1882 / 30 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 03 Feb 1882 18:00:01 GMT) scan diff

§. 28.

Die Relation muß eine vollständige Darstellung des Sach- und Rechtsverhältnisses, ein begründetes Gutachten und einen Urtheils⸗ entwurf enthalten.

Die Relation kann aus laufenden oder zurückgelegten Akten er⸗ stattet werden. ̃ .

Dem Präsidenten der Kommission sind auf sein Ersuchen von den Präsidenten der Gerichte zur Prüfung geeignete Prozeßakten mit⸗ zutheilen.

§. 29.

Die Beurtheilung der schriftlichen Arbeiten erfolgt durch die⸗ jenigen Mitglieder der Prüfungskommission, vor welchen der Refe⸗ rendar die mündliche Prüfung ablegen soll.

Erachten dieselben beide Arbeiten für völlig unzureichend, so kann der Referendar auf gutachtlichen Bericht vom Ministerium be— 2. besserer Vorbereitung auf drei bis neun Monate zurückgewiesen werden.

Der Ober⸗Landesgerichts ⸗Präsident und der Ober-Staatsanwalt ß über die Beschäftigung des Referendars während ieser Zeit.

§. 30. Nach Begutachtung der schriftlichen Arbeiten erfolgt die Berufung zur mündlichen Prüfung. Mit der Prüfung ist ein freier Vortrag aus Akten zu ver⸗ binden, welche dem Referendar drei Tage vor dem Termine zugestellt werden. 8. 3

Die Prüfung ist nicht öffentlich. Zu einem Prüfungstermine können mehrere, jedoch nicht über sechs Referendare berufen werden. 3 . 32. Bezüglich des Urtheils über den Ausfall der Prüfung und des n, . finden die Bestimmungen der §§ę. 9 und 12 entsprechende nwendung. Ueber die Kenntnisse der Kandidaten im Verwaltungsrechte ist eine besondere Note zu ertheilen.

.

Die Staatsprüfungskommission hat über die Erledigung der ihr ertheilten Aufträge an das Ministerium zu berichten.

Referendare, welche die Prüfung nicht bestanden haben, werden auf, ö neun Monate behufs besserer Vorbereitung zurück gewiesen.

Ueber die Beschäftigung der Zurückgewiesenen in dieser Zeit wird von dem Ober⸗Landesgerichts⸗Präsidenten und dem Ober⸗Staatsanwalt Bestimmung getroffen. .

Es ist nur eine einmalige Wiederholung der Staatsprüfung ge⸗ stattet. .

Für den Fall der zu wiederholenden Prüfung kann heschlossen werden, daß eine zweite rechtswissenschaftliche Arbeit oder eine zweite Relation oder beide nicht zu fordern seien, sofern nach dem ein⸗ stimmigen Urtheile der begutachtenden Mitglieder der Kommission (5. 29) die eine oder andere oder beide den Anforderungen genügen.

Ist eine zweite rechtswissenschaftliche Arbeit zu liefern, so kann der Referendar die Aufgabe zu derselben sich erbitten, sobald zwei Drittheile der weiteren , verstrichen sind.

Die geprüften Referendare, welche in den höheren Justizdienst einzutreten wünschen, haben unter Vorlegung des Befähigungszeugnisses 94 9 Ministerium um die Ernennung zu Gerichtsassessoren nach⸗ zusuchen.

Die Ernennung erfolgt unter Bestimmung des Dienstalters durch den Statthalter.

IV. Schlu ö nnn,

Die Vorsitzenden der Prüfungskommissionen haben im Anfange eines jeden Jahres über die im verflossenen Jahre vorgenommenen Prüfungen und deren Ergebniß einen Generalbericht an das Mini⸗ sterium zu erstatten. 9.

§.

Die Zulassung zum Vorbereitungsdienste in Gemäßheit des 5. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes erfolgt durch das Ministerium.

Bei der Zulassung ist zugleich zu bestimmen, ob und in welcher Weise die von dem Zugelassenen in einem Bundesstaate auf die Vor⸗ bereitung verwendete Zeit auf die einzelnen Zweige des Vorbereitungs⸗ dienstes (53. 14) anzurechnen ist.

Die Zugelassenen werden von dem Ober⸗Landesgerichts⸗Präsidenten und dem Ober⸗Staatsanwalt zu Referendaren ernannt und demnächst eidlich verpflichtet. 8. 3

Wer in einem andern Gebiete des Reichs die Fähigkeit zum Richteramte erlangt hat, kann zum Gerichtsassessor ernannt werden. 40

Bei den am 1. Februar 1882 im Vorbereitungadienste befindlichen Referendaren wird von dem Präsidenten des Ober⸗Landesgerichts und dem Ober⸗Staatsanwalt bestimmt, in welcher Weise der bereits zurück⸗ gelegte Theil des Vorbereitungsdienstes auf die in §. 14 bezeichneten Zweige desselben anzurechnen sei.

Straßburg, den 27. Januar 1882.

Der Kaiserliche Statthalter in Elsaß⸗Lothringen. Freiherr v. Manteuffel, Generalfeldmarschall.

Königreich Breußen.

Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

den Staattz⸗Minister Dr. Falk zum Pröäsidenten des Ober⸗Landesgerichts in Hamm,

den Ersten Staatözanwalt von Dreßler bei dem Land⸗ gericht 1. hierselbst zum Ober⸗Staatsanwalt bei dem Ober⸗ Landesgericht in Posen, und

den Landgerichts⸗Rath Stumpf in Frankfurt a. M. zum Ober⸗Landesgerichts⸗Rath zu ernennen; sowie

dem Appellationsgerichts-Rath z. D. Nixdorff in Breslau den Charakter als Geheimer Justiz Rath,

dem Gerichtsschreiber, Sekretär Hesral in Namslau bei seiner Versetzung in den Ruhestand, und

dem Gerichtsschreiber, Sekretär Preller in Berleburg den Charakter als Kanzlei⸗Rath zu verleihen; ferner

der von der wahlberechtigten Bürgerschaft zu Rendsburg getroffenen Wahl gemäß, den Stadtrath und Kämmerer Kraatz zu Liegnitz als Bürgermeister der Stadt Rendsburg für die gesetzliche zwölsjährige Amtsdauer zu bestätigen.

Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗Angelegenheiten. Der frühere Professor in Tokio, Dr. H. Gierke, ist zum außerordentlichen Professor in der medizinischen Fakultät der Königlichen Universität zu Breslau ernannt worden.

Königliche Akademie der Künste.

Bekanntmachung. Preigbewerbung bei der Königlichen Akademie der Künste zu Berlin.

Die diesjährige Preisbewerbung um den großen Staata⸗ preis ist für das Fach der Geschichtsmalerei belle.

Um zur Konkurrenz zugelassen zu werden, hat der Ze⸗

werber ein curriculum vitae, aus welchem der Gang seiner künstlerischen Ausbildung ersichtlich ist,

einzusenden und gleichzeitig durch Atteste nachzuweisen,

a. daß er ein Preuße ist und den akademischen Lehrgang auf einer der Königlich preußischen Kunst⸗Akademien oder dem Städelschen Institut zu Frankfurt a. M. absolvirt,

b. daß er das 30. Lebensjahr nicht überschritten hat.

Die Anmeldungen zur Theilnahme müssen schriftlich bis Mittwoch, den 1. März d. J., Abends 6 Uhr, bei dem Senat der Königlichen Akademie der Künste eingegangen sein.

Die Prüfungsarbeiten beginnen am Montag, den 27. März d. J, Morgens um 8 Uhr. ;

Die Hauptaufgabe wird am Montag, den 3. April d. J. ertheilt, und müssen die im Akademie⸗-Gebäude auszuführenden Gemälde spätestens am Mittwoch, den 12. Juli d. J, Abends 6 Uhr, dem Inspektor der Königlichen Akademie der Künste übergeben werden.

Die Zuerkennung des Preises erfolgt am 3. August d. J.

Der Preis besteht in einem Stipendlum zu einer Studien⸗ reise nach Italien auf zwei hintereinander folgende ahr für jedes derselben im Betrage von Dreitausend Mark, und außerdem in einer Entschädigung von Sechshundert Mark für die Kosten der Hin- und Rückreise.

Berlin, den 24. Januar 1882. .

Der Senat der Königlichen Akademie der Künste, Sektion für ö. ö Künste. nde.

1

Ju stiz⸗Ministerium.

Die Rechtsanwälte Dr. jur. Sauerlaęender und Dr. jur. Konrad Wilhelm Jucho zu Frankfurt a. M sins zu Notaren im Bezirk des Ober-Landesgerichts zu Frankfurt a. M., mit Ausschluß der Hohenzollernschen Lande, unter An⸗ weisung ihres Wohnsitzes in Frankfurt a. M. ernannt worden.

Ministerium der öffentlichen Arbeiten.

Dem Civil⸗Ingenieur Baron Lazarini in Wien ist die Genehmigung zur Anfertigung der generellen Vorarbeiten für eine normalspurige Lokalbahn von Setzdorf in Oesterreich⸗Schlesien uber Freiwaldau und Niclasdorf nach dem Bahnhofe Ziegenhals der Oberschlesischen Eisen—⸗ bahn bezüglich des preußischen Staatsgebietes ertheilt worden.

9j der heutigen Handelsregister-Beilage wird Nr. 5 der Zeichenregister⸗Bekanntmachungen veröffentlicht.

Aichtamtliches.

Deu l hes Reich.

Preußen. Berlin, 3. Februar. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin stattete heute Sr. König⸗ lichen e,. dem Prinzen Carl, zum Gedächtniß des Geburts⸗ tages Seiner verstorbenen Hohen Gemahlin, einen Besuch ab und ertheilte gestern Sr. Durchlaucht dem Herzog von Croy eine Audienz.

Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten die Kronprinzlichen Herrschaften begaben Sich gestern früh 83 / Uhr mit Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der Prinzessin Christian zu Schleswig⸗Holstein und dem Erbprinzen und der Erbprinzessin von Sachsen⸗Meiningen zu der Ballfestlichkeit nach dem Königlichen Schlosse.

Bei Ihren Kaiserlichen und Königlichen Majestäten fand gestern Abend im Weißen Saale des Königlichen Schlosses der erste diesjährige Hofball statt.

Nachdem Sich die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften in dem Kurfürstenzimmer versammelt und dort den Thee eingenommen hatten, begaben Sich Allerhöchst- und Höchst— dieselben unter Vortritt der Hof,, Ober Hof⸗ und Obersten Hoschargen und gefolgt von den General⸗-Adjutanten, Gene⸗ ralen à la suite und Flügel⸗Adjutanten sowie von den Hof— staaten, zunächst nach der Bildergalerie, woselbst, mit Ausnahme des diplomatischen Corps, der landsässigen Fürsten und der Excellenzen⸗Herren, sämmtliche nicht tanzende Herren sich auf⸗ gestellt hatten. Ehe Ihre Kaiserlichen Majestäten den Weißen Saal betraten, nahmen Allerhöchstdieselben noch im Königinnen⸗ zimmer die Vorstellung einiger Damen und Herren entgegen, welche bei der Cour noch nicht präsentirt waren.

Als Ihre Majestäten unter den Arkaden hervor in den weiten Kreis der Damen- und Herrengesellschaft getreten waren, begrüßten Allerhöchstsie dieselbe durch huldvolles Verneigen. Se. Majestät der Kaiser und König, Allerhöchst⸗ welche die Gala⸗Uniform des Regiments der Gardes du Corps trugen, begaben Sich zunächst zu den beiden anwesenden Botschafterinnen Lady Ampthill und Gräfin Launay, setzten dann Ihre Tournee zunächst bei den Damen, dann bei den Herren des diplomatischen Corps fort und geruhten einzelne inländische Damen durch Ansprachen auszuzeichnen. In gleicher Weise machte auch Ihre Majestät die Kaiserin und Königin eine Tournee, welche bei den Fürstinnen zur rechten Seite des Thrones begann.

Nach beendetem Cercle wurde durch einen Walzer die Reihe der Tänze eröffnet, an denen Sich auch Ihre Königliche Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen⸗Meiningen, Ihre Durch⸗ laucht die Prinzessin Friedrich von Hohenzollern sowie die jüngeren Prinzen aus souveränen Häusern betheiligten.

Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin sowie Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzessin Friedrich Carl und die Prinzessin Christian zu Schleswig⸗Holstein ließen Sich an der Seite Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin nieder, Allerhöchstwelche nach den ersten Tänzen den Weißen Saal verließ, um in der Bildergallerie Cercle zu halten. Se. Kai⸗ serliche Majestät und Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz bewegten Sich in der Gesellschaft.

Um 11 Uhr wurde das Souper an Büffets eingenommen.

Gegen 1 Uhr zog Sich der Allerhöchste Hof zurück.

In der am 2. Februar unter dem Vorsitze des Staatz⸗ Ministers von Boetticher abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesraths wurden zunächst die Mittheilungen des Prä⸗ sidenten des Reichstags über die Beschlüsse des Reichstags, betreffend die Bestimmungen über die Beschäftigung jugend⸗ licher Arbeiter auf Steinkohlenbergwerken, den Bericht der Reichsschulden⸗Kommission, sowie Petitionen wegen nachträg—⸗ licher Erhebung von Zoll für Anchovis, wegen Bewilligung von Privattransitlagern für Bau⸗ und Nutzholz in Apenrade und wegen der zollamtlichen Behandlung der eingehenden Blechbüchsen mit Fleisch, den zuständigen Ausschüssen, eine gleiche Mittheilung, betreffend eine Petition wegen Rückerstattung des Zolles für eingeführte Marmorplatten, dem Reichskanzler überwiesen. Ein unterm 2. Mai v. J. gestellter Antrag Oldenburgs, betreffend die Anerkenntnisse über Zoll⸗ und Steuer⸗ vergütungen für ausgeführten Zucker, wurde vorläufig zurück— gezogen, ein Gesuch, betreffend die Ermäßigung der Stempel⸗ abgabe für auszugebende Obligationen der Chicago⸗-Grand—⸗ Trunk-Eisenbahn, dem Ausschußantrage gemäß abgelehnt. Nachdem sodann mehrere Eingaben von Pr watpersonen den zuständigen Ausschüssen zur Vorberathung überwiesen worden waren, nahm die Versammlung Kenntniß von dem Eingang des V. und letzten Bandes des Werkes „Die Ausgrabungen zu Olympia“.

Der Bundesrath hat in seiner Sitzung vom 19. Januar d. J. beschlossen, daß an die Stelle der in den Bekanntmachungen vom 12. November 1879 (Centralblatt für das Deutsche Reich S. 663) und vom 10. April 1880 (eben— daselbst S. 190) enthaltenen Bestimmungen die nachfolgenden zu treten haben:

Behufs Umrechnung der in einer anderen als der Reichs— währung ausgedrückten Summen zum Zwecke der Berechnung der Wechselstempelst euer bezw. der Reichsstempelabgabe von ausländischen Aktien, Renten- und Schuldverschreibungen werden für die nachstehend bezeichneten Währungen die dabei bemerkten, allgemein zum Grunde zu legenden Mittel— werthe bis auf weiteres festgesetzt:

1èẽẽsüddeutscher Gulden, sowie 1 Gulden niederländischer Währung 1,970

JJ 150

Lösterreichischer Gulden (Silber oder Papier) 1,70

KJ

1 Frank, Lira, finnische Mark, spanische ö 0, 0

ö 4,00

ee

, ,, 4,50

1 türkischer Piaster J

1 rumänischer Piaster.

1 rumänischer Leu.

1' polnischer Gulden.

1russischer Silberrubel .

1,

100 schwedische, norwegische oder dänische e

1 dänischer Riksdaler.

G schwedischer Riksdaler.

1 Spezies Riksdaler.

1 amerikanischer Dollar

In der heutigen (7) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher die Staats ⸗Minister May⸗ bach und Bitter nebst zahlreichen Kommissarien beiwohn⸗ ten, stand als erster Gegenstand auf der Tagesordnung die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, be— treffend den weiteren Erwerb von Privateisen— bahnen für den Staat. Der Abg. Frhr. von Schorlemer— Alst führte aus, daß er und seine Partei noch denselben prinzipiellen Standpunkt gegenüber der Verstaatlichung der Eisenbah en einnähmen wie früher. Ihre Voraussage habe sich erfüllt; irotz des abgegebenen Versprechens sei die Regierung nicht bei ihrer ersten Vorlage stehen geblieben, sondern komme jetzt mit weiteren Anträgen auf Verstaatlichung von Privatbahnen. Die Majorität, die damals für die Regierungsvorlage einge⸗ treten sei, habe die jetzige Situation geschaffen, und die Hal⸗ tung des Centrums sei damit von selbst gegeben. Das Centrum werde einfach erwägen, ob die neue Erwerbung eine nothwendige Konsequenz der bisherigen Verstaatlichung sei, ob dieselbe im Interesse der Landwirthschaft und der Militärverwaltung liege, endlich ob nicht die weitere Verstaat⸗ lichung die Schuldenlast Preußens in einer Weise erhöhe, die bei Katastrophen bedenklich werden lönne. Von diesen Ge⸗ sichtspunkten aus werde seine Partei allein die Vorlage prüfen, und er könne jagen, daß sie der jetzigen nicht un⸗— sympathisch gegenüberstehe. Dieselbe sei vom Staats⸗ Minister Maybach sorgfältig ausgearbeitet. Er und seine Partei würden beantragen, dieselbe einer Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen.

Der Abg. von Tiedemann erklärte, daß seine Partei der Vorlage zustimmen werde. Die Erweiterung der Verstaat⸗ lichung sei durchaus gerechtfertigt. Der Abg. Büchtemann meine zwar, man müsse mit solchem Schritte warten, bis man er⸗ kannt habe, welche Resultate die bisher verstaatlichten Bahnen erzielt hätten. Aber wie lange solle man warten? Vielfach sei hervorgehoben worden, daß eine Centralisation der Ver⸗ waltung, wie sie hier beabsichtigt, nicht realisirbär sei, diese Bedenken würden durch die klaren Motive der Regierung hin⸗ fällig gemacht. Auch die finanziellen Gründe, die gegen die e e n n der Verstaatlichung erhoben seien, seien nicht stich⸗ haltig.

Der Abg. Büchtemann erklärte, daß er erwartet habe, die Regierung würde zunächst von der Verstaatlichurg grö⸗ ßerer Bahnkomplexe absehen. Dieselbe habe auch ein solches Verhalten in Aussicht gestellt; aus welchem Grunde sie jetzt inkonsequent geworden, sei ihm unklar. Vor Allem sei die jetzige Zeit nicht geeignet, weiter mit der Verstaat⸗ lichung vorzuschreiten, da die finanziellen Garantien, auf die man auf der anderen Seite so viel Werth gelegt habe, nicht ins Leben getreten seien. Die Privat⸗ bahnen hätten bisher allen Anforderungen, die an sie heran⸗

etreten seien, gerecht zu werden verstanden. Vor Allem eweise dies die Anhalter Bahn. Für ihn aber seien gegen die Erweiterung der Verstaatlichung finanzielle Bedenken maßgebend. Schon neulich sei nachgewiesen, daß die vielbesprochenen Ueber⸗ schüsse der Staatsbahnen zum großen Theil auf Legenden beruhten. Erst nach Jahren werde man erkennen können, ob das, was jetzt als Ueberschuß erscheine, thatsächlich ein Ueberschuß ge⸗ wesen und nicht etwa durch Zufälligkeiten hervorgerufen fi Ueberdies sei es klar, daß die Erweiterung des Eisen⸗ bahnnetzes und die Vermehrung des Beamtenpersonals

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große Kosten verursachen würde. Und was solle erst geschehen, wenn plötzlich eine große Schwenkung in den wirthfchaftlichen Verhaltnissen einträte? Dann würde die Flaffensteuer herangezogen werden müssen, um die Defizits in der Eisenbahn verwaltung zu decken. Der Abg. von Tiede⸗ mann habe hervorgehoben, daß die Verstaatlichung der Bahnen besonders der Landwirthschaft zu Gute kommen müsse. Ein solcher Vortheil könne sich nur nach zwei Richtungen in bemerklich machen, hinsichtlich des Fahrplanss und der Preise. Niedner suchie nun eingehend nach;zuweisen, daß nach beiden Rich ungen hin durch die Verstaatlichung der Bahnen Portheile nicht gebracht seien. Die Centralisirung der Eisen⸗ bahnen habe sich keineswegs bewährt; man solle doch nur be⸗ achten, was das Wagenamt und das Wagendispositions bureau geleistet. Der Wagenmangel sei dadurch nicht beseitigt worden. Die Stellung der Beamten anlangend, bemerke er, daß wohl strenge Ordnung unter den Eisenbahnbeamten nöthig sei, aber nicht militärische Disziplin, wie der Minister meine, Die Eisenbahnbeamten müßten Leute sein, die nicht nur auf Fommande zu funktioniren im Stande seien. Redner unterzog hierauf das Verhalten, das die Regierung bisher gegen ihre Beamten erhoben, einer absälligen Kritik. Ihm scheine, daß die Rechte mehr aus politischen Gründen für die neue Vorlage einträte man wolle eben die Zahl der abhängigen Leute im Staate vermehren. Es liege darum Veranlassung vor, von weiterer Verstaatlichung von Privatbahnen abzusehen, bis man erkannt, welche Resultate die jetzigen Staatsbahnen erzielt hätten.

Bei Schluß des Blattes nahm der Minister der öffentlichen Arbeiten Maybach das Wort.

Baden. Karlsruhe, 1. Februar. In der heutigen Sitzung der Ersten Kammer hrachte der Praͤsident folgendes

an ihn gerichtete Schreiben des Erbgroßherzogs zur Ver— lesung:

: Mein lieber Herr Präsident Benckiser! Sie haben mir mit Schreiben vom 22. dieses Monats Namens der Ersten Kammer der Ständeversammlnng die von derselben unterm nämlichen Tage an Se. Königliche Hoheit den Großherzog gerichtete Adresse zukommen lassen, damit ich solche zur Kenntniß des Durchlauchtigsten Landes⸗ fürsten bringen möchte. Der Ge sundheitszustand des Großherzogs hat ez mir vorerst nur ermöglicht, Sr. Königlichen Hoheit den Inhalt der Adresse kurz mündlich zur Kenntniß zu bringen; sobald es die fortschreitende Besserung gestattet, werde ich die Adresse selbst Höchst⸗ demselben vorlegen. Der Großherzog hat meine Mittheilung über die in der Adresse dargelegte warme Theilnahme an Seiner Er— krankung sowie über die damit verbundenen Wünsche für Seine Wiederherstellung tief. bewegt, entgegengenommen und erwidert diese Kundgebung ergebener Gesinnung mit dem aufrich— figsten Danke. Indem ich Sie bitte, der Ersten Kammer dieses zur Kenntniß zu bringen, verbinde ich damit das weitere Ersuchen, für die Glückwünsche, welche die Erste Kammer der Großherzogin und mir aus Anlaß der eingetretenen Besserung in dem Befinden des theuren Erkrankten dargebracht hat, dieser Versammlung unsern herz- sichsten Dank auszusprechen. Empfangen Sie, mein lieber Herr Praͤ—⸗ sident, auch bei diesem Anlaß die Versicherung meiner vorzüglichen Werthschätzung.

Schloß Baden, den 27. November 1881. Friedrich, Erbgroßherzog.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 2. Februar. (W. T. B.) Die Kaiserin ist heute Mittag nach Irland abgereist.

Der Viererausschuß der ungarischen Delegation hat den die bisherigen Verhandlungen rekapitulirenden Be— richt seines Referenten genehmigt und den verlangten Kredit von 8 Millionen sodann einstimmig bewilligt.

Die ungarische Delegation beschloß in ihrer heutigen Plenarsitzung den Bericht durch den Druck vervielfältigen zu lassen und uͤber denselben in der morgenden Plenarsitzung zu berathen.

Anmtlich wird gemeldet: Bei Korito fand am 30. v. M ein anderthalbstündiges unbedeutendes Gefecht von 2 Com— pagnien gegen 140 Insurgenten statt, welche über die montenegrinische Grenze geworfen wurden. Unsere Truppen hatten keinen Verlust. Am Nachmittag desselben Tages über⸗ sielen 200 Insurgenten den Proviantzug eines Privatunter— nehmers und nahmen angeblich 4 Thiere weg. Eine Com⸗ pagnie und eine Anzahl Gensd'armen trieben die Insurgenten gegen Dobrostiea; wir hatten keinen Verlust, die Insurgenten hatten einen Mann todt und 3 Mann verwundet. An dem— selben Nachmittag gingen 400 bis 500 Insurgenten gegen den von einer Compagnie besetzten Ort Krusevie vor, die Com⸗ pagnie griff an, eine zweite Compagnie wurde in den Rücken der Insurgenten dirigirt, nach dreistündigem Kampse flohen die Insurgenten gegen Kameno. Ein Soldat blieb todt, einer wurde leicht verwundet, der Verlust der Insurgenten soll be⸗ trächtlich sein. 9 Todte wurden von denselben mit fortgenom⸗ men. Die Haltung der Truppen war eine scehr brave.

Großbritannien und Irland. London, 1. Fehruar. (Allg. Corr.) Sir Henry Brand, der Sprecher des Hauses der Gemeinen, sprach gestern vor einer Versammlung seiner Wähler in Cottenham bei Cambridge, bei welcher Gelegenheit er sich entschieden zu Gunsten der Einführung des unter dem Namen Cloture bekannten „Debattenschlusses“ im Unter⸗ hause äußerte.

In verschiedenen Theilen Irlands wurden während der letzten zwei Tage wiederum zahlreiche Personen wegen Waffen⸗ raubs, Einschüchterung und Aufreizung zur Verweigerung der Pachtzahlung verhaftet. Dem „Globe“ wird gemeldet, daß in den irischen Binnengrafschaften eine weitverzweigte Verschwörung bestehe. Es werden Waffen eingeschmuggelt und allnächtlich finden geheime Waffenübungen statt.

Der Premier Gladstone hat eine an ihn gerichtete Zuschrift, worin auf die Freilassung der irischen Ver⸗ dächtigen gedrungen wird, wie folgt, beantworten lassen:; „Die erste Pflicht der Regierung Ihrer Majestät ist eine Pflicht gegen Gesetz und Ordnung, und nachdem sie Individuen ver⸗ * hat, weil sie nach dem Ermessen der Regierung den Villen sowie die Macht hatten, Gesetz und Ordnung zu sihren, kann die Regierung konsequenterweise diesen Indivi⸗ duen nicht eher die Freiheit wieder geben, als bis sie die Macht verloren oder sonst die Absicht aufgegeben haben, ein Versah⸗ ren der Ruhesiörung zu verfolgen. Keine dieser Bedingungen ist, soweit Mr. Gladsione weiß, bis jetzt erfüllt worden, und somit bleibt der Regierung nichts anderes übrig, als bei einer höchst peinlichen Pflicht zu verharren.“

3. Februar. (W. T. B.) Bei der in Pxeston statt⸗ gehabten Wahl eines Mitgliedes zum Unterhause wurde Raikes (kons.) mit 6045 Stimmen gewählt. Simpson (lib) erhielt 4212 Stimmen.

Frankreich. Paris, 2. Februar. (W T. B.) In der hgeutigen Sitzung der Deputirten kammer brachte Andrieux den von ihm angekündigten Antrag, betreffend die Liquidation der Verluste der Agents de Change in Lyon ein und sprach zugleich den Wunsch aus, daß das Gericht einen Sequester ernenne und daß die aufzustellenden Regle⸗ ments die Namen der Fallitgewordenen nicht enthalten möchten. Von zahlreichen Stimmen wurde hiergegen protestirt. Der Finanz-Minister Say machte darauf aufmerksam, daß die Intervention des Staates eine äußerst delikate Sache sei; seine Aktion müsse materiell eine negative sein. Der Antrag Andrieur? wurde mittelst der Vorfrage abgelehnt. Der Just iz-Minister Humbert bestätigte in Beantwortung einer Anfrage des Deputirten Salis, daß Bontoux und Feder verhaftet seien, und daß das Gericht die Fallit—⸗ erklärung der Union géönsrale ausgesprochen habe. Von Seiten der Behörde werde die Frage geprüft, ob die gericht— liche Verfolgung auf die Mitglieder des Aussichtsraths auszudehnen sei; die Frage werde unparteiisch ent⸗ schieden werden. Der Justiz⸗Minister fügte hinzu, daß man das Gesetz vom Jahre 1867 werde abändern müssen, hauptsächlich um die Kreditgesellschaften an dem Spekuliren mit ihren eigenen Aktien zu verhindern. Der Deputirte Salis nahm Akt von diesen Erklärungen und sprach die Hoffnung aus, daß die Justiz für Alle, Große wie Kleine, eine gleichmäßige sein werde. Der Finanz⸗Minister Say be⸗ merkte: das Parquet der Pariser Börse habe Maßregeln ergriffen, um alle Gläubiger zu bezahlen, ohne daß es die Gewißheit besitze, daß auch die Schuldner gleich pünktlich sein würden; man müsse den Anstrengungen der Agents de Change Rechnung tragen.

Im Senat wurde Leroyer mit 168 von 233 Stim—⸗ men zum Präsidenten gewählt.

Marseille, 2. Februar. (W. T. B. Gam betta traf heute hier ein und wurde von einer kleinen Zahl poli— tischer Freunde empfangen und nach dem Hotel d'Orléans ge⸗ leitet. Gambetta geht nach Nizza, wo er sich etwa 8 Tage bei seinem Vater aufhalten wird, um dann nach Paris zur Theilnahme an den Kammerverhandlungen zurückzukehren.

Portugal. Lissabon, 29. Januar. (Pol. Corr.) Es haben Ruhestörungen stattgefunden, welche von mancher Seite mit der Annahme des portugiesisch-französischen Han— delsvertrages in Verbindung gebracht werden. Die Oppo⸗ sition hatte von einigen vorbereiteten Kundgebungen gegen den Handelsvertrag Nutzen zu ziehen versucht und deshalb die Vertagung der Debatte verlangt. Die Regierung ging jedoch auf dieses Verlangen nicht ein; die Deputirtenkammer lehnte es gestern mit 89 gegen 9 Stimmen ab und genehmigte mit derselben Stimmenmehrheit den Vertrag. Damit giebt sich die fortschrittliche Opposition jedoch noch nicht für geschlagen; sie appellirt an die Pairskammer und bereitet Volksversammlungen vor, welche gegen den Handelsvertrag protestiren sollen. Mit dieser Waffe der Agitation verbindet sich im gegenwärtigen Augenblicke noch eine andere. Die Regierung hatte vorgestern in Oporto, welches von jeher die feste Burg der fortschrittlichen Partei ge⸗ wesen war, die Mitglieder der Wahlkommission verhaften lassen, weil diese die Erfüllung vorgeschriebener Formalitäten verweigerten. Am Tage darauf wurden die Verhafteten wie⸗ der freigelassen, und nun bereiteten deren Anhänger Ovationen für sie vor; es wurde eine Volksversammlung einberufen, die zugleich gegen die Regierung demonstriren sollte. Dieselbe wurde jedoch aufgelöst, und dabei gab es etliche Ver— wundungen.

Italien. Rom,. 2. Februar. (W. T. B.) Die Kommission zur Vorberathung des Ausliefe⸗ rungsgesetzes berieth über die Bedingungen, von welchen eine Auslieferung unter allen Umständen abhängig gemacht werden müsse, und beschloß u. a., daß, wenn es sich um die Auslieferung eines zum Tode Verurtheilten handle, dem be⸗ 6 Souverän die Begnadigung anempfohlen werden olle.

Türkei. Konstantinopel, 2. Februar. Der „Times“ wird von hier gemeldet: Die ersten Dragomans der russischen, deutschen, österreichischen und italienischen Botschaft gaben heute dem Minister des Auswärtigen, Assim Pascha, eine identische mündliche Erklärung zu Gunsten der Auf⸗ rechterhaltung des Status quo in Egypten und fügten hinzu, jede Abänderung desselben würde die Zustim⸗ mung aller Großmächte erheischen. Die Dragomans ließen Abschrist ihrer Erklärung zurück.

3. Februar. (W. T. B.) Die von den ersten Dra⸗ gomans der deutschen, russischen, österreichischen und italie⸗ nischen Botschaft bei Assim Pascha abgegebene mündliche Er⸗ klärung lautet dahin, daß ihre Regierungen mit Interesse die Ereignisse in Egypten verfolgen und die Erhaltung des status quo daselbst gemäß den Verträgen und den für Eagypten gül⸗ tigen Firmans wünschen und daß zu jeder Aenderung des status quo die Zustimmung aller Großmachte erforderlich wäre.

Serbien. Belgrad, 2. Februar. (W. T. VB.) Mit der Vertretung des nach Paris gereisten Finanz⸗-Ministers Mijatovic ist durch Fürstlichen Ukas der Kultus-Minister Nowakowitsch beauftragt worden.

Bulgarien. Rustschuk, 1. Februar. (W. Presse.) Die diesjährige Rekrutirung lieferte ein Ergebniß von S600 Assentirten, worunter 180090 Mahomedaner. Gemäß einem soeben erschienenen Ukas ist es den Mahomedanern freigestellt, sich gegen Zahlung eines Betrages von 1000 Francs vom Militärdienst zu befreien.

Rußland und Polen. St. Peters burg, 2. Februar. (W. T. B.) Das „Journal de St. P ters bourg“ sagt in einer Besprechung der Rede des Grafen Kalnoki in der österreichischen Delegation: Die Worte des österreichisch⸗ ungarischen Ministers des Aeußern konnten uns nicht über⸗ raschen, da die so eminent friedlichen Intentionen des Kaisers Alexander und seiner Regierung so deutlich manifestirt sind, daß dieselben klar vor Aller Augen liegen. Nichtsdestoweniger schatzen und würdigen wir des Grafen Kalnoki ebenso loyale wie kategorische Sprache. Graf Kalnoki kennt in Rußland Menschen und Dinge genau; er weiß wie dringend quel point ardent) bei uns die Wünsche nach Erhaltung des Friedens sind, dessen alle Nationen so sehr bedürfen; er wußte, daß Vor⸗ urtheile zu besiegen, vorgefaßte Meinungen zu entwurzeln und Argwohn zu beseitigen waren. Deshalb waren seine Erklärun⸗ gen so offen in demselben Sinne, in welchem wir uns kürz⸗ lich an gewisse österreichische und ungarische Blätter wandten.

Als Graf Kalnoki Minister des Aeußern wurde, sprachen wir die Ueber eugung aus, daß durch ihn ein Element verschwin⸗ den würde, welches in den Beziehungen zwischen Nationen viel schlimmer ist als eine Divergenz der Interessen, nämlich das gegenseitige Mißtrauen. Wir sind glücklich, zu sehen, daß wir uns nicht getäuscht haben.

Der „Turkestaner Zeitung“ zufolge hat der chinesische Attachs Daryn Erkebien in Taschkent dem General Friede nach Kuldscha eine Proklamation des chinesischen Generals Tschian⸗Tschun⸗Tschin überbracht, worin allen Be⸗ wohnern von Ili, sowohl den chinesischen wie den mohame⸗ danischen, volle Amnestie zugesichert wird. Die Proklamation sei in allen Moscheen angeschlagen, von der Bevölkerung aber mit großem Mißtrauen aufgenommen worden. Man habe Maßregeln treffen müssen, um Daryn Erkebien vor Insulten zu schützen; das Volk verhalte sich zwar noch ruhig, sei aber in Gährung. Daryn Erkebien sei, von einer Schutz-Eskorte von Kosaken hegleitet, nach Taschkent zurückgereist, da die Deunganen die feindseligsten Gesinnungen gegen denselben kundgegeben hätten.

3. Februar. (W. T. B.) Wie der „Golos“ meldet, hat Rußland mit Persien eine Konvention abgeschlossen, nach welcher die Achal-Teke-Oase his Seraks, welches Persien behält, in Rußland einverleibt wird. Die Ratifikation erfolgt am 10. März.

Schweden und Norwegen. Christiania, 31. Ja⸗ nuar. (Hamb. Corr.) Das außerordentliche Storthing wird heute geschlossen, das ordentliche morgen eröffnet werden. Die Berathung des Handelsvertrages mit Frankreich wird wahrscheinlich Ende dieser Woche beginnen.

An Stelle des verstorbenen Cultus-Ministers Nissen ist der bisherige Expeditions-Chef im Cultus-Ministerium Hertz⸗ berg zum Cultus-Minister ernannt worden.

Afrika. Egypten. Kairo, 2. Februar. Das Reutersche Bureau“ meldet von hier: Heute Vormittag begab sich eine Deputation der Notabeln zu Scherif Pascha und richtete an denselben das formelle Ansuchen, daß er den von den Notabeln ausgearheitzten organischen Gesetzent⸗ wurf unterzeichnen solle. Scherif Pascha wies die Deputation an den Khedive, worauf sich die Deputation alsbald nach dem Palaste des Khedive begab. Der Khedive hat seine Antwort an die Deputation der Notabeln noch verschoben. Im Laufe des Nachmittags beschied er die General-Konsuln von England und Frankreich zu sich nach dem Palais. Während dieselben dort waren, traf Scherif Pascha ein und überreichte seine Demission. Die Bildung des neuen Kabinets wird für morgen erwartet. Dasselbe soll nur aus Männern bestehen, welche den Wünschen der Notabelnkammer günstig gesinnt sind. Mahmud Barondi dürfte Minister— Präsident und Minister des Innern werden; als ziemlich sicher gilt ferner, daß Mustapha Pascha Fehmy das Ministerium des Auswärtigen behalten und Ismael Ejub das Ministerium der Finanzen übernehmen wird. Man glaubt, Araby Bey werde das Kriegs⸗Ministerium übernehmen, Mahmud Fehmi das Ministerium der Arbeiten und Ismail YJoursi dasjenige des öffentlichen Unterrichts und der Vakufs.

Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus Kairo vom heutigen Tage hat der Khedive es abgelehnt, Jemand mit der Bildung eines neuen Kabinets zu beauf⸗ tragen, wartet vielmehr, bis die Notabeln eine Ministerliste vorbereiten.

Zeitungsstimmen.

Die „Leipz. Ztg.“ bringt folgende vom 31. Januar datirte Correspondenz aus Thüringen:

Der gestern erfolgte Reichstagsschluß begegnet in Thüringen keinem besonderen Interesse, viel größeren Eindruck hat die machtvolle Königsrede Bismarcks hervorgebracht, und zwar nicht nur bei allen Konservativen, die rückhaltlos dieser authentischen Auslegung des Königlichen Erlasses zustimmen, sondern auch bei den fortschrittlichen Parteien, welche dem alten Löwen so scharfe Tatzenschläge nicht mehr zugetraut haben mögen. Die fortschrittlichen Organe Thüringens aber sind über die erlittene Niederlage sehr kleinlaut geworden, besonders getroffen durch das Bild des Liberalismus, welches der Reichskanzler mit kräftigen Pinselstrichen aus der Zeit des Konflikts vor 1866 zum Spiegel für die Gegenwart gezeichnet hat. Dem Manne, der sein Bestes für die Einheit des deutschen Reiches gethan, und der heute, nach seinem Kaiser, der populärste Mann Deutschlands ist, drohte damals Tod und Verderben von den Liberalen, wäre seine äußere Politik gescheitert und heute erfährt er, nach beispiellosen Erfolgen, in seiner inneren Politik fast die⸗ selben Angriffe und von denselben Parteien, die einst ihre Kurzsichtig⸗ keit so schlagend dokumentirt haben. Das ist nur dadurch zu erklä⸗ ren, daß die liberalistischen Parteien noch heute an derselben Selbst⸗ überschätzung leiden, wie vor 29 Jahren und heute noch die wirth⸗ schaftliche Seligkeit in den Manchester⸗Grundsätzen zu besitzen glauben.

Wie der „Alzeyer Beobachter“ mittheilt, wurde an den Reichskanzler aus dem Wahlkreise Alzey⸗Bingen folgendes Telegramm abgesandt:

„Die Vertreter der Wahlpartei Heyl im Wahlkreise Alzey⸗ Bingen sprechen Ew. Durchlaucht ihre freudige Zustimmung zu den von Ihnen angestrebten wirthschaftlichen Reformen aus und bedauern lebhaft, daß Ew. Durchlaucht so maßlosen Angriffen deshalb ausge⸗ setzt sind. Wir boffen für die Zukunft, daß unser Wahlkreis durch einen Mann vertreten sein wird, der in der Durchführung dieser Reformen Ew. Durchlaucht eine kräftige Stütze sein möge. Neubamberg bei Wöllstein. Im Auftrag: Michel, Bürgermeister.“

In einem „die politische Stellung der Beamten in der Republik“ überschriebenen Artikel weist das „Frankf. Journal“ darauf hin, daß „von einer gewissen Seite her mit der gewohnten sistlichen Entrüstung triumphirend darauf hingewiesen würde, wie niedrig doch die Beamten bei uns ge⸗ stellt wären, im Vergleich zu der Stellung, welche sie in der Republik einnehmen“, und fährt dann soit:

Wir können uns deshalb nicht versagen, auf Grund thatsächlicher Zustände und Vorkommnisse einige Streiflichter zu werfen auf die diesbejügliche republikanische Praxis, um hiernach eine halbwegs zu⸗ treffende Parallele zu ermöglichen

Beginnen wir mit der . Musterrepublik⸗ Frankreich, so begnügen wir uns damit, nur ein Aktenstück zu veröffentlichen, welches eine so deutliche Sprache redet, daß jeder Kommentar zu demselben uns über⸗ flüssig erscheint.

Anfangs Januar ist nämlich ein vom 27. Dezember datirter Erlaß des Unter ⸗Staatssekretärs Lelievre an die Finanzdirektoren ver⸗ öffenilicht worden, in welchem es u. A. folgendermaßen beißt:

Die Beamten begreifen, daß, welcher Art auch immer ihre eigenen Ansichten sein mögen, in ihrem Thun oder Reden nichts auch nur die mindeste Feindseligkeit gegen die Regierung verrathen darf. Zur Achtung gegen die Regierung, der sie dienen, angehalten, müssen sie

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