1882 / 49 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 25 Feb 1882 18:00:01 GMT) scan diff

Vorgehen gegen von Bennigsen dem Gerichte nicht habe präjudiziren wollen, * ihm unverständlich. Der Minister wolle bei Strafmaßen bis zu zwei Jahren nicht eingreisen, glaube derselbe denn bei höheren Strafmaßen nicht zu präjudiziren? Wenn man erwäge, daß das Flugblatt und das Präsidial⸗Reskript 24 Stunden auseinander dalirt seien, so ergebe sich, daß es ein ganz gemeinschaftliches politisches Vor⸗ gehen der Regierung gewesen 9 bei dem der Landrath nur das unschuldige Werkzeug gewesen sei. Und schließlich hätte doch die Untersuchung und das Urtheil der Landschaft über Hrn. Berling auch präjudiziren müssen. Der Grund des Ministers sei nicht stichhaltig und die Verfetzung des Landraths von Bennigsen stehe eher einer Beförderung als einer Disziplnarstrafe gleich. Wenn der . von Bennigsen von jeder autoritativen Stellung ausgeschlossen sein solle, wie komme es denn, daß derselbe nach den Zeitungen beim Sozialistenprozeß in Posen als Vertreter des Polizeipräsidiums fungirt habe? Es hätte auf die Sozialisten einen eigenthümlichen Eindruck machen müssen, wenn da ein Mann als Vertreter der Polizei erschienen sei, der viel schlimmere Dinge gethan habe, als einem Theil von ihnen nachgewiesen sei. Er wünsche, daß dieselbe milde Behandlung wie Herrn Bennigsen gegenüber auch anderen Beamten zu Theil würde, die sich weit weniger Gravirendes hätten zu Schulden kommen lassen. Er habe die vom Abg. Dirichlet angeführten Fälle in feiner Partei nicht vorher einzeln geprüft, hielte deren Erwähnung aber für noth⸗ wendig, um zu beurtheilen, ob der Nichtbestätigung eine neue Verwaltungsmaxime zu Grunde liege. Die Angaben des Abg. Dirichlet hätten sich als richtig erwiesen mit der einzigen Aus⸗ nahme, daß, wie der Minister des Innern gesagt habe, nicht ein Kreistagsmitglied, sondern ein Amtsvorsteher die Ursache der Denunziation gegen Ahrens gewesen sei. Von ihm sei die Sache soweit nachgewiesen worden, wie es eine Partei überhaupt könne. Eine Partei könne nicht Zeugen vernehmen und aktenmäßiges Material herbeischaffen, das fei die Sache der Regierung. Die einstimmige Wiederwahl des Hrn. Ahrens beweise doch, daß dem Kreise nichts Ehrenrühriges von ihm bekannt gewesen sei, und wenn derselbe selbst verlange, daß die Sache hier öffentlich verhandelt werde, so müsse demselben nichts Schlim⸗ mes bewußt sein. Der Vorwurf des Ministers, der Abg. Dirichlet habe durch diese Dinge die Wahl des Landraths von der Marwitz in Frage stellen wollen, sei unbegründet. Der Abg. Dirichlet habe diesen Vorgang im Landrathsamt nicht heute, sondern bereits am 21. Februar mitgetheilt und habe hinzugefügt, der Ober⸗-Pröäsident habe, auf die Beschwerde des gesammten Kreisausschusses entschieden, daß nichts Gravirendes vorliege. Nicht politische Abneigung gegen den Landrath, sondern die Art seiner Geschäftsführung, die Verschleppung der Entscheidungen habe den Grund zur Be⸗ schwerde abgegeben. Wenn der Minister dieselben auf poli— tische Gründe zurückführe, so sei das eine Insinuation, sür die ihm jeder parlamentarische Ausdruck fehle und die er, wenn sie noch ein Mal vorkommen sollte, mit noch viel größerer Entschiedenheit wie heute zurückweisen werde.

Hierauf nahm der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums von Puttkamer das Wort:

Ich habe nur Veranlassung, auf einige Punkte der Rede des Hrn. Abg. Richter einzugehen, ohne weiter von dem Schluß derselben sehr erheblich berührt worden zu sein. Es scheint immer noch nicht klar gestellt zu sein, aus welchen Informationen der Ober-⸗Präsident von Horn sein Material geschöpft hat zu der Verfügung, durch welche er die Bestätigung des Hrn. Ahrens als Kreisdeputirter zurückgewiesen hat. Hier ist, von Denunziationen absolut keine Rede, sondern ein amtlicher Bericht desjenigen Amtsvorstehers in diesem Bezirke, wo Hr. Ahrens wohnt und wenn das etwa zur Beruhigung von Hrn. Dirichlet beitragen sollte, eines Amtsvorstehers, welcher der politische Freund von Herrn Ahrens ist. Das ist von einer Denunziation so weit entfernt als irgend etwas. Dieser Bericht hat Veranlassung gegeben, die Nichtbestätigung auszusprechen. Dieser Bericht enthält Thatsachen, welche der Amtsvorsteher in Ausübung seines Amtes ermittelt hat und er hat überdies sich bereit erklärt, diese Angaben zu beeidigen. Ich kann also in keiner Weise finden, daß eine Spur von Berech⸗ tigung vorhanden ist, die Zuverlässigkeit der Grundlagen zu bezweifeln, auf welche der Ober-Präsident sich stützt. Herr Richter hat nun noch insinuirt, daß das Zusammentreffen fast des Tages zwischen dem Erscheinen des Flugblattes und dem Erlaß des Ober⸗Präsidenten an die Ritter⸗ und Landschaft auf ein Komplott zwischen Landrath und Ober-Präsidenten hinweise. Ich erkläre das für eine durchaus ungehörige Insinuation. Ich habe das Wort des Ober⸗-Präsidenten dafür, daß er dem Flug⸗ blatt durchaus fern steht. Was die Konfliktserhebung anbetrifft, so steht hier die Sache sehr einfach. r, Richter hat selbst anerkannt, daß die Königliche Regierung in Schleswig nach stattgehabter Prü⸗ fung den Konflikt zu erheben abgelehnt hat. Aber daß sie sich die Prüfung des Falles und die Einforderung der Akten vorbehalten mußte, das finde ich ganz in der Ordnung. Eine so schwere Beschuldigung, die zu schwerer gerichtlicher Verurtheilung führen kann, erfordert doch, daß die vorgesetzte Dienstbehörde wenigstens das Material prüft, auf Grund dessen der ihr untergebene Beamte wie ich hier wiederholt anerkennen will allerdings ungerechtfertigt derartige Beschuldigun⸗ gen erheben konnte. Denn, wenn sie sich überzeugt hätte, nicht nur von seinem guten Glauben, sondern auch von der objektiven Richtigkeit seiner Behauptungen, dann könnte allerdings der Fall eintreten, daß sie genöthigt wäre, von dem über die Erhebung des Konflikts in dem Gesetz vom Februar 1854 den höheren ,,, , ten Befrgnissen Gebrauch zu machen. Ich kann also in dieser Bezie⸗ hung keinen Vorwurf der Regierung machen. Im Nebrigen ist der Landrath von Bennigsen-⸗Foerder jetzt in eine Stellung gebracht ich wiederhole das ausdrücklich die von irgend einer autoritativen Bedeutung völlig entfernt ist und die Bemerkung des Abg. Richter, daß sein neuliches Auftreten in dem Posener Prozeß mit dieser meiner Angahe im Widerspruch stehe, kann ich dahin berichtigen, daß er . Prenth nicht als Vertreter des Polijeipräsidiums, sondern als Zu— zörer beigewohnt hat, er war beauftragt, den Polizei⸗Präsidenten von Posen über den Gang des Prozesses Bericht zu erstatten. Es spielt überhaupt das Paglijei⸗Präsidium in diesem Prozesse gar keine Rolle, es gab nur Angeklagte und Zeugen und die Funktion, die der Land⸗ rath von Bennigsen dabei versah, ist durchaus unverfänglich, ich möchte sie eines Reporters bezeichnen.

Der Abg. von der Marwitz bemerkte, die Diskussion habe auf ihn den Eindruck gemacht, als ob man nicht im preußischen Landtage sondern im Lycker Kreistage säße. Der Landtag habe viel größere Aufgaben zu erfüllen, als seine kostbare Zeit mit Details aus der Kreisverwaltung zu vergeuden. Der Abg. Dirichlet scheine es darauf abzusehen zu haben, diejenigen ostpreußischen Beamten, die dem Dause angehörten, wegen ihrer amtlichen Thätigkeit an⸗ ugreifen, um sie hier bloß zu stellen. Die Auffassung des e Dirichlet über seine amtliche Thätigkeit sei für ihn voll⸗ kommen werthlos. Die Beurtheilung über das, was er leiste, stehe lediglich seiner vorgesetzten Behörde zu. Das Diskredi⸗ tiren vor der Regierung fürchte er 2. nicht. Dem Abg. Dirichlet komme es auch mohl nur darauf an, ihn vor seinen Wählern zu digkreditiren. Die Reden des Abg. Dirichlet seien reine Wahlreden. Aber derselbe sei auch da hinein ge⸗ fallen, denn seine Wähler würden nach wie vor ihrem Land⸗

Haus getragen worden.

rath folgen und nicht dem Abg. Dirichlet, dem Bauern par excellence. Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, man habe sich über den heftigen Ton im Hause beklagt. Dieser Ton sei nicht von der Rechten, sondern von der linken Seite in das Gerade von dort erfolgten täglich Angriffe auf die Regierung im Anschluß an die bevorstehenden Wahlen von demselben Mann, der noch kürzlich in Bezug auf die Erbschleicherei der Pastoren etwas mangelhaft dagestanden habe, der behauptet habe, Fürst Bismarck habe aus persönlichen Interessen die Aufhebung der Eisenzölle durchgesetzt und der mit derselben Entrüstung sich gegen den Justiz⸗Minister beschwert habe, derselbe habe einen Reinigungsprozeß in der Staatsanwaltschaft vorgenommen, diese Behauptung aber als vollständig hinfällig habe widerrufen müssen. Trotzdem werde frisch und fröhlich in demselben Ton weitergekämpft. Gewiß schüttele man im Volke den Kopf über den Ton der Verhandlungen, aber nicht über die Rechte. Der Abg. Rickert meine, das Haus übe gerade hier die Kontrole der Verwaltung. Dieser Grundsatz sei falsch. Es sei allerdings das Recht und die Aufgabe des Hauses, Beschwerden aus dem Lande hier vorzutragen und auch möglichst zu begründen. Wenn das Haus aber die Kontrole über die Landesverwaltung in einem solchen Umfange übe, dann führe es ja eigentlich die Verwaltung. Seine Partei wolle sich in den Grenzen halten, die dem Hause zugewiesen seien. Der Fall Berling hätte eine so weitgehende Erörterung nicht nöthig gemacht, weil derselbe einer sehr allgemeinen Vexurtheilung bereits unterliege. Gleichwohl möchte er dem Minister anheimgeben, ob nicht jetzt, nachdem die Akten klar vorlägen, die letzten Konsequenzen zu ziehen wären und er spreche es offen aus, daß er nicht im Stande sei, sich für den Erlaß des Ober⸗Präsidenten zu erwärmen. Er möchte aber doch davor warnen, aus einem derartigen traurigen Zwischenfall einen Schluß auf die Ver⸗ waltung selbst zu ziehen. Wenn alle Mitglieder des Hauses Kinder eines Landes seien, so hätten sie auch die Pflicht, die Autorität der Beamten zu schützen und dies geschehe nicht durch so weit gehende Verhandlungen über Ver ältnisse, die schon entschieden seien. Dem Abg. Rickert schlage er einen Pakt vor: er werde demselben seine Ministerkandidatur nicht mehr vorwerfen, dann möge aber auch der Abg. Rickert per⸗ sönliche Apostrophen gegen ihn (den Redner) unterlassen.

Der Abg. Richter erklärte, wenn er in der Hitze der Debatte sich zu einem Ausdrucke habe verleiten lassen, der nicht passend sei und wenn er dann nach besserer Ueberzeugung diesen Ausdruck zurücknehme, so sei es nicht loyal, darauf wieder zurückzukommen. Hierher gehöre auch seine Rede zu Iserlohn, und seine Aeußerungen betreffs des Verbrecher⸗ albums von Geistlichen. Wolle der Abg. Stöcker etwa wieder mit ihm anbinden, daß sein Freund von Minnigerode wieder auf den Ausdruck Erbschleicherei zurückkommen sei? Was habe das mit der Sache zu thun? Er habe in einer Versammlung gesagt, daß in allen Ständen Verbrecher vorkämen und daß man durch eine Zusammenstellung aller Fälle von Betrug, Verführung und. Erbschleicherei, die Geistliche begangen hätten, ein Verbrecheralbum zusammenstellen könnte. Solle er dem Hause nun etwa Fälle von Erbschleicherei von Geistlichen vorführen? Solle er etwa auch Verführungs⸗ geschichten von Geistlichen erzählen? Das Eine wäre so falsch wie das Andere. Wenn er sage, es kämen in allen Ständen Verbrechen vor, so habe er parlamentarisch keine Veranlassung, hier eine chronique scandaleuse zu entrollen. Zur Sache selbst bemerke er, daß der Abg. von der Marwitz, der gewisser— maßen als Mitangeklagter erscheine, am allerwenigsten berech⸗ tigt sei, dem Hause einen Rath zu geben, womit dasselbe sich beschäftigen solle. Wenn der Beamte, der angegriffen werde, zufällig Mitglied des Hauses sei, so dürfe man sich nicht be⸗ klagen, derselbe sei ja sofort in der Lage, die Angriffe selbst zu entkräften. Er habe auch gedacht, der Abg. von der Marwitz würde das thun, derselbe habe sich aber mit einem allgemei⸗ nen Tadelsvotum begnügt über die Vergeudung der kostbaren Zeit. Daß demselben die hier gehaltenen Reden beim Minister nicht schaden würden, daran zweifele er nicht, dazu brauche derselbe das Wort nicht zu ergreifen. Er habe von der Ver⸗ waltung des Abg. von der Marwitz keine Kenntniß, er müsse aber sagen, wenn seine Verwaltung nicht besser sei, wie seine Reden, dann könne er den Kreis nur bedauern. Die Klagen über den gehässigen Ton nähmen sich doch sonderbar aus gegenüber dem wenig liebenswürdigen Ton, in dem der Minister gesprochen habe. Es sei ihm nicht eingefallen, den Abg. von der Marwitz zu diskreditiren. Die Gründe seines Vorgehens könne derselbe in seiner früheren Rede finden. Er hätte voraus⸗ gesetzt, daß der Entscheidung des Ober⸗Präsidenten sowohl, wie der des Ministers ein Bericht des Landraths zu Grunde gelegen habe, wie es immer üblich gewesen sei. Hätte er gewußt, daß ein solcher Bericht nicht vorgelegen, wäre er auf die Sache nicht zurückgekommen. Er habe nicht die Absicht, dem Abg. von der Marwitz zu schaden, im Gegentheil, er wünsche demselben eine gute Stelle in Posen, die wurde ihm gut bekommen. Der Hilfen verwahre sich gegen die Insinuation, derselbe hätte Instruktionen erhalten, um in jener Provinz Unzufrieden⸗ heit zu erregen. Thatsächlich seien solche Instruktionen wäh⸗ rend der Kulturkampfzeit gegeben und befolgt worden. Herr von Puttkamer sei viel zu folgsam, als daß derselbe nicht eine Instruktion, wenn sie so gelautet hätte, auch befolgt hätte.

Die Diskussion wurde geschlossen. 46

Der Tit. 1. des Kap. 83, Gehalt des Ministers, 36 000 6, wurde darauf genehmigt, ebenso ohne Debatte die übrigen 11 Titel dieses Kapitels.

Kap. 84 fordert für das statistische Bureau 388 53 Bei Tit. 1, welcher die Gehälter der höheren Beamten dieses Bureaus normirte, verlangte der Abg. Schmidt (Stettin), ebenso wie in Frankreich, England und Amerika, auch in Preußen eine Statistik der Konkurse. Es bestehe vielfach die Meinung, daß die Landwirthschaft zurückgehe, weil die Zahl der Subhastationen eine so große sei. Diesbezügliche statistische Erhebungen in Bayern hätten ergeben, daß nur 4 Proz. der Subhastationen in Folge der ungünstigen Lage der Land⸗ wirthschaft eingetreten seien, die übrigen seien die Folge von Geschäftsunerfahrenheit oder sonstiger Verschuldung des Be⸗ sitzers. Es würde sich empfehlen, auch in Preußen eine der⸗ artige Statistik vorzunehmen. Ebenso wäre eine Statistih der Altkatholiken erwünscht. Es sei darauf hingewiesen, daß die Druckkosten der Publikationen des statistischen Bureaus größer seien, als der Erlös aus denselben. Man dürfe aber nicht vergessen, daß der Druck von Zahlen sehr theuer sei. Den Universitäten und anderen ö m Lehranstalten sollten mehrere Exemplare dieser Publikationen kostenfrei zugestellt werden.

Der Abg. Dr. Franz bemerkte, man sei in Bayern mi der lanvwirthschaftlichen Statistik nicht zufrieden, weil die An— lage derselben verfehlt sei. Seine Partei wolle in Preußen nicht denselben Weg gehen. Eine Statistik der Altkatholiken wäre erwünscht; es sei erfreulich, daß in den Formularen für die Berufsstatistik auch die Rubrik „Religion“ eingefügt sei. Die Behörden müßten nur darauf dringen, daß sich die Alt= katholiken auch wirklich als solche bezeichneten.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, die Statistik der Alt— katholiken habe einen großen praktischen Zweck; es solle deren Zahl einmal festgestellt werden, damit man nicht noch weiter den Katholiken ihre Kirchen wegnähme. Mit neuem Verlangen nach statistischen Erhebungen sollte man indeß sehr sparsam sein, die Behörden würden sonst unter der Last der Arbeiten erdrückt, Eine Statistik der Subhastationen habe Schwierigkeit und könne nur dann einen Erfolg haben, wenn man sich sehr in Privatverhältnisse einmische, was nicht zulässig sei. Er sei also nicht absolut gegen solche Untersuchungen, wolle aber gegen ein Zuviel auf dem Gebiete der Statistik warnen.

Der Abg. Schmidt (Stettin) glaubte, daß seine Wünsche nicht im Widerspruch ständen mit der Arbeitskraft der Sta— tistik, er wolle nur die Statistik in Preußen auf die Höhe ge— bracht wissen, auf der sie im Auslande stehe.

Der Abg. von Ludwig bemerkte, er wolle eine Basis für die Beurtheilung der Lage der Landwirthschaft schaffen und hierzu sei eine Statistik der Schulden der Landwirthe nöthig; er sehe in der Ausführung der Subhastationsstatistik ein wesentliches Mittel gegen die Verschuldung des Grundbesitzes.

Der Abg. Dr. Windthorst wünschte, daß diese Statistik den Grundbesitzern nicht zum Nachtheil gereichen möge. Es genüge nicht, die Schulden allein festzustellen, sondern auch, wie sie entstanden seien. Die Ueberlastung der Grundbesitzer sei anzuerkennen, aber die Mittel, die die Linke zur Abhülfe anwende, gingen gegen das eigene Fleisch der Grundbesitzer.

Tit. J wurde bewilligt, ebenso ohne Diskussion die an— , Titel, in welchem persönliche und sachliche Ausgaben ungiren.

Bei Kap. 85 (Meteorologisches Institut 29 790 6) be— merkte der Abg. von Wedell-Malchow, das meteorologische Institut gewähre nicht nur wissenschastliche, sondern auch praktische Vortheile durch Ausführung des Wettervorhersage⸗ wesens, es wäre aber eine bessere Srganisation der Anstalt zu wünschen, es müßten auch Provinzialstationen für Wetter⸗ beobachtungen errichtet werden. Vortheilhaft wäre die Ueber— nahme des Instituts durch das Reich.

Der Regierungskommissar Prof. Dr. Auwers erklärte, daß über die vom Vorredner angeregten Verbesserungen be reits eingehende Berathungen stattgefunden hätten, deren Ergeb nisse in speziellen Kostenanschlägen für eine Reform der meteorolo⸗ gischen Anstalt in Potsdam und die Errichtung von Pro— vinzialstationen vorlägen. Diese Kosten seien aber sehr erheb⸗ lich, sie beliefen sich auf eine Million Mark im Ordina rium und über 200 000 M im Extraordinarium, die hoffentlich im nächsten Jahre im Etat eingestellt werden könnten.

Der Abg. Dr. Thilenius wünschte, daß dieses nächste Jahr auch wirklich das Jahr 1883 sein möge. In der Ver— zögerung dieser Angelegenheit liege der Hauptschaden, denn durch dieselbe werde die Erreichung praktischer Resultate der meteorologischen Wissenschaft in Preußen auf Jahre hinaus— geschoben. Die gegenwärtige Einrichtung des in Rede stehen⸗ den Instituts sei eine überaus unzulängliche, es fehlten die allerunentbehrlichsten Instrumente für die Beobachtungen. Wenn die Uebernahme des meteorologischen Instituts auf. das Reich angeregt würde, so sollte dies auch bei der Medizinal⸗ statistik der Fall sein.

Der Regierungskommissar Geheime Finanz Rath Schulze erklärte, eine bestimmte Zusicherung könne jetzt noch nicht gegeben werden, ob die Mittel schon für das nächste Jahr in den Etat eingestellt werden könnten, da es sich dabei um bedeutende Beträge handele; jedenfalls aber werde die Angelegenheit auf die Tagesordnung der nächsten Etatsauf— stellung kommen.

Die Abgg. Dr. Thilenius und. Wedell⸗Malchow wollten sich bei dieser Erklärung nicht beruhigen und behielten sich für die dritte Lesung Anträge vor. . ;

In diesem Kapitel befanden sich auch die Gehälter der Amtsvögte in der Provinz Hannover. Der Abg. Dr. Köhler beantragte die Erhöhung derselben. Der Antrag wurde der Budget kommission überwiesen.

Darauf wurde Kap. 85 bewilligt, ebenso wurden die Kap. 86, Ober⸗Verwaltungs⸗, Bezirks Verwaltungsgerichte und Deputatlonen für Heimathwesen, Kap. 87 Standesämter, Kap. 88 Verwaltung der Regierungs⸗Amtsblätter und Kap. 89 Landdrosteien ohne Debatte bewilligt.

Kap. 90 fordert für landräthliche Behörden 7 180571 und wurde nach einer kurzen Bemerkung des Abg. Kantak bewilligt. . .

Bei Kap. 91, Polizeiverwaltung in Berlin, Sta a te⸗ beitrag 6618 765 (, richtete der Abg. Berger (Witten) an den Minister des Innern die Anfrage, ob alle Maßregeln in den Berliner Theatern und öffentlichen Lokalen getroffen wor— den seien, um Katastrophen, wie sie in Wien und Nizza vor— gekommen seien, zu verhindern. Die Polizeiverwaltung scheine bei den Theaterdirektoren nicht das erwunschte Entgegenkommen zu finden. Wenigstens heiße es in dem Briefe des hiesigen General⸗ Intendanten der Königlichen Theater an den Theaterdirektor in Hamhurg, es sei zu beklagen, daß jetzt den norddeutschen Theatern kostspielige Anlagen zugemuthet würden. Man miüsse allerdings anerkennen, daß die hiesigen Theater gut admi— nistrirt würden, aber in baulicher Hinsicht seien dieselben nicht so ausgeführt, um dem Publikum den erforderlichen Schutz zu gewähren. Die Feuerwehr sei freilich vorzüglich, aber das Publikum verlasse sich doch zu sehr auf sie. Es sei aber auch Anlaß zu Klagen bezüglich der Bauten im Allgemeinen. Es würden noch immer Häuser von 5 bis 6 Stockwerken aufge⸗ führt; hölzerne Haupttreppen kämen selbst in neuen Häusern vor, wodurch die Gefahr bei Bränden bedeutend vermehrt werde. Ebenso seien auch bei neuen Häusern enge Höfe zu sinden. Kellerwohnungen gebe es in Berlin 12000, in denen mehr als 100 009 Menschen wohnten. In den älteren Stadttheilen hätten diese Wohnungen eine Höhe von nur 6 bis 7 i

die Sterblichkeit in denselben betrage 10 bis 12 Proz. Aber auch in den neuen Stadttheilen seien die e ,. sehr ungesund, das Wasser fließe von den Wänden förmlich herab. Es sel daher kein Wunder, wenn das Armenbudget der Stadtgemeinde von Jahr zu Jahr wachse.

Hierauf ergriff der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriumè von Puttkamer das Wort:

Meine Herren! Der Hr. Abg. Berger bat vollkommen recht, wenn er die von ihm erörterte Angelegenheit als eine Frage ersten

2 der öffentlichen Sicherheit erklärt und dankbar für die Anregung,

Frage mich hier auszusprechen.

Bekanntlich hat der Theaterbrand zu Nizza, der, w nicht irre, im Januar v. J. stattfand, zuerst Veranlassun

ich kann, wohl sagen den Polizeibehörden sämmtl

Städte die Frage der Feuersicherheit der Theater nunme

Erwägung zu nehmen. So auch hier bei uns.

6 zu bringen. Das Gutachten,

tenen gelnde Feuersicherheit in den zu ziehen und auf Grund machen. Am S8. Dejember trat das schreckliche Wien ein und der Polizei⸗Präsident bat mich um die

auch mit zu dem Zwecke, um eine noch festere Basis

Theatern in

dessen seine

währtesten Begmten, nämlich den Chef der

über die etwaigen Uebelstände, lagen, zu informiren.

nicht mittheile, weil es selbstverständlich,

darüber fallen zu lassen. aufgestellt hat, zusammengenommen, dem Veranlassung gegeben, nun nochmals Vorkehrungen vorzubereiten, in den menschlichem Absehen möglich ist,

nöthige Entgegenkommen finden wird.

ernsteste

die sämmtlichen Kunstinstitute Berlins stattfinden wird.

Herr Vorredner dann noch auf die Gegenstände der B

übrigen kam, so kann ich ihn wohl daran erinnern,

bin aber in der glücklichen Lage, daß das Polizei⸗Präsidium schon städtischen Behörden über eine neue

ihm seit längerer

vorhanden ist,

Frage zum formellen Abschluß gelangen wird.

Präsidium in seinen Anforderungen recht streng namentlich feuerpolizeilicher Beziehung sehr wichtig

mit Bestimmtheit zu erinnern glaube, ist lichsten Erfordernisse, welche in den Vorschlägen Präsidiums auftreten. Aber ich wiederhole,

1st; so

fast vollständig hergestellt,

geringe Zahl von Monaten vergehen,

zu erinnern, daß schon jetzt die jedes Haus entweder zwei, oder wenn brennliche Treppe haben muß.

Bestimmung

Ich gebe ja zu,

eingeschränkt wird, denn

wird die wesentlichsten Mängel befeitigen und damit kann Hr. Berger

die Auskunft als gegeben betrachten.

Der Abg. Richter brachte die weisung von 20 Sozialdemokraten

Zeit

des

̃ ich bin ihm sehr die er dadurch gegeben hat, über diese

das

neuerdings erfolgte Aus⸗ zur Sprache, die im krassen

enn ich mich g gegeben icher größeren hr in ernsteste ö zu ne Es ist der Akademie für Bauwesen ein Gutachten abverlangt worden über diejenigen Maß? regeln, welche nöthig seien in ihrer Gesammtheit, um die Sicherheit für das theaterbesuchende Publikum . * möglichst umfassenden welches diese Körperschaft abgegeben

at, ist, und das kann ich als ein Glück dn, . 3 er fn nisterium des Innern bereits unterm 18. November an das Polizei⸗ Präsidium abgegeben worden mit dem Auftrage, die darin enthal⸗ Vorschläge zur Abhülfe von Maßregeln in Bezug auf man— Erwägung Vorschläge Ereigniß Ermãchtigung . ür die = schläge zu erhalten, die er abzugeben im Begriff war, . . ; ; iesigen Feuerwehr, Brand-⸗Major Witte, nach Wien zu entsenden, 9. ö. . Ort ö. Stelle, so weit es nach Lage der Verhältnisse ausführbar und möglich wäre, sich über die Ursachen des Wiener Ring⸗Theaterbrandes und die dieser Veranlassung zu Grunde lagen, . Die Herren werden ja wohl es würdigen, wenn ich diesen Bericht, der in hohem Maße interessant ist, hier in extenso weil er nicht anders fei

kann, Kritiken über die Wiener Zustände enthält und heocn . ö richtlichen Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind, es selbstver⸗ ständlich ein großes Unrecht wäre, hier wirklich ein Wott des Urtheils Aber jedenfalls hat das Gutachten der Akademie für Bauten und der Bericht, den der Brand⸗Major Witte . Polizei ⸗Präsidenten in der umfassendsten Weife Theatern, so weit es nach die unbedingte Sicherheit des Theater besuchenden Publikums in Bezug auf Feuerßgefahr hinzustellen. Es sind eine Reihe von Anforderungen an die Inhaber der öffenẜrnf lichen Schauspiellokale in dieser Richtung geftellt worden, und ich zweifle nicht daran, meine Herren, daß das Polizei⸗Präsidium das ; Ich kann hier die Ueberzeu— gung aussprechen, daß keine Verwaltung, auch nicht die der König⸗ lichen Theater, das Recht hat, sich den wohlerwogenen Anforderungen, die das Polizei, Präsidium in diefer Beziehung an sie stellt, nicht willfaͤhrig zu zeigen. Ich bin der Meinung, daß eine befriedigende Lösung auch für Wenn der aupolizei im kam, so z daß dies über⸗ haupt nicht speziell zum Ressort des Ministeriums des Innern, son⸗ dern zu dem des Ministerfums für öffentliche Arbeiten gehört. mittheilen zu können, mit den n Behö . Baupolizeiordnung, in welcher auch die wesentlichen Mängel, welche der Herr Abgeordnete erwähnte, Berücksichtigung finden werden, verhandelt, und daß alle Aussicht de nachdem die Einigung im Wesentlichen und in den Grundsätzen zu Stande gekommen ist, in den nächsten Wochen diese Es ist das Polizei ; n rde gewesen, indem es eine größere Weite der Höfe verlangt, welches auch in viel ich das eines der wesent⸗ Polizei⸗ m Aber die grundsätzliche Eini⸗ gung zwischen dem Polizeipräsidium und den städtischen Behörden ist und es wird hoffentlich nur eine g ] ten v bis die neue Baupolizei⸗ ordnung, so bald die Verhältnisse es gestatten, ins Leben treten wird. Die Frage der Treppen ist ja auch sehr wichtig, ich glaube mich aber ̃ besteht, daß nur eine, . eine unver⸗ 1 leicht für sehr schwere und plötzlich eintretende Feuersgefahr noch nicht ausreicht, aber andererseits fällt doch auch der Umstand ins Gewicht, daß man den Bauunternehmern nicht allzu schwere Opfer abverlangen darf und in einer Stadt wie Berlin, die früher um 50 000, immer doch noch um mehr als 30000 Seelen jährlich wäch doch auch dafür Sicherheit gewährt sein, daß die Baulust und der Trieb der Bauunternehmer, neue Bauten auszuführen, nicht allzu sehr mn sonst würden wir, anstatt der vom Hrn. Abg. Berger mit Recht gerügten Mangelhaftigkeit der sanitären Zustände vielleicht wieder Wohnungsnoth haben, und das wäre doch auch wohl nicht in seinem Sinne; aber, wie gesagt, die neue Polizeiverordnung

st, muß

Widerspruch stehe einerseits zu den Aussagen der Regierung, ;

daß die Bewegung im Abnehmen begriffen sei, andererseits zu der Versicherung des Abg. Stöcker, daß die Eee kraten in sein Lager übergegangen seien. Diese strenge Handhabung des Gesetzes lasse das moralische Un⸗ recht, welches in demselben liege, um so schãrfer hervortreten, als die Judenhetze jetzt wieder von bekannten Agitatoren systematisch betrieben werde, ohne daß die Polizei einschreite. Da man vielleicht in Kurzem wieder einen frischen fröhlichen Wahlkampf zu erwarten habe, so dürfte es dem Minister selbst erwünscht sein, eine Stimme zu vernehmen über die Handhabung des Versammlungsrechtes in Berlin. Der Minister habe über die Inanspruchnahme der Beamten? kräfte geklagt und es sei schwer, nur solche Beamte mit der Beaufsichtigung zu betrauen, die völlig ihrer Aufgabe gewachsen seien. Er habe persönlich oft Bedauern empfunden über die schweren Anforderungen, die an diese Beamten gestellt würden, so daß die Frage nahe liege, ob die Beaufsichtigung sämmtlicher Versammlungen in der That xichtig sei und es nicht besser wäre, nur die größeren Versammlungen und solche, die nach der ganzen Art der An⸗ kündigung es wünschenswerth erscheinen ließen, zu beaufsich⸗ tigen, so daß die Zahl der geschulten Beamten ausreiche. Die Fortschrittspartei wünsche gar keine Beaufsichtigung und möchte sich in ihren Versammlungen am liebsten selbst schützen. Die meisten Auflösungen seien entweder unter Be⸗ rufung auf das Sozialistengesetz oder wegen Tumultes erfolgt und nur in ganz vereinzeltem Falle auf Grund des Para⸗ graphen wegen Aufforderung zu Vergehen, wodurch bewiesen sei, in welchen Schranken sich diese Wahlbewegung auch Seitens der Fortschrittspartei gehalten habe, so daß die allgemeinen Vorwürfe über Ausschreitungen durchaus nicht zutreffend seien. Nun seien Sozialistenversammlungen wegen der drohen⸗ den Ausweisung nicht zu befürchten, und gegen Sozialisten sich in anderen Versammlungen zu schützen, hätten die Ver⸗ anstalter selbst das allerstärkste Interesse. Am meisten interessiry ihn die Auflösung wegen sogenannten Tumultes. Seines Erachtens sei es zuerst die Aufgabe der Veranstalter der Versammlung, der Vorsitzenden, der Ordner, die Ruhe wiederherzusellen und nuͤr, wenn das absolut nicht möglich sei, könne die Frage berechligt sein, ob die Auflösung im Interesse der öffentlichen Ruhe zu erfolgen habe. Erfolge die Auflösung der Versammlungen gleich, so rufe man damit Ruhestörungen geradezu hervor. So haben sich hier in der sogenannten antisemitischen oder antifortschrittlichen Partei förmliche Organisationen gebildet, um durch Ruhestörung die Auflösung der Versammlungen der Fortschritts⸗ partei herbeizuführen, und die Polizei, die? die Auf⸗ lösung vollzogen habe, habe sich wider Willen zur Vollstreckerin jener das Hausrecht gefährdenden Bestrebungen gemacht. Er spreche dabei natürlich nur von Versammmlungen, die ausschließlich für Mitglieder der Fortschrittspartei bestimmt gewesen seien. In jener Zeit habe man es erlebt, daß sich

auf Seite der Gegenparten sog. Sprengkolonnen, ein sog. , dere den

Sprengcomitẽ gebildet habe. Er habe vor sich eine Liste der Mitglieder dieses Vereins, die wohl kaum der Polizei gemel⸗ det sein dürften. In dem Cirkular desselben würden die Mitglieder aufgefordert, sich in den Versammlungen der Fortschrittsvartei einzufinden. (Redner schilderte die Vorgänge in den Reichshellen, wo die Sprengkolonne zurückgewiesen sei und nachträglich eine Versammlung des Arbeitervereins ge⸗ stört habe). In den Versammlungen habe die Fortschritts⸗ partei durch eine freiwillige Polizei diese Angriffe zurück— geschlagen, wo sie nicht durch Auflösungen daran gehindert worden sei. In der letzten Zeit habe die Polizei in der Praxis der raschen Auflösung eine Aenderung eintreten

lassen; es werde jetzt gegen diefe Sprengkolonnen eingeschrit⸗

ten. Aber bei einer Verfammlung auf Tivoli sei sie nicht so verfahren. Seine Partei habe die Sprengkolonnen von der Straße aus beobachtet, sie seien einfach nicht hineingelassen. Nun habe sich aber die Gesellschaft draußen versammelt, und da habe seiner Partei allerdings die Polizei nicht beigestanden. Es habe keine Störung der Versammlung selbst stattfinden können, aber es sei dann nach der Versammlung die Prügelei daraus entstanden, von der in den Zeitungen die Rede gewesen sei. Die Spreng⸗ folonne habe nach dem Schlusse dieser Versammlung dage⸗ standen und die Leute, es seien Schlossergesellen gewefen u. Dgl. verhöhnt; die hätten sich das natürlich nicht gefallen lassen. Aber er erkenne an, daß Angesichts dieser Vorgänge in einer folgenden Versammlung die Polizei sehr energisch gegen

diese planmäßigen Ruhestörer eingeschritten sei. Er führe dies an, um daranf hinzuweisen, daß man geradeé durch die Auf⸗ lösung dem Zwecke derjenigen in die Hand arbeite, die eine Ruhestörung beabsichtigt hätten. Möge endlich der Brauch Englands und Amerikas in Preußen Eingang finden, daß Nie⸗ mand zu einer Versammlung gehe, zu der derselbe nicht ein⸗ geladen sei und vor Allem das Hausrecht respektirt werde. . mehr helfen, als irgend welche Intervention der

Demnächst nahm der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministerims a, . das Wort:

Meine Herren! Den letzten Aeußerungen des Hrn. Abg. Ri obgleich sie nicht an mich persönlich . 8 ö ct nur vollständig anschließen; ich halte es auch für einen ganz groben Mißbrauch, in einer Versammlung, zu der man entweder eingeladen wird oder Zutritt erhält durch“ die Konnivenz der Veranftalter, Skandal zu erheben und Unruhe zu machen, das wird von jedem anstandigen Mann. ganz entschieden verurtheilt werden. AÄAber der Hr. Abg. Richter hat ja selbst die Güte gehabt zu sagen, daß seine letzten Ausführungen mehr ein Avis an' tested sein und keinen Vorwurf gegen die Behörde enthalten sollen. Einige seiner Bemerkungen möchte ich doch ir Grundlage von Gegen⸗ äußerungen machen, die sich auf das Verfahren der Behörde beziehen.

Daß in den letzten Tagen eine größere Zahl von Ausweisungen auf Grund des Sozialistengesetz es stattgefunden hat, habe ich heute früh aus den Zeitungen ersehen und erwarte stündlich den Bericht des Polizei⸗Praͤsidenten über die Motive, die dazu Veranlassung ge⸗ geben haben, das ist feine Amfspflicht. Sollten sich daberghf— reichend interessante Momente ergeben, so würde es gar keine Be⸗ denten haben, das auf Verlangen mitzutheilen, obgleich der Hr. Abg. Richter selbst anerkannt hat, daß die eigentliche Kontrole Über die Ausführung des Sozialistengesetzes nicht in dieses Haus, sondern in den Reichstag gehört, wo auch Auskunft darüber ertheilt wird.

Was die Ueberwachung der Vereine und Versammlungen hier anbetrifft, so freue ich mich, daß der Hr. Abg. Richter selbst aner⸗ kannt hat, daß, nachdem der Wahlkampf vorüber, diese Be⸗ schwerden eigentlich ganz fortgefallen sind über die Polizei, weil, jetzt ein normaler Zustand eingetreten ist, der die Möglichkeit gewährt, die Versammlungen in aller Ruhe zu überwachen und die betreffenden Beamten nicht allzusehr zu belasten. Wenn der Herr Abgeordnete dann aber meinte, man hätte auch während der Wahlbewegung vielleicht besser gethan, wenn man die Ueberwachung jeder einzelnen Versammlung nicht obligatorisch ge⸗ macht, sondern nur die großen Ver sammlungen überwacht hätte, so erkenne ich gern an, daß nach dem Gesetz Über Vereinsrecht die Ueber⸗ wachung nur ein Recht der Behörde, nicht aber eine Pflicht ist. Wenn ich indessen den Zustand, wie er in Berlin während der fetzten Wahlbewegung war, mir vergegenwärtige, so glaube ich doch, daß das Polizeipräsidium dem öffentlichen Wesen einen nützlichen Dienst ge⸗ leistet hat, wenn es sich grundsätzlich auf den Boden gestellt, jede öffentliche Versammlung in jener Zeit in der gesetzlich geftätteten Weise überwachen zu lassen, und ich glaube, wenn der Hr. Abg. Richter sogar diese Frage generalisirte und meinte, es wäre besser, diese Versammlungen überhaupt nicht zu überwachen und dem Hausrecht zu überlassen, die Ordnung aufrecht zu erhalten, so möchte ich fast glauben, steht er selbst in seiner Partei mit dieser Ansicht doch ziemlich allein. (Widerspruch) Ja, meine Herren, ich muß das annehmen aus Materialien, welche mir vorliegen, ich habe hier verschiedene Anzeigen des Polizei-⸗Präfidiums vor mir, Inhalts

hervorragende Führer der Fortschrittspartei im Voraus Polizei⸗Präsidenten dringend gebeten haben, in Bezug auf bevorstehende Versammlungen doch ja recht energisch mit der Ueberwachung zu sein, damit Tumulte in Folge dessen thatsächliche Ausschreitungen möglichst vermieden werden. Also diefe Herren gingen doch wohl von der Voraussetzung aus, daß es in ihrem eigenen Interesse liegt, wenn die Versammlungen überwacht würden.

Wenn der Abg. Richter dann sagt, die vorzeitige Auflösung pro⸗ vozire gerade Unruhe und Störungen, indem diejenigen, welche sich in solche Versammlungen eindrängen, darauf rechnen, daß die Auf⸗ lösung erfolgen wird, und dies durch Tumulte provo⸗ ziren, so beklage ich es aufrichtig, wenn das thatsächlich die Folge des Einschreitens der Polizeibeamten sein sollte, aber ich glaube nicht, daß Hr. Richter wird behaupten wollen, durch solche Möglich⸗ keit werde die Verpflichtung der Beamten aufgehoben oder vermin⸗ dert, die Ordnung in, der Versammlung genau zu überwachen und sobald sich, gleichzeitig aus welchem Grunde ein thatsächlich zwin— gender Anlaß zur Auflösung ergiebt, es auch zu thun.

Wie gesagt, ich bin ja mit dem Schluß der Rede des Abg. Richter vollkommen einverstanden, es ist gewiß nicht anstän⸗ dig, sich in fremde Versammlungen als Ruheftörer einzu⸗ drängen, aber die Polizei hat mit diesem Gesichtspunkt nur insofern zu thun. als, wenn in Folge solchen Eindrängens fremder Elemente thatsächliche Momente im Verlauf der Verhandlung entgegentreten, die zur Vermeidung einer vielleicht die öffentliche Sicherheit gefährden“ den Aufregung ssie zwingen, zur Auflösung zu schreiten, sie einfach ihre Schuldigkeit zu thun hat.

Hierauf vertagte um 4 Uhr das Haus die Debatte auf Sonnabend 11 Uhr.

* Inserate für den Deutschen Reichs- und Königl. Preuß. Staats⸗Anzeiger und dat Central Handels⸗ register nimmt an: die stönigliche Expedition den Aeulischen Reichs-Aunjeigers und Königlich BVrenßischen Staats- Anjeigerz: Berlin 8W., Wilhelm⸗Straße Rr. 32.

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Steckbriefe und Untersuchungs-Sachen. Steckbrief. Der Schuhmacher Albert Creutze aus Bolkenhain, 36 Jahre alt, evangelisch, dessen Aufenthalt unbekannt sist, soll wegen Diebstahls ver⸗ haftet werden. Die zustaͤndigen Behörden werden ersucht, den Creutze im Betretungsfalle zu verhaften und ihn in unser Gerichtsgefängniß abzuliefern. Signalement: 1) Namen Albert Greutze, 2 Stand chuhmachergeselle, 3) Geburtsort Bolkenhain, Wohnort Bolkenhain, 5) Religion evangelisch, 6) Alter 36 Jahre, geb. den 2. Januar 18465, Größe 1,63 Mtr., 8) Haare schwarzbraun, ) Stirn frei, 19) Augenbrauen dunkel, 11) Augen raun, 12) Nase breit, 13) Mund gewöhnlich, 14) Zähne fehlerbaft, 15) Bart rasirt, i6) Kinn

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2 2.

dem Schaubudenbesitzer Georg Behrens aus Her— ford als Gewerbegehülfe gedient zu haben, indem er die Orgel gedreht, bei Verwandlungen die verschie= denen Vorhänge aufgezogen, Lichter angezündet und ausgemacht und dergleichen mehr, ohne den dazu er— forderlichen Gewerbeschein zu besitzen Uebertre— tung gegen 8§. 6, 18, 26 und 28 des Hausirregu— lativs vom 28. April 1824 2c. wird auf den 1. Mai 1882. Vormittags 9 Uhr, vor die Strafkammer des Königlichen Landgerichts zu Lüneburg zur Hauptverhandlung geladen. Auch bei unentschuldigtem Ausbleiben wird zur Haupt— verhandlung geschritten werden. Lüneburg, den 20. Februar 1882.

Königliche Staatsanwaltschaft.

M Deffentlicher Am zeiger. ]

Steckbriefe und Untersachungs-Sachen. 5. Snbbastationen. Aufgehbote, Vorladungen u. dergl.

3. Jerkknfe, Verpachtungen, Submissionen ete. 4. Vorloosung, Amortisation. Zinszahlang n. . w. von öffentlichen Papieren.

und Grosshandel. Literarische Anzeigen.

Familien- Nachrichten.

den Beklagten

lichen Landgerichts zu Schwesdnitz

Junger,

19267

ngiich 17) Gesichtebildung länglich, 18) Gesichts⸗ farbe gelblich. jg) Statur untersetz, 26) Sprache deutsch, 21) Besondere Kennzeichen: Keine. Beklei⸗ ung: 1 blaue Tuchmütze, 1 Paar braune Zeug— osen, 1 blaugestreiftes Hemd, 1 graues JZeug— aquet, 1 braune Weste, 1 graues Vorhemdchen,

aar Stiefel. Bollenhain, den 14. Februar 1882. Königliches Amtsgericht. II.

loꝛ6 i] Ladung.

„Der Fabrikarbeiter Friedrich Auqust. Weber, W, Jahrg alt, aug Barmen, desfen Aufenthast un— belannt ist und welchem zur Lat gelegt wird, am 2. und 25. April 1876 zu Celle auf dem Jahrmarkte

egen

Subhastationen, Aufgebote, Vor⸗ ladungen u. dergl.

Oeffentliche Zustellung.

rehelichte Tagearbelter Aumann, Karoline, ersig, zu Waldenburg i, / Schl., vertreten durch den ihr den Justiz-⸗Rath v. Chappuiz zu Waldenburg, klagt 9 Ehemann,

Aumann, bisher zu Ober⸗Waldenburg, jetzt un— bekannten Aufenthalts, mit dem Antrage, das zwi⸗ schen ihr und ihrem Ehemanne bestehende Band der

9266 Die verehe geb.

ihren

Ehe zu trennen, den ö für den allein schul⸗

digen Theil und als solchen ihr den vierten Theil seines Vermögenz heraus—

wig, bisher in Brieg wohnhaft,

; ugeordneten Justiʒ · Rat den Tagearbeiter Landgerichts hierselbst auf

den 28. April dieses

mit der Aufforderung, Gerichte zugelassenen

ür schuldig zu erklären,

Industrielle Rtablissemente, Fabriken Verschiedene Bekanntiachnagen.

Theater- Anneigen. In der Boörgen- beilage. * XR

auf den 8. Mai 1882, Vormittags 9 Uhr, mit der Aufforderung, einen bei dem gedachten Ge— richte zugelassenen Anwalt zu bestellen.

Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird die ser Auszug der Klage bekannt gemacht. 2

Gerichtsschreiber des Königlichen Landgerichts.

Oeffentliche Zustellung.

In dem bei dem hiesigen Königlichen Landgericht anhängigen Ebescheidungs⸗Prozesse der verehelichten Schneider Ludwig, Ida, geborenen Stiel, in Brieg, wider ihren Ehemann, den Schneider Heinrich Lud—

Aufenthaltsortes, ladet die Klägerin, vertreten durch Rechtsanwalt, ; Ernst, hierselbst, den Beklagten zur Karl fer ehen der mündlichen Verhandlung des Rechts⸗

treits vor die erste Civilkammer des Königlichen

Vormittags 19 Uhr, einen bei dem gedachten nwalt zu bestellen.

Inserate nehmen an: die Annoncen Expeditionen del

Invalidendanl“, Rudolf Mosse, Haasenstein

& Vogler, G. L. Daube & Co., E. Schlotte.

Büttner & Winter, sowie alle übrigen größerer Annoncen Bureauxr.

zugeben, oder ihr nach ihrer Wahl standesgemãße Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird diese Alimente bis an ihren Tod zu gewähren, und ladet ekla zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor die IV. Civilkammer des König⸗

Ladung bekannt gemacht. Brieg, den 21. Februar 1882. Schubert, Gerichtsschreiber des Königlichen Landgerichts.

9260 Nachstehender Auszug aus der Registratur vom Februar 1882 in Sachen der unverehelichten Friederike Reincke zu Wokuhl und des Arbeits⸗ mannes Johann Reincke, ebendaselbst, Kläger, gegen den Maurergesellen Wilhelm Elsner aus Wokuhl, jetzt unbekannten Aufenthalts, Beklagten, wegen Ali! mente: Ich, die Mitklägerin, erkläre mich bereit, den mir auferlegten Eid abzuleisten und laden wir, die Kläger, den Beklagten zur weiteren Ver⸗ handlung der Sache auf den von dem Herrn Amtsrichter anzusetzenden Termin vor das Groß⸗ berzogliche Amtsgericht zu Strelitz, wird mit dem Bemerken, daß der Termin auf Freitag, den 14. April 1882, J Vormittags 19 Uhr, bestimmt ist, zwecks öffentlicher Zustellung der Ladung an den Beklagten hiermit bekannt gemacht. Strelitz, den 17. Februar 1882. . Seyberlich, Gerichtsschreiber des Großherzoglichen Amtsgerichts.

jetzt unbekannten

Königlichen

ahres,