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Mittheilungen über die wirthschaftliche Lage der Montan⸗Industrie und über die Verhältnisse der bei derselben beschäftigten Arbeiter, Wir entnehmen dieser Denkschrift folgende Daten: ‚„Befand sich die Montanindustrie Preußens, fübrt der Bericht wörtlich aus, noch fast im ganzen Verlaufe des Vorjahres 1879 unter dem lähmenden Ein⸗ flusse der seit 1874 auf der vaterländischen Industrie überhaupt lastenden allgemeinen Geschäftskrisis, so bietet das Jahr 1880, zum ersten Male wieder seit 7 Jahren, Zeichen einer zwar nur langsam sich vollziehenden, aber im Großen und Ganzen doch unverkennbaren Besserung der Verhältnisse.
Die Erwartungen, welche man glaubte von der Nachhaltigkeit des von Nordamerika im November 1879 ausgegangenen Aufschwunges der Montanindustrie hegen zu dürfen, erfüllten sich zwar leider nicht, indeß trat im zweiten Halbjahr 1880 eine sehr allmähliche Besserung der schwankenden und niedrig gegangenen Preise ein, welche sich im Spätherbste mehr und mehr wieder befestigten und bis zum Jahres— schluß noch weitere Fortschritte machten.
Die Gesammtergebnisse des Jahres 1880, im Zusammenhange mit dem bisherigen Verlaufe des Jahres 1881, durften, wie der Bericht konstatirt, zu der Hoffnung berechtigen, daß der tiefste Punkt der langjährigen Krisis von unserer vaterländischen Montanindustrie endlich glücklich überwunden sei, und daß bei ihr die Anfänge eines Aufschwunges der Verhältnisse gewonnen seien, auf deren Grundlage die industrielle Thätigkeit von Neuem wieder kräftig und nachhaltig wird aufblühen können.
Der günstige Umschwung spricht sich am deutlichsten in folgen⸗ den Zahlen aus: Es betrug die Förderung der sämmtlichen Berg⸗ werke Preußens (einschl. der Salzbergwerke) im Jahre 1880 57 712511 4 zum Werthe von 314788 345 M, gegen in 1879 51 863 020 t zum Werthe von 264549 946 M, somit hat die Förderung des Jahres 1880 diejenige von 1879 der Menge nach um II,28 c, und dem Werthe nach um 18,99 ½ übertroffen. Die Ge— sammtzahl der betriebenen Bergwerke, einschl. der unter Auf— sicht der Regierungen stehenden schlesischen Eisensteingruben, hat im Jahre 1880 seit langen Jahren zum erste Male wiede eine Vermehrung erfahren, und stieg von 1764 im Jahre 1879, auf 1887 im Jahre 1880. Nach der Art des Bergbaues waren in 1880 folgende Werke in Betrieb: Steinkohlenbergbau 403 gegen in 1879 405, Braunkohlenbergbau in 1880 469, gegen in 1879 473, Eisenerz⸗ bergbau in 1880 733, gegen in 1879 636, Blei, Zink- und Kupfer— erzbergbau in 1880 191, in 1879 180, Mineralsalzbau in 1880 9, in 1879 8, sonstiger Bergbau in 1880 82, in 1879 62; Summa: in 1880 1887, in 1879 1764. Der Hauptsache nach fiel mithin die Vermehrung auf den Eisenerzbergbau.
Die Gesammtproduktion der fiskalischen Berg⸗ Hütten- und Salzwerke, einschließlich der Steinbrüche, stellte sich für 1880/81 der Menge nach um nahezu 80 und dem Werthe nach um nahe 120s0 höher als diejenige des Jahres 1879/80, während das finanzielle Re⸗ sultat einen Ueberschuß von rund 122g Millionen Mark aufwies oder nahezu 1 Million Mark mehr als im Jahre 1879ñ80 und reichlich 4 Millionen Mark mehr als der Etat porgesehen hatte.
Was nun die Arbeiterverhältnisse betrifft, so haben ent— sprechend der Gesammtlage der Montanindustrie die Verhältnisse der bei derselhen beschäftigten Arbeiter während des Jahres 1880 gegen— über den unmittelbar vorausgegangenen Jahren zwar keine eingreifen⸗ den Veränderungen erlitten, aber immerhin doch etwas günstiger sich gestaltet, wenn auch die Bessexung nur sehr langsame Fortschritte machte. Zunächst war es, wie der Bericht ausführt, von Bedeutung, daß die größere Lebhaftigkeit im Bergwerksbetriebe nicht nur eine vermehrte Anzahl von Arbeitern überhaupt zu beschäftigen, sondern denselben auch — zum AUnterschiede von den letztvergangenen Jahren — volle und regelmäßige Beschäftigung zuzuwenden gestattete. Die Verstärkung der Arbeiterzahl ließ sich fast durchgängig aus den in der Nähe der Gruben ansässigen Bergleuten, bezw. dem jungen Nachwuchse der Belegschaften selbst bewerkstelligen, und trug gerade dieser Umstand zum Theil recht wesentlich dazu hei, den Nahrungs— stand der bergmännischen Bevölkerung zu verbessern. Nur in einzelnen Bezirken, wie z. B. in den bedeutenderen Eisenerzrevieren und beim Mansfelder Kupferschieferbergbau, wurden außerdem noch neue Ar— beitskräfte in größerem Umfange aus der Ferne herangezogen.
Die Gesammtzahl der Arbeiter in den fiskalischen Werken stellte sich folgendermaßen: Im Ober⸗Bergamtsbezirk: Breslau 1880 59 551, in 1879 55581, also in 1880 mehr 3970; Halle 1880 28 343, in 1879 25 641, also in 1880 mehr 2702; Dortmund in 1880 82 849, in 1879 79518, also in 1880 mehr 3331; Bonn in 1880 67949, in 1879 62 820, also in 1880 mehr 5129; Clausthal in 1880 8664, in 1879 8222, also in 18380 mehr 442; zusammen im ganzen preußischen Staate in 1880 247 356, in 1879 231 782, also in 1880 mehr 15 574 oder 6, 72 0 o.
Wäbrend in den letzten Jahren der zeitweise stockende Absatz wiederholt zu vorübergehenden Entlassungen oder Beurlaubungen eines Theiles der Arbeiter, sowie daneben noch, namentlich beim Stein— kohlenbergbau, zur Einstellung der Arbeit an einzelnen Tagen des Monats für die verbleibende Belegschaft genöthigt hatte, kamen der— artige Fälle in 1880 nur sehr vereinzelt vor. Im großen Ganzen war die beschäftigte Mannschaft in der Lage, ihre Arbeitskraft voll aus— zunutzen und damit ihre Leistung und ihren Gesammtverdienst zu steigern. Es ist dies insbesondere beim Steinkohlenbergbau von um so größerer Bedeutung gewesen, als die Schichtlöhne nur in wenigen Revieren eine wünschenswerthe Erhöhung erfuhren, vielmehr meist in Folge der immer noch gedrückten Verkaufspreise der Produkte auf dem bisherigen niedrigen Stande der Vorjahre verblieben, so daß den Arbeitern im Allgemeinen nur durch die regelmäßigere Thätigkeit er— möglicht wurde, einen etwas höheren Jahresverdienst zu erwerben.
Obwohl die ökonomische Lage des Bergarbeiters während des Jahres 1880 eine auskömmliche war, und auch die Löhne eine Ten— denz zu allmählicher Besserung nicht verkennen ließen, so konnte doch die Lage des Arbeiters dessen ungeachtet in den meisten Bezirken noch keineswegs als eine günstige bezeichnet werden, zumal die Ernte sowohl in 1879 wie in 1880 den Erwartungen nicht entsprochen hatte, trotzdem konstatirt der Bericht, daß ein Nothstand nirgendwo unter der bergmännischen Bevölkerung sich gezeigt hat.
Ueber die preußischen Knappschaftsvereine sagt der Be— richt: Wenn dieselben schon innerhalb der letzten Jahre des Dar— niederliegens der Industrie ihre gesunde Grundlage bewiesen haben, so zeigt die Entwickelung derselben während des Jahres 1880 von Neuem die völlige Lebensfähigkeit dieser seit Jahrhunderten mit dem Bergbau innig verwachsenen und segensreich wirkenden Wohlfahrts⸗ einrichtung. Die Gesammteinnahme aller Knappschafts—⸗ vereine stellte sich im Jahre 1880 auf 13108011 M gegen 12 660 596 ½ im Jahre 1879; dieselbe stieg demnach um 447 415 oder 3,53 0/9. Die Gesammtausgabe betrug 12628 658 M gegen 12 569 810 M im Vorjahre. Es hat demnach in 1880 eine Mehr ausgabe stattgefunden von 58 848 M oder O47 9,9. Unter Abrechnung von 41 899 4 für den Ankauf von Immobilien ꝛe. reduzirt sich die Gesammtausgabe auf 12586759 „ und ergiebt sich ein Ueberschuß der Einnahme über die Ausgabe von 521 252 S Im Vorjahre batte der Ueberschuß nur 194290 ½ betragen, derselbe ist also in 1880 um 326 962 0 gestiegen. Das Vermögen der Knappschaftsvereine hob sich von 20 881 388 M auf 21 479 404 S, also um 598 016 MS oder 2,86 Zu der angegebenen Gesammteinnahme trugen bei in 1880: die Rnappschaftgenossen 6 356 954 ½, die Werkseigenthümer 5 698 522 , zusammen 12055 476 S Der Rest der Einnahme des Jahres 1880 im Betrage von 1052535 S bestand in Kapitalzinsen, Nutzungen des Immobiliarvermögens, Beitritts⸗ und Strafgeldern und sonstigen Einnahmen. An der Gesammt⸗Ausgabe nahmen die dauern⸗ den Ausgaben mit folgenden Beträgen Theil in 1880: Invaliden⸗ pensionen 4 243 353 S6, Wittwen⸗ Unterstützungen 2406404 „M, Waisen⸗Unterstützungen 1259 778 S6, zusammen 7909 535 M Die Ausgaben für Krankenpflege betrugen in 1880 341 884 M, diejenigen für Schulunterricht 353 849 SM, die einmaligen außerordentlichen Unterstützungen einschließlich der Begräbnißkosten 252 570 „MS, die Verwaltungtausgaben 433 689 , sonstige Ausgaben 180 171
Auf einen Knappschaftsgenossen entfiel im Jahre 18890 folgende Ausgabe: für Krankenpflege 13.03 S, für Invalidenunterstützung
15.388 ½, für Wittwenunterstützung 900 , für Waisenunterstützung 4,71 4, für außerordentliche Unterstützungen 101 M, für Schul⸗ kosten 1,32 M, zusammen 44,95 M gegen in 1879 47,00 4, außer⸗ dem für Verwaltung 1.62 M sonstige Ausgaben O, 67 M. Auf einen Mann der am Jahresschlusse 1880 vorhandenen meistberechtigten Mit- glieder berechnet sich ein Vermögensantheil von 130,21 S gegen 132,35 4 im Jahre 1879.
Dortmund, 6. Februar. (Ess. Ztg.) Den neuesten Berichten aus Frankreich und Oesterreich zufolge besteht die feste Tendenz auf den dortigen Eisenmärkten trotz des Börsenkrachs zu Paris und Wien fort; da, wie hervorgehoben wird, die Spekulation dem Eisen⸗ geschäft fern geblieben sei und sich die lebhafte Beschäftigung der Eisenwerke auf wirklichen Bedarf stütze; die Nachfrage habe sich noch verstärkt, und man erwartet daher eine weitere Erhöhung der Walz— eisenpreise in nächster Zeit. In Rheinland⸗Westfalen liegen die Verhältnisse des Eisenmarktes ebenso, indem auch hier das Geschäft den reellen Untergrund des Bedarfs hat. Die Kon⸗ sumenten haben sich aber für längere Zeit in Roheisen und Walzeisen gedeckt, und es vollziehen sich daher die ferneren Abschlüsse naturgemäß nicht mehr in so rascher Folge, als im Anfange dieses Quartals und am Schlusse des vorigen. Die Werke sind so reichlich mit Aufträgen versehen, daß es ihnen fort— während schwer fällt, die Lieferfristen einzuhalten; sie sind daher auch in der glücklichen Lage, die Preise hoch halten zu können, und daß sie selbst die Konjunktur für eine andauernd günstige halten, dürfte wohl am besten daraus hervorgehen, daß eine sehr re⸗ nommirte Aktiengesellschaft im rheinisch⸗westfälischen Industriebezirk den Stabeisenpreis nach einem uns vorliegenden Geschäftsbriefe um 5 4. höher, nämlich mit 145 S pro Tonne notirt, und zwar für größere Posten. Die Händler verharren ebenfalls bei den höchsten Preisen und Schleudereien derselben sind hier bis jetzt nicht bekannt geworden. Der Bedarf an Blechen, Stabeisen, Fagoneisen und Walzdraht ist fort⸗ während sehr groß und die bezüglichen Aufträge reichen bis weit in das Jahr hinein. Noch bedeutender und weiterreichend sind aber die Ordres, welche bei den Stahlwerken vorliegen und es findet auch noch ein be— trächtlicher Zugang an neuen Bestellungen durch ausgeschriebene Sub— missionen statt. Bemerkenswerth sind besonders folgende: die Ober— schlesische Bahn hat 330 Stück Flußstahlachsen mit Speichenrädern, 1180 Stück Flußstahlachsen mit Scheibenrädern, 2824 Stück Trag— federn für Güterwagen, 3750 Stück Evolutenfedern, 1500 Stück Kuppelungsvorrichtungen und außerdem 27 Personenwagen 3. Klasse, 231 Stück bedeckte und 475 Stück offene Güterwagen zur Sub— mission gestellt, die Königliche Eisenbahn-Direktion zu Berlin hat 309 t Flußstahlschienen, 266 t eiserne Langschwellen, 44 t Querverbindungen und 94 t Kleineisenzeug zu vergeben, die Königliche Eisenbahn— Direktion zu Magdeburg hat eine Submission auf Lieferung von Eisenkonstruktionen im Gesammtgewicht von 140 t und die hollän— dische Staatsbahn eine solche auf Lieferung von 750 t Querschwellen, 15 t Klemmplatten, 50 Zungenvorrichtungen, 92 Stück Gußstahl⸗ Herzstücken ausgeschrieben. — Im Kohlengeschäft hat die Flaue in Hausbrandkohlen auch die übrigen Kohlensorten ungünstig beein⸗ flußt und auf die Preise einen Druck ausgeübt. In Koks ist der Verkehr dagegen bei festen Preisen noch immer sehr lebhaft.
Antwerpen, 7. Februar. (W. T. B.) (Wollauktion.) 1423 Ballen angeboten, 771 Ballen verkauft. Die Auktion war un⸗ belebt, die Auswahl der Wollen mittelmäßig; geringe Wollen ver— nachlässigt.
Glasgow, 7. Februar. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen während der letzten Woche betrugen 12361 gegen 226 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.
Paris, 7. Februar. (W. T. B.) Der Untersuchungsrichter begann heute die Vernehmung der Verwaltungsräthe der Union göngérale, Riant und Broglie (Sohn); morgen soll die Vernehmung zweier anderer Verwaltungsräthe erfolgen. — Das Journal „Le Frangais“ schreibt: die Prüfung der Bontoux vorgeworfenen That— sachen habe den Untersuchungsrichter dahin geführt, die Frage der vorläufigen Haftentlassung Bontour in Erwägung zu ziehen. — Die Abendblätter bestätigen, daß der gerichtliche Liquidator die Einzahlung der noch restirenden 375 Fres. auf die Aktien der Union gönsrale fordern werde.
New⸗YJork, 6. Februar. (W. T. B.) Weizenverschif⸗ fungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Ver— einigten Staaten nach England 42000, do. nach dem Konti⸗ nent 120006, do. von Kalifornien und Oregon nach England 160 000, do. do. nach dem Kontinent 17 000 Qrtrs.
Verkehrs⸗Anstalten.
Auf den Linien der Großen Berliner und der Großen Internationalen Pferdeeisenbahn⸗Aktien⸗Gesellschaft wurden im Januar 1882 4247 940 Personen befördert und dafür 547 029,90 MS oder durchschnittlich pro Tag 17 646,13 6 von beiden Gesellschaften eingenommen. Die Einnahme im Januar 1881 belief sich auf 455 082,78 M6 oder durchschnittlich pro Tag 14 62008 M
Southampton, 7. Februar. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Main! ist hier eingetroffen.
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Berlin, 8. Februar 1882
Ihre Majestät die Kaiserin und Königin hat dem Vorstand des Vaterländischen Frauenvereins folgendes Schreiben zugehen lassen:
Die stetig zunehmende Ausdehnung und der sich entsprechend er— weiternde Wirkungskreis des Vaterländischen Frauenvereins lassen es wünschenswerth erscheinen, die vor fünfzehn Jahren begründete Organisation desselben so zu befestigen, daß insbesondere im Hinblick auf die Zukunft diejenigen Obliegenheiten in der Leitung der Vereins— aufgaben, welche nach Maßgabe der Verhältnisse sich im Laufe der Zeit als wichtig erwiesen und bewährt haben, von Meiner persön— lichen Einwirkung, sowie vom Personenwechsel überhaupt, unabhängi⸗ ger gestaltet werden. In Erwägung des Umstandes, daß die Ver⸗ antwortlichkeit in der Bestimmung der zu treffenden Anordnungen mit der zunehmenden Wirksamkeit des Vaterländischen Frauen⸗ vereins gewachsen ist und um die Aufgabe der jedesmaligen Vorsitzenden zu erleichtern, wünsche Ich, daß die in der Sitzung des Vorstandes vom 23. Januar cer. ge⸗ faßten Beschlüsse, unbeschadet der sonst bestehenden Einrichtungen folgendermaßen in Kraft treten:
A. Zur Vorbereitung und Anregung alles Wichtigen, namentlich der die Verfassung, Organisation, Fortentwickelung und Thätigkeit des Hauptvereins, sowie seine Beziehungen ju dem Verbande der deutschen Frauenvereine des rothen Kreuzes zu anderen verwandten Vereinen, zu den Staats⸗ und Kommunalbebörden betreffenden An⸗ gelegenheiten soll als dauernde Einrichtung ein geschäftsführender Ausschuß bestehen.
Derselbe wird gebildet aus männlichen Mitgliedern des Vor— standes, und zwar:
a. aus einem von der Allerhöchsten Protektorin zu ernennenden
Vorsitzenden,
b. aus dem Schriftführer des Vereins, welcher, sofern er nicht zum Vorsitzenden ernannt ist, die Stellvertretung des letzteren führt,
e. aus mindestens drei andern Mitgliedern und zwar: 1) dem Mitgliede, welches die Vertretung des Vaterländischen Frauenvereins in dem ständigen Ausschusse des Deutschen Frauenverbandes führt,
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2) dem Mitgliede, welches die Angelegenheiten, betreffend die Verbindung mit dem Centralcomits des Preußischen Vereins zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger bearbeitet,
3) einem vom Vorstande erwählten Mitgliede.
Die Vorsitzende des Hauptvereins nimmt an den Sitzungen des Ausschusses mit Stimmrecht Theil.
Der Ausschuß regelt seine Geschäftsordnung und Ge— schäftsvertheilung.
B. Soweit das Bedürfniß hervortritt, daß die Provinzialvereine durch ihnen angehörige Mitglieder innerhalb des Gesammtvorstandes vertreten werden, sind bezügliche Vorschläge der Allerhöchsten Pro— tektorin zu unterbreiten und ist nach erfolgter Allerhöchster Genehmi— gung die Wahl auf dem durch das Statut vorgezeichneten Wege zu vollziehen.
Gleichzeitig ernenne Ich den Staats⸗-Minister außer Dienst Dr. Friedenthal zum Vorsitzenden des geschäftsführenden Ausschusses, wovon derselbe entsprechend in Kenntniß zu setzen sein würde. — Zu B. sind bezügliche Vorschläge noch abzuwarten.
Berlin, den 2. Februar 1882.
Au gu sta. An den Vorstand des Vaterländischen Frauenvereins hier.
Das verflossene Weihnachtsfest und die Jahreswende hat dem Germanischen Museum zu Nürnberg, wie die Monats— Chronik des „Anzeigers für Kunde der deutschen Vorzeit“ berichtet, ganz besonders reiche Spenden gebracht. Dieselben waren der Mehr— zahl nach von den Gebern zum Zwecke des Ankaufs der seither als Depositum der Familie Platner im Museum aufgestellten Pracht— bettstätte bestimmt, welcher aus den Mitteln der Anstalt allein nicht bestritten werden konnte. Auch dem Baufonds sowie dem Fonds für Gipsabgüsse sind Spenden, letztere zur Abformung einzelner Theile des Brüggemannschen Altars im Dom zu Schleswig, zugeflossen. Den Städten, welche sich an der Errichtung des Städtesaales bethei⸗— ligen, sind hinzugetreten: Altena in Westf., Frankenhausen, Göt— tingen, Langensalza, Oppeln, Selb und Wien. Endlich wird eine Reihe von Gaben der Ausschmückung eines Saales im Friedrich-Wilhelmsbau mit gemalten Fenstern zu Gute kommen. — Das Museums-Organ tritt mit der vorliegenden Januarnummer 1882 in den XXIX. Jahrgang ein. Die höchst interessanten, mit vielen Illustrationen ausgestatteten Beiträge aus dem Germanischen Museum zur „Geschichte der Bewaffnung im Mittelalter“, vom Di— rektor A. Essenwein, werden auch in dem neuen Jahrgange fortgesetzt. Der neueste 14. Artikel handelt von den Rüstungen und Helmen, von welchen mehrere typische Exemplare abbildlich beigefügt sind. Hans Bösch in Nürnberg theilt „Geding und Unkosten eines im Auftrage Lucas Friedrich Behaims im Jahre 1619 gefertigten Orgelwerkes“ mit, und Alwin Schultz handelt über Hans Lucas, den Baumeister des Herzoglichen Schlosses zu Oels. Endlich enthält diese Nummer des „Anzeigers“ einen Beitrag zur Geschichte der Breslauer Glocken— gießer“, von E. Kalesse in Breslau, und mit mehreren seltenen, kulturgeschichtlich werthvollen Siegelabbildungen illustrirte „Sphra—⸗ gistische Aphorismen“ von F. K. in Kupferzell.
Die diesjährige Generalversammlung des Vereins der Spiritusfabrikanten in Deutschland, welche auf den 15. bie
18. Februar fällt, verspricht eine besonders interessante zu werden. Es ist die 29. Versammlung im 25. Jahre des Bestehens dieses vielleicht größten technischen Vereins. Namentlich das letzte Jahr hat einen ungewöhnlichen Zustrom von Mitgliedern aufzuweisen, so daß die Zahl derselben von etwa 830 am Anfang des Jahres 1881 auf fast 1400 in 1882 gestiegen ist. Besonderen Anlaß zu der regen Betheiligung der Interessenten scheint die zur Feier des 25 jährigen Be— stehens des Vereins arrangirte Ausstellung für Spiritus⸗ industrie gegeben zu haben.
Aus der diesjährigen Tagesordnung der Generalversammlung heben wir folgende allgemein interessirende Punkte hervor: Dr. Del⸗ brück wird über die Fabrikation von Preßhefe aus Kartoffeln, welches neue Verfahren so berechtigtes Aufsehen erregt, referiren. Professor Dr. Maercker hat sich als Thema „Die Bestimmung des Raffina— tionswerthes von Rohspiritus“ gewählt. Dr. Hayduck hält einen Vortrag über die rationelle Ausnutzung der stickstoffhaltigen Stoffe der Rohmaterialien, behufs Preßhefenfabrikation.
Die Bäckerei und sonstige Konsumenten wird folgende Frage, welche zur Diskussion gestellt ist, berühren: „Durch welche Mittel ist der Preßhefehandel zu reguliren? Empfiehlt sich die Bildung von Verkaufsgenossenschaften? Wie ist der Handelswerth der Preßhefe zu bestimmen?“
Die Volkswirthe werden sich einer anderen Frage zuwenden, welche neuerdings die Spiritusproduzenten lebhaft bewegt. Dieselbe ist bereits kürzlich von Dr. Delbrück in einem im Klub der Land⸗ wirthe gehaltenen Vortrage behandelt und lautet: „Durch welche Mittel kann dem Produzenten ein Einfluß auf den Gang der Spirituspreise gesichert werden? Sind Spiritus-Verkaufsgenossen schaften zu empfehlen? Ist öffentlich geregelte Lombardirung des Spiritus anzubahnen durch Errichtung resp. Unterstützung von Spirituslagerhäusern? Welche Einrichtung besitzt in dieser Beziehung das Ausland?“
Außerdem stehen zahlreiche, rein technische Punkte verzeichnet, welche besonders auf die auf der Ausstellung produzirten neuen und alten Apparate Bezug nehmen.
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In der Permanenten Ausstellung des Vereins Ber— liner Künstler (Kommandantenstraße 77 79) ist gegenwärtig das Porträt eines jungen Mannes von Professor L. Knaus ausgestellt. Das große Gemälde von O. v. Faber du Faur bleibt nur noch bis Ende dieser Woche hier.
In der Permanenten Kunstausstellung von Emil Ph. Meyer u. Co. (Taubenstraße 34) ist wieder eine neue Reih hervorragender Kunstwerke eingetroffen, u. A. ein preisgekröntes „Stillleben“ von Jean Robie, welches nur kurze Zeit zur Ausstellung gelangt.
Im Victoria⸗Theater findet morgen die erste Vorstellung der italienischen Operntruppe mit der Oper „La Favorita“ statt, in welcher die Impresa sogleich einige der besten Kräfte dem hiesigen Publikum vorführen wird. Bei den hohen Eintrittspreisen, welche während dieser Vorstellungen angesetzt sind, ist die Spannung gerechtfertigt, mit welcher man diesem neuen und etwas gewagten Unternehmen des Direktors Hahn entgegensieht. Indessen erfordert die Zusammenstellung eines'solchen Ensembles, wie man dies mal im Victoria⸗Theaten zu hören bekommen wird, besonders große Opfer.
Es werden übrigens nur 20 Opernvorstellungen stattfinden.
Redacteur: Riedel. Berlin 1
Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner
Tüunf Meilagor Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage),
und die Besondere Beilage Nr. 1.
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zuin Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich
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Berlin, Mittwoch, den 8. Fehrunr
Sluuts⸗ Anzeiger.
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0 , r- — — — — ——— —— 2 — —— — — * , Aichtamlliches. Bei dieser historischen Betrachtungsweise, welche mich völlig be⸗ doch hier nicht verschweigen, daß nach einer gewissenhaften Ueberzeu⸗
Preußen. Berlin, 8. Februar. In der gestrigen (9) Sitzung trat das Haus der Abgeordneten in die erste Berathunß des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend Abänderung der kirchenpolitischen Gesetze, ein. Die Debatte wurde von dem Minister der geistlichen c. Angelegen⸗ heiten von Goßler mit folgenden Worten eingeleitet!“
Meine Herren! Wenn ich im gegenwärtigen Augenblickes unternehme im vollen Bewußtsein des Ernstes der Situation und der auf mi ruhenden Verantwortlichkeit, die Gesichtspunkte im Allgemeinen darzu⸗ legen, von denen die Königliche Staatsregierung bei der Ausarbeitung der Vorlage ausgegangen ist, und hiermit die Rechenschaftslegung über die Ausführung der Novelle von 1880 zu verbinden, so fuͤhle ich mich verpflichtet, einige allgemeine Bemerkungen meinen Ausführungen vorauszuschicken, — und ich thue es, obwohl einzelne dieser Beier kun gen mehr oder minder auf meine Person zurückwirken. ö
Wie vielen der Herren bekannt sein wird, bin ich persönlich in die Kämpfe der letzten 10 Jahre weder amtlich noch in außeramtlicher Stellung verwickelt worden, ich habe aber kraft meiner amtlichen Verpflichtung mich kritisch, und wenn ich sso sagen darf von außen nach innen in das xreichlich vorliegende Material bineingearbeitet, und bierbei bin ich für meine Person immer., mehr zu der Ueberzeugung gelangt, daß so sch auch die Frage, die uns beschäftigt, Herz und Gemüth gefangen nimmt — wie das bei dem deutschen Volke ja der Fall sein inuß, doch die Lösung der Frage nur erfolgen kann durch ein stetes Rachdenken nicht durch leidenschaftliches Ankämpfen, sondern durch ein zielbewußtes, einträchtiges Zusammenwirken. Ich bin gänzlich von der historischen Auffassung beherrscht, daß der Kampf, an desfen Ende, so Gott will wir stehen, nicht künstlich geschaffen und gemacht ist, sondern mit einer gewissen Naturnothwendigkeit erwachsen ist, und ich möchte mich für meine Person an den Bemühungen nicht betheiligen, welche dahin gerichtet sind, festzustellen, ob nicht in gewissem Maße irgend einem Faktor ein Verschulden zur Last gelegt werden könnte. Ich finde in diesen Betrachtungen wesentlich ein versöhnendes Element; denn wie in allen schweren Lebenslagen unseres Vaterlandes auch ie verschiedenartigsten Parteien und Persönlichkeiten einträchtig über dem Wohle des Vaterlandes sich die Hände gereicht hahen, so halte ich auch die vorliegende Materie für wohl dazu angethan, in versöhnlichem Sinne an dieselbe heranzutreten Und ö
hierbei nicht durch parlamentarische Taktik oder Politik der Parteien sich binden zu laͤssen. Diese Auffassung, meine Herren, habe ich ge⸗ wonnen im Wesentlichen aus der Wahrnehmung, daß denjenigen deutschen Staaten, welche nach der Auflösung des Deutschen Reiches
2 es verstanden haben, in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts orga' nisch die Gesetzgebung zwischen Staat und Kirche zu regeln im großen Ganzen extensiv und intensiv von kirchlichen Wirren befreit geblieben sind und daß dagegen Preußen, welches in der Mitte diese⸗ Jahrhunderts unter Verlaässung der historischen Kontinuität unter
9 s ijal ds c Mi,. soinor früherer ant schen Gsekagok 7 Auslöschung seiner frühe n org mischen Gesetzgebung sich damit be⸗
gnügt hat, einige allgemein ze aus der deutschen Verfassung her— erzunehmen und zwar ohne
5 . Io s⸗ chützenden Zusgtz, der in der belgischen kterrsichiscbaen MorfasF una f * terreichischen Verfassung sich findet —
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daß gerade Preußen es beschieden gewesen ist, im Mittelpunkte der heftigen Bewegung zu stehen. Und, pieine Herren, diese meine Ueberzeugung wird gestärkt und weiter ergänzt dadurch, daß in all' den Ländern,
vr sesyo vr er foo & F Roß nam 66 . ** welche Preußen im Jahrg 1866 mit sich verbunden hat, bis zur Ein— führung der preußischen Versassung unter der Herrschaft einer sehr
bestimmten kirchenpolitischen Geset gebung Frieden mit der katholischen Kirche gewaltet hat. ᷣ „ Aus dieser Auffassung folgert für mich zweierlei. Ei überhaupt seine Gꝛenzregulirung zwischen Staat und kathol irche erwü ischt und nothwendig ist, und daß diejenigen, welche dahin streben, die bestehende organische Gesetzgebung absolut zu be seitigen, weder im Interesse des Staat noch auch im Interess Kirche handeln. Ich für meine Persor
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erson bin überzeugt, daß, wie es *r ist, große einheitliche organische 1
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Gesetze wie nit einem Schwamme auswischen zu wollen, nan überhaupt eine derartige auf geistigen Potenzen ernkank , a inddmrmr j 6. ;
beruhende Strömung war eindämmen, ableiten, vielleicht
auch in seiner Kraft nützlich gestalten kann, daß aber es ein vergeb— liches und fruchtloses Bemühen ist, einen solchen Strom an der lle verstopfen zu wollen. Und dann ein Weiteres. Ich bin davon durchdrungen, daß es nicht unsere Aufgabe sein kann, bei der bevor— stehenden Berathung neues Recht, im Wesentlichen neue Grundfsaͤtze aufzufinden, daß wir vielmehr bei allen unseren legislativen Be—
ebungen es als unsere Aufgabe betrachten müssen, nicht außer Acht zu lassen den Zustand, in welchem die katholische Kirche im preußischen Staat sich vor Einsührung der Verfassungsurkunde befunden bat sowohl in den alten Landestl
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stheilen wie in den neu erworbenen, und 1 u n die Gesetzgebung der uns verwandten Staaten, namentlich derjenigen Staaten, mit denen sich Preußen in
zolitanverbande befindet. Wollten wir ig und selbstthätig die Grundlagen ein
das nicht, wollten wir selbst. e Ueuen Geseßgebung sinden, so würde uns nichts ande res übrig bleiben, al
prinzipiellen Fragen in den Vordergrund unserer Erwägungen z und. wir, würden dann Gefahr laufen, durch Cinführung neuer in Gesetzgebung, Preußen zu isoliren und viel icht gar seine Gesetzgebung zu einem Hebel zu machen, mit dem die Gesetzgebung anderer Staaten erschüttert werden könnte. Wenn über⸗ haupt — das kann ich hier in diefen Zusammenhang wohl sagen — in der abgelaufenen Periode irgend etwas dazu beigetragen hat, Be— strebungen zu erschweren und die Kämpfe zu verschärfen, fo ist es das, daß es der deutschen Natur entsprechend alle Zeit gelungen ist, an konkrete Fragen prinzipielle Erörterungen anzuknüpfen. Mir schwebt,
wenn ich über diese Fragen nachdenke, stets der Ausspruch eines öster
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Heichischen Prälaten vor, der eines Tages sagte: die philosophische Vertiefung des Kulturkampfes ist für Preußen das Unglück, — und
ich glaube, in gewissem Zusammenhang bat dieser Ausspruch seine volle Berechtigung. Blicken wir auf andere Staaten, wodurch die Geseg⸗ gebung des Staates in meines Erachtens schärferer Weise als in Preußen in, die Verhältnisse der römischkatholischen Kirche eingegriffen ist, beispiclsweise auf Desterreich, wo das Konkordat von 1855 im Jahre 1867 durchbrochen, im Jahre 1879 einseitig gelündigt, dann die Ver⸗ haltnisse der katholischen Kirche im Jahre 1874 selbständig Seitenz des Staats geregelt worden sind und wo doch, wie allseitig bekannt, erwünschte Zustände bestehen, sodann auf Italien, wo wie nicht minder bekannt, die Urheber der Bewegung des Jahrez 1870 sich noch unter kirchlicher Censur befinden, wo das Gesetz ron 1871 in keiner Weise Seitens des Leiters der katholischen Kirche anerkannt ist und doch über 200 Bischöfe unter dem staatlichen Erequatur, Tausende von Pfarrern unter dem staatllichen Placet ihrer hohen Aemter walten. In allen diesen Staaten hertschen trotz starker und politischer Strö— mungen thatsächlich Zustände, welche relativ als befriedigende bezeichne werden können und meines Erachteng unserer besonderen Beachtun werth sind. Nach allem diesen habe ich ez mir zur Aufgabe gestesft, bel der Erörterung der einzelnen Fragen, so weit es an mir liegt, mich möglichst konkret zu halten, prinzipiellen Grörterungen thunsichst ausjuwelchen, obiektiv, nüchtern, absehend von allen oratorischen Erfolgen, in die Erörterung der einzelnen Fragen einzutreten und so viel Berühru 198 punkte zu geben als es in meinen Kräften liegt. ö
herrscht, ist es naturgemäß — und hiermit trete ich in die allgemeine Begründung der Vorlage ein —, daß ich zunächst meinen Blick richte auf die Frage, wie hat die Novelle von 1880 gewirkt? Wie ist der Zustand der katholischen Kirche im Juli 1880 gewesen? Wie stellt er sich im Februar 1882 unseren Blicken dar? Und wenn ich in meinen folgenden Darlegungen ab und zu einige Punkte bernhre welche nicht unmittelbar auf die katholische Nobelkle zurückzuführen sind, so darf ich doch nach meinen amtlichen Erfahrungen bekun—⸗ den, daß, wenn überhaupt, so doch nicht in dem vorhandenen Maße auf dem Gebiet der anderweitigen, von der Novelle nicht be⸗ troffenen kirchengesetzlichen Verhältnisse es möglich gewesen wäre diejenigen Erfolge zu erreichen, welche erreicht worden sind wenn nicht die kirchenpolitische Novelle den Weg dazu gebahnt hätte Psychologisch ist es intexessant, bei dieser Gelegenheit diejenigen Prophezeiungen sich vor Augen zu führen, welche damals bei Ve— rathung der Novelle gemacht worden sind. Ein unbeschriebenes Blatt wird die Novelle bleiben“, sagte ein hervorragender Redner dieses Hauses, „die Lage der katholischen Kirche wird verschlimmert werden?, „es wird ein Guerillakrieg entbrennen, der schlimmste von allen., „die Vorlage schiebt die Versöhnung weiter hingus als daß sie dieselbe befördert“, — und an anderer Stelle: Die Vorlage auch in ihren letzten Resten bildet Fäden, an denen sich der kirchenpoli⸗ tische Friede weiter spinnen und entwickeln kann.“
Wie liegt nun die Sache? Als im Jahre 1880 die Verhand— lungen hier stattfanden, waren von 12 katholischen Bisthfmern 3 besetzt, heute sind es deren 8, allerdings nur 2 davon definitiv, 3 da—⸗ gegen provisorisch, aber es besteht die bestimmte Hoffnung, daß über kurz oder lang auch diese Provisorien definitiven Einrichtungen Platz machen werden. In 5 Diözesen sind auf Grund des Gefetzes die Staatsleistungen wieder aufgenommen, in der Grafschaft Glatz, nach—⸗ dem daselbst der Großdechant, dessen Posten seit 1878 unbesetzt war eingesetzt ist, auf Grund der Novelle. Die Gehalts aufbefferungen für die Pfarrer sind auf Grund des Etats entweder eingetreten oder angebahnt und die großen Lasten der Gemeinden, welche ihnen zur Unterhaltung der Seelsorge aufgelegt und welche mit mehr oder ninderer Bereitwilligkeit von ihnen getragen worden sind, haben ihre Beseitigung in den 5. Diözesen gefunden. . .
Noch interessanter gestaltet sich ein Blick auf die Seelsorge. Als vor ungefähr einem Jahre mein Herr Amtsvorgänger an diefer Stelle über die Wirkung des Artikeis 5 Rechenschaft gab, waren von 4604 katholischen Pfarreien 55 (ohne alle kirchliche Versorgung; heute, obwobl naturgemäß eine nicht unerhebliche Anzahl von Geistlichen in Folge Krankheit oder Hinsterben aus der Seelsorge abgerufen worden sind, find von 4613 Pfarreien — die Zahl der neuesten Zählung nur 133 als ganz ver⸗ waist zu erachten. Dieses immer sehr auffallend scheinende Resultat findet seine naturgemäße Erklärung, einmal darin, daß das Institut der. Nachbargeistlichen, wie es Artikel 5 Abfatz J der Rovelle ein- geführt hat, immer organischer und sachgemäßer Seitens der kaͤtho— lischen Kirche ausgebildet worden ist, immer neue Bemesnden heran— gejogen sind, die Mittel flüssig zu machen, um solches pro— vijorische Pastorrevier zu ermöglichen. Nicht minder ist der Absatz 2 des Artikels 5 durch eine Interpretation des Kammergerichts zu einem erwünschten Hebel geworden, um das Institut der Hülfsgeist⸗ lichen in der Vertretung von nicht vorhandenen Pfarrern zu fördern, und mit Hülfe dieser Auslegung, welche den Verwaltungsbehörden zur Nichtschnur mitgetheilt worden, hat es sich ermöglichen lassen, in einer ganzen Reihe von Diözesen die so oft bemängelte und beklagte Führung der Kirchenbücher einer erwünschten Regelung zuzuführen. Vor Allem aber kommt hinzu, daß die Staatsregierung sich für berufen und be— fugt erachtet hat, auch in der Besetzung der fiskakischen Patronatẽ⸗ stellen energisch vorzugehen. Nach den mir vorliegenden Nachweisun— gen beträgt die Zahl derjenigen Stellen, welche in den letzten Monaten in legaler Weise besetzt worden sind, die Ziffer von 6 und in allen diesen 61. Pfarreien sind naturgemäß auch die Leistungen für die Pfarrer wieder aufgenommen worden. Es sst nicht ohne Interesse,
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daß das Verfahren, welches sich bei den vertraulichen und zum Theil intrikaten Verhandlungen zwischen den weltlichen und geistlichen Be⸗ hörden herausgebildet hat, wiederholt dazu Veranlassung gegeben hat, daß Einwendungen Seitens der kirchlichen Behörden gegen die Kan⸗ didaten der weltlichen Behörden erhoben worden? sind und daß gleichwohl in keinem einzigen Falle Anlaß und Grund gewesen ist, in Differenzen hierüber einzutreten. Auf Seiten der weltlichen Behörden besteht daber die Auffassung, wenn
eines Tages umgekehrt Seitens der Ordinarien, Seitens der Kapitel⸗ verweser die Kandidaten sür die geistlichen Aemter rorgeschlagen werden möchten, welche der freien Verleihung Seitens der Bischõfe unterliegen, es in der That sehr leicht sein würde, einen Justand herauszubilden, welcher den beiderseitigen Interessen Rechnung tragen und in keinerlei Weise den gesetzlichen Vorschriften widersprecke i m ö 9 ö. wo rl rte videtsprechen lonnle.
Ich brauche hier an dieser Stelle nicht weiter ausführen, in welcher weitgehenden Weise scwohl in der kirchlichen wie in der unter⸗ richtlichen Verwaltung die Einsetzung der Bischöfe sich wirkfam erwiesen hat. Nur eines Faktums möchte ich aber doch Erwähnung thun, nämlich der wichtigen Thatsache, daß nach Einsetzung des Rahitelvilars in. Breslau es möglich gewesen ist, die bei der dortigen Unizersitãt bereits sehr bedauerte Lücke eines Professors der Dogmatik wieder auezufüllen, so daß nunmehr Breslau es fatho⸗
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ochnun
erer Bedeutung erscheint die Entwickelung, welch krankenpflegenden Orden im Laufe des letzten Jahre mn at, und jwar um so mehr als bei Erörterung des Ar— s 6 der Novelle in diesem Hause behauptet worden ist, daß die
rden auch trotz der Erleichterung des Artikels 6 zum Ausfterben sßeinmungen sein würden. Wie hat sich nun die Sache gestaltet? Auf Grund der, Novelle sind sieben neur Niederlassungen gegründet, darunter in erster Linie die Niederlassung in Guttstadt, welche bier seiner Zeit
Thätigkeit d 1 1.
nmen
SGegenstand vieler Klagen und Erörterungen gewesen ist. In 29 Fällen sind Behörden in der Lage gewesen, Genossenschaften die Aus—
dehnung ihrer Thätigkeit auf die Pflege und Unterweisung von Kin— dern in noch nicht schulpflichtigem Alter zugestatten und über die No— velle hinaus haben die zuständigen Vehörden sie darüber geeinigt; daß die Anzeigepflicht bezüglich der Aufnabme neuer Mitglieder sür die Genossenschaften Erleichterungen erfahren könnte. An 14 Genossenschaften ist bereits in genereller Weise die Ermäch— tigung ertheilt worden, neue Mitglieder aufzunehmen und zwar in einem Umfange, daß nach sorgfältiger Zählung die Ziffer der Neu— aufzunehmenden bereits auf 706 gestiegen ist. ö
ik 66 ware sehr, leiht für mich, das Bild, welches sich aus meinen Darlegungen entwickelt, durch Einzeljüge zu vervollständigen, ich alaube aber keinem Widerspruch zu begegnen, daß, wenn ich nunmehr die Frage aufwerfe, ob es in der That richtig ist, daß die kalholische Kirche in den abgelaufenen 18 Monaten auf Grund der Novelle in ihrer Thätigleit und ihrer Lage verschlimmert ist — daß, fage ich, iese ich boffe, Sie die Frage mil mir verneinen werden. Ez sst allerdings reckt schwer, die eingehende und ingtensive Thätigkeit, welche die Staatsregierung auf diesem Felde geübt hat, anzuer⸗ kennen; etz bat daber die Staatsregierung niemals ber— ascht, daß in den Preßorganen jeder ihrer Schritte mit sehr vielen Fragezeichen und Cirkumflexen versehen worden ist; ich möchte aber
s. L 5 v r 5 8 r .
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gung, namentlich hervorgerufen auch durch die freundlichen Beziehun⸗ gen, welche immer mehr zwischen den provinzialen und lokalen Be— hörden und den Organen der katholischen Kirche eingetreten sind, sowohl mit der fatholischen Bevölkerung als auch namentlich mit der Geistlichkeit in weiten Bezirken unseres Vaterlandes sehr viel freundlichere und sehr viel wohlwollendere Verhältniffe sich heraus⸗ gebildet haben. Indem ich das sage, habe ich in keiner Weise irgend⸗ wie ein Urtheil darüber provoziren wollen, als ob die Regierung eine Anerkennung erwartet. Die Regierung hat es einfach für ihre Pflicht gehalten, die kirchenpolitische Novelle in dem Sinne auszuführen in dem sie seiner Zeit hier berathen und gegeben worden ist, und siẽ hat nie den Anspruch erhoben, daß ihr eine andere Rolle jufiele, als die eines Chirurgen, welcher berufen ist, einen tiefen Schnitt zu heilen, und der die Heilung am besten dadurch erreicht. daß er alle durchschnittenen Gefäße, Nerven und Sehnen so fest und so innig wie möglich wieder miteinander verbindet.
Wenn ich nun dieses Bild vor Augen habe, meine Herren, kön⸗ nen Sie es dann der Staatsregierung verdenken, daß sie in der gegen⸗ wärtigen Situation die Veranlassung in sich fühlt, den Weg, der dieses freundliche Resultat zur Folge gehabt hat, weiter vorwärls zu schreiten, immer weiter den Boden zu ebnen und auszubreiten, auf dem die Pflanze des Friedens wachsen kann? Darüber kann doch unter uns kaum ein Zweifel herrschen, daß es der höchsten Aufmerk⸗ samkeit werth ist, keinen Schritt zu thun, der irgendwie dazu führen könnte, aus dem erzielten Resultate in Frage zu stellen, irgend einen Schritt zu thun, der vielleicht, nach falscher Richtung gethan, zurück⸗ genommen werden müßte. Und wenn Sie auch dieser Auffaffung nicht folgen, was hat es bisher in den abgelaufenen 15 Jahren an festen Momenten gegeben in den parlamentarifchen Verhandlungen oder in den Stimmen der Presse, welche der Regierung die Möglich⸗ keit gewährt hätten, anders als sie es beabfichtigt, die Regulirung der lirchl ichen Verhältnisse weiter zu verfolgen. Erinnern Sie sich der Verhandlungen aus dem Jahre 1880, der Etatsberathung aus dem Jahre 1881 und nennen Sie mir diejenigen Momente, welche von einem gewissen mmnnis opinis getragen, aus den Diskussionen sich als festen Punkt hexauskrhstallifirt hätten. Selbft die Mitglieder derselben Fraktionen ssind in Bezug auf die Zielpunkte zuweilen gänz⸗ lich verschiedener Meinung gewesen und während der Eine nur einen Pauerhaften und festen Frieden als das Ziel erkannte und alle Zwischen⸗ stadien als unnütz und schädlich verwarf, fo haben wieder andere und zwar Mitglieder derselben Fraktion den Waffenstillstand als das einzig. Erreichbare bezeichnet, und ein Dritter hat selbst die Erreichung eines modus vivendi als mit außerordent⸗ lichen Schwieri gkeiten verknüpft, hervorgehoben. Und, meine Herren, blicken wir auf die Presse. Als vor ungefähr 2 Jahren einige Männer der Wissenschaft an Lie Kritik der Maigesetze herantraten, einzelne Fragen herausschälten und einzelne auf ihre Erhaltungswürdigkeit prüften, da fiel, diese Anregung unfruchtbar auf trockenen Boden als später einige Zeitungen dasselbe unternahmen, wurden sie von den ver⸗ schiedenften Seiten auf das lebhafteste befehdet, und nun müssen wir erlehen, daß Blätter, welche noch im Laufe diefes Sommers und Herbstes jede Maßnahme der Regierung zur Erleichterung der kirchen⸗ politischen Lage als ein haltloses Entgegenkommen gegenüber dem Centrum und der Kurie, — wenn ich einen harten Ausdruck wählen . . denunzirten, jede sogenannte Verlegenheit der Regierung, von, der sie glaubten, daß sie bestände — ge⸗ wissenhaft registrirte, — daß, sage ich, dieselben Blätter in den letzten Wochen mit einer Ueberfülle von Konzessionen hervorgetreten sind, so daß der Leser sich unwillkürlich gedrängt fuͤhlt zwischen und hinter den Zeilen zu lesen, und selbst den Blick in eine weitere Zukunft zu richten! Das ist ja nicht zu verkennen, daß. sei es zur Zeit, sei, es aus Anlaß der Reichstagswahl, die Nothwendig⸗ keit und Bereijtwilligkeit zu einer organischen Revision der Maigesetz⸗ gebung vielfach und laut betont worden ist, und daß auch in den zu—⸗ nächst abgelaufenen Reichstagsverhandlungen diese Auffassung einen weiteren Spielraum gewonnen hatte. .
e Wenn Sie aber, den Sachen näher treten und den Vorhang lüften, hinter dem diese Stimmen erschallen, so werden Sie finden, daß greifbares Material, auf welches die Staatsregierung ihre Arbeiten hätte gründen können, in der That nicht gegeben ist, und Widersprüche und Gegensätze auf diesem Gebiet nach wie vor bestehen. Ist das nun richtig, meine Herren, wie können Sie es der Staatsregierung auch verdenken, daß sie im Vollgefühl ihrer Verantwortung treu den⸗ jenigen Weg weiter schreiten will, den sie bisher als einen glücklichen erkannt und erprobt hat, und den sie auch gegenwärtig für den durch⸗ aus beilsamen erachtet.
„„In die Erörterung der inneren politischen Verhältnisse, welche ich hiermit abschließe, drängt sich mit einer gewiffen Bedeutung die Erörterung der sogenannten polnischen Frage hinein. Es ist mir sehr wohl bekannt, daß es alle Zeit unerwünscht gewesen ist, diese Frage hier zur Erörterung zu bringen, die Erörterung zu hören, die Er— örterxung zu veranlassen, aber die Staatsregierung hat sich ihrer Pflicht nicht entziehen können, im vollen Umfange und mit voller Offenheit diejenigen Beziehungen darzubringen, welche zwischen den kirchen⸗ politischen Fragen und der nationalpolnischen Bewegung besteben. Auch, bei aller Rücklsicht in der Diekussion dieser Frage glaube ich die Meinung, aussprechen zu können, daß die Hoffnungen und die Aussichten, von welchen die polnische Be— wegung stets getragen worden ist, noch gegenwärtig in vollem Um⸗ fange besteben und ibren Stachel darin finden, daß dereinst die Gren⸗ jen des Reichs von 1772 wieder hergestellt werden möchten. Es ist selbstverständlich recht schwer die Richtigkeit dieser Bebauptung zuzu⸗ geben für diejenigen Herren, welche die einschlagenden Fragen nur im Allgemeinen kennen lernen aus den Aeußerungen, wie sie hier auf der Tribüne oder auf der Tribüne des Reichstages fallen, und sich des ange⸗ nehmen Umgangs der Mitglieder der polnischen Fraktion erfreuen, aber doch auch diese Herren müssen sich gegenwärtig halten, daß diese Mitglieder der polnischen Fraktion nicht, wie wir anzunehmen geneigt sind, auf Grund unserer preußischen und deutschen Gesetze als Ver⸗ treter des preußischen und deutschen Volkes hier erscheinen, sondern, wie noch kürzlich im Reichstage ausdrücklich bervorgehoben worden ist, als Vertreter des polnischen Volkeg. Dies mag rielen von Ihnen, meine Herren, als harmlos, als etwas nicht gerade Erwünschtes, aber auch nicht als etwas Gesährliches erscheinen, aber alle Diejeni⸗ gen, die mit der polnischen Bewegung, sei es amtlich, sei es auch durch ibren Lebenslauf näher slehen, welche die Bewegung, die mit einer wachsenden Gewalt in den letzten Jahren sich entwickelt hat, aus. eigener Anschanemg kennen, werden mir sehr wobl Recht geben, weng ich sage. daf, tine tiefer gehende Bewegung, eine organtstrtere R wegung seil langen Jahren nicht in dem Umfange bestenden boy *
heutigen Tages. Nicht daß ich behaupten wollte, daß es di⸗ E Mwie und daß bewußte Jiel der Leiter dieser Bewegung ware, in Absicht oder gar verrätherischer Weise an der Eristen; unsei⸗“ Jurbulenter
fu rüttein, aber im Großen und Ganzen becrscht E. Y Vaterlandes allen Erzeugnissen der Presse, in allen Acaßerur= 1 Auffassung in Versammlungen vor; es sei Aufgabe jexed Po 4 beit fentlichen finanziell, intellektuell, moralisch vor ubereit n ic wirthschaftlich, welche in irgend einer Weise an Vas pont ch wn rie großen Zeiten, seine Besreiung zur Folge hab en werden. Eh gie ß; . herantreten und einen Verein, ven den is ellektuellen anzusan ö heut zu Tage kaum und Wirthschaftlichen runter baun 1Fanlanen durch die sonalen
zerunter, on den. Bildungsvereinen und
sistoris Vereine 4 . . 7 historischen Vereinen bis zu den landwirthschastli hen Verelnen