihens für das Klein⸗Gewerbe gewonnen werden kann. .
M. Jenter, Vorsitzender..
Darauf ist am 9. d. M. folgendes Antwortschreiben ein⸗ getroffen:
„Berlin, 7. Januar.
Für die freundliche Begrüßung zum Jahreswechsel danke ich Euer Wohlgeboren und Ihren Herren Auftraggebern. Ich hoffe, daß, der Gedanke obligatorischer Genossenschaften schon bei den diesjährigen Reichstagsverhandlungen in Bezug auf die Unfallversicherung zur An— erkennung gebracht und damit eine Grundlage gewonnen werden wird, um denselben auch Bebufs weiterer sozialer und wirthschaftlicher Re⸗ formen nutzbar zu machen. Um den darauf gerichteten Bestrebungen der Regierung den Erfolg zu sichern, ist aber natürlich die Mitwir— kung der parlamentarischen Körperschaften nöthig. v. Bismarck.
Herrn M. Jenter Wohlgeboren.
Schleswig.“
— Einer an die „Staatsbürger-Zeitung“ gerich⸗ teten Zuschrift: „Der Historiker Mommsen uͤber Getreidezölle“ entnehmen wir Folgendes:
Moinmsen kommt in seiner römischen Geschichte bei Besprechung der sozialen und ökonomischen Verhältnisse Roms auf eine Epoche der italischen Landwirthschaft zu sprechen, die mit der heute bei uns eingetretenen eine so frappante Aehnlichkeit zeigt, daß es sicherlich die größte Aufmerksamkeit verdient. Er bespricht nämlich unter der Rubrik Boden- und Geldwirthschaft“ (Buch III. Kap. 12) die Zeit des Uebergangs der Bauernwirthschaft in Italien zum Großbetrieb und führt (Seite 849 f.) aus, daß zu dieser Zeit zuerst der Konflikt des überseeischen und des einheimischen italischen Korns eingetreten sei; er schildert, wie auf den verschiedensten Wegen das überseeische Korn auf die heimische Produktion gedrückt und namentlich auch die Regierung in verkehrter Weise dadurch eingegriffen habe, daß sie das aus den Provinzen ju mäßigen Sätzen oder unentgeltlich erworbene Getreide auf die hauptstädtischen Märkte übergeführt und da⸗ durch das heimische Getreide entwerthet habe. Diese Ausfüh⸗ rungen brauchen wir indeß nicht weiter zu verfolgen, da sie keine Aehnlichkeit mit unseren heutigen Verhältnissen einschließen können, indem hier die ganz verschiedenen politischen Verhältnisse des Alterthums und der Neuzeit ins Spiel kommen. Dann aber fährt Mommsen fort, und hier beginnt die merkwürdige Aehnlichkeit mit unseren jetzigen Zuständen: „Aber auch (Seite 850), wenn das überseeische Korn nicht auf diesem außerordentlichen Wege an die Konsumenten ge— langte, drückte es auf den italischen Ackerbau wahrscheinlich war auch in den. Provinzen, namentlich in Sieilien, theils infolge der günstigen Bodenverhältnisse, theils der ausgedehnten Groß⸗ und Sklavenwirthschaft nach karthagischem System, der Produktionspreis überhaupt beträchtlich niedriger als in Italien, der Transport aber des sicilischen und sardinischen Getreides nach Latium wenigstens ebenso billig, wenn nicht billiger als der Transport dahin aus Etrurien, Campanien oder gar Norditalien.“
Wem fällt hierbei, so argumentirt der Verfasser der Abhandlung,
nicht sofort die Konkurrenz der uns umgebenden, ihr Getreide billiger produzirenden Länder Rußland und Ocsterreich ein, deren Produkte durch die Eisenbahnen unserem Markte so gefährlich nahe gerückt sind? Höchst belehrend ist es dabei, zu sehen, wie theilweise ganz verschiedene Ursachen dennoch in beiden Fällen, in Rom wie bei uns, genau dieselben Wirkungen hervorbringen. In Rom war es vor— züglich der Unterschied der Betriebsweise, in Sicilien und in den Provinzen durch Sklaven, in Italien damals noch durch freie Arbeiter, welche die Produktionskosten des Getreides außer⸗ halb Italiens bedeutend billiger stellte; bei uns stellt sich derselbe Unterschied in den Produktionskosten des ausländischen und einheimischen Getreides auch ohne die Mitwirkung solcher unnatür⸗ lichen Verhältnisse heraus, indem Rußland und Oesterreich vermöge ihres billigeren Bodens und der niedrigeren Löhne ebenfalls die Pro⸗ duktion ihres Getreides mit geringeren Kosten bewerkstelligen. Und was erklärt nun Mommsen unter solchen Verhältnissen, wie sie damals in Rom bestanden, für das nächstliegende, Heilmittel? Hören wir ihn selbst: „Unter diesen durch die leidige Sklaven wirthschaft unnatürlich verschobenen Verhältnissen wäre es viel⸗ leicht gerechtfertigt gewesen, zugunsten des italischen Getreides auf das überseeische einen Schutzzoll zu legen.“ Hier faßt also Mommsen ganz unbefangen als Heilmittel ins Auge den von unseren fortschritt⸗ lichen und freihändlerischen Politikern so sehr verlästerten Schutzzoll auf Getreide, auf das unentbehrlichste Lebensmittel! Weiter unten aber spricht sich Mommsen noch viel drastischer aus; er sagt weiter hierüber (Seite 851): „In einem großen Industriestagte, dessen Acker⸗ bau die Bevölkerung nicht zu ernähren vermag, hätte ein solches Ergebniß (daß es nämlich der Getreideproduktion an Absatz⸗ quellen völlig mangelte und das Korn wie das Kornland so gut wie entwerthet war) als nützlich oder doch nicht unbedingt als nachtheilig betrachtet werden mögen; ein Land wie Italien, wo. die Industrie unbedeutend, die Landwirthschaft durchaus een war, ward auf diesem Wege systematisch ruinirt und den Interessen der wesentlich unproduktiven hauptstädtischen Be⸗ völkerung, der freilich das Brot nicht billig werden konnte, das Wohl des Ganzen auf die schmählichste Weise geopfert. Nirgend vielleicht liegt es so deutlich wie hier zu Tage, wie schlecht die Verfassung und wie unfähig die Verwaltung dieser sogenannten Goldenen Zeit der eg lir war Jede Regierung, die diesen Namen verdiente, würde von selber eingeschritten sein; aber die Masse des römischen Senats mag in gutem Köhlerglauben in den niedrigen Kornpreisen das wahre Glück des Volkes gesehen haben.“) . ; ; Man ist erstaunt, so schreibt unser Gewährgmann, bei Mommsen genau dasselbe Argument zu finden, das dem Abg. Delbrück in der Reichstagssitzung vom 21. Mai 1879 der Reichskanzler entgegenhielt, der ebenfalls ironisch darauf hinwies, ob denn niedrige Getreidepreise unbedingt ein Glück für eine Nation seien.
— Die ‚Chemiker⸗Zeitung“ theilt in einem Artikel „bemerkenswerthe Erscheinungen im Kampfe zwischen Frei⸗ handel und Schutzzoll“ Folgendes mit:
Während so Frankreich weitersteuert auf der Bahn des Frei⸗ bandels, hat in England eine überraschende Kundgebung statt gefunden. Auf der Herbstversammlung der Vereinigten englischen Handels⸗ kammern in Plymouth war die Frage: Freibandel oder Schutzʒoll zur Diskussion gestellt. 33 von 18 Kammern stimmten dabei für die Resolution,. „daß der nun schon so lange auf den Industrien des Landes lastende Druck und die Neigung der fremden Staaten, ihre Zölle mehr und mehr zu erhöhen, es wünschenswerth erscheinen ließen, daß die Regierung ihren Einfluß geltend mache, daß zwischen den ein⸗ zelnen Theilen des Reiches soviel wie möglich Freihandel ein⸗ geführt werde, damit das Land sich weniger abhängig von fremden feindlichen Tarifen mache, und daß die vereinigten Handels- kammern diese Gelegenheit benützten, zu erklären, daß das Prinzip des absoluten Freihandels die gesundeste Basis bilde für den Verkehr zwischen den verschiedenen Theilen des britischen Reiches“. Die That⸗
sache, daß 15 (von 48) Handelskammern gegen diese Resolution sich
ausgesprochen hahen, hat großes Aufsehen erregt; wenn schon ein Drittel der Handelskammern sich gegen den Freihandel jwischen den einzelnen Theilen des eigenen Reiches aussprach, so ist anzunehmen, daß diese Zahl eine noch viel größere sein werde, wenn es sich um das Verhältniß zu fremden Staaten handelt. In der That lassen denn noch andere Anzeichen nicht verkennen, daß weithin die Stim⸗ mung in England dem Freihandelssystem nicht mehr so günstig ist, wie ehedem: in vielen Städten bilden sich Vereine, welche die Be⸗ seitigung des absoluten Freibandels sich als Ziel stecken. Unter diesen Umständen bietet die Verfolgung des Wettstreits beider Prinzipien nicht nur ein platonisches Interesse.
Archiv für Eisenbahnwesen. Herausgegeben im Ministe⸗ rium der Oeffentlichen Arbeiten. Jahrgang 1882. Verlag von Carl Heymann in Berlin. Heft 1. — Inhalt. Der Personen⸗ und Gütertarif der französischen Staatseisenbahnen. — Maßregeln zur Erhöhung der Sicherheit des Betriebes bei den französischen Eisen⸗ bahnen. — Die Ausrüstung der Eisenbahnzüge mit kontinuirlichen Bremsen auf den englischen Eisenbahnen. — Notizen: Anlage neuer ichmalspuriger Sekundärbahnen im Königreich Sachsen. — Die Ent⸗ wickelung der österreichisch⸗ungarischen Eisenbahnen im Jahre 1880. — Die Erwerbung der Kaiserin Elisabethbahn für den österreichischen Staat. — Neue Eisenbahnen auf der pyrenäischen Halbinsel. — Die New-⸗Yorker Hochbahnen. — Statistisches von den deutschen Eisen⸗ bahnen. — Betriebseinnahmen der französischen Hauptbahnen im ersten Semester 1880 und 1881. — Die italienischen Eisenbahnen im Jahre 18809. — Eisenbahnunfälle in Großbritannien und Irland im Jahre 18809. — Eisenbahnen und Tramways in den australischen Kolonien Neu⸗Süd⸗Wales und Queensland. — Rechtsprechung und Gesetzgebung. — Bücherschau: Besprechungen. — Uebersicht der neueften Hauptwerke über Eisenbahnwesen und aus verwandten Ge⸗ bieten. — Zeitschriften.
Landtags⸗ Angelegenheiten.
Im 3. Breslauer Wahlbezirk (Wartenberg, Namslau, Oels) ist für den zum Landrath ernannten Rittergutsbesitzer Dr. jur. von Heydebrand und der Lasa, — von Spiegel (konservativ) mit 298 Stimmen gegen Aßmann (Centrum) mit 109 Stimmen zum Mitglied des Abgeordnetenhauses gewählt worden.
Statistische Nachrichten.
(W. „Presse“) Mit Ende des Jahres 1881 befanden sich in Böhmen 4383 Volks- und 1235 Bürgerschulen, und zwar 1914 mit deutscher, 2469 mit czechischer Unterrichtssprache. Die Volksschulen zählten zusammen 10021, die Bürgerschulen 509 Klassen. Von den Volksschulen waren einklassig 1752 (877 deutsch, 875 gzechisch),. zweiklassig 1411 (592 deutsch, 819 czechisch), dreiklassig 564 (223 deutsch, 341 ezechisch), vierklassig 251 (102 deutsch, 149 ezechisch), fünf⸗ und mehrklassig 405 (151. deutsch, 254 czechisch). Die Bürger schulen sind Furchwegs dreiklassig. An diesen sämmtlichen Schulen ertheilten 12999 Lehrkräfte Unterricht, die Industrial⸗Lehrerinnen und Aushülfskräfte mitgerechnet, und zwar 2514 Direktoren, 12 Schul⸗ leiterinnen, 3805 Lehrer, 290 Lehrerinnen, 3050 Unterlehrer, 352 Unter⸗ Die Zahl der Aushülfskräfte betrug blos 1250 (gegen 2524 des Vorjahres). Die Schulen besuchten 901 377 Kinder, von denen 115519 rom Schulgelde befreit waren. Lehrerbildungsanstalten gab es 12, und zwar 6 deutsche mit 1424 und 6 czechische mit 2343 Zöglingen. Privatschulen zählte man 2527 mit 525 Klassen (178 deutsch, 68 ezechisch, 6G utraquistisch). Katholisch waren 62, protestan⸗ tisch 61 und israelitisch 107. In Prag allein giebt es 26 Privat- schulen, davon 23 mit deutscher Unterrichts sprache.
lehrerinnen.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Die in Carl Heymanns Verlag in Berlin W. erscheinende Sammlung: Deutsche Reichs- und Preußische Landesgesetze (Besonderer Abdruck aus dem Deutschen Reichs und Kgl. Preuß. Staats⸗Anzeiger) bringt sämmtliche deutsche Reichs- und preußische Landesgesetze in einer korrekten, handlichen und gut ausgestatteten Textausgabe in Abonnement sowie im Einzelkaufe zu billigem Preise, dann aber auch jahrgangweis gesammelt. Der vollständig vorliegende Jahrgang 1881 enthält folgende Gesetze, welche sowohl in einem Bande für 3,190 „M, als auch in einzelnen Heften zu den beigesetzten Preisen zu beziehen sind: Nr. 1. Gesetz, ketr. die Erhebung von Reichsstempelabgaben. Preis 30 4 — Nr. 2. Gesetz, betr. die Abänderung der Gewerbeordnung. Preis 30 3 — Nr. 3. Gesetz, betr.! die Abänderung von Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes und der Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher. Preis 20 3 — Nr. 4. Gesetz, betr. die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Reichsbeamten der Civilverwaltung und Verordnung, betr. desgl. der Reichsbankbeamten. Preis 20 3 — Nr. 5. Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 in der Fassung vom 19. März 1881. Preis 1 4 — Nr. 6. Provinzialordnung vom 29. Juni 1575 in der Fassung vom 22. Marz 1881. Preis 50 3 — Nr. 7. Gesetz, betr. das Pfandleihgewerbe nebst Ausführungsvorschriften, und Gesetz, betr. Errichtung ꝛc. öffentlicher Schlachthäuser. Preis 29 4 — Nr. 8. Gesetz über gemeinschaftliche Holzungen und Gesetz, betr. die Wieder zulassung der Vermittelung der Nentenbanken zur Ablösung der Real- lasten. Preis 29 3 — Nr. 9, enthaltend 12 kleinere Gesetze, Ver⸗ ordnungen, Erlasse z. aus dem Jahre 1881, betr. die Verhaltnisse der Beamten. Preis 29 3 — Nr. 190, enthaltend 7 desgl., betr. Verkehrswesen 3c. Preis 30 3 — Nr. II, enthaltend 11 desgl.. betr. Gewerbe⸗, Stempel ⸗ und Steuerwesen. Preis 30 3 — Ein besonderes Heft enthält die sämmtlichen Bestimmungen über die Kirchensteuer in Berlin. (Preis 20 9
— Iwan Turgénjewms jüngste Arbeit; „Ein Desperater‘ wird im Februarheft der „Deutschen Rundschau“ erscheinen. — Joseph Baer u. Cor, Buchhändler und Antiquare in Frankfurt a. M. welche daselbst ein in allen Fächern der Literatur
und Wissenschaft reich assortirtes Lager von ca. 300,000 Bänden um⸗