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Bearbeitung des bewährten Werkes von Stopford A. Brooke erscheinen lassen, welche Dr. A. Matthias besorgt und mit Anmerkungen ver⸗ sehen hat. Das Werk behandelt den umfänglichen Stoff in 8 Ka— piteln, welche in präziser kurzer Fassung einen orientirenden Ueber- blick über die Haupterscheinungen der englischen Literatur von den frühesten Anfängen (dem Travellers Song, dem Beowulf und den
Dichtungen Cacdmons und Cyncwulft) bis zum Jahre 1832 bieten.
Zuerst werden die Dichter und Schriftsteller vor der Eroberung durch
die Normannen (670 — 1066) besprochen, dann diejenigen aus der
Zeit nach der Eroberung bis zum Tode Chaucers (1966 —- 1400), dann die von Chaucer bis auf Elisabeth (1400 — 1559), die Literatur unter der Königin Elisabeth (1559 — 1603), vom Tode dieser Königin
bis zur Restauration (1603 — 1660), von da bis jum Tode Pope's und Swift's (1660 — 1745), die prosaische Literatur von da bis zur
französischen Revolution und bis zum Tode Scotts (1745 — 1832); das letzte Kapitel endlich ist der Poesie von 1730 —- 1832 gewidmet. Das schnelle Auffinden des Gesuchten wird durch ein alphabetisches Verzeichniß der Schriftsteller mit Angabe der Aussprache nach dem , . System der Methode Toussaint⸗Langenscheidt und ein
erzeichniß der besprochenen bedeutendsten Schriften und Dichtungen
Lrmöglicht. Das kleine Handbuch dürfte allen Freunden der englischen eiteratur willkommen sein.
— Eine Zeit lang wurde Klopstock von Seite der deutschen Literaturforscher augenscheinlich vernachlässigt, gegenwärtig aber zeigt sich umgekehrt das lebhafteste Interesse an dem Wirken dieses hervor⸗ ragenden Bahnbrechers der deutschen Dichtung. Vor allen wichtig sind die „Klopstock-Studien“ von Richard Hamel (Rostock 1879) ihnen reihen sich würdig an: Franz Munckers Schrift über „Lessings persönliches und literarisches Verhältniß zu Klopstock' (Frankfurt a. M. 1880) und Erich Schmidts Beiträge zur Kenntniß der Klopstockschen Jugendlyrik“ (Straßburg 1880). Mit letzteren berührt sich die Schrift von Jaro Pawel „Klopstocks Oden (Leipziger Periode), ein textkritischer Beitrag zur Literaturgeschichte seiner Zeit! (Wien 1880). Jetzt hat nun Jaro Pawel eine weitere Klopstock-Studie solgen lassen: Friedr. Gottl. Klopstocks Wingolf, kritische Ausgabe nebst Kommentar“ (Wien, Druck und Verlag von Carl Gerold's Sohn, 1882). Wenn irgend eine Ode eines genau eingehenden Kommentars bedurfte, so ist es die schwierige, an Beziehungen und Anspielungen reiche, an die Freunde gerichtete Ode „Wingolf“. Dem eigentlichen Kommentar hat Pawel auch eine sorgfältige Betrachtung des Metrischen hinzugefügt, aus welcher in der That hervorgeht, „daß neben Pindar und Horaz auch Klopstock ein gleich großer Meister in der lyrischen Harmonie“ gewesen ist.
— Allgemeine Brauer⸗ und Hopfen-Zeitung. Das in Nürnberg erscheinende offizielle Organ des deutschen Brauerbundes und des deutschen Hopfenbau ⸗ Vereins, welches nunmehr im XXII. Jahrgange steht, führt von jetzt ab nicht mehr den Titel Allgemeine Hopfen⸗Jeitung“, sondern die obige Aufschrift. Die Reichhaltigkeit und Vielseiligkeit des Inhaltes dieses Blattes machte die bezeichnete Titeländerung nothwendig, denn vielfach führte der alte Titel zu der irrigen Annahme, daß sich das von Hrn. J. Carl in Nürnberg her⸗ ausgegebene und redigirte Blatt vorwiegend nur mit dem Artikel Hopfen befasse, während dasselbe gleichzeitig den gesammten Inter⸗ essen der Brau⸗Industrie Rechnung frägt. Die „Allgemeine Brauer— und Hopfen⸗Zeifung“ erscheint nach wie vor wöchentlich 2—3 mal im großen Jeitungsformat, 8 Seiten stark, und kostet ganzjährig 20 , außerhalb Deutschlands und Oesterreich⸗Ungarns 24 .
Gewerbe und Handel.
Die Blatternepidemie auf Haiti“) ist nach neueren Nachrichten in stetem Zunehmen begriffen und hat namentlich auch in Port au Prinee an Ausdehnung gewonnen. Während daselbst in der Zeit bis zum 10. Januar d. J. täglich etwa 8 bis 19 Personen starben, ist die durchschnittliche Mortalitätsziffer vom 10. bis 20. Ja⸗ nuar auf eirea 25 bis 35 pro Tag gestiegen. Vom 15. auf den 16. Ja⸗ nuar erlagen 47 und vom 17, auf den 18. sogar 51 Personen. Im Ganzen waren in Port au Prince seit dem Ende November oder Anfang Dezember v. J. erfolgten Ausbruch der Krankheit bis zum 20. Januar 3000 Erkrankungsfälle, von denen etwa 500 einen tödt—⸗ lichen Ausgang nahmen, amtlich zur Anzeige gekommen. Die weiße Bevölkerung war, abgesehen von 2 französischen Missionaren, welche sich in Ausübung ihres Berufes der Ansteckung aussetzten, und 2 Kin— dern bisher verschont geblieben. j
— Die amtliche „London Gazette“ vom 14. d. M. enthält den Wortlaut einer vom 10. er. datirten britischen Geheim⸗-Rath⸗ Verordnung, darch welche das zum Zwecke der Verhütung der Ein— schleppung des Colorado⸗Käfers nach Großbritannien im Jahre 1877 ergangene Verbot der Einfuhr von Kartoffelkraut, Blät⸗ tern oder Stengeln aus Deutschland aufgehoben wird.
— Das „Verzeichniß sämmtlicher Mitglieder der Korporation der Kaufmannschaft von Bexlin und, ihrer bei der Korporation angemeldten Handelsfirmen, verbunden mit dem Verzeichniß der bei der Korporation angestellten Beamten, vereideten Makler und Waaren-Taxatoren sowie der vereideten Sachverständigen für das Jahr 1882“ ist, wie alljährlich, von den Aeltesten der Kauf⸗ mannschaft in der bekannten gefälligen Ausstattung herausgegeben worden und in der Börsenregistratur für 1 6 käuflich zu haben.
Dresden, 19. Februar. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Sächsischen Bank beschloß in seiner heutigen Sitzung, der auf den 20. März einberufenen Generalversammlung für 1881 eine Divi⸗ dende von 55 9 / gvorzuschlagen.
Glasgow, 18. Februar. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roh⸗ eisen in den Stores belaufen sich auf 630 900 Tons gegen 523 800 Tong im vorigen Jahre. Zahl der im Betrleb befindlichen Hochöfen 106 gegen 121 im vorigen Jahre.
Verkehrs⸗Anstalten.
Verkehrsverhältnisse auf den Eisenbahnen in Rußland. Die Schneeverwehungen auf der Rjaesan⸗Koslower Eisenbahn sind bereits beseitigt, und gehen die Gütertransporte auf derselben nun wieder unter Beobachtung der rechtzeitigen Lieferfrist vor sich.
) efr. . R. A.“ Nr. 5 d. J.
Berlin, 20. Februar 1882.
In der Sitzung der Anthropologischen Gesellschaft vom Sonnabend legte zunächst Dr. Vater die neuen Bronzefunde vor, die vor Kurzem bei Ausführung von Militärbauten in Spandau zu Tage gefördert sind und die aufs Neue beweisen, daß Spandau und seine nächste Umgebung, d. h. die Stelle, wo die Spree in die Havel mündet, schon in den ersten Tagen menschlicher Ansiedlung in der norddeutschen Tiefebene einen Centralpunkt der Kultur gebildet hat. Die gefundenen Bronzen weisen eine hochvollendete Technik auf; trotzdem scheinen sie, wie aus der Lage, in der sie gefunden, und einem Schädel, der mit ihnen zugleich ausgegraben worden ist, hervorgeht, einer Zeit zu entstammen, die noch vor der germanischen zu setzen sein wird. Die Funde geben somit die erste Runde von einer prähistorischen Periode, die sich bisher unserer Er⸗ kenntniß entzogen hatte. Der vorgefundene Schädel läßt auf eine Rasse schließen, die einen der lappischen Rasse ähnlichen Typus zeigt. Die Fundstelle scheint ein Theil einer größeren Ansiedlung zu sein, die sonstigen Funde ergeben, daß die Bewohner nicht nur Viehzucht, sondern auch Ackerbau getrieben haben. Es sei hier noch bemerkt, daß die Funde bereits dem Königlichen Museum einverleibt sind. — Den zweiten Vortrag des Abends hielt Stadtrath Friedel über die neucren prähistorischen Funde in Berlin. Die Neubauten der letzten Zeit, vor Allem aber auch die Arbeiten an der Tanalisation haben in letzter Zeit wieder eine Menge prähistorischer Objekte an das Tageslicht gebracht. Im schlesischen Busch ist man beim Bau der Villa des Bildhauers Hülcker auf Steinärte, Mast tröge und Reibsteine u. dergl. gestoßen, die sich den bereits früher bei
1340 erkennt, hat man jwischen ausgedehnten Pfahlbauten ganze Wagenladungen von Knochen, namentlich von zwei Rinderarten, da⸗ neben aber auch Artefakte gefunden. Zu beiden Seiten des Rathhauses, in der Jüden wie in der Spandauerstraße, hat man geglättete Steine und Geräthe, darunter auch einen Knochenkamm ausgegraben. Beim Börsenanbau hat man Pfahlbauten, denen in der Stralauerstraße ähnlich, mit Steingeräthen und Thierknochen gefunden und beim Ab- bruch der Spittelkirche endlich hat man neben einer römischen Münze aus der Zeit des Antoninus Pius einen Bärenzahn zu Tage gefördert, ein für die Mark immerhin seltener Fund, obgleich Bären in früherer Zeit in großer Zahl hier gehaust haben sollen. Auch an der Unter⸗ spree, bei der TLüneburgerstraße, an der Panke, beim Steinleinschen Grundstück und in den sogenannten Lieutenantsbergen an der See⸗ straße sind prähistorische Funde gemacht worden.
In der Januar-Sitzung des Wissenschaftlichen Kunst— vereins sprach Professor C. Jessen über Gabriel Max. Ueber diesen Künstler sind die Ansichten überaus verschieden. Nicht blos die Tendenzen seiner Bilder, sondern selbst seine malerischen Leistun⸗ gen sind vielfach angefochten. Dem gegenüber zählt sein neuester Biograph Pecht über 30 bedeutendere Werke auf, welche seit 14 Jah⸗— ren das Publikum meist lebhaft interessirt haben. In diesen hat Max eine ihm eigenthümliche Richtung stets festgehalten und sich dabei eine besondere Malweise ausgebildet. Vor allem wirkt er durch einfaches, groß⸗ artiges Zusammenhalten des Lichtes, welches er auf einen Punkt kon—⸗ zentrirt, um ringsum entweder ein etwas mysteriöses Halbdunkel zu schaffen, oder in anderen Bildern auch die Schattenpartien klar zu durcharbeiten. Er liebt es nicht, Prima zu malen, obschon er dies in einzelnen Bildern mit Erfolg gethan hat, sondern weiß in sehr sicher und zart aufgesetzten Lasuren die feinste Nüancirung durch⸗ zuführen und gerade de durch den Gestalten das ätherische Ansehen zu geben. Ueber das Kolorit herrscht er mit großer Sicherheit, was namentlich in den geisterhaften Gestalten, in denen er das Roth aufs Aeußerste vermeidet, hervortritt, denn immer bleibt auch hier die Farbenharmonie gewahrt. Dagegen läßt sich, was bei Koloristen so oft der Fall ist, an der strengen Korrektheit der Zeichnung wohl manches vermissen, wenn schon von solchen groben Irrungen und Unmöglichkeiten wie bei Makart oder Böcklin nirgends auch nur im Entferntesten die Rede ist. Alle Gestalten sind wohl ge⸗ bildet und, wie Pecht mit Recht ganz besonders hervorhebt, nicht bloße Copien von Modellen, sondern fein idealisirt. Doch er⸗ giebt eine möglichst sorgsame Prüfung auch von Skizzen, Zeichnungen, ja selbst von Holzstöcken, daß scharfe Linien in die Darstellungsweise des Künstlers wenig eintreten. Er scheint vielmehr alle Contouren nur als Farbensäume aufzufassen, was für einen Koloristen allerdings das Allernatürlichste wäre.
Es würde als eine sehr ungenügende Erklärung gelten müssen, wollte man die eigenthümlich-sentimentale Richtung in all diesen Werken blos aus Effekthascherei erklären. Auch ist jedes einzelne so ernst und innerlich erfaßt, daß von Gffekthascherei darin doch, nichts wahrzunehmen ist, man, müßte denn die Spielerei mit den Augen des Christuskopfes dahin rechnen. Aber der ironische und brütende, dem Verkehre abholde Charakter des Künstlers macht es sehr viel, wahrscheinlicher, daß er hier einer zu⸗ fälligen Erscheinung am Bilde zur Verspottung seiner wunder gläubigen Glaubensgenossen voll Fronie etwas nachgeholfen hat. Der Kopf ist, abgesehen davon, völlig ernst und edel, ja ergreifend. Der Grund seiner Auffassung ist viel tiefer zu suchen, zumal wenn man erwägt, daß sein Vortrag durchaus frei ist von jedem Kokettiren mit dem Publikum. In keinem einzigen seiner Bilder, selbst nicht im Christuskopfe, ist auch nur ein Zug aufzufinden, der von etwas anderem spräche, als von tiefem Versenken in den Gegenstand und einem gewaltigen Ringen, die Idee in jedem Pünktchen möglichst vollendet zur Anschauung zu bringen. Max entstammt einer czechischen Künstlerfamilie, und seine Vorfahren, mindestens aber der Vgter, haben an Martyrien ⸗Darstellungen gearbeitet, wie denn auch Gabriel Max, das Martyrium der heiligen Ludmilla und der Julia als erste Bilder malte. Die süddeutschen Martyrien haben aber mindestens schon seit Hans Holbein dem älteren keinen anderen Charakter als den einer allbekannten Station auf dem Wege zur Heiligkeit. Die Nebenfiguren auf den Bildern sehen ruhig zu, denn es wäre ungehörig, ja frevelhaft, die heilige Handlung stören zu wollen.
Hiervon ausgehend, scheint Gabriel Max in einer ganzen Reihe weiblicher Leidensgestalten bewußt die Gebrechen der heutigen Kultur und jwar vorzugsweise die ohne tiefen religiösen Ernst oft haltlose Lage der weiblichen Jugend zum Gegenstande der Darstellung erwählt zu haben. Damit stimmt überein, daß er selbst in seiner Religion einen festen innern Halt bisher offenbar nicht gefunden hat und daß er in den Urzuständen der Menschheit wie in den spiritua— listischen Täuschungen nach diesem Halte anscheinend mit dem tiefsten Ernste, aber natürlich vergebens, sucht. Die Berechtigung solcher Darstellungen ungesühnten Leidens in der Kunst kann für alle Mar— tyrien bestritten werden, wenigstens seitdem man nicht mehr wie der ältere Holbein das Christkind mit einem Korbe voll, Früchten neben die Märtyrerin stellen darf. Bei Gabriel Marx kann man nur die wenigen Bilder ohne Leidenszug, wie die Betende, die barmherzige Schwester mit dem Waisenkinde, die Madonna u. s. w. als Sühne oder Katharsis daneben denken. In diesen letzteren aber ist ein so reiner Zug frommer Hingebung, daß diese Gestalten den edelsten Erzeugnissen unserer Zeit zuzurechnen sind. Auch an dem Tannhäuser im Venusberge ist der Kampf mit der Leidenschaft in edelster Weise dargestellt. Der Tannhäuser meint, in dem schmalen Lichtstreifen hinten über dem tiefblauen Meere den Schimmer der Erlösung zu erblicken, die Venus aber sucht mit dem Zauber ihres Blickes und, sich selbst völlig hingebend, das Ringen nach Freiheit zu bewältigen, wagt aber als Liebkosung nur leise eine Locke zu be⸗ rühren. Diese äußerst fein gezeichneten Seelentiefen scheinen freilich manchem Beschauer nicht ganz verständlich zu sein, so präzis sie auch wiedergegeben sind. Nur der bekränzte Sarkophag und die Odyssee in der Hand des Tannhäuser nehmen sich im Venutberge etwas fremdartig aus.
Als der eigentliche Mittelpunkt seiner Studien stellt sich aber Goethes Faust dar, zu diesem beabsichtigte er schon früh eine ganze Folge von Illustratienen in großen von ihm selbst aufs Holz gezeich⸗ neten Holzschnitten für die Grotesche Buchhandlung hier in Berlin, von denen 10 mit Text von R. Gosche jetzt erschienen sind. Davon liegen 6 in Fausts Studierzimmer, von denen 4 Faust allein zeigen. Dieser ist abweichend von der gewöhnlichen Auffassung dar⸗ gestellt. Er ist bei Marx nicht der scharfe Denker, wie er gewöhnlich erfaßt wird, sondern der ringende von Zweifeln geplagte Mensch, der das Höchste erringen will und doch verzagt. Diese Auffassung ist mit großer Konsequenz durchgeführt und lehrt eine sonst wenig beachtete Seite der Goetheschen Dichtung kennen, denn man kann, wenn man von der hergebrachten Darstellung sich losmacht, nicht leugnen, daß auch diese Seite in Goethe's Werk begründet ist. Die ganz eigenthümliche und doch gänzlich aus der Dichtung geschöpfte, nicht hineingetragene Auffassung ist deshalb als eine Vervollstän⸗ digung unserer bisherigen Ansicht wohl zu beachten und bürgt zugleich für den tiefen Ernst der Werke von Gabriel Max. Großartig ist der Besuch bei der Hexe, ein liebliches Bild liefert der Spaziergang in Marthens Garten. Die Komposition und die Ausführung von Hecht haben hier wetteifernd eine der charakteristischen Mondschein⸗ landschaften geschaffen, alles klar und durchsichtig und doch nur Mondschein. Gretchen in der Kirche und als gerichtete Erscheinung aus dem zweiten Theile bes Faust bilden den Beschluß dieser Darstellungen, neben denen ja viele größere Oelbilder dieselben Ideen verfolgt haben.
Vergebens jedoch sucht man in den bisherigen Werken von Gabrlel Max nach Charakterköpfen. Seine Kunst geht bisher darin auf, Seelenstimmungen darzustellen. Man muß wünschen und hoffen, daß es ihm gelingen möge, aus diesen Stimmungen sich zu männlicher in el hindurchzuarbeiten und solche dann auch aus seinem Innern
Sadowa gemachten Funden De, n. In der Breslauerstraße, wo man noch deutlich die Brandschuttschichten aus den Jahren 1380 und
in feste Formen zu gestalten.
Die Lutherstiftung für die Wittwen und Waisen des Berliner Lehrerstandes hielt am Sonnabend Abend ihre Jahresversammlung ab, die mit dem Gesange des Lutherliedes und Gebet eingeleitet wurde. Die Stiftung hat sich auch im ab gelaufenen Jahre Allerhöchster und Höchster Unterstützungen zu erfreuen gehabt, die mit den Beiträgen der Wohlthäter, den Zinsen u. s. w eine Gesammteinnahme von 10 580 46 ergeben haben. Der Obhut der Stiftung übergeben sind z. Zt. 67 Waisen; 10 sind im Laufe des Jahres hinzugetreten, 10 waren wegen des Alters ausgeschieden, eine verstorben; Z von den 67 Pfleglingen sind noch nicht schul⸗ pflichtig 11 sind außerhalb untergebracht, 12 besuchen hiesige Gemeindeschulen, die übrigen öffentliche und private höhere Lehr— anstalten. Insgesammt sind die Wittwen und Waisen von 38 Familien mit 6121 6 unterstützt worden. Davon wurden ver⸗ wendet 1845 46 zu laufenden Gaben, 695 „ zu außerordentlichen Unterstützungen, 45 „ zu Schulgeldbeihülfen, und 625 6 wurden zu Anfang, des Winters an 35 besonders Bedürftige vertheilt. Durch die Weihnachtssammlung wurde die Stiftung in die Lage versetzt, an Z38 Familien gußerdem 1632 6 zur Vertheilung zu bringen. Ein⸗ schließlich 2880 M, die zur Abrundung einer Hypothek benutzt wurden betrug die Gesammtausgabe 9454 M, fo daß 1236 M Baarbestand verblieb. Der Fürbringerfonds verfügt z. Z. über 1950 6, die Helenenstiftung über 27 180 ; das Gesammtyvermögen der Luther— stiftung beläuft sich dagegen auf 45 900 S, 4350 M mehr als im Jahr vorher.
Der Berliner Asyl. Verein für Obdachlose, der nun⸗ mehr auf eine 13 jährige Thätigkeit zurückblicken kann, hat, auch für das Vorjahr eine gedeihliche Entwickelung der Vexeintthätigkeit zu konstatiren. Die beiden Asyle sind von 104 899 Männern und 21 326 Frauen und Kindern, zusammen also von 126 225 Menschen besucht worden; die Zahl der, Männer ist gegen das Jahr 1860, vielleicht in Folge der äußerst milden Temperatur der Winter⸗ monate, um 5036 zurückgegangen, im Frauenasyl ist dagegen eine Zunahme von 2734 Obdachlosen zu konstatiren. Sehr erfreulich ist es, daß die Benutzung der Bäder bedeutend zugenommen hat: im Männerasyl badeten 19774 oder 18,85 υί aller Aufgenommenen (Ul52 mehr als 1880), im Frauenasyl 1690 oder 792, (259 mehr). Das unausgesetzte Bestreben, für die Verbesserung der sanitären Ver⸗ hältnisse der Anstalten zu sorgen, hat im Laufe des letzten Jahres erhebliche Unkosten bereitet, so daß einer Ausgabe von 30 879 S nur eine Einnahme von 27 816 S gegenübersteht.
Göttingen, 12. Februar. (Gesellschaft für Kirchen— rechtsUwissenschaft.) In der am 9. Januar abgehaltenen Sißung der Gesellschaft wurde zunächst mitgetheilt, daß der für die Zeit bis zum 10. November 1883 neugewählte Vorstand wiederum zum Vor— sitzenden den Geheimen Justiz-⸗Rath Professor Pr. Dove, zu dessen Stellvertreter den Geheimen Justiz-Rath Professor Dr. Mejer, zum Schriftführer den Konsistorial(Rath D. Wagenmann erwaͤhlt hat. Nach 5§. 8 des revidirten Gesellschaftsstatuts sind in den aus neun Mitgliedern bestehenden erweiterten Vorstand kooptirt worden; Land— gerichts-Präsident Roscher, Superintendent Steinmetz und die Pro— fessoren Dr. Weiland und Geheimer Justiz Rath Dr. von Bar; von der Gesellschaft. wurde die vorbehaltene Bestätigung ertheilt. Der Gesellschaft war ein Vortrag ihres auswär⸗ tigen Mitgliedes, des Dr. der Theol. und der Rechte W. Mar⸗ tens in Danzig (früher Regens des Klerikalseminars in Pelplin) überreicht, welcher Gregors VII. Maßnahmen gegen Heinrich JV. be— handelt. — Konsistorial⸗Rath D. Ritschl erörterte darauf die Lage der Verfassung der lutherischen Kirche, welche sich aus Speners Schriften ergiebt, ferner die Stellung zur Kirchenverfassung, welche derselbe den von ihm eingeführten Konventikeln eingeräumt sehen wollte, weiter die zersetzende Wirkung, welche die Rechtfertigung der Konventikel als apostolischer Einrichtung auf die bestehende Verfassung haben mußte, endlich die Veränderung, welche in Folge von Speners Wirken eingetreten ist, daß die Kirche sich nicht mehr als die Form der christlichen Gesellschaft überhaupt behaupten konnte, Eine Be⸗ e ,. dieses Vortrags wurde vorbehalten. — Die Gesellschafts⸗ bibliothek hat wiederum bedeutenden Zuwachs inebesondere durch lite— rarische Geschenke von auswärtigen Mitgliedern erhalten, welche (Nr. 282 —- 343) in der Sitzung vorlagen. Auch sind bereits einzelne Beiträge für den „Eichhorn⸗Fonds“ eingegangen. Von dem Organ der Gesellschaft (der „Zeitschrift für Kirchenrecht“ Neue Folge) konnte Band IJ. Il . Cbeft 1. (200 S.) noch vor Neujahr ausgegeben werden; dasselbe enthält nächst einer Reihe wichtiger Beiträge zur Wissenschaft und Praxis des Kirchen- und Eherechts auch die Gesellschaftsnachrichten (Nr. 4) mit einem Bericht des Vorsitzenden über die bisherige Entwickelung der Gesellschaft und einem Verzeichniß der Gelehrten, welche der Gesellschaft als auswärtige Mitglieder oder Korrespondenten ange— hören. Von 64 auswärtigen Mitgliedern der Gesellschaft — im Deuschen Reich, Oesterreich⸗Ungarn, Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Rußland (Ostseeprovinzen) — sind. 10 Theologen, 40 Juristen, 14 Historiker. 49 auswärtige Mitglieder waren zur Zeit ihrer Wahl Univerfitätslehrer.
St. Petersburg, 19. Februar. (W. T. B,) In der am 17. d. M. stattgehabten Sitzung der hiesigen Geographischen Gesellschaft wurde beschlossen, eine PJolarexpedition aus⸗ zurüsten, welche unter Führung des Lieutenants Andrejeff nach Nowaja Semlja unternommen werden soll.
Athen, 9. Februar. Während die Berichte aus Oesterreich⸗ Ungarn und Deutschland über einen schneelosen Winter, abnorme Wärme und zahlreiches Ungemach in Folge derselben klagen, herrscht bei uns ganz ungewöhnliche Kälte und giebt es hier Schnee in nie gekannten Massen. Noch am 1. Februar, nach dem heißen Sommer⸗ tage, an welchem die Kammer eröffnet worden, betrug die Temperatur im Schatten 18 Grad Cels.', da mit einem Male schlug gegen Abend der frühere leichte Südwind in eine Brise aus Norden um, die Temperatur sank auf — 3 Grad, und ungeheure Schneemassen bedecken durch drei Tage die Straßen Athens, die Tags zuvor wegen ihres Staubes noch besprengt werden mußten. In dem 195 Stunden von Athen am Fuße des Pentelikon liegenden Dorfe Kephissia sant die Temperatur auf — 5 bis 8 Grad und der Schnee lag dort wei Meter hoch, so daß jede Kommunikation unterbrochen war. Seit 1850 erinnert sich Niemand eines solchen Schneefalls.
Am vergangenen Sonnabend Abend hat sich ein Kommando des Eisenbahn⸗ Regiments in der Stärke von 4 Offizieren, 14 Unteroffizieren und ca 100 Mann unter Führung des Hauptmanns Ilse zum Legen von Oberbau auf der Nenbaustrecke Hirschberg⸗ Schmiedeberg per Bahn nach Hirschberg begeben. Die Arhei— ten werden ca. 3 Wochen in Anspruch nehmen; das Kommando be— zieht während dieser Zeit in und bei Hirschberg, Schmiedeberg und Lomnitz Quartier.
Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater wurde die gestrige 32. Aufführung der Operette: „Der lustige Krieg“, welche wiederum vor ausverkauftem Hause stattfand, durch die Anwesenheit Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Wilhelm ausgezeichnet.
— Im Wilhelm -Theater gelangt die Posse Ueber Land und Meer“ nur noch diese Woche hindurch zur w obgleich sich dieselbe trotz der 60sten Vorstellung noch immer vielen Jun erfreut. Die Direktion ist jedoch verpflichtet, laut anderweitigen kortraktlichen Uebereinkommens, das Repertoire zu verändern.
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Redacteur: Riedel.
Berlin:
Verlag der Expedition (Kessel). Druck! W. Elsner Vier Beilagen leinschließlich Börsen · Beilage).
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 44.
Berlin, Montag, den 20. Februar
Aichtamtliches.
Preußen. Berlin, 20. Februar. Im weiteren Verlaufe der vorgestrigen (14) Sitzung setzte das Haus der Abgeordneten die zweite Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts-Etats für das Etatsjahr 1882.83 mit der Diskussion des Etats des Bureaus des Staats⸗Ministeriums (Kap. 44 der Ausgabe 298 610 6) fort. Tit. 1—13 wurden ohne Debatte genehmigt; bei Tit. 14 (Dispositionsfonds für allgemeine politische Zwecke 93 0900 MM) bemerkte der Abg. Richter, dieselben Grundsätze, wie früher, bestimmten ihn auch heute, gegen diesen Fonds zu stimmen. Die prinzipielle Stellung seiner Partei zu der Bewilligung geheimer Fonds wolle er hier nicht erörtern, er gestehe auch jeder Partei das Recht unbeschränkter Agitation zu, nur da⸗ gegen protestire seine Partei, daß Staatsgelder und Staats⸗ beamte zu politischen Agitationen verwendet würden. Er dächte, selbst die Gegner der Fortschrittspartei müßten sich Angesichts der Verwendung dieses Fonds in den letzten Jah⸗ ren zweimal bedenken, ehe sie denselben nochmals bewilligten. Dieser Fonds diene zwei Zwecken, es würden aus demselben erstens die Schriftsteller besoldet, die täglich im literarischen Bureau ihre Instruktionen empfingen und danach Zeitungs⸗ artikel im Sinne der Regierung schrieben. Wohin das fuͤhre, habe ein Vorfall im Reichstage gezeigt, wo ein allgemein als hoch— offiziös angesehener Artikel der „Politischen Correspondenz“, der einen Konflikt prophezeit habe, zu unangenehmen Kon⸗ sequenzen Veranlassung gegeben habe. Wenn dabei die Staats-Minister von Puttkamer und von Boetticher die Ver— antwortlichkeit für die offiziösen Aeußerungen abgelehnt hätten, so sei das formell richtig, denn die Offiziösen schrieben ja in den Zeitungen nur als Privatleute und nicht in amtlicher Eigenschaft. Jeder in die Verhältnisse der Presse Eingeweihte kenne aber die offiziösen Artikel sofort, während das Publikum darin unabhängige Stimmen der öffentlichen Meinung erblicke. Seine Anfrage, ob der Direktor des literarischen Bureaus, Geh. Reg. Rath Pr. Rößler, der Verfasser des Artikels in der „Polit. Corresondenz“ sei, sei im Reichstage unbeantwortet geblieben. Er wiederhole dieselbe daher hier ausdrücklich. Ein Beamter, wie der Direktor des literarischen Bureaus, dürfe doch nicht beliebig priva⸗ tim auf eigene Verantwortlichkeit hin die schwerwiegendsten Aeuße⸗ gen in die Welt schicken, der Mann sei doch von seiner amt⸗ lichen Stellung nicht zu trennen, was derselbe schreibe, falle nothwendig immer auf die Regierung zurück. Man sehe aus dem Vorfall, in welche Verlegenheit die Regierung durch ein solches Bureau gebracht werden könne. Zweitens werde aus diesem Fonds die „Provinzial-Correspondenz“ unterhalten; für diefes Blatt übernehme die Regierung offen die Verant⸗ wortung. Das Urtheil über die Leistungen der „Provinzial⸗ Correspondenz“ sei im Reichstage gefällt worden, wie be⸗ gründet es gewesen sei, wolle er noch an einigen Beispielen zeigen. In einem Artikel vom 21. September 1881 „Fürst Bismarcks Gegner im Auslande“ werde gesagt, daß die Früchte der französischen Kriegskontribution durch die libe⸗ ralen Koryphäen verzettelt seien. Nun seien aber drei Viertel der Milliarden auf des Ministers von Kameke Vorschlag verwendet worden, ein anderer Theil zum Ankauf des Radziwillschen Palais, noch ein anderer zum An⸗ kauf von Eisenbahnen auf Herrn Achenbachs Vorschlag. Das seien also die „liberalen Koryphäen“! In dem Artikel vom 12. Oktober v. J. „Geständniß wider Willen“ würden die Memoiren des Hrn. von Unruh erwähnt und der Artikel schließe mit den Worten: „daß die landesverrätherischen Ab⸗ sichten der Liberalen durch den eigenen Parteigenossen enthüllt worden seien“. Hier beschuldige also das von sämmtlichen Steuerzahlern unterhaltene amtliche Blatt eine große Partei offen eines ehrlosen Verbrechens. Auch das Wort Virchows vom „guten Revolutionär“ sei in gleicher Weise gemißbraucht worden, und doch habe General⸗-Feld⸗ marschall von Moltke ebenfalls im Reichstage von „ehrlichen Revolutionären“ gesprochen. So wenig Graf Moltke mit dem Worte „ehrlich“ für die Ehre der Revolution, so wenig sei der Abg. Virchow mit dem Worte „gut“ für die Güte der Revolution eingetreten. Oder glaube man, daß, wenn zwei dasselbe sagten, es einen Unterschied mache, wenn einer davon Moltke heiße. Der Abg. Virchow habe damals sofort gegen die Mißdeutung seines Ausspruchs protestirt, und hier im Hause habe seitdem Niemand mehr einen Vorwurf deswegen gegen ihn erhoben. Trotzdem habe die „Prov.⸗-Corr.“ in einem Artikel „gute Revolutionäre und Barrikadenkämpfer“ die schlimmsten Insi⸗ nuationen gegen die Fortschrittspartei erhoben und zwar nur auf Grund unehrlicher Citate. (Der Redner setzte nun aus⸗ führlich auseinander, daß die Prov.⸗Corr.“ nur dadurch, daß sie einen Satz aus Virchows Rede aus dem Zusammenhange herausgerissen habe, und den übrigen Inhalt derselben ab⸗ sichtlich ignorirt habe, den Vorwurf revolutionärer Gesinnung gegen die Fortschrittspartei habe erheben können.) Damals hade der Abg. Virchow gesagt: die Fortschrittepartei habe von dem Augenblicke an, wo sie als Parlei auf den öffentlichen Kampfplatz getreten sei, nur einen gesetzlichen Kampf geführt und befürwortet. Wenn man seine Partei als Lobredner der Revolution darstelle, so verneine er dies. Wenn man sich an das Wort „gut“ anhacke, so weise er diese ganze Art der Verhandlung im Parteikampfe zurück. Indem die „Provinzial-Correspondenz“ aus der citirten Stelle das Alles unterdrücke, führe sie gleichwohl an, der Abg. Virchow habe nicht weiter erllärt, was derselbe unter guten Revolutionären meine, der Abg. Virchow sinde es in der Ordnung, wenn man gelegentlich im Barrikadenkampfe auch Andere tödte. Indem man derart ein Citat gerade in entscheidenden Stellen unterdrückt habe, und noch dazu dem Eitirten vorgeworfen e. derselbe habe weiter nichts gesagt, gleichwohl aber einen
chwerwiegenden Angriff konstruire, verfahre man so unanstän⸗ dig, wie ein ähnliches Beispiel aus der gesammten Presse wahrend des Wahlkampfes nicht vorliege. Das sei politische Brunnenvergiftung der schlimmsten Art, und noch dazu in einem Blatte der Regierung. Mit Recht habe der Abg. von Bennigsen im Reichẽtage gerade von der Regierungspresse verlangt, daß sie sich selbst beherrsche, die Wahlbewegung mildere und nicht schärfe. Der Abg. von Bennigsen habe
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1882.
auch Recht, wenn derselbe sage, daß diese Angriffsweise den Gegnern der Regierung mehr genutzt als geschadet habe. Vielleicht fänden nach der Art, wie dieser Fonds verwandt werde, auch Manche, die grundsätzlich einen anderen Stand⸗ punkt verträten, es diesmal für angezeigt, gegen denselben zu stimmen.
Hierauf ergriff der Vize⸗Präsident des Staats⸗-Ministeriums von Puttkamer das Wort:
Meine Herren! Die Bewilligung geheimer Fonds zu politischen Zwecken wird ja in der Regel als eine Vertrauenssache betrachtet. Ich bin nun viel zu vorsichtig, um hier die Vertrauensfrage zu stellen, sondern ich meine, das hohe Haus kann sein Votum über diesen Fonds nach einem anderen Gesichtspunkte einrichten. Ich möchte nämlich glauben, die Frage so formuliren zu dürfen, daß ich meine, nur diejenigen Mitglleder des hohen Hauses, welche alle Brücken zwischen sich und der Staatsregierung als abgebrochen betrachten, mögen gegen diesen Fonds stimmen; alle Diejenigen, welche Vertrauen zu der bisherigen Führung der Regierung gehabt haben, oder welche wenigstens die Brücke zwischen sich und ihr nicht als abgebrochen be— trachten, werden hoffentlich für den Fonds stimmen.
Run will ich mir zunächst von den zwei Theilen, aus welchen die Ausführungen des Hrn. Abg. Richter bestanden, erlqduben, den ersten zu beleuchten, nämlich die Rothwendigkeit und Wirklamkeit des soge— nannten literarischen Bureaus. Er hat hier eine Frage wiederholt, die schon im Reichstage gestellt war nach dem Verfasser des viel— berufenen Artikels in der Wiener „Politischen Correspondenz“. Meine Herren, ich bedauere, in dieser Beziehung seinen Wünschen nicht nachkommen zu können; es gehört nicht zu meinen Berufsge— schäften, der Autorschaft anonymer Correspondenzen auswärtiger Blätter nachzuspüren, es sei denn, daß ein besonderer disziplinarischer Anlaß dazu fei, was hier meines Wissens nicht der Fall ist. Uebrigens will ich nicht unterlasfen., anzuführen, daß ich nachträglich diesen Artikel auch gelesen habe und der Meinung bin, daß er diejenigen verhängnißvollen Dinge, welche neulich in der Verhandlung dem Reichskanzler unterstellt wurden und welche der Hr. Abg. Richter heute auch wiederholt ans Licht geführt hat, nicht enthält. Es enthält ein Referat über er— hebliche in Preußen bestehende Meinungsverschiedenheiten über Ver—⸗ fassungsfragen, und das Wort „Konflikt“ ist, meiner Auffassung nach in diesem Ärtikel keineswegs in dem Sinne eines irgendwie drohenden Verfassungskonflikts gemeint, sondern in dem gewöhnlichen bürgerlichen Sinne des Konflikts von Ansichten. Ich bin der Meinung, meine Herren, und ich bin darin auch durch die heutige Rede des Hrn. Abg. Richter bestärkt worden, daß man bei den damaligen Reichstagsver⸗ handlungen geglaubt hat, einer Anlehnung, einer Anknüpfung zu be⸗ dürfen, um gewisse schwarze Verdachtsgründe zu motiviren und daß man in Ermangelung einer anderen Handhabe, sich an diesen zufällig in denselben Tagen erscheinenden Artikel angelehnt hat. Also ich kann diesen Punkt wohl als erledigt erachten.
Nun, was das literarische Bureau an sich betrifft, meine Herren, so wäre es ja möglich gewesen, daß eine Debatte darüber sich schon bei dem Tit. 4 dieses Kapitels entwickelt hätte, wo von der eigent⸗ lichen, im Etat ausgeworfenen Stelle, nämlich der des Direktors des literarischen Bureaus und eines Kanzleisekretärs die Rede, ist, Der jetzt zur Diskussion stehende Art. 14 enthält ja nur ein Pausch⸗ quantum, welches im Falle bewilligt und verrechnet werden wird, Indeffen, obgleich ich nun der Meinung bin, daß die Regierung nicht die Verpflichtung hat, über die Verwendung von geheimen Fonds hier Rechenfchaft abzulegen, wenn sie überhaupt bewilligt werden, so nehme ich doch gar keinen Anstand die ganz offenkundige Einrichtung des literarischen Bureaus hier noch einmal auszuführen.
Meine Herren! Das literarische Bureau ist eine ganz harm⸗ lose und unverfängliche Einrichtung, die ihren nächsten Zweck darin hat, für die Allerhöchsten Stellen jür die Minister und andere Beamte, welche mit der Presse und deren Erzeugnisse amtlich zu thun haben, besonders interessirende Artikel auszuschneiden und vorzulegen, also eine rein informatorische Thätigkeit. Von der Nothwendigkeit einer solchen Einrichtung wird sich ein Jeder überzeugen, der nur unseren parlamentarischen Berathungen beiwohnt. Ich kann wohl sagen, daß ich in dem früheren Ministerium sowohl als auch in dem jetzigen einen großen Theil meiner Zeit — und ich glaube zum Nutzen des Landes — dazu verwendet, diejenigen Preßerzeugnisse, welche sich über Gegenstände meines Ressorts verbreiten, weiter zu verfolgen. Man kann ja der Presse im Allgemeinen nur sehr dankbar dafür sein, daß sie dergleichen Dinge auch in Erörterung zieht. Jeder Minister wird mit Freuden die Gelegenheit ergreifen, wenn die Informationen sich ihm als richtig erweisen, den auf solche Weise gegebenen Anregungen nachzugehen.
Der andere Theil der Beschäftigung des literarischen Buregus besteht darin, die Presse mit einer Information über die in der Re⸗ gierung vorhandenen Ansichten und Anschauungen zu versehen. Es ist das eine Einrichtung, die sich im Allgemeinen — ich glaube auch hierfür auf das Urtheil der Oeffentlichkeit mich berufen zu können — als nützlich erwiesen hat. Eine sehr erhebliche Zahl großer voll⸗ kommen selbständiger Tageblätter nimmt mit Freuden einen solchen Wink, eine solche Andeutung aus den Regierungskreisen entgegen, um daran ihre Informationen zu knüpfen, und die bezüglichen Gegen— stände weiter zu behandeln.
Dann hat dat literarische Bureau noch eine dritte Thätigkeit auszuüben, die allerdings weniger erfreulich ist. Es ist, meine Herren, die des Dementirent. — Ich muß doch sagen, in nicht unerheblicher Theil der deutschen Presse ist recht fruchtbar in solchen Erzeugnissen, welche man mit der Bezeich⸗ nung „andichten! wohl am treffendsten benennt; über Intentionen und Mehrangaben der Regierung erfahren wir sebr häufig da Dinge, von denen in Regierungskreisen nicht das Allermindeste bekannt ist. Und daß das eine fehr verhängnißvolle Seite der Thätigkeit der Presse ist, kann ich mit meinem Zeugniß belegen. Ich will, ohne daß ich dieses Beispiel als tvpisch hinstellen will, Ihnen vorführen, wie das in so solchem Fall zugeht. Es erscheint ein Zeitungsartikel: Man schreibt uns aus München oder vom Rhein, es sollen, Gerüchten zu⸗ folge, die im Jahre 48 abgeschafften geheimen Konduitenlisten über die Lehrer wieder eingeführt werden; an der Sache selbst ist absolut kein wahres Wort. Am nächsten Tage verdichtet sich diese Fabel schon in einigen anderen Zeitungen dahin: „Aus positiver Quelle geht uns die Nachricht zu u. J. w.“ Nun heißt es, wenn die Regierung dazu schweigt. zwei Tage säter: Das verlegene Schweigen der Dffiziösen deutet darauf hin, daß unsere neuliche Nachricht vollkommen richtig war, also wir konstatiren hiermit, daß die geheimen Konduitenlisten wieder eingeführt sind. Dementirt die Regierung, was sie natürlich thun muß, dann heißt es wieder in einer anderen Correspondenz: „Es muß doch an unserer Mittheilung von neulich wegen der Konduiten⸗ siste etwas wahres sein, denn sonst würde die Regierung sich nicht so überaus beeilen, sie zu dementiren.“
Meine Herren! So sehen Sie, wie die Regierung auf allen Seiten durch solche Arsikel in die Enge getrieben wird, und ich denke, Sie werden es ihr nicht verargen, wenn sie die ihr anvertrauten Staatsgelder, zum Theil wenigstens, auch darauf verwendet, um sich gegen solche insidiöse Art der Angriffe zu schützen. Ich bin also der Meinung, daß die Seite der Sache, welche jetzt der Hr. Abg. Richter zuerst erörterte, nämlich die nach seiner Meinung so ungemein schäd⸗ liche Wirksamkeit des literarischen Bureaus das hohe Haus nicht ab—=
Ich komme nun auf den zweiten Theil der Ausführungen, auf die „Provinzial⸗Correspondenz?.
Daß der Hr. Abg. Richter bei der Schilderung der Thätigkeit der Provinzial ⸗Correspondenz“ seinen Pinsel in die allerschwärzesten Farben tauchen würde, habe ich mir wohl gedacht; es ist dies nur ein integrirender Theil desjenigen Systems, welches die Fortschritts⸗ partei in der hinter uns liegenden Epoche lebhafter politischer Be⸗ wegung konsequent durchgeführt hat, nämlich für sie ist Alles erlaubt, die maßloseste Form der Kritik, die heftigste Art des Angriffs gegen die Regierung und auch gegen andere Parteien ist ihr gestattet; so wie aber irgend Jemand sich seinerseits die Freiheit nimmt, die Fort⸗ schrittspartei einmal daran zu erinnern, daß auch sie ihre Schwächen hat, schäumt sie über von sittlicher Entrüstung.
Meine Herren, ich erkenne nun meinerseits an, daß die Re⸗ gierung, wenn sie eine offiziöse Presse unterhält, mehr wie die Parteien die Verpflichtung hat in der Form Maaß zu halten, und ich kann hier die Erklärung abgeben, daß, trotzdem ich die Verantwortung natürlich zu tragen habe, — die kann ich ja nicht ablehnen, — daß einzelne Ausdrücke in einzelnen Artikeln der Provinzial⸗Correspon⸗ denz“ aus jenen Monaten vom Juni bis Oktober v. J. nur motivirt werden können — durch die Hitze des damals wogenden WahIl⸗ kampfes, und daß ich seitdem Sorge getragen habe und fernerhin Sorge kragen werde, daß die „Provinzial-Correspondenz“ sich wirk⸗ lich objektiv beleidigender Ausdrücke enthält. Dafür übernehme ich die Verantwortung und danach wird verfahren werden, aber, meine Herren, nun bitte ich doch noch eins zu erwägen. Wenn der Hr. Abg. Richter hier mit so großer Entrüstung von den Artikeln der „Pro⸗ vinzial-⸗Eorrespondenz“ spricht, so möge er mir es auch nicht ver— übeln, wenn ich ihm darauf erwidere, die Fortschrittspartei — ich spreche natürlich nicht von Personen, sondern von Parteien, über die man ja unumwunden ein Urtheil aussprechen darf — die Fortschrittspartei leidet doch sehr an dem Fehler, der mit dem Schriftwort am prägnantesten ausgedrückt wird, sie sieht nicht den Balken im eigenen Auge, aber stets den Splitter im Auge des Anderen.
Der Hr. Abg. Richter sprach davon, daß die Provinzial⸗Corre⸗ spondenz“ und ihre Thätigkeit zu einer gewissen politischen Brunnen⸗ vergiftung führt — ich glaube sogar der Ausdruck ist nicht Original, er hat ihn einmal vem Reichskanzler entlehnt, aber, meine Herren, wenn ich mir vergegenwärtige, was die Fortschrittspartei in dem hinter uns liegenden Wahlkampf in Bezug auf Terrorismus, Agi⸗ tation, Verunglimpfung des Gegners, Verhetzung der Volksklassen gegen einander geleistet hat, dann, meine Herren, bin ich der Mei⸗ nung, daß die Artikel der „Provinzial⸗Correspondenz“ sich zu diesen Leistungen etwa so verhalten, wie das Rieseln eines Wiesenbachs zu einem gewaltigen Katarakt.
Meine Herren, jeder Wahlkreis ist ja Zeuge davon, jede fort⸗ schrittliche Versammlung, möchte ich sagen, hat uns ja eklatante Be⸗ lege dafür gegeben, und jeder fortschrittliche Wahlaufrauf, — ich denke, wir werden uns beim Ministerium des Innern über diese Sache noch unterhalten —, hat klar an den Tag gelegt, daß es der Fortschrittspartei allerdings um Erringung des Sieges, aber um Er⸗ ringung des Sieges unter Anwendung einer großen Anzahl unerlaubter Mittel, zu thun gewesen ist.
Meine Herren, worauf hat denn diese Partei — ich spreche hier nicht von dem Verhältnisse zur anderen Partei, sondern von dem Verhältnisse zur Regierung ihre Angriffe hauptsächlich gerichtet? Ich glaube, in dem, was ich sage, wird keine Uebertreihung gefunden werden können, sondern die Herren, welche sich eingehend mit dem Wahlkampf zum Reichstage beschäftigt haben, werden es mir be⸗ stätigen müssen. Also, wie sie mit den anderen Parteien umge⸗ sprungen ist, darüber erlaube ich mir, kein Urtheil, es ist nicht meine Sache, das zu beurtheilen, ich denke, diese Parteien, vielleicht auch die Herren Nationalliberalen, werden noch Gelegenheit haben, in dieser Richtung mit der Fortschrittspartei sich auseinander⸗ zusetzen. Aber in ihrem Verhältniß zur Regierung, meine Herren, ist fie fystematisch darauf ausgegangen, in dem Volke das Vertrauen zu der Ehrlichkeit und dem guten Glauben zur Regierung zu unter⸗ graben, sowohl in Bezug auf die Wirthschaftspolitik, als auch in Bezug auf die allgemeinen politischen Verhältnisse. Wenn es möglich und zulässig sein soll, daß eine wirthschaftspolitische Reform, welche, ausgegangen von der Reichsregierung, erörtert im Parlament, angenommen von der großen Mehrheit der Volksvertretung, von Koryphäen der Partei ohne Weiteres als eine nichtswürdige Interessenpolitik charakterisirt werden darf, als eine Politik, welche darauf hinausläuft, nicht etwa blos thatsächlich, sondern bewußt den Egoismus zu unterstützen, die Selbstfucht der wohlhabenden Klassen gegenüber den ärmeren wachzu⸗ rufen, darauf hinausläuüft, den Großgrundbesitz, die Großindustrie zu bereichern auf Kosten der Bedürftigen und der Armen — ich wieder⸗ hole, meine Herren, nicht als thatsächliche Folge, sondern als bewußte Äbficht, — dann bin ich berechtigt zu behaupten, daß eine solche Art von Polemik dem Begriff der Loyalität nicht entsprechend ist. — Aber damit hat man sich noch gar nicht mal begnügt, sondern man ist so weit gegangen, diese Wirthschaftspolitik anzuknüpfen an den Eigennutz des Einzelnen; ich werde Ihnen davon gleich einen Beweis liefern.
Versetzen Sie sich einmal in die Provinz Westfalen in eine dort stattgehabte Wahlversammlung; da sagte ein berühmter Vol ksredner zu dieser Versammlung, indem er von der Aufhebung der Eisenzölle im Jahre 1873 spricht, Folgendes:
Meine Herren, wer hat denn eigentlich diese Zollaufhebung veranlaßt? Niemand anders als Fürst Bismarck selbst. Der⸗ selbe ist bekanntlich ein Großgrundbesitzer. Er hatte sich im Jahre 1873 für seine Landwirthschaft Maschinen aus England kommen lassen und bekam nun auf einmal eine Rechnung von 1260 Thalern über Zölle. I! der Teufel, denkt er, was ist denn das, daß meine Maschinen so besteuert werden? und es dauerte nicht 8 Tage, da hatten wir im Reichstage zu unserer großen Ueberraschung einen Gesetzentwurf zur Berathung, betreffend die Aufhebung der Eisenzölle.
Soll ich Ihnen nun dramatis personae und den Schauplatz nennen? Schauplatz Iserlohn — Festredner der Abg. Richter, und die Wählerschaft, die ihm für diese unqualifizirbaren Aeußerungen stürmisch zugejauchzt hat, ist dieselbe, welche den Abg. Langerhans in den Reichstag geschickt hat.
Meine Herren, was soll man zu einer solchen Art von Agitation sagen! Der erste Diener Sr. Majestät des Königs — ich will hier bie Verdienste des Fürsten Bismarck mit keinem Wort berühren — muß es sich gefallen lassen, daß seine Initiative zu gesetzgeberischen Maßregeln unter den Gesichtspunkt des schnödesten privaten Eigen⸗ nutzes gestellt wird. (Abg. Richter: Nicht wahr!) Nun, meine Herren, wenn das als „nicht wahr“ bezeichnet wird (Abg. Richter: Rein !), dann bitte ich Sie, sich nur den Wortlaut zu vergegenwärti⸗ gen von dem, was ich angeführt habe. Ja, meine Herren, böse Bei⸗ spiele verderben gute Sitten; das von dem Abg. Richter gegebene Beispiel hat dann natürlich auch dem Fürsten Reichskanzler gegen⸗ uber seinen Widerhall gefunden in einem Berliner Blatt. Das hat sich natürlich gesagt, wenn der Abg. Richter den Reichskanzler auf seinen Eigennutz angreifen kann, dann wirst du ihn mal in Bezug auf seine Ehre und seinen Charakter angreifen, und sagt nun Fol⸗ gendes:
In Wahrheit ist die Forderung des Reichskanzlers, (Fürst
halten sollte, für den geheimen Fonds zu stimmen.
Bismarck von seinem 37 gar keine Forderung des Liberalismus, gar keine Forderung der Fortschrittspartei, sondern lediglich eine
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