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Sach
polnischen Nation nicht gebe, ergriff das Wort der Abg. Kayser, um sich zu beklagen, daß er entgegen den Bestim— — des Freizügigkeitsgesetzes aus verschiedenen Bezirken ens ausgewiesen sei.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich sächsische Oberst⸗Lieutenant Edler v. d. Planitz, führte aus, daß die Ausweisung ersolgt sei auf Grund des sächsischen Heimaths⸗ gesetzes, die durch das Freizügigkeitsgesetz nicht außer Kraft gesetzt seien. Der Abg. Liebknecht gab zu, daß die Ausweisung an sich legal sei, aber er glaube, daß ein Gesetz, wel⸗ ches der Reichsgesetzgebung schnurstracks zuwiderlaufe, auf⸗ gehoben werden müsse. Der Staats⸗-Minister von Boetticher bemerkte, daß in solchem Falle der Reichstag die Remedur nicht treffen könne; er stelle es daher dem Abg. Liebknecht an— heim, sich mit den betreffenden Anträgen an die sächsische Re⸗ gierung zu wenden. Die Debatte wurde hierauf geschlossen, und die Position genehmigt, ebenso IV., Kap. 4, 5, 6.
Bei V. Titel 1 fragte der Abg. Löwe an, welche Stellung die Regierung zu der geplanten internationalen Weltausstellung im Jahre 1885 einnehme. Im Interesse der Industrie sei es wünschenswerth, wenn hier bald eine authentische Erkärung abgegeben würde.
Der Staats-Minister von Boetticher erklärte, die Re⸗ gierung habe die Sache stets im Auge behalten, jedoch sei das Jahr 1885 ein viel zu früher Termin. Man gehe damit um, eine Verständigung zwischen den einzelnen Regierungen herbeizuführen über die Reihenfolge, in der die Weltausstellungen zu veranstalten seien. Für
das Jahr 1885 sei eine internationale Weltaus— stellung in Berlin auch darum unmöglich, weil bereits in Italien seit langer Zeit Vorbereitungen zu
einer solchen getroffen würden. Nachdem der Abg. Pr. Rei⸗ chensperger sich gegen Weltausstellungen überhaupt ausge— sprochen und der Abg. Löwe seine Zufriedenheit mit den Erklä— rungen der Regierung ausgedrückt hatte, wurde Kapitel 7 ge— nehmigt.
Zum Etat des Reichsamts des Innern, Kapitel 36, Lund 2, gab der Abg. Dr. Lingens eine Berichtigung der Ausführungen, die er bei der zweiten Lesung über Aus⸗ wanderungskommissariate gemacht. Der Abg. Johannsen führte aus, daß in Nord⸗-Schleswig die Auswanderung haupt⸗ sächlich durch Üebergriffe der Polizei befördert werde‘ Er hoffe daher, daß wenn das angekündigte Auswanderungsgesetz dem Reichstage vorgelegt würde, auch auf Nord⸗ Schleswig Rücksicht genommen werden würde. Der Staats— Minister von Boetticher erklärte, das Auswanderungsgesetz würde gewiß auf humanen Grundfätzen beruhen, ob damit aber alle Beschwerden des Vorredners gehoben würden, bezweifle er, da dieselben nicht in dem Verhalten der Regierung, sondern in dem Verhalten der dänischen Bevölkerung begründet seien. Die Debatte wurde hierauf geschlossen und Kap. 7 Tit. 1 und 2, Kap. 8, Kap. 9 Tit. 1 bis 3, sowie Kap. 10 —13 ge⸗ nehmigt. Hierauf beantragte der Abg. Richter (Hagen), vor der Berathung der Verwaltung des Reichsheeres die Positionen u berathen, welche Aenderungen der Matrikularbeiträge zur Folge haben. Der Antrag wurde angenommen.
Das Haus berieth dementsprechend den von den Abgg. Stengel und Dr. Baumbach gestellten Antrag:
Der Reichstag wolle beschließen: 9 Kap. 4 Tit. 14 (Einmalige Ausgaben):
„Zur Herstellung eines neuen Dienstgebäudes in Erfurt“ eine von der Budgetkommission zur Bewilligung beantragte, von der Plenarversammlung in der zweiten Lesung gestrichene Forderung von
Siebenmalhundert zwei und zwanzigtausend Mark . . Gesammtbaukosten,
mit Einhundert fünf und zwanzigtausend Mark erste Rate bei der
dritten Lesung wieder einzustellen.
Nachdem der Abg. Dr. Stengel für den Antrag eingetreten war und auch der Abg. von Benda denselben befürwortet hatte, ergriff der Abg. Br. Franz das Wort, um zu erklären, daß er die Nothwendigkeit der Position nicht einsehe.
Der Staatssekretär des Reichs-Postamts, hr. Stephan führte aus, daß, nachdem die Position in zweiter Lesung abge⸗ lehnt worden, von den betreffenden Behörden nochmals ein Gutachten eingeholt sei, ob der Bau nothwendig oder nicht, und alle diese Behörden hätten den Bau als dring⸗ lich bezeichnet. Derselbe werde auch bedingt durch den bedeutenden industriellen Verkehr Erfurts, der an die Post— verwaltung ganz erhebliche Anforderungen stelle. Die Posstion wurde hierauf genehmigt. Es folgte die Berathung des An⸗ trags des Abg. Dr. Arnold:
Der Reichstag wolle beschließen:
zu Kap. 4 Tit. 21 (Einmalige Ausgaben): zur Herstellung eines neuen
Dienstgebäudes (in Marburg) eine von der Plenarversammlung in der
zweiten Lesung gestrichene Forderung von 80 059 „M. ersle Rate
wieder einzustellen.
Nachdem der Staatssekretär des Reichs⸗Postamts, Dr. Stephan, die Abgg. Dr. Windthorst und Meyer für den Antrag ein⸗ getreten, wurde derselbe angenommen.
Hierauf folgte der mündliche Bericht der Budgetkommission, betreffend die Errichtung eines Militärknaben⸗Erziehungs⸗ instituts und einer Unteroffiziervorschule zu Neu⸗Breisach. Die Kommission beantragte, sowohl den Antrag von Massow:
Der Reichstag wolle beschließen: Einmalige Ausgaben Kapitel 6 Titel Ha.
Zur Errichtung eines Militärknaben⸗Erziehungsinstituts mit Unteroffiziervorschule in NeuBreisach, einschließlich der Kosten für Terrainerwerb, erste Rate:
290000 M der ursprünglichen Forderung im Entwurf des Reichshaushalts—⸗
Etats zu bewilligen. sowie den Antrag von Benda:
Der he . .
für den Fa er dehnung des Antrages des Abg., vo Massow (Nr. 77 der , . k Kapitel 6 Titel 5a. der Einmaligen Ausgaben wie folgt zu bewilligen:
. Zur Errichtung einer Unterofsiziervorschule in Neu⸗Breisach,
einschließlich der Kosten für Terrainerwerb, erste Rate o hy) M6 abzulehnen Beide Anträge wurden hierauf von den Antrag— stellern zurückgezogen. Der Abg. Dr. Lasker hob hervor, daß der Beschluß der Budgetkommission kein Präjudiz schaffen solle für die Annahme oder Ablehnung der Forderung überhaupt. Die Regierung möge in der nächsten Session mit einem moti⸗ vdirten Kostenanschlage kommen, und man werde dann eine Ver⸗ ständigung sinden.
Es folgte die Berathung des Antrags Richter agen und Genossen. Derselbe lautete: ö r ,, Der Reichgztag wolle beschließen: L hinter Kapitel 18 der Einnahmen binzuzufügen ein neues apitel 182. Titel ! Aus dem Ueberschuß de; Jahres 1881/82 und unter diesem Titel eine solche Summe einzustellen, welche es
ermöglicht., die Bilanzirung des Etats pro 1882/83 zu bewerk⸗ stelligen ohne Erhöhung der Matrikularbeiträge gegen das Vorjahr. 2) an Matrikularbeiträgen — Kapitel 24 — demgemäß nur zu bewilligen 103 684 369 6 Bei Schluß des Blattes nahm der Bevollmächtigte zum . Staatssekretär des Reichsschatzamts, Scholz, das ort.
— Die im Reichs-Eisenbahn-Amte aufgestellte, in Nr. 23 des „Reichs⸗Anzeigers“ veröffentlichte Ue bersicht der Betriebs-Ergebnisse deutscher Eisenbahnen für den Monat Dezember v. Is. ergiebt für die 63 Bahnen, welche auch schon im entsprechenden Monate des Vor— jahres im Betriebe waren und zur Vergleichung gezogen werden konnten, nachstehende Daten: (Die preußischen Staats⸗ bahnen und vom Staate für eigene Rechnung verwalteten Bahnen sind dabei als ein Bahnkomplex betrachtet, weil durch die am 1. April d. Is. eingetretene veränderte Bezirks— eintheilung eine Vergleichung bei den einzelnen Verwaltungs— bezirken nicht durchweg zu ermöglichen war.)
Die Einnahme aus allen Verkehrszweigen war im Dezem— ber v. J a. bei Vergleichung der provisorisch ermit— telten Ergebnisse des laufenden Jahres mit dem Definitivum des Vorjahres: im Ganzen (mit 29 1099,46 km Betriebslänge) bei 44 Bahnen mit zusammen 22 907,49 km höher und bei 19 Bahnen mit zusammen 6111, 97 Rm niedriger als in demselben Monate des Vorjahres, und auf das Kilometzr Betricbslänge bei 1 Bahn mit 94,50 km unverändert, bei 44 Bahnen mit zusammen 22 997,49 km höher und bei 18 Bahnen mit zusammen 601747 km (darunter 2 Bahnen mit vermehrter Betriebslänge) niedriger, als in demselben Monate des Vorjahres; b. bei Verglei⸗ chung der provisorisch ermittelten Ergebnisse des laufenden Jahres mit den im Vorjahre ermittelten Jö Angaben: im Ganzen (mit 29 109,46 km
etriebslänge), bei 51 Bahnen mit zusammen 25 658,95 km höher und bei 12 Bahnen mit zusammen 3450,51 km niedriger, als in demselben Monate des Vorjahres, und auf das Kilometer Betriebslänge bei 50 Bahnen mit zusam⸗ men 24 438,03 km höher und bei 13 Bahnen mit zusammen 4671,43 km (darunter 1 Bahn mit vermehrter Betriebs— länge) geringer, als in demselben Monate des Vorjahres.
Die Einnahme aus allen Verkehrszweigen war vom 1. Ja⸗ nuar bis Ende Dezember v. J.: a. bei Vergleichung der provisorisch ermittelten Ergebnisfe des lau— fenden Jahres mit dem Definitivüum des Vorjahres: im Ganzen (mit 29 10946 km Betriebslänge), bei 36 Bahnen mit zusammen 2i sis, 93 km höher und bei 27 Bahnen mit zusammen 729643 km geringer, als in dem⸗ selben Zeitraume des Vorjahres, und auf das Kilo⸗ meter Betriebslänge bei 32 Bahnen mit zusammen 20 298,54 ki höher und bei 31 Bahnen mit zusammen 8810,92 km (darunter 4 Bahnen mit vermehrter Betriebs⸗ länge) geringer als in demselben Zeitraume des Vorjahres; b. bei Vergleichung der provisorisch ermittelten Ergebnisse mit den im Vorjahre ermittelten pro⸗ väsorischen Angaben: im Ganzen (mit 29 109,46 km Betriebslänge), bei 52 Bahnen mit zusammen 27 007, 52 km höher und bei 11 Bahnen mit zusammen 2101,94 km ge⸗ ringer als in demselben Zeitraume des Vorjahres, und auf das Kilometer Betriebslänge bei 47 Bahnen mit zusam— men 24 50,05 km höher und bei 16 Bahnen mit zusammen 4159,41 km (darunter 3 Bahnen mit vermehrter Betriebs⸗ länge) geringer, als in demselben Zeitraum des Vorjahres.
Bei den unter Staatsverwaltung stehenden Privatbahnen, ausschließlich der vom Staate für eigene Rechnung verwalteten Bahnen, betrug Ende Dezember v. J. das gesammte konzessionirte Anlagekapital 1212249 100 (408 495 900 6 Stammaktien, 44 595 O00 Prioritäts Stamm—⸗ aktien und 7h59 158 200 M Prioritäts⸗Obligationen) und die Länge derjenigen Strecken, für welche das Kapital bestimmt ist, 4064,22 km, so daß auf je 1m I9gs 274 M. entfallen.
Bei den unter Privatverwaltung stehenden Privatbahnen betrug Ende Dezember v. J. das gesammte konzessionirte Anlagekapital 1434967 143 ll G576 677150 ½! Stammaktien, 216 576 g06 S6 Prioritäts⸗ Stammaktien und 641 713 995 S Prioritäts Obligationen) und die Länge derjenigen Strecken, für welche dieses Kapi⸗ tal bestimmt ist, 7180,25 km, so daß auf je 1 km 199 849 z entfallen.
— Die Vorschrift des 5. 14 des Enteignungszgesetzes vom 11. Juni 1874, nach welcher den Verwaltungsbehörden (unter Ausschluß des ordentlichen Rechte weges) die ausschließ⸗ liche Entscheidung darüber zusteht, ob und welche Anlagen der Eisenbahnunternehmer zum Schutze des benachbarten Privat— eigenthums zu machen habe, ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Civilsenats, vom 23. Dezember v. J. nicht nur für die Anlagen, welche bei dem ersten Bau einer Eisenbahn errichtet werden, maßgebend, sondern sie sindet auch auf spätere Anlagen, welche zum Veispiel die Erweiterung des Vahnkörpers veranlaßt, Anwendung.
Sach sen. Dresden, 26. Januar. (Dr. J) Die Zweite Kammer berieth heute den Justiz⸗Etat und in
Verbindung damit eine Petition einer Anzahl Stadtgemein⸗
den um Beihehaltung der bestehenden Amtsgerichte. In der allgemeinen Debatte wurde von mehreren Seiten eine Erwei— terung der Kompetenz der Friedengrichter in der Richtung mehrerer beim vorigen Landtage von der Kammer gefaßten Be⸗ schlüsse gewünscht, andererseits vom Abg. Freytag eine Schilde⸗ rung entworsen von den Wirkungen der neuen Prozeßordnungen, welche er als günstig darstellte hinsichtlich der Civilprozeß— ordnung, als ungünstig in vielen Beziehungen hinsichtlich der Strasprozeßordnung. In der Spezialberathung nahm die Dis⸗ kussion über die Petition wegen Veibehaltung der bestehenden Amtsgerichte den größten Theil der Zeit in Anspruch. Mit Ausnahme des Abg. Mehnert, welcher der Beseitigung der lleinen Amtsgerichte das Wort redete, sprachen alle Redner im Sinne der Petenten. Staats-Minister Dr. von Aheken erklärte, daß nur mit Rücksicht auf Interessen der Justizpflege zur Auf⸗ hebung von Amtsgerichten werde geschritten werden, verhehlte aber nicht, daß die Aufhebung einzelner lfleinerer Amtsgerichte sich kaum werde umgehen lassen. Die Kammer beschloß, die Petition der Staatsregierung zur Erwägung zu überweisen. Der Etat selbst wurde in der Hauptsache nach der Vorlage bewilligt; gestrichen wurde und zwar mit 47 gegen 22 Stim⸗— men, ein von der Regierung zur Gewährung von persönli⸗ chen Zulagen an richterliche Beamte gesordertes Digspositiontz⸗ quantum von 12000
Baden. Karlsruhe, 26. Januar. (W. T. B.) Die Zweite Kammer genehmigte heute einstimmig die durch die Herabsetzung der Gerichtskosten veranlaßte Abänderung des Einführungsgesetzes zu dem Gerichtskostengesetze und beschloß ferner eine Resolution, in welcher die Regierung auf⸗ gefordert wird, bei dem Bundesrath die Abänderung des §. 14 Ziffer 3 des Gerichtsverfassungsges. tzes, betreffend Erweiterung der Kompetenz der Gemeindegerichte, zu beantragen.
Oesterreich⸗ ungarn. Wien, 25. Januar. Die „Wiener Abdp.“ veröffentlicht den ganzen Inhalt der gestern eingebrachten Novelle des Volkss chul gesetzes und bemerkt, daß die meisten Bestimmungen derselben nur die Kodifikation dec im Verordnungswege erlassenen, schon länger in Kraft stehenden Normen enthalten und daß die übrigen Mobifikationen den vielseitig gehegten, auch von lißeraler Seite in die Oeffentlichkeit gelangten Wünschen der Be— völkerung Rechnung tragen.
Schweiz. Bern, 23. Januar. (Cöln. Ztg.) Der Nationalrath, welcher heute, nachdem er sich am 24. De⸗ zember vertagt hatte, wieder zusammengetreten ist, hat ein—⸗ stimmig den Antrag des Bundesraths, das schweizerische Generalkonsulat zu Washington in eine diplomatische Legation umzuwandeln, genehmigt, aber nur das Gehalt nieht, wie beantragt, auf 40 090, sondern auf 50 000 Fr. festgestellt. — Der Bundesrath hat den im Kanton Frei⸗ burg weilenden französischen Maristen und Kapuzinern, welche kürzlich von ihm aus der Schweiz ausgewiesen worden sind, auf ihr Ansuchen die Frist zur Abreise bis zum 1. Juli verlängert.
Belgien. Brüssel, 26. Januar. (W. T. B.) Die Repräsentantenkammer hat den Gesetzentwurf über den Handelsvertrag mit Frankreich bei der Schluß⸗ abstimmung über das ganze Gesetz mit 86 gegen 10 Stimmen angenommen.
Großbritannien und Irland. London, 27. Januar. (W. T. B.) Mehrere Morgenblätter melden aus Dublin: Die irische Regierung habe durch Spione Kenntniß von der Existenz einer weitherzweigten gefährlichen Verschwörung in den Grafschaften Clare, Limerick und Kork. Dies erkläre die jüngst nach Irland gesandten Truppenverstärkungen.
Frankreich. Paris, 25. Januar. (W. T. B.) Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung der Deputirten« kammer stand die Berathung der Vorlage über die beschränkte Revision der Verfassung und über den Eintrag des Prinzips des Listenskrutiniums in die Verfassung. Der Opportunist Dreyfus sprach sich für die beschränkte Revision aus, damit der Senat die Vor' lage annehmen könne. Der Kammerpräsident theilte mit, daß mehrere Redner auf das Wort verzichtet hätten, damit die Berathung heute zu Ende geführt werden könne. Legrand bekämpfte den Eintrag des TListenskrutiniums in' die Ver⸗ fassung, welcher für die Kammer die Auflösung oder eine Diskreditirung derselben bedeuten würde; derselbe meinte, es werde eine Verständigung leicht zu erreichen sein, wenn die Regierung auf ihre Vorschläge verzichte. Lockroy sprach sich gegen den Regierungsentwurf ebenfo aber auch gegen die Schlußanträge der Kommission aus und wollte eine vollstän⸗ dige Revision der Verfassung unter Beseitigung des Senats. Fabre brachte einen Vermittelungsantrag ein, wonach in die Vorlage aufgenommen werden soll, daß das Listenskrutinium erst nach dem Erlöschen der Gewalten der gegenwärtigen Kammer anwendbar sei.
Der Antrag Barodets, auf vollständige Revision der Ver— fassung wurde darauf mit 298 gegen 173 Stimmen abgelehnt.
Hierauf bestieg der Minister-Präsident Gam— betta die Rednertribüne und bekämpfte die Anträge der Kom⸗ mission, die eben so gefährlich seien wie der eben ab⸗ gelehnte Antrag Barodets. Das Land wolle eine be— schränkte Revision der Verfassung und wolle seine Ruhe nicht den Zufällen einer unbeschränkten Revision aus—⸗ setzen. Hr. Gambetta widerlegte sodann die wider seine Sprache vor der Kommission gerichteten Beschuldigungen und wies darauf hin, daß der Kongreß, da er der Ausdruck eines vorausgegangenen Einverständnisses beider Tammern sei, einen illegalen Akt begehen würde, wenn er sich von der Bedingung dieses vorgängigen Einvernehmens entfernen wollte Gamhetta wies ferner den Vorwurf einer von ihm angestrebten Dikta— tur zurück: das Listenskrutinium sei, indem es die Basis der Wahl erweitere, gerade das geeignete Mittel, um eine per⸗ sönliche Gewalt zu verhindern und dem Willen des Landes zum Siege zu verhelfen. Das Listenstrutinium sei be allen liberalen Reformen in Uebung gewesen, und die persönliche Ge⸗ walt habe stets das Arrondissements-Skrutinium wieder her⸗ gestellt, das Listenskrutinium sei unerläßlich, um die Reformen zu verwirklichen. Es würde gefährlich sein für den Kredit der Kammer, wenn sie einer Revision des Wahlmodus des Senats zustimmen wollte, während sie sich weigere, ihren eigenen Wahlmodus einer Revision zu unterziehen. Jeder Gedanke an eine Auflösung der Kammer liege der Regierung sern. Das Listenskrutinium sei von größtem Interesse für die Regie⸗ lung; er verlange von der Kammer die Ermächtigung, diese Frage vor den Kongreß zu bringen. Alle Reformen, das Gesetz über die richterlichen Beamten, das Militargesetz, das Gesetz über die Finanzgesellschaften seien fertig gestellt; aber um diese Gesetze rasch durchzuführen, sei nothwendig, die Wahlgesetzgebung zu ändern. Der Conseilspräsident schloß mit den Worten: „Meine Vergangenheit ist bekannt, über allem Ehrgeiz gilt es die Zukunft des Vaterlandes.“ (Beifall.) Der Berichterstatter der Kommission, Andrieux, trat darauf für die Kommissionsanträge ein.
. Nach dem Schluß der Generaldiskussion wurde der Re⸗ gierungsentwurf, welcher das Listenskrutinium zuläßt, mit 305 gegen 117 Stimmen abgelehnt.
Gambetta beantragte, zunächst über den Schlußparagraphen der Kommissionsvorlage abzustimmen und diefen Paragraphen abzulehnen. Der Schlußparagraph wurde jedoch mit 282 gegen 227 Stimmen angenommen. Der Conseilspräsident erklärte hierauf, daß die Regierung in diesem Votum die Ge— nehmigung einer unbeschränkten Verfassungsrevision erblicke, und daß das Kabinet unter diesen Umständen an der Be⸗ rathung nicht weiter Theil nehmen konne. Die Kammer nahm demnächst den ersten Paragraphen der Kommissions⸗ vorlage an, welcher das Listenstrutintum ausschließt. Die
Kommissionsvorlage wurde bei der Abstimmung über den
.
1
ganzen Gesetzentwurf mit 262 gegen 91 Stimmen ange— nommen. Die Sitzung schloß um 83 / Uhr.
— 26 Januar, Nachts. (W. T. B.) Der Conseils⸗ Präsident Gambetta hat dem Präsidenten Grevy solgendes Schreiben zugehen lassen: „Herr Präsident! Im Namen meiner Kollegen und in dem meinigen habe ich die Ehre, Ihnen die Demission des Kabinets, in welchem Sie mir den Vorsitz übertragen haben, zu überreichen.“ Gam⸗ betta begab sich selbst nach dem Palais Elysée, um das Schreiben dort abzugeben.
— 26. Januar. (W. T. B.) General Forgemol ist zum Ober⸗Befehlshaber des Expeditions⸗-Corps in Tunis ernannt worden. ;
— 27. Januar. (W. T. B.) Die „République frangaise“ hebt den Widerspruch zwischen den beiden ersten Abstimmungen der Kammer hervor und bemerkt: die Kammer habe, indem sie das Ministerium opferte, auch die Revision und vielleicht die legislativen Reformen überhaupt preisgegeben, welche das Land fordere. „Als die Kammer Gambetta die Ge⸗ walt aufnöthigte, kannte sie ihn nicht. Jetzt giebt es keine Zweideutigkeit mehr. Wenn man sich in Zukunft an Gam— betta wenden wird, so weiß man, daß man ihn so nehmen muß, wie er ist, mit seinem Programm tiefgehender Reformen, dessen wesentliche Bedingung das Listenskrutinium ist. Das Blatt fragt schließlich, ob die Kammer das Kabinet vom 14. November durch ein lebensfähigeres ersetzen werde, und ob sie selber so lange Dauer haben werde, wie sie wünsche.
Portugal. Lissabon, 24. Januar. (Cöln. Ztg.) Die minjsteriellen Zeitungen von heute melden, daß der diplo— tische Schriftwechsel zwischen Großbritannien und Por— tugal bezüglich des Lourengo⸗Marques-Vertrages seinen Abschluß gefunden habe. Die britische Regierung habe erklärt, daß sie in Anbetracht des neuen Standes der Ange⸗ legenheiten im Transvagl⸗-Lande den alten Vertrag in Betreff der Lourengo⸗Marques⸗-Eisenbahn, der zwischen Portugal und der Republik Transoaal geschlossen worden war, als noch in Kraft bestehend betrachte.
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Rumänien. Bukarest, 26. Januar. (W. T. B.) Die Kammer hat das vorgestern von Jonesco wegen Nicht⸗ veröffentlichung der Dokumente über den österreichisch⸗rumäni⸗ schen Zwischenfall beantragte Tadelsvotum gegen das Mini— sterium in namentlicher Abstimmung mit 65 gegen 17 Stim— men abgelehnt. .
— 27. Januar. (W. T. B.) Trotz einer von sämmt—⸗ lichen Abgeordneten der liberalen Partei unterzeichneten Adresse beharrt der Minister des Innern, Rosettis für, das ihm bewiesene Vertrauen dankend, auf seiner Demission. Der Minister-Präsident Joan Bratiano verwaltet interimistisch das Ministerium des Innern. — In der vergangenen Nacht, 12 Uhr 40 Minuten, wurde ein ziemlich heftiger Erdstoß, welcher zwei Sekunden dauerte, verspürt.
Serbien. Belgrad, 22. Januar. (Pol. Corr.) Nach den neuesten Nachrichten aus Konstantinopel dürfte die lang⸗ wierige Frage der Anschlüsse der türkischen Bahnen an die serbischen bald einer endgültigen Lösung zugeführt werden. Alle Bedenken, die im Palais gegen die Gewährung dieser Anschlüsse in der von Oesterreich⸗ Ungarn und Serbien gewünschten Weise bestanden, sollen nunmehr glücklich beseitigt worden sein. Der Sultan gab seinen Widerstand namentlich gegen den Anschluß der serbischen Bahnen bei Branja auf, und ein kaiserlicher Irade dürfte in den nächsten Tagen dieser Aenderung in den Anschauungen Abdul Hamids einen feier⸗ lichen Ausdruck verleihen. Es dürfte dann die Conférence a quatre abermals zu einigen wenigen Sitzungen sich in Wien versammeln; um ihre im Sommer begonnenen Arbeiten abzu⸗ schließen. Serbischerseits soll auch diesmal Hr. Milan Bo⸗ gitschevis, Mitglied des Kassationshofes, in die Conférence à quatre entsendet werden.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 26. Januar. (W. T. B.) Dem „Golos“ wird aus Tiflis, vom 25. 8. gemeldet: Entgegen der Behauptung englischer Blätter, daß die Besatzung von Aschabad 8000 Mann betrage, berichtet
General Rohrberg, daß die Besatzung bedeutend geringer
sei, als sie im Frühjahr 1881 bei Eroberung der Stadt
gewesen. Auch die Nachricht englischer Blätter über das Vorrücken russischer Truppen gegen Merw wird als unbegründet bezeichnet. In der Nähe von Aschabad ist ein unbedeutender Posten errichtet, von dem aus die Vorunter suchungen für die zwischen Kisil Arwat, Aschabad und den Schorochanskischen Provinzen zu bauende Kronstraße aus geführt werden. General Rohrberg ist heute nach St. Peters⸗ burg abgereist. . Dem „Golos“ zufolge hatten in dem politischen Prozesse gegen Michael Trigonia— und 2] Ge⸗ nossen sämmtliche Angeklagte bis auf Nicolai Ssuchanoff bei Zustellung der Anklageakte den Wunsch ausgesprochen, ihre Vertheidiger sich selbst wählen zu dürfen, nur Ssuchanoff hatte die Bestellung eines Verthei⸗ digers der besonderen Senatsbehörde überlassen. Die Vertheidigung Ssuchanoffs ist hierauf dem Advokaten Unkowsky übertragen worden, die übrigen Angeklagten haben die angesehensten hiesigen Advokaten
Spassowitsch, Alexandrow Turtschaninoff und Netschajeff zu
Vertheidigern gewählt. Trigonia wird von Spassowitsch ver theidigt.
Dänemark. Kopenhagen, 24. Januar. (Hamb. Corr.) In der heutigen Sitzung des Landsthings wurde mit⸗ getheilt, daß der Kriegs- und Marine-Minister dem Thing einen Gesetzentwurf, betreffend außerordentliche Maßregeln zur Förderung des Lande svertheidigungswesens, vor zulegen gedenke. Den Gesetzentwurs, betreffend die Autori⸗ sation zur Auszahlung einer Entschädigung bei der Ausfuhr von Spiritus, entsprechend dem bei der Einfuhr von Spiritus aus dem Auslande erlegten Zolle, verwies das Landsthing ohne Debatte einstimmig zur dritten Lesung.
Amerika. Washington, 27. Januar. (W. T. B.) Der Vertheidiger Guiteau's, Scoville, bereitet einen Antrag zu Gunsten eines neuen Prozesses vor. Das Gericht wird die für diesen Antrag vorgebrachten Gründe in der nächsten Woche prüfen.
Zeitungsstimmen.
In einer Besprechung der Reichstagsdebalte über den Allerhöchsten Erlaß vom 4. d. M. sagt die „Norddeutsche
Allgemeine Zeitung?: ĩ . Das starke Königthum hat die Aufgabe, Deutschland zur Einig⸗
keit zu führen, erfüllt, nachdem es die dazu nothwendigen Mittel richtig erkannt hatte. Die von der Gegenwart dem preußischen König⸗ thum gestellte Aufgabe ist eine gleich schwere und für die Geschicke der Nation in gleicher Weise entscheidende, wie die im Jahre 1866 gelöste es war. Es gilt, die große Mehrzahl der Bevölkerung, die arbeitenden Klassen, mit dem Staate auszusöhnen, ihnen zu zeigen, daß der Staat nicht blos an ihre Leistungé kraft Forderungen stellt, sondern auch an der Hebung und Sicherung ihrer Lage mit Aufge⸗ bot seiner mächtigen sittlichen und materiellen Kraͤfte zu arbeiten Willens ist. Es gilt, den sozialen Ansprüchen der arbeitenden Klassen nach Sicherstellung ihres Looses im Rahmen der heutigen Kultur⸗ entwickelung nach Möglichkeit gerecht zu werden und diese Klassen auf solche Weise den Verlockungen radikaler Umsturzlehren abwendig zu machen. Im Jahre 1866 galt es, Deutschland vor dem politischen Tode zu retten, gegenwärtig gilt es, einer sozialen Revolution von unabsehbaren Folgen vorzubeugen. . . . . ö .
Die Selbstaufopferung ist diejenige schwerste politische Pflicht, die zu üben, einem Jahrhunderte alten Königthum gegeben ist; nur wenige andere Elemente des Staatslebens haben im Dienste des ersteren die Uebung dieser Pflicht gelernt. . . . . ;
Das Königthum in der Person des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen hat die dringendste und entschiedenste Aufgabe des Staates in der Gegenwart erkannt und will sie zur Ausführung bringen. Der Monarch setzt seine Autorität dafür ein, daß Hand an dieses Werk gelegt werde, nicht aus Laune oder Zufall, sondern weil Er allein in der Lage ist, diese Aufgabe mit weitblickendem Auge zu erkennen, weil es kein anderes Element im Staate giebt, . wenn Er es nicht thäte, dieses Werk beginnen würde und nn;
Das Königthum setzt am gegenwärtigen Wendepunkte unserer Geschichte seine persönliche Autorität ein, nicht als politischen Schach⸗ zug gegen irgend ein beliebiges konstitutionelles Dogma, sondern in dem Bewußtsein seiner heiligen Pflicht, das Staatsschiff so zu lenken, daß es vor Gefahren geschützt bleibe, die in der Zukunft liegen. und die die Masse der im engen Gesichtskreise des Heute und Morgen befangenen Menschen nicht sieht.
— Die DWWiesbadener Zeitung“ schreibt unter dem 25. d. M.:
Die gestrige Sitzung des Reichstages ist für unser inneres, nament— lich preußisches Staatsrecht von geradezu gewaltiger Bedeutung. „Der König regiert“ bei uns, das in seiner ganzen Bedeutung klargestellt zu haben, ist das große Verdienst der gestrigen Rede Bismarcks: Der König ist der wirkliche Minister-Präsident, was wir erreicht haben, haben wir den Königen zu verdanken, nicht den Parlamenten‘. Die lebendigen Beziehungen des Königs zum Volke, die nicht durch die „parlamentarische Doktrin! gehemmt werden dürfen, sind der Eck⸗ pfeiler der preußischen Geschichte und Entwickelung, und werden es bleiben, trotz des Bestrebens der Fortschrittspartei, den Parlamen⸗ tarismus einzuführen und das Regieren des Königs zu einem Scheine zu machen. Dieses Bewußtsein lebendig zu erhalten, und dem Stre⸗ ben der Parlamentarier einen Riegel vorgeschoben zu haben, ist die große Bedeutung der gestrigen Verhandlung.
— Die „Schlesische Zeitung“ meldet aus Breslau, 26. Januar:
Der konservative Lokalverein hierselbst hat am Mittwoch Abend folgendes Telegramm an den Reichskanzler Fürsten Bismarck abgesandt:
„Euer Durchlaucht bringt der versammelte „Deutschkonfervative Lokalverein Breslau“ für Ihre gestrige Königsrede begeisterten und ehrfurchtsvollen Dank. Der Vorsitzende: C. Graf von der Recke⸗ Volmerstein.“
— Der hundertjährige Geburtstag Beuths gab dem Verein zur Förderung des Gewerbefleißes, der in Beuth auch seinen Stifter verehrt, Anlaß, seinem Stistungsfeste, welches er alljährlich am 24. Januar, dem Geburtstage Friedrichs des Großen, begeht, eine Beuthfeier voraufzusenden. Die „Tägl. Rundschau“ bringt darüber einen Bericht, in welchem es heißt:
Mit ganz besonderem Interesse wurde von der Versammlung der nun folgende, vom Ingenieur Druckenmüller auf den Fürsten Bismarck, als den Minister für Handel und Gewerbe, dargebräachte Trinkspruch aufgenommen:
»Es ist mir“‘ so begann der Redner, der ehrenvolle Auftrag zu Theil geworden, Sr. Durchlaucht dem Fürsten Bismarck den Dank des Vereins für die auch in diesem Jahre gewährte Unterstützung auszusprechen. Indem ich dies thue, sei es mir gestattet, einen Blick auf die Stellung dieses in der Nation so hervorragenden Mannes zu werfen. Fürst Bismarck hat alles Große durchgesetzt gegen den Widerstand eines erheblichen Theiles der Besten seines Volkes. Auch heute kann der Fürst wieder von sich sagen: „viel Feind, viel. Ehr!“ Ueber seine Handels- und Sozialpolitik wogt der Kampf hin und her, er scheidet auch uns in zwei Lager. Allein ich darf es unumwunden aussprechen, daß ich mit dem größten Theile der deutschen Industriellen den Reformen des Fürsten Bismarck für die Widerbelebung unserer heimischen Gewerbthätigkeit aufrichtig dankbar bin. Nach meiner Meinung haben sich die Befürchtungen einer wesentlichen Vertheuerung u. s. w. als hinfällig erwiesen. Im Gegentheil hat sich unser Ex— port erfreulich gehoben, und niemals hat sich eine Regierung der Interessen unserer Industrie auf fremden Märkten so energisch an⸗ genommen wie die jetzige. Während anfangs die Bestrebungen des Fürsten Bismarck zur Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen vielfach als völlig undurchfübrbar bezeichnet wurden, zeigt sich jetzt ein edler Wetteifer aller Parteien in dieser Beziehung fördernd einzugreifen. Werden hier positive Er— folge erzielt, so hat sich der Fürst ein unvergängliches Denkmal im Herzen seiner Nation erworben. In der Hitze der parlamentarischen Kämpfe werden dem Fürsten zuweilen unedle Motive für seine Hand—⸗ lungsweise untergeschoben; das deutsche Volk aber vertraut auf seinen Bismarck und verachtet solche Beschuldigungen. Wie weit uns auch unsere Ansichten trennen, darüber werden wir uns Alle einig sein, daß Se. Durchlaucht nur von der Sorge um die Größe und Wohl⸗ fahrt seiner Nation geleitet wird. Indem wir dies Alle, ohne Partei= unterschied, dankend anerkennen, können wir freudig einstimmen in den Ruf: Der preußische Handels⸗Minister Se. Durchlaucht Fürst Bis— marck, er lebe hoch!“
Unter brausendem
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Jubel beantwortete die Versammlung den
schwungvollen Toast.
— Aus dem Dillthal schreibt man der „Essener Ztg.“:
Die guten Erfolge der neuen Wirthschastspolitik zeigen sich auch bei uns. Die Kokeshochofen⸗Anlagen bei Wetzlar, Braunfels, Gießen und Lollar haben vollauf zu thun und können mit ihren 7 großen Hochöfen der Nachfrage nach nassauischem Kokesroheisen nicht mehr genügen. Gutem Vernehmen nach geht die Burger Eisenwerks Aktien⸗ gesellschaft bei Herborn jetzt auch mit dem Gedanken um, eine große Nokeshochofen Anlage zu bauen und wird voraussichtlich der Bau Anfangs Sommer begonnen werden.
— Vom Oberwesterwald wird der „Wiesbadener
Zeitung“ unter dem 19. d. M. gemeldet: . Die Eisensteingewinnung in dem angrenzenden Grund und Sieg⸗ nischen hat sich bedeutend im neuen Jahre gesteigert und haben auch die Arbeiter pro 19) kg 50 „ zugesetzt erhalten. Eg ist dies den vielen aus unserem Kreis dort Arbeit suchenden Arbeitskräften von Herzen zu gönnen und steht zu hoffen, daß gegen Frühjahr eine weitere Erhöhung des Arbeitslohnes erfolge, — auch ein Erfolg der Eisenzölle. . — Man schreibt der „Nordd. Allg. Ztg.“ aus New⸗ York: pan Alljährlich, kurz vor Eröffnung des Kongresses, pflegen verschie—⸗ dene west ⸗amerifanische Blätter die Schutzzollpolitik der Vereinigten Staaten zum Gegenstande eingehender Besprechungen zu wählen, und wiederholen dann dag schon so oft aufgestellte Verlangen, daß der neue Kongreß den hiesigen Zolltarif endlich im Sinne der freihändle⸗ rischen Grundsätze abändern möge. ö Solche Wünsche finden begreiflicher Weise bei den Freihändlern
in Furopa stets cin geneigte Ohr. — Bei den Amerikanern selbst wollen dieselben aber im großen Ganjen noch immer nicht verfangen, wie der Verlauf einer hier kürzlich unter dem Namen Tarif ⸗Konvention“ zusammengetretenen Versammlung angesehener Industrieller und Han⸗ delsherrn bewiesen hat. — Der Vorsitzende, Senator Warner Miller, bezeichnete als den Zweck der Versammlung: Freihandels⸗ und Tarif⸗ fragen durch die Presse vor die Oeffentlichkeit zu bringen und die öffentliche Meinung dahin zu beeinflussen, daß von den verschiedenen legislativen Körpern geeignete Schritte zur Förderung des allgemeinen Interesses gethan würden.“ Das Resultat der Berathungen war aber ein von diesem Zweck sehr verschiedenes.
In der Versammlung kam ein Schreiben des (inzwischen von dem Amt des Staatssekretärs zurückgetretenen) Hrn. Blaine zur Ver⸗ lesung, worin derselbe sich folgendermaßen äußerte:
„In einem kurzen Briefe kann ich die Tarif⸗ und Schiffahrts—= frage nicht besprechen, dennoch will ich nicht unterlassen, meine An⸗ sicht dahin auszusprechen, daß zu keiner Zeit in der Geschichte unseres Landes das Prinzip des Schutzes der amerikanischen Industrie so stark in der Masse des Volkes gewesen ist, als heut zu Tage.
Es war früher eine Frage, die durch die Breite und Länge be— stimmt wurde, aber diese Beschränkungen haben aufgehört, und enthu⸗ sigstische Protektionisten werden jetzt sowohl in Alabama als auch in Massgchusetts, in Illinois sowohl als auch in Pennsylvanien gefunden. Der Westen und Süden schließen sich den Ansichten des Nordens und Ostens an, daß gewisse Industriezweige in jedem Staate der Union ermuthigt und entwickelt werden sollten.“ ;
Ein Hr. J. J. Rickeston von Pittsburg erklärte: „Wir müssen Gesetze machen fuͤr unser eigenes Land und nicht für Länder, aus welchen die ungeheuren Massen, welche jetzt an unsere Küsten kommen, auszuwandern gezwungen waren.“
Hr. Wm. Me. Kinley jr. befürwortete das Festhalten an dem Schutzzoll mit den Worten des verstorbenen Präsidenten und ersuchte die gesetzgebenden Körper der Union: Gesetze zum Wohle des Volkes der Vereinigten Staaten und nicht für die ganze Welt zu machen.“
Man war zusammengekommen, um über etwaige Abänderungen des Tarifs sich zu besprechen, man verständigte sich jedoch dahin, daß der letztere zwar mancher Modifikationen bedürfe, daß gleichwohl das Schutzzollsystem aufrecht erhalten werde müsse.
Das Ergebniß dieser New- Yorker Tarifkonvention scheint von Neuem zu beweisen, in welchen gefährlichen Illusionen fich in Deutsch⸗ land alle Diejenigen befinden, welche wähnen, daß die Vereinigten Staaten ihre Schutzzollpolitik so bald aufgeben würden.
— Dieselbe Zeitung berichtet:
Nach der ausnahmslos auf eigenen Angaben der Werke beruhen den vorläufigen vierteljährlichen Ermittelungen der Rohproduktion der Eisenhüttenwerke des Ober-Bergamtsbezirks Dortmund hat die Pro⸗ duktion derselben im ganzen Jahre 1881 betragen an Roheisen S883 011 Tons, an Flußeifen 836 614 Tons, an Schweißeisen 507 596 Tons.
Im Vergleich zum Jahre 1880 hat daher eine Mehrproduktion stattgefunden an Roheifen um 63 076 Tons, an Flußeifen um 172701 Tons, an Schweißeisen um 10204 Tons.
Landtags ⸗Angelegenheiten.
Im 5. Merseburger Wahlkreise (Mansfelder Seekreis, Mansfelder Gebirgskreis) ist für den Geheimen Bergrath Leuschner zu Eisleben, welcher sein Mandat niedergelegt hat, der Berghaupt⸗ mann Huyssen zu Halle — freikonservativ — mit 205 Stimmen gegen den Gutsbesitzer und Reichstagsabgeordneten Westphal zu Lauen⸗ burg — Secessionist — mit 143 Stimmen zum Mitgliede des Hauses der Abgeordneten gewählt worden.
Statistische Nachrichten.
Nach Mittheilung des Statistischen Bureaus der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 15. Januar bis inkl. 21. Januar er. zur Anmeldung gekommen: 161 Eheschließungen, 934 Lebendgeborne, 37 Todtgeborene, 503 Sterbefälle.
— Beiträge der Statistik der Gemeindeabgaben in Preußen. J. Die Belastung der preußischen Städte und Land⸗ gemeinden mit direkten Staatssteuern, Gemeinde⸗ abgaben und sonstigen Korporationsabgaben im Jahre 1880‚81. Unter Benutzung amtlicher Quellen bearbeitet von 8. Her rfurt;h, Wirklicher Geheimer Ober-Regierungs⸗Rath und Ministerial⸗Direktor im Ministerium des Innern, und E. von den Brincken, Geheimer Regierungs⸗Rath und vortragender Rath im Ministerium des Innern. II. Statistik der Kreisabgaben im Jahre 188081. Unter Benutzung amtlicher Quellen bearbeitet von L Herrfurth, Wirklicher Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath und Ministerial⸗Direktor im Ministerium des Innern. Berlin, 1882. — Wir entnehmen vorläusig dem ersten Theile dieser Schrift, in welcher ein reichhaltiges, aus den zuverlässigsten Quellen geschöpftes Material niedergelegt ist, folgende Angaben: Der Ursprung der Klagen über den Druck der direkten Steuern ist, heißt es in der Einleitung, wie von allen Seiten anerkannt wird, nicht sowohl in der Belastung mit Staatssteuern, als vielmehr in der Ueberbürdung mit Gemeinde⸗, Kreis- und Provinzialabgaben sowie mit Abgaben für Kirchen⸗ und Schulzwecke zu suchen. Denn diese Korpörationsabgaben, welche zum größeren Theile als Zuschläge zu den verschiedenen Staatssteuern, zum kleineren Tbeile als selbständige Steuern zur Erhebung gelangen, sind sowohl ihrer Höhe nach, als auch wegen der Ungleichmäßigkeit der Vertheilung auf die verschiedenen Klassen der Beitragspflichtigen in viel höherem Grade als die direkten Staatssteuern geeignet, das Gefühl der Ueberbürdung bervorzurufen. Die mit jeder ein⸗ zelnen der direkten Staatssteuern unvermeidlich verbundenen Nach⸗ theile und Unvollkommenheiten treten erst dann in voller Schärfe hervor, wenn dieselben durch die Erhebung boher und ver— schiedenartiger Zuschläge gesteigert und verstärkt werden. — In Preußen beliefen sich im Jahre 1880/81: 1) die eigentlichen Gemeindeabgaben a. in den Stadtgemeinden auf rund 99,75 Millionen Mark, b. in den Landgemeinden auf 59,25 Millionen Mark, zusammen auf rund 150 Millionen Mark; 2) die sonstigen Korporationsabgaben an besonderen Schul, Kirchen-, Armen⸗, Amts“, Kreis⸗ und Provinzialsteuern a. in den Stadtgemeinden auf rund 8,50 Millionen Mark; b. in den Land gemeinden auf 300) Millionen Mark, zusammen auf 38.50 Millionen Mark, so daß die gesammten Korporationsabgaben der Land⸗ und Stadtgemeinden mit Einschluß der Gemeindeabgaben im Ganzen 197,50 Millionen Mark betragen haben. Allein diese Summe enthãlt nicht den gesammten Betrag der Korporationslasten in Preußen, sondern aur den Betrag der stenerlichen Leistungen der Stadt! und Landgemeinden zu Korporationezwecken, wäh⸗ rend die Leistungen der Gutsbezirke zu kommunalen und Korporationszwecken außer Berücksichtigung geblieben sind. Für die Gutsbezirke wird eine Bevölkerung von 2061 128 angenommen. Diese Einwohnerzahl der Gutsbezirke verhält sich zur Einwohnerzahl der Landgemeinden wie 1 zu 74, der Flächenraum der Landgemeinden verhält sich zu demjenigen der Gutsbezirke wie 2 zu 1. Legt man diesen Maßstab der Berechnung zu Grunde, so würde im Vergleich mit den von den Landgemeinden aufgebrachten Gemeinde, Schul“ Kirchen, Armen⸗, Kreis- und Provinzialabgaben der Betrag von rund 23,70 Mill. Mark als von den Gutsbezirken aufgebracht ange⸗ nommen werden können. Im ganzen Staate würden für Städte, Landgemeinden und Gutsbezirke zusammen die Gemeindeabgaben auf rund 174,80 Millionen Mark, die Schul⸗, Kirchen⸗, Armen⸗, Kreig⸗ und Provinzialabgaben auf rund 46,40 Mill. Mark, die gesammten Torporationsabgaben auf rund 221.20 Mill. Mark sich belaufen. Eine Vergleichung der Belastung der Städte einerseits, des platten Landes andererseits mit Korporationsabgaben ergiebt, daß
sich die Gesammtbelastung mit Korporationgabgaben beläuft: für die