Der Abg. Frhr. von Minnigerode bemerkte zu Punkt 2 des Kommissionsantrags, daß das Verfahren der Polizei durch⸗ aus gerechtfertigt sei.
Der Abg. Stöcker wies zunächst die Angriffe, die in der Abendsitzung des 16. Dezember gegen ihn erhöben worden waren, zurück und wendete sich hierauf gegen die Abfassung des Kommissionsberidtes: er halte denselben für nicht recht kon⸗ gruent, und dieselbe Auffassung werde auch von andern Kom missionsmitgliedern getbeilt. Ad 2 des Antrags bemerkte er, daß die polizeilichen Recherchen, wie sie angestellt, nicht zum Gegenstand von Beschwerden gemacht werden könnten.
Der Abg. Richter (Hagen) trat zunächst für den Berliner Magistrat ein. Nirgends werde so viel Sorge für die NRichtig⸗ stellung der Wählerlisten getragen wie hier in Berlin. Auch sei genügend Sorge getragen, daß ein jeder Einsicht in die Listen nehmen könne. Das Verhalten der Polizeibehörden finde er nicht gerechtfertigt. Der Abg. Stöcker habe in der Abendsitzung des Dezember behauptet, daß die stäbtische Verwaltung nichts weiter sei als eine Maschinerie zur Hebung der Fortschritts⸗ Partei; aber städtische Beamte seien ja auch für die politischen Freunde des Abg. Stöcker eingetreten. Die Einwendungen gegen die Wählerlisten der Stadt Berlin seien vollkommen unbegründet. Redner beschwerte sich darauf über die Polizei, die Anschläge mit dem Namen Ludwig Löwe's entfernt, da⸗ gegen die Anschläge der Gegenpartei geduldet habe. Er bitte darum, Nr. 2 des Antrags anzunehmen.
Der Staats⸗-⸗Minisser von Boetticher führte gegenüber den Behauptungen des Abg. Richter aus, daß in Folge ein⸗ gelaufener Denunziationen nach der Wahl eine Revision der Wahllisten von der Polizei angeordnet sei. Während diese Nevision veranstaltet worden, sei eine Anfrage des konserva⸗ tiven Central⸗Wahlcomités eingelaufen, und diese von der Polizeihehörde beantwortet worden. In Zukunft sollten aber solche Mittheilungen von Seiten der Polizei nicht mehr ge⸗ macht werden.
Nach einer Reihe persönlicher Bemerkungen erfolgte der Schluß der Debatte. In einem Schlußwort empfahl der Be— richterstatter Abg. Jacobi, der Reichstag wolle gemäß dem Antrag der Wahlprüfungskommission beschließen.
Hierauf wurde der Antrag der Kommission genehmigt. Hinsichtlich der Wahl des Abg. Dr. Virchow im 2. Berliner Wahlkreise beantragte der Verichterstatter der Wahlprüfungs— Kommission, Abg. Frhr. von Beaulieu⸗Marconnay, Namens derselben:
Der Reichstag wolle beschließen: . J Die Wahl des Abg. Dr. Virchow im 2. Berliner Wahlkreise für gültig zu erklären. .
Diesem Antrage wurde ohne Diskussion Folge gegeben.
Beim Schlusse des Blattes trat das Haus in die Be— rathung des 7. Gegenstandes der Tagesordnung ein: Bericht der Wahlprüfungskommission, betreffend die Wahl des Abg. Dr. Clauswitz im ersten Wahlkreise des Regierungsbezirks Merseburg.
— Im 5. 7a. des Reichsgesetzes vom 1. Juli. v. Is. ist ausdrücklich bestimmt, daß die Verpflichtung zur Entrichtung der Stempelabgabe bei Schlußnoten und den andern dort bezeichneten Schriftstücken Seitens des Ausstellers durch Verwendung vor dem Gebrauch gestempelter Formulare erfüllt werden muß. Sonach ist nach einer Cir kularverfügung des Finanz-Ministers, vom 12. d. M., ein Zweifel, ob der Empfänger einer ungestempelten Schlußnote oder eines andern im 8. 7a. a. a. O. benannten, noch ungestempelten Schriftstücks die ihm nach 5. 6 Absatz 2 a. a. O. obliegende Verpflichtung zur Versteuerung nicht urch vorschrists mäßige Verwendung von Stempelmarken erfüllen dürfe, unbegründet. Der Empfänger eines stempelpflichtigen, noch un⸗ gestempelten Schriftstücks kann vielmehr die ihm nach 53. 6 Absatz 2 a. a. O. obliegende Verpflichtung zur Ver⸗ steuerung nur durch vorschristsmäßige Verwendung von Stempelmarken ersüllen, denn unter dem „Gebrauch ge⸗ stempelter Formulare“ im Sinne des 5§. 7a. und b. kann nach dem allgemeinen Sprachgebrauche nur die Ausfüllung des Formulars, d. h. die Niederschreibung der stempelpflich⸗ tigen Schlußnote u. s. w. auf dem gestempelten Blatte ver— standen werden. Andernfalls hätte auch der Bundesrath die Art der Verwendung der Formulare vorgeschrieben.
— In dem Schlußsatze des Erlasses des Ministers des Innern, vom 26. März 1880, war ausgesprochen worden, daß bei Berechnung der Transportkosten in Strafsachen in den Bezirken der früheren Appellationsgerichte zu Celle „Cassel, Wiesbaden und Frankfurt a. M. fernerhin nicht mehr nach Maßgabe des Regulativs vom 6. Mai 1871 zu verfahren sei, sondern daß daselbst, ebenso wie in den älteren Provinzen, die während des Transportes der Gefangenen entstehenden wirklichen baaren Auslagen den Verurtheilten in Rechnung gestellt werden müßten. In Abänderung des Erlasses vom 26. März 1860 hat der Minister unterm 10. Dezember v. J. im Einvernehmen mit dem Justiz-Minister bestimmt, daß das vorerwähnte Regulativ vem 6. Mai 1871 in denjenigen vor— maligen Appellationsgerichtsbezirken, für welche dasselbe er⸗ lassen worden ist, auch fernerhin in Kraft bleiben soll. Es werden demgemäß im Geltungsbereiche dieses Regulativs fortan bei der Berechnung der von den Verurtheilten wieder einzuziehenden Transportkosten nicht die wirklich entstandenen Auslagen, sondern die in dem Regulativ normitten Pauschal⸗ sätze zu Grunde zu legen sein. e
— Die Unterofsiziere der Matrosen⸗Artillerie⸗Abtheilun⸗ gen der Matrosen-Divisionen haben fortab die Chargenbenen⸗ nung Artilleristen-⸗beziehungeweise Ob er-Artilkeristen⸗ Maate zu führen. Das Chargenabzeichen für diese Unter— offiziere bleibt, wie bisher, das gleiche wie für die Feuerwerktz⸗ beziehungsweise Ober⸗Feuerwerks⸗Maate. Treten seemännische Unteroffiziere der Matrosen⸗Artillerie⸗Abtheilungen zu ihrem früheren Marinetheile zurück, so erhalten sie die ihrer see⸗ männischen Ausbildung entsprechende Chargenbenennung Bootsmanns⸗ resp. Ober-VBootsmanns? Magat oder Feuerwer ks⸗ resp. Ober⸗Feuerwerks⸗Madt und haben alsdann auch das sür die betreffende Unteroffizierkategorie vorgeschriebene Abzeichen zu tragen.
— S. M. S. „Stosch“, 16 Geschütze, ist am 27. No⸗ vember pr. in Nagasaki eingetroffen.
— Das „Marine⸗V.Bl.“ veröffentlicht folgende Nach⸗ richten über Schiffsbewegungen (das Datum vor dem Orte bedeutet Ankunft daselbst, nach dem Drte Abgang von dort.) S. M. S. „Carola“ 36. /12. 81 Kapstadt 5/1. — nach Sidney. ( Poststation: Sidney [Australien). S. M. S. Elisabeth“ 19.12. 81 Montevideo 277.12. 56 (Poststation Hokohama). S. M. Knbt. „Habicht“ 12.10. 81 Apia. —
Beabsichtigte am 1.12. 81 nach Auckland zu gehen. (Post⸗ station bis 27.1. Sidney [Australien, vom 28.1. ab Aden.) S. M. S. „Hertha“ 260.11. 81 Amoy 15 12. 81 — nach Nagasaki. (Poststation: Hongkong.) S. M. Knbt. Iltis 14/10. 81 Chefoo 22/10. 81 — nach Tientsin 13/11. 81 — 20. 11. 81 Chefoo 22.11. 81 — 27. 11. 81 Shanghai. ( Post⸗ station: Hongkong.) S. M. Av. „Loreley 22/12. 81 Konstantinopel. — Letzte Nachricht von dort 5.1. (Pofl⸗ station; Konstantinopel S. M. S. „Luise“ 7.13. 81 Bridgetown (Barbadoes) 7. 12. 81 — 8. /i2. 81 Kingstown (Vincent = Westindien). ¶ Poststation: Curacao) S. M. Knbt. Moewe“ 8/11. 81 Sidney. — Letzte Nachricht von dort 10. /11. 81. (Poststation: bis 27. 1. Sidney Australien!, vom 28.1. ab Aden). S. M. S. „Moltke“ 17.9. 81 Callao 26/11. 8t. — nach San José de Guatemala. — Beabsichtigte am 14/12. 81 von dort nach Valparaiso zu gehen. (Poststation: Panama.) S. M. S. „Stosch“ 2.11. 81 Yokohama 16.11. 81 — 18.11. 81 Kobe⸗Hiogo 24/11. 81 — nach Nagasaki. (Poststation: Singapore) S. M. Knbt. Wolf“ 12.11. 81 Rhede Hoihow 16. 11. 81 — 17.11. 81 Tinhosa Insel 18. 11. 81 — 18.11. 81 Bay von Nam⸗hoi⸗ chun (Südostküste der Hainau Insel) 21.11. 81 — 26. /11. 81 Hongkong. — 27.11. S1᷑ Canton. (Poftstation: Hongkong.)
ene n n n en greng.
e n, mr, . w— 3 Bayern. Regensburg, 16. Januar. (W. T. B.) Vei der hier stattgehabten anderweiten Wahl eines Landtags⸗ abgeordneten wurde Bonn mit 36 gegen 277 Stimmen wiedergewählt.
Sachsen. Dresden, 16. Januar. (Dr. 8 heutigen Sitzung der Ersten Kammer machte vor Eintritt in die Tagesordnung der Präsident Kammerherr von Zehmen der Kammer Anzeige von dem am vorigen Sonnabend er— solgten Tode ihres Mitgliedes, des Staats⸗Ministers a. D., Ministers des Königlichen Hauses, Dr. Frhr. von Falkenstein, und gedachte in warmen pietätvollen Worten der großen Ver dienste, welche sich der Dahingeschiedene in den von ihm be⸗ kleideten hohen Stellungen und insbesondere auch als Mit⸗ glied der Ersten Kammer um das Land erworben. Die Kammer ehrte das Andenken des Dahingeschiedenen durch Er⸗ heben von den Sitzen. Sodann erledigte das Haus Be⸗ schwerden und Petitionen.
Die Zweite Kammer verwies ein Königliches Dekret, die Bewilligung von Umbaukosten für die Kunstgewerbeschule zu Dresden betreffend, an die Finanz Deputation“ und nahm sodann ebenfalls einige Berichte der Beschwerde- und Petitions⸗ Deputation entgegen.
Hessen. Darmstadt, 15. Januar. (Darmst. Ztg.) In den letzten Tagen hat sich das Berathungsmaterial für die demnächst zusammentretende Zweite Kammer abermals um einige Gegenstände vermehrt. Zunächst ist es eine Proposition des Ministeriums des Innern und der Justiz, welche den An— trag an die Stände enthält, dieselben wollen ihre Zustimmung dazu erklären, daß zum Behufe des Ankaufs eines etwa o00 4m umsassenden Grundstückes zur Erweiterung der Ge— müsegärten bei der Landes⸗-Irrenanstalt Heppenheim der Be⸗ trag von 7000 6 und für Einfriedigung der Gärten der gleiche Betrag aus den im Budget dieser Anstalt für die laufende Finanzperiode sich ergebenden Ueberschüssen entnommen werde. — Ein Antrag des Abg. Möllinger geht dahin, die Kammer wolle die Regierung ersuchen, sie möge Mittel ergreifen, um dem Ueberhandnehmen der Lanbstreicherei und des Bettels zu steuern. — Abg. Dittmar beantragt, die Kam— mer wolle die Regierung um Vorlage eines Gesetzentwurfes ersuchen, welcher die Revision bezw. Erweiterung des Gesetzes vom 26. Juli 1848, betreffend die Ausübung der Jagd und Fischerei in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen be⸗ zweckt. — Weiter ist eingelaufen eine Vorstellung der ver⸗ einigten hessischen Gemeinden und Gutsbesitzer für Strombau— angelegenheiten, die Regulirung der Strombauten der Rhein⸗ niederung betreffend. — Eine Eingabe der Handelskammer Mainz als Vorort des hessischen Handelskammertags, ist auf Aufhebung der Besteuerung' der Weineinlagen der Wein— händler gerichtet. — Zwei weitere Eingaben betreffen die Er— bauung von Sekundärbahnen. Tie erste stammt von dem Comité für Erbauung einer Sekundärbahn von Grünberg (Mücke) über Freienseen, Laubach, Hungen, Echzell nach Fried—⸗ berg, die andere von den Vorständen der Gemeinden Wöll⸗ stein, Siefersheim, Volxheim, Freilaubersheim, Gumbeheim, Eckelsheim, Steinbockenheim und Wonsheim, den Bau einer Sekundärbahn von Armsheim nach Kreuznach betreffend.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 16. Januar. (W. T. B.) In, dem heute unter dem Vorsitze des K aisers stattgehabten Ministerrathe wurde, der „Wiener Abendpost“ zusolge, als Ter min für die Einberufung der Delegationen vorläufig der 28. d. M. in Aussicht genommen.
Die „Politische Correspondenz“ schreibt: „Die Meldung von der Einberufung der Delegationen in Verbindung mit den aus der Herzegowina gemeldeten Vorfällen haben die öffruw Meinung in eine lebhastere Bewegung versetzt, als dies nach den uns zugehenden Informationen den Thassachen entsprechen dürfte. Die Einberusung der Delegationen entspringt der in den leitenden Kreisen festgehaltenen Ansg auung, die noth dig werdenden Mehrausgaben des gemeinsamen Budgets der parlamentarischen Erledigung durch die hierzu berufene Kör⸗ perschaft unterziehen zu lassen. Die bezüglichen in Vorberei⸗ tung befindlichen Vorlagen werden jedoch den besten Beweis liefern, daß alle hierüber kolportirten Gerülte das Maß der beabsichtigten Schritte erheblich übersteigen.“
— 17. Januar. Die meisten Blätter konstatiren, daß von einem Aufstande in der Crivoscie oder in der Herzego⸗ wina nicht die Rede sei und daß die entsendeten Truppen nicht die Aufgabe haben, einen Aufstand zu unterdrücken, son⸗ dern einem solchen zuvorzukommen. — Die Nachricht von dem Rücktritt des Kriegs⸗-Ministers, Grafen Bylandt, welche auswärts verbreitet wurde, ist völlig unbegründet.
Prag, 15. Januar. Wie die „Bohemia“ meldet, wird die neue Frieden s-Ordre de Bataille der Armee in diesem Jahre später als sonst publizirt werden, weil man den Digslokationswechsel innerhalb der Monarchie erst vornehmen will, bis die Verhältnisse im Süden hinreichend geklärt sein werden.
BVei dem heutigen Abschied des Regiments Philippo— vich hob der Kronprinz in seiner Ansprache an die Offiziere die Tüchtigkeit, den Diensteifer und den vortrefflichen Geist des Offizierscorps und des bewährten tapfern Regiments hervor, sprach sodann die seste Ueberzeugung und Hoffnung aus, daß das Regiment, wenn die Verhältnisse einen ernsteren
Charakter annehmen sollten, glänzende Resultate erzielen und neue Ruhmesblätter seiner Geschichte einflechten werde. Er sei stolz darauf, als Brigadier dem braven Regimente vor⸗ gestanden zu haben.
Großbritannien und Irland. London, 14. Januar. (Allg. Corr. Die Königin hat den Sberst-Lieutenant John Ference Nicolls O'Brien zum Gouverneur der Insel Helgo⸗ land ernannt.
Die neuen Negeln für den parlamentarischen Geschäftsgang, über welche das Kabinet in seiner letzten Sitzung schlüssig geworden, werden, falls sie die Geneh— migung des Hauses der Gemeinen erhalten, die Befugnisse des Sprechers wesentlich vergrößern, ferner die Länge der Debatten durch Beschränkung der Rednerzahl kürzen und endlich die Regierung in den Stand setzen, eine größere und besser definirte Beherrschung der Zeit des Hauses zu erlangen.
In ganz Irland wurde gestern ein von der Geistlichkeit der irischen Kirche angeordneter Buß- und Bettag abge⸗ halten. Die verschiedenen Predigten waren den traurigen Zuständen in Irland gewidmet, die sich noch immer nicht ändern wollen, obschon die Regierung alle möglichen Anstrengungen macht, die Ruhe wieder herzustellen. Nicht weniger als 463 „Verdächtige“ sitzen jetzt hinter Schloß und Riegel, oder 129 mehr als im Monat November, und fast täglich noch werden neue Ver⸗ haftungen vorgenommen. Die Frauenliga fungirt trotz des Ver⸗ bots und, obschon mehrere ihrer Mitglieder verhaftet worden sind, ruhig weiter und wird sogar noch durch 50 junge Ame— rikanerinnen verstärkt werden, deren Ankunft heute erwartet wird. Dem Vernehmen nach beabsichtigt die Regierung, das Parlament noch um eine größere Erweiterung ihrer Macht⸗ vollkommenheiten zu ersuchen, was auf die Ergreifung noch schärferer Maßregeln hindeuten würde. In verschiedenen Gegenden des Landes sind auch in dieser Woche wieder mancherlei Ausschreitungen vorgekommen, doch haben sich die— selben mehr auf Verhinderung von Jagden beschränkt.
— 17. Januar. (W. T. B. Der „Tim eg⸗ zufolge hat die Regierung beschlossen, Par nell und Dillon nicht in Frei⸗ heit zu setzen. —Northeote hat die Mitglieder der Oppo⸗ sition durch ein Cirkular aufgefordert, bei Beginn der Parlamentssession am 7. Februar auf ihren Plätzen zu sein, da unzweifelhast bei der gegenwärtigen kritischen Lage der Dinge in der nächsten Session schon bald nach deren Er— öffnung sehr wichtige Verhandlungen zu erwarten seien.
Frankreich. Paris, 16. Januar. , . Depu tirtenkammer nahm heute die Handelsverträge mit Schweden und Portugal an. Der Kriegs⸗ Minister beantragte, die Verathung der Rekrutirungs— vorlage zu vertagen bis zur Einbringung verschiedener Gesetzentwürfe, durch welche theils das Militärregime modifizirt wird, theils schon von der Kammer votirte Gesetze verworfen werden. Die Modifikationen, welche vorgeschlagen werden, sollten namentlich die Herabsetzung des Militär— dienstes auf ein Minimum von? drei Jahren und eine gerechtere Repartition der militärischen Chargen be— treffen. Außerdem solle vorgeschlagen werden, ein besonderes Armee Corps für Afrika zu bilder. Der Kriegs⸗Minister er— klärte weiter, er werde die Befugniß verlangen, die Reserven ohne vorherige Genehmigung des Parlaments einzuberufen. Die Kammer beschloß sodann, daß die Kommission zur Vor— berathung des Verfassungsrevisions-Entwurfs aus 33 Mit— gliedern bestehen solle. Hierauf vertagte sich die Kammer bis zum Donnerstag.
Der Senat wählte mit 141 Stimmen Léon Say wieder zum Präsidenten. 85 Senatoren enthielten sich der Abstim⸗ mung. Ebenso wurden die Vize-Präsidenten Rampon, Leroyer und Calmon wiedergewählt. Der französisch-italienische Han⸗ delsvertrag wurde heute vorgelegt.
Die Regierung hat dem Bureau der Deputirten⸗ kammer einen Gesetzentwurf zugestellt, durch welchen die Formalitäten für die Einfuhr von Schweinefleisch aus dem Auslande sestgestellt werben. Das Dekret, durch welches die Einfuhr von Schweinefleisch untersagt worden ist, wird dadurch aufgehoben. Schweine Pökelfleisch soll in Frank⸗ reich eingeführt werden dürfen unter der Bedingung, daß es von an den Orten seiner Herkunst auegestellten Atkesten be— gleitet wird, in welchen die vollkommene Zubereitung heschei⸗ nigt ist. Bei der Einsuhr nach Frankreich haben die Impor⸗ teure die vollkommene Konservirung und das vollständige Einsalzen feststellen zu lassen. Die Einfuhr frischen nicht ge— kochten Fleisches bleibt gänzlich untersagt.
— (Fr. Corr.) Der Text der Revisionsv orlage ist sehr kurz und hezeichnet nur die verschiedenen Verfassungs—⸗ artikel, welche nach dem Antrage der Regierung von einem Congresse revidirt werden sollen. „Motive“ geben hin gegen über den Geist des Gesetzentwurfs nähere Ausschlüsse. Es handelt sich darnach um 4 Punkte:
1) Tie unabsetzbaren Senatoren werden auf den Aussterbe⸗-Etat gesetzt. So oft, ein unabsetzbarer Senator stirbt oder seine Ent— lassung giebt, wird sein Nachfolger von beiden Kammern getrennt mittelst geheimen Skrutiniums gewählt. Die Stimmzettel der beiden Kammern werden von einer gemischten Wallkommission vereinigt, und die Gesammtmajorität entscheidet. Die 75 auf diese Art gewählten Senatoren sind auf neun Jahre ernannt, werden aber, wie die anderen, serienweise von drei zu drei Jahren erneuert.
2) Die übrigen 250 Senatoren sollen von dem bisherigen Wahl körper ernannt werden, nur mit dem sehr durchgreifenden Unterschiede, daß, während in demsclben bisher jede Gemeinde ohne Rüchsicht auf die Einwohnerzahl durch einige Delegirten vertreten war, fortan je ein Delegirter auf fünfhundert Deputirlenwähler entfallen soll. Für Paris sollen noch besondere Bestimmungen Platz greifen.
3) Es soll bestimmt werden, daß die Wahlen für die Deputirten— kammer in Zukunft mittelst Listenskrutiniums erfolgen sollen, mit der Maßgabe jedoch, daß hierfür die Votirung eines neuen Deputiren⸗ wahlgesetzes abzuwarten ist. Bis diese erfolgt, sollen die partiellen Wahlen und im Falle einer Auflösung selbst die allgemeinen Wahlen nach dem bisherigen System, also arrondissementswesse erfolgen.
4) Hinsichtlich der Befugnisse des Senats in Finanzsachen soll die Verfassung in der Art abgeändert werden, daß die Möglichkeit eines neuen Konflikts zwischen beiden Häusern ausgeschlossen wäre. Der Senat soll das Recht behalten, Kredite, welche das andere Haus eröffnet hat, zu verwerfen, dagegen aber nicht berechtigt sein, seiner⸗ seits solche zu eröffnen, zu denen das andere Haus nicht seine Zu⸗ stimmung gegeben hat.
Endlich wird noch beantragt, die Bestimmung der Ver⸗ fassung von 1875, daß im Beginn jeder Session öffentliche Gebete abgehalten werden sollen, aufzuheben. In der Stelle der „Motive“, welche vom Listenstrutinium handelt, bemerkt man folgenden Passus: „Sie werden ein organisches Wahl⸗ gesetz an dem Tage ausarheiten, welchen Sie selbst gegen das Ende des Mandats des Abgeordnetenhauses be stimmen werden.“
Der Entwurf ist von dem Prasidenten der Republik ge⸗ zeichnet und von dem Minister-⸗Präsidenten und dem Siegel⸗ bewahrer kontrasignirt.
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Portugal. Lissabon, 16. Januar. (W. T. Die spanischen Majestäten begaben sich mit dem Könige und der Königin von Portugal nach dem Parke von Villav gosa zur Abhaltung großer Jagden. Am werden die spanischen Herrschaften wieder in Madrid ein— treffen.
Italien. Rom, 16. Januar. (WB. T. B.) Heute Vormittag fand im Pantheon ein feierlicher Trauer—⸗ gottesdienst für König Victor Emanuel statt, welchen der erste Hofkaplan Anzino unter Assistenz einer zahlreichen Geistlichkeit celebrirte. Deputationen des Senales und der Kammer, alle. Minister, das gesammte diplomatische Corps, die Würdenträger des Hofes, die Munizipalität, Deputationen der Armee und Marine und ein zahlreiches distinguirtes Publikum wohnte der Feier bei.
Der Papst verließ gestern Nachmittag gegen 4 Uhr seine Gemächer und begab sich unter Vorantritt des hohen Kollegiums, der hohen Prälatur, des Episkopats und, der Würdenträger des Hofes in den Saal, in welchem am Vormittag die Seligsprechung voilzogen worden war. Gegen 800 Personen waren daselbst ver⸗ sammelt; unter ihnen befand sich auch die Herzogin von Madrid mit Gefolge und das gesammte, beim Vatikan akkreditirte diplo— matische Corps. Der spanische Gesandte nahm als Vertreter des Landes, welchem der Seliggzesprochene angehörte, den Ehrenplatz ein. Der Papst betete einige Zeit vor dem dem Seligen geweihten Altare, in welchem ein Theil der Re— liquien desselben aufbewahrt werden, und empfing sodann die Antrag steller der Seligsprechung, welche dem Herkonimen ge— mäß ihm Dank sagten und Geschenke anboten. Der Papst er⸗ widerte mit einigen Worten. Die Fagaden der spankfchen Kirchen zu Rom waren Abends illuminirt.
Türkei. Aus London, 16. Januar, meldet „W. T. B.“: Wie der „Globe“ meldet, hat der türkische Botschaster, Mu s urus Pascha, am Sonnabend dem Autwärtigen Amte eine Note der Pforte zugestellt, in welcher die Pforte England und Frankreich das Recht, eine Kontrole über die egyptischen Angelegenheiten ausjzuüben, abspricht und dieses Recht für die Türkei in Anspruch nimmt. Der Minister des Aus— wärtigen, Granville, ist gestern wieder nach London zurück⸗ gekehrt; im Laufe dieser Woche soll ein Kabinetsrath statt— finden, um über die Antwort auf die Note der Pforte Be— schluß zu fassen.
Nußland und Polen. St. Petersburg, 17. Januar. (WB. T. B.) Durch Verfügung des Ministers des Innern wird dem „Golos“ das Wiedererscheinen von morgen ab gestattet.
Dänemark. Kopenhagen, 13. Januar. (Hamb. Corr.) Die erste Lesung der einen der drei Zoll- und Steuer⸗ Neformvorlagen, nämlich die der Vorlage, betreffend die Zollreform, wurde gestern vom Landsthing nach vier— ägister Debatte zum Abschluß gebracht. Die Vorlage wurde au eine aus 9 Mitgliedern bestehende Kommission verwiesen. Die Wahl der Mitglieder dieser Kommission wird stattfinden, sobald die beiden anderen Vorlagen in erster Lesung erledigt sind. Heute begann die erste e⸗ rathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Branntwein— abgabe. Bemerkenswerth war die gestrige Rede des früheren Finanz-Ministers Krieger. Derselbe bezeichnete die Compen—
sationspolitik der Regierung als vollständig unhaltbar. Seine Ueberzeugung sei, daß, wenn die Regierung einen größeren Ausfall in den Staatseinnahmen nicht zulassen wolle, die Durchführung der sehr nothwendigen Zollreform unmög⸗ lich sei.
Im Folkething stand heute ein von Seiten der Linken des Things eingebrachter Gesetzentwurf, betreffend Einführung der obligatorischen Civilehe, zur Berathung. Der Antrag⸗ steller, Abg. Holm, führte aus, daß die jetzige Trauung in Wirklichkeit ein Gemisch von kirchlicher und bürgerlicher Trauung sei. Der Antrag bezwecke, beide Handlungen von einander zu trennen, und sodann erstere zu einer vollständig freien zu machen.
Afrika. Egypten. Kairo, 16. Januar. (W. T. B.) Die Delegirtenkammer gab dem Minister⸗Präsidenten Cherif Pascha vertraulich von einem Entwurf, betreffend eine anderweite Regelung der inneren Angelegen⸗ heiten Kenniniß. Derselbe sollte zum Zweck haben, die ganze Regierung des Landes der Kammer zu übertragen. Cherif Pascha lehnte es ab, diesen Entwurf anzunehmen. — Nachdem die Kollektivnote Englands und Frankreichs üher— reicht ist, ist die Kammer der Regierung gegenüber weniger zur Versöhnung geneigt.
Zeitungsstimmen. „Schlesischen wird 12. iuar, geschrieben:
ts ist sehr erfreulich, daß aus Thüringen immer wieder gemeldet werden kann, die Besserung auf wirthschaftlichem Gebiete halte an. Es gilt dies jedenfalls von der Mehrzahl der größeren Industrie zweige, die in Thüringen betrieben werden. In Zahlen wird eine Bestätigung nur schwer gegeben werden können, aber wer sich in den bedeutenderen thüringischen Industrieorten umsieht und dieselben ver⸗ gleicht mit dem, was sie vor 8 Jahren waren, wird die Zeugnisse für den Aufschwung sofort erkennen. Gera, diese gewerbthärigste Stadt Thüringens, ist in erster Linie zu nennen, Greitz, Apolda, Sonneberg, Gotha, Eisenach haben nicht nur an Zahl der Einwohner und an Umfang, sondern auch an Intensität des Geschäftsverkehrs bedeutend zugenommen.
— Der „Wiesbadener Itg.“ sind folgende Meldun— gen zugegangen: . .
Aus dem Unterwesterwaldkreise, 15. Januar. Die Holzversteige⸗ rungen sind im Gange und liefern bedeutend bessere Resultate als in den letztverflossenen Jahren, trotzdem der Winter bis hierher ein o sehr milder war. Die meisten Ankäufe machen unsere zahlreichen Kannenbäcker, deren Geschäfte sich wieder bedeutend zu bessern be— ginnen; aber auch für den Bergbau geschehen große Ankäufe. — In Folge der reichen Einnahmen für Hopfen im verflossenen Herbste wächst der Eifer für Hopfenzucht. Zu den Hopfen produzlrenden Orten gehören in erster Linie Höhr, Grenzhausen, Ransbach, Baum⸗ bach und Alsbach, dann folgen Nauort, Caan und Stromberg, sämmt⸗ lich Orte des Amtes Selters. . -
Von der Sieg, 14. Januar. Die Geschäfte auf unseren Hoch⸗ öfen werden mit jeder Woche glänzender — die Einführung der Eisen— zölle haben denn doch ihre eminenten Wirkungen.
— Man schreibt der „Nordd. Allg. Ztg.“ u. A.:
Es ist in der jüngsten Zeit wiederholt in den Blättern auf den Aufschwung hingewiesen worden, den das deutsche Schiffe baugewerbe genommen hat, und welcher sich in einer gesteigerlen Thätigkeit und Be⸗
Zeitung“ aus Weimar,
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schäftigung fast aller größeren deulschen Werften kundgiebt. sache ist als außer
Es läßt sich nicht aß unter den Segnungen des Freihandels die ederei rückwärts und nicht vorwärts gegangen ist. Der Aufschwung der letzteren dauert jetzt genau seit 1 bis 17 Jahren und ie Frachten für längere Reisen sich gebessert, was vorher, trotz des Freihandels, der ja die Welt umspannen will, nicht zu erreichen war. — Die „Essener Ztg.“ bringt folgende Mittheilung: Crengeldanz, 15. Januar. Es ist sehr erfreulich, nach den mancherlei Mittheilungen aus den Vorjahren über eingetretene Geschäftsflaue und dem Stillliegen von Fabriken gegen⸗ wärtig wieder von dem Aufleben der früheren Geschäfts⸗ thätigkeit und dem Beginne neuer Unternehmungen berichten zu können. Letzteres trifft auch für unseren Ort zu, indem ein vor etlichen Jahren hier stillgelegtes Werk nunmehr zu neuer voller Thätigkeit sich erheben und sogar einen für unsere Gegend ganz neuen Industriezweig einführen wird. Eine früher bedeutende hiesige Dampfkessel Fabrik, welche in den weiten Räumen ihrer Gebäulichkeiten seit mehr als fünf Jahren keinen Hammerschlag mehr erschallen ließ, ist endlich in geschäfts— kundige Hände übergegangen und soll einer regen Gewerbs⸗ thätigkeit zurückgegeben werden. Ein Theil der Fabrik wird einer in Witten bestehenden Feilenhauerei zur Werkstatt dienen und diese schon bald aufnehmen. Der andere größere Theil ist von einer Kom— manditgesellschaft erworben, welche gleichfalls bis zum 1. April cr. darin ihre Geschäftsthätigkeit zu eröffnen gedenkt und' mit dem Umbau des Werkes bereits eifrig begonnen hat.
Angelegenheiten. Dem Hause der Abgeordneten liegt folgender Entwurf eines Gesetzes, betreffend Abänderungen der kirchen— politischen Gefetze, vor: Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. verordnen, unter Zuftimmung beider Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt: Artikel J.
Die Artikel 2, 3 und 4 im Gesetz vom 14. Juli 1880 (Gesetz⸗ Sammlnng Seite 285) treten mit der Verkündung des gegenwärtigen Gesetzes wieder in Kraft.
Artikel 2.
Einem Bischof, welcher auf Grund der 85. 24 ff. im Gesetz vom 12. Mai 1873 (Gesetz-Sammlung Seite 198) durch gerichtliches Urtheil aus seinem Amte entlassen worden ist, kann von dem Könige die staatliche Anerkennung als Bischof feiner früheren Diözese wieder ertheilt werden. Artikel 3.
Das Staats-Ministerium ist ermächtigt, mit Königlicher Geneh— migung die Grundsätze festzustellen, nach welchen der Minister der geistlichen Angelegenheiten von den Erfordernissen der 5§. 4 und 11 im Gesetz vom 11. Mai 1873 (Gesetz⸗Sammlung Seite 191) dis⸗ pensiren, auch ausländischen Geistlichen die Vornahme von geistlichen Amtshandlungen oder die Ausübung eines der im §. 10 erwähnten Aemter gestatten kann.
Artikel 4.
An die Stelle des 5 16 im Gesetz vom 11. Mai 1873 tritt nachfolgende Bestimmung:
Der Einspruch findet statt, wenn dafür erachtet wird, daß der Anzustellende aus einem Grunde, welcher dem bürgerlichen oder staats⸗ bürgerlichen Gebiete angehört, für die Stelle nicht geeignet sei, insbesondere wenn seine Vorbildung den Vorschriften dieses Gesetzes nicht entspricht.
Die Gründe für den Einspruch sind anzugeben.
Gegen die Einspruchserklärung kann innerhalb dreißig Tagen bei dem Minister der geistlichen Angelegenheiten Beschwerde erhoben werden, bei dessen Entscheidung es bewendet.
Artitel 5.
Das Staats⸗Ministerium ist ecmächtigt, für bestimmte Bezir ke widerruflich zu gestatten, daß Geistliche, welche im Uebrigen die ge⸗ setzlichen Erfordernisse für die Ausübung geistlicher Amtshandlungen erfüllen oder von denselben dispensirt sind, zur Hülfeleistung im geistlichen Amt ohne die nach §. 15 des Gesetzes vom 11. Mai 1873 erforderliche Benennung verwendet werden.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.
Gegeben re.
Begründung.
Der gegenwärtige Gesetzentwurf beruht auf denselben Gesichts⸗ punkten, aus welchen die Vorlage vom 19. Mai 1886 über Abände⸗ rungen der kirchenpolitischen Gefetze hervorgegangen ist. Durch den Entwurf wünscht die Königliche Staatsregierung von Neuem zu be— thätigen, daß sie entschlossen ist, auf dem Wege einer friedlichen Ent⸗ wickelung der Beziehungen zwischen Staat und katholischer Kirche, wie er durch das Gesetz vom 14. Juli 1880 angebahnt ist, fortzu⸗ schreiten. Auch jetzt wünscht sie in der Sorge für das Wohlergehen der katholischen Preußen denselben ere Erleichterungen, die nach den bestehenden Gesetzen möglich sind, gewährt und diese Möglichkeit erweitert zu sehen, soweit dies geschehen kann, ohne das Wohlergehen der gesammten Staatsangehörigen, die Sicherheit des Staats und die Unabhängigkeit seiner Gesetzhebunz zu gefährden.
Bei der Durchführung
gel dieses Gedankens tritt diejenige Frage in den Vordergrund, welche auf diesem Gebiete als die brennendste be⸗ zeichnet werden darf, nämlich die Wiederherstellung der cura animarum
8
Sinne. Die Wiederherstellung erfolgt auf doppeltem
weitesten
J. durch Wiedereinführung einer regelmäßigen Diözesanverwaltung,
II. durch Wiederbesetzung der mit der Seelsorge betrauten Kirchenämter, insbesondere der Pfarrstellen.
Die Lösung dieser Frage zu fördern, ist die hauptsächlichste Auf gabe des Gesetzentwurfs. Die Letztere wird sich jedoch nach der jetzigen Lage der Verhältnisse im Wesentlichen auf die Ertheilung diskretionärer Befugnisse für die Staateregierung um so mehr zu beschränken haben, als die Rücicht auf die Landestheile mit pol⸗ nischer Bevölkerung es nothwendig macht, daß der Regierung die nach der Verschiedenheit der politischen Lage erforderliche Freiheit der Bewegung für die Abwehr gesichert bleibt. Die Königliche Staate— regierung trägt um so weniger Bedenken, auf der mit der Gesetz⸗ gebung vom Jahre 1880 betretenen Bahn vorwärts zu schreiten, als die seit Erlaß des Gesetzes vom 14. Juli 1885 und an der Hand desselben gemachten Erfahrungen lehren, daß schon die der Stäats— regierung seither gewährten Befugnisse es ermöglicht haben, in der Regelung der Verhältnisse auf dem in Rede stehenden Gebiete ersicht⸗ liche Fortschritte zu machen.
Die Lösung wird im Einzelnen dadurch an ustreben sein, daß zu⸗
nächst, wie
Artikel 1 der Vorlage vorschlägt, die mit dem 1. samkeit getretenen Artikel 2, 3 und 4 des Gesetzes vom 14. Juli 1880 wieder in Kraft gesetzt werden. Diese Artikel lauten:
Art. 2. In einem katholischen Bisthum, dessen Stubl erledigt, oder gegen dessen Bischof durch gerichtliches Urtheil auf Unfähigkeit zur Bekleidung des Amts erkannt worden ist, kann die Ausübung bischöflicher Rechte und Verrichtungen in Gemäßheit des §. J im Hesetz vom 29. Mai 1874 demjenigen, welcher den ihm eribeilten kirchlichen Auftrag darthut, auch ohne die im §. 2 vorgeschriebene eidliche Verpflichtung durch Beschluß des Staatt⸗Ministeriums ge⸗ stattet werden.
Januar 1882 außer Wirk⸗
In gleicher Weise kann von dem Nachweise der nach 8.2 er— forderlichen persönlichen Eigenschaften, mit Ausnahme des Erforder— nisses der deutschen Staatsangehörigkeit, dispensirt werden.
Art. 3. Die Einleitung einer kommissarischen Vermögens ver⸗ waltung in den Fällen des Art. 2 dieses Gesetzes findet nur mit Ermächtigung des Staats⸗-Ministeriums statt. Dasselbe ist auch er— mächtigt, eine eingeleitete kommissarische Vermögens verwaltung wieder aufzuheben.
Art. 4. Die Wiederaufnahme eingestellter Staatsleistungen kann, abgesehen von dem Falle des §. 2 des Gesetzes vom 22. April 1875, für den Umfang eines Sprengels durch Beschluß des Staats⸗Mini⸗ steriums angeordnet werden.
Der Schlußsatz des §. 6 desselben Gesetzes findet Anwendung.
Die vorstehenden Artikel waren nach der Vorlage vom 19. Mai 1880 dazu bestimmt, das Bedürfniß zu befriedigen, welches für eine freiere Handhabung des Gesetzes vom 20. Mai 1874 über die Ver— waltung erledigter katholischer Bisthümer, sowie des Gesetzes vom 22. April 1875, betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staats⸗ mitteln für die römisch⸗katholifchen Bisthümer und Geistlichen, während der letzten Jahre merklich geworden ist und mit dem Wachsen gegen— seitiger Verständigung voraussichtlich mehr und mehr hervortreten wird. Es handelt sich hierbei darum, die Schärfe der gefetzlichen Vorschriften durch die Möglichkeit ihrer Nichtanwendung oder beschränkter Anwendung zu mildern, ohne das Gesetz selbst außer Kraft setzen zu müssen. Ins⸗ besondere erscheint die Wiederherstellung des Artikels 2, welcher das Staats⸗Ministerium ermächtigt, nach Lage des konkreten Falles die Ausübung bischöflicher Rechte und Verrichtungen auch ohne eine vor— angegangene eidliche Verpflichtung des Bisthumsverwesers zu gestatten, werthvoll. Es genügt, darauf hinzuweisen, daß, wenn es gelungen ist, durch Einsetzung von Kapitular⸗Vikaren die Wiederkehr geordneter Verhältnisse in den Diözefen Osnabrück, Paderborn und Breslau an— zubahnen, dies vornehmlich der Existenz und der Anwendung des Artikels 2 zu verdanken bleibt. Auch die Artikel 3 und 4 verdienen erhalten zu werden, da die durch dieselben der Staatsregierung ge⸗ währten Befugnisse die Möglichkeit gewähren, nach Lage des einzelnen Falles Erleichterungen zu gewähren, wie dies noch neuerdings durch Wiederaufnahme der Staatsleistungen fur den preußischen Antheil der Erzdiözese Prag geschehen ist.
Artikel 2.
Nachdem es mit Hülfe der der Regierung mittels Gesetzes vom 14. Juli 1880 gewährten Fakultäten möalich geworden ist, in den⸗ jenigen Bisthümern, deren Stühle auch kirchlich als erledigt galten, eine geordnete Diözesanverwaltung wieder herzustellen, gewinnt die Frage der Wiedereinrichtung einer regelmäßigen oberhirtlichen Leitung auch für diejenigen Sprengel, deren frühere Bischöfe durch gericht⸗ liches Urtheil aus dem Amte entlassen sind, in hervorragender Weise an Bedeutung.
Schon bei Vorlage der kirchenpolitischen Novelle im Jahre 1880 mußte die Königliche Regierung es als ihre Ueberzeugung aussprechen, daß eine Regelung dieser besonders schwierigen Frage wesentlich würde gefördert werden, wenn sich durch Gesetz die Möglichkeit schaffen ließe, einem oder dem anderen jener, aus dem Ämte entlassenen Bischöfe die staatliche Anerkennung als Bischof seiner früheren Diözese wieder zu ertheilen. Die inzwischen gewonnenen Eindrücke haben die Regierung in dieser Ueberzeugung nur besärken können. Die bezüg⸗ liche Bestimmung der kirchenpolitischen Vorlage von 1885 hat des⸗ halb in dem AÄrtikel 2 des gegenwärtigen Entwurfes von Neuem Aufnahme gefunden.
Artikel 3.
Um die Wiedereinführung einer pfarramtlichen Seelsorge be⸗ ziehungsweise die Heranbildung der Kleriker zu erleichtern, bieten sich folgende Mittel dar:
a. die Dispensation der Geistlichen von den Bedingungen der
Vorbildung,
b. die Dispensation der Lehrer an den kirchlichen Unterrichts⸗
anstalten von den Bedingungen der Vorbildung, beides zusammengefaßt im Artikel 3 des Entwurfs, welcher der Be⸗ stimmung unter Nr. 1 des Artikels 1 der Vorlage vom 19. Mai 1880 entspricht. Die Wiederaufnahme dieser Bestimmung rechtfertigt sich durch die Erwägung, daß die fragliche Dispensationsbefugniß ein wesentliches Mittel ist, um die zur Zeit vorhandenen Lücken in dem Bestande der mit der Seelsorge betrauten Geistlichen auszufüllen und dadurch einem anerkannt dringenden Bedürfnisse der katholischen Be⸗ völkerung thunlichst zu begegnen.
Artikel 4 und 5
haben gleichfalls den Zweck, die Wiederherstellung der Seelsorge zu fördern.
Zu diesem Behuf schlägt zunächst Artikel 4 die Umgestaltung des §. 16 des Gesetzes vom 11. Mai 1873 vor, welcher lautet:
Der Einspruch ist zulässig:
l) wenn dem Anzustellenden die gesetzlichen Erfordernisse zur Bekleidung des geistlichen Amtes fehlen;
2) wenn der Anzustellende wegen eines Verbrechens oder Ver⸗ gehens, welches das deutsche Strafgesetzbuch mit Zuchthaus oder mit dem Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte oder dem Verlufie der öffentlichen Aemter bedroht, verurtheilt ist oder sich in Untersuchung befindet;
3) wenn gegen den Anzustellenden Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß derselbe den Staatsgesetzen oder den innerhalb ihrer gesetzlichen Zuständigkeit erlaffenen Anordnungen der Obrigkeit entgegenwirken oder den öffentlichen Frieden stören werde.
Die Thatsachen, welche den Einspruch begründen, sind anzu geben
Gegen die Einspruchserklärung kann innerhalb 30 Tagen bei dem Königlichen Gerichtshofe für die kirchlichen Angelegenheiten und, so lange dessen Einsetzung nicht erfolgt ist, bei dem Minister der geist lichen Angelegenheiten Berufung eingelegt werden.
Die Entscheidung ist endgültig.
Der Gesetzentwurf beabsichtigt in diesem rungsvorlage vom Jahre 1873 zurückzukehren, Bestimmungen in anderen deutschen Staaten sonderbeit die Entscheidung über den Einspruch lediglich in die Hand
twortlicher Verwaltungsinstanzen legte. Diesen gesetzgeberischen Gedanken gegenwärtig wieder aufzunehmen, erscheint um so mehr an— gezeigt, als die über den Einspruch an die thatsächliche Lage des Einzelfalles gebunden fein darf, se bei ihren Entschließungen eine freiere Beurtheilung nach Ze Ort, unter gleichmäßiger Berücksichtigung der staatlichen überhgupt, eintreten zu lassen hat. . ;
It Artikel dazu bestimmt, das Verfahren in Beziehung auf die Pflicht der geistlichen Oberen zur Benennung der anzustellenden Geistlichen auf einer richtigeren Grundlage zu ordnen, so hat Artikel 5 den Zweck, in Beziehung auf den Umfang dieser Pflicht, die Möglich keit von Erleichterungen zu schaffen, die ohne Gefährdung wesentlicher Rechte des Staates gewährt werden können. Denn einerseits wird der Grundsatz der Benennungspflicht bei allen festen Anstellungen, sowie bei der Einrichtung von Vertretungen in erledigten Aemtern sestgebalten und damit ein Rechtszustand geschaffen, wie er vordem in Preußen bestand und nech gegenwärtig in den meisten deutschen Staaten sich in allseitig anerkannter Uebung befindet. Wenn andererseits der Entwurf die Befreiung von der Benennungepflicht hinsichtlich der Hülfsgeistlichen der Ermächtigung der Regierung für bestimmte Bezirke vorbehält, so nöthigt dazu insbesondere die Rück— sicht, daß der Staat zur Sicherung seiner eigenen Interessen sich die Möglichkeit vorbehalten muß, nach Lage der ÜUmstände das obersthoheitliche Aufsichtsrecht bezüglich der Bestellung von Geistlichen in vollem Umfange zur Geltung zu bringen.
sinngemäße
Punkte zu der Regie welche den bewährten sich anschließt und in
voran ö
Statistische Nachrichten.
Gemäß den Veröffentlichungen des Ka iserlichen Gesundheit -= Amts sind in der 1. Jahreswoche von je 1000 Bewohnern auf den
Jahres durchschnitt berechnet als gestorben gemeldet: in Berlin 22,9,