1882 / 52 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 01 Mar 1882 18:00:01 GMT) scan diff

Göttingen, 28. Februar. (Hann. Cour.) Der französische Unterrichts⸗Minister hat Hrn. H. M. Brséal, Membre de Institut, Inspectenr de l'Instruction publique in Paris, sowie die Biblio⸗ thekare Carrière und Chantepis beauftragt, Schritte zu thun, um die französischen Uni versitäten in den Druckschriften⸗Tausch⸗ verein eintreten zu lassen, welcher schon längere Zeit zwischen den deutschen und einer Reihe von ausländischen Universitäten besteht. Da es für die deutschen Universitäten an einem Centralorgan fehlt, mit welchem von Frankreich aus hätte unterhandelt werden können, so ist jeder einzelnen deutschen Universität die Frage unterbreitet, ob sie geneigt sei, auf folgende Vorschläge einzugehen: der Tausch findet jährlich! einmal statt. Die Zusendung erfolgt von Frankreich aus franco Leipzig, von hier aus franco Paris. In Tausch werden geboten die Theses de doctéur und eine Anzahl anderer akademischer Schriften, zusammen gegen 00 Stück gefordert, je 18 von allen unseren in Tausch herausgegebenen Schriftstücken. Unsere Georgia Augusta hat sich bereit erklärt, auf diese Vorschläge einzugehen, und es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß die anderen deutschen Universitäten das auch thun werden. Der Vortheil, der mit diesem Tauschsystem verbunden ist, ist folgender: bisher waren jene französischen Druck—⸗ schriften, unter denen sich nicht selten Arbeiten von großer wissen⸗ schaftlicher Bedeutung befinden, nur durch den Buchhandel und auch auf diesem Wege oft nur schwer oder gar nicht zu beziehen. Mit Hülfe des Tauschvereins dagegen werden sie regelmäßig unseren ,, zugeführt und so der Gelehrtenwelt zugänglich gemacht.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

In der gestrigen Sitzung des Klubs der Landwirthe sprach Oekonomie⸗Rath Hausburg über die Preisnotirungen auf dem Ber— liner Centralviehhof. Er berührte dabei nicht nur eine Frage, die die Landwirthschaft seit einem Jahrzehnt lebhaft bewegt, sondern gab dabei auch einige Mittheilungen über die bei der Fleischverforgung der Reichshauptstadt in Betracht kommenden Verhältnisse, die auch weiteren Kreisen interessant erscheinen dürften. Der Verkauf auf dem städtischen Centralviehhof vollzieht sich bekanntlich nach Schlachtgewicht, d. h. der Schlächter taxirt, wieviel das zu kaufende Thier nach Entfernung der „Kräme“, Kopf, Haut, Beine und Eingeweide, wiegen wird, und bezahlt das Thier nach dem seiner Schätzung nach alsdann verbleibenden Gewicht. Die hiesigen Schlächter haben gleich den Viehkommissionären in dieser Schätzung eine große Uebung, die Landwirthe aber, denen diese Uebung fehlt, wünschen lebhaft, wenigstens eine Notirung der Preise nach Lebendgewicht eingeführt zu sehen, um darnach sich bei Handels— abschlüssen richten zu können. Sie gehen dabei freilich von der Vor⸗ aussetzung aus, daß die Preisnotirungen der sogenannten amtlichen Marktberichte ein wirkliches Bild des Marktgeschäfts geben. Diese Voraussetzung dürfte jedoch nicht ganz zutreffen. Nach den eignen Ausführungen des Redners, der als Direktor dem Centralviehhof vorsteht, erfolgen die Notirungen auf der Basis einiger weniger Verkäufe, die die Beamten des Viehhofes zufällig hören; es dürfte somit, wie Kommissions-Rath Kiepert in der Debatte näher ausführte, allerdings schwer sein, sich auf diese Notirungen hin, auch wenn sie nach Lebendgewicht erfolgen, ein Bild des wirklichen Ge— schäfts zu machen. Der Referent hält nun aber auch aus technischen und praktischen Gründen die Notirung nach Lebendgewicht min— destens für verfrüht. Es könne vor Allem Berlin allein in der Sache nicht vorgehen, es sei aber auch schwer für die Notirung nach Lebend⸗ gewicht die Thiere zu gruppiren. Die einzige Möglichkeit sei vielleicht die, daß man neben der jetzigen Notirung ähnlich wie bei den Schwei⸗ nen, die Tara mit angebe und so dem Landwirth die Möglichkeit verschaffe, den Preis für Lebendgewicht sich auszurechnen. Im Allge⸗ meinen glaubte Hr. Hausburg das jetzige Verfahren nicht als ungün— stig für den Landwirth ansehen zu können. Der Umstand, daß und diese Thatsache ist jedenfalls für Viele neu nur etwa 16 20 Vieh⸗ kommissionäre wohlhabende Leute seien, die übrigen 300 aber nichts erworben oder gar ihr und anderer Leute Geld zugesetzt haben, spreche dafür, daß die Landwirthe bei dem jetzigen Geschäftsverfahren nicht zu

kurz kämen. . .

Gewerbe und Handel.

Durch das in Nr, 58 des französischen „Journal officiel“ vom 28. Februar veröffentlichte französische Gesetz vom 27. Februar d. J. betreffend die Zollbehandlung britischer Waaren bei ihrer Einfuhr nach Frankreich, ist bestimmt, daß die britische Einfuhr gleiche Behandlung erfahren soll wie die Waaren der meist— begünstigten Nation. Ausgenommen hiervon sind die, Kolonial— produkte, welche unter den französischen Generaltarif fallen.

Die Sächsisch⸗Thüringische Aktiengesellschaft für Braunkohlenverwerthung zu Halle erzielte im Jahre 1881 einen Reingewinn von 338 366 S, welcher in folgender Weise ver— wendet wird: zum Reservefond 66 894 MS½, Tantisme für den Ver⸗— waltungsrath 16049 6, Dividende auf das Aktienkapital von 3519 000 M. S' 304 809 M, Uebertrag auf 1882 622 6 Zu Abschreibungen sind von dem Bruttogewinn von 678 765 ½ verwendet worden 281 854 M, nämlich 86 8oß 6 auf Grubenconto, 56 900 „M auf Grubenhauconto, 3000 „6 auf Grundstücksconto, 70 655 S auf Gebäude⸗ und Bauconto, 59 824 auf Utensilien⸗ und Maschinen⸗ conto, 5Itzl M6 auf Wegebauconto. Der Reservefond erhöht sich durch die neue Zuschreibung auf 251 691 6 Außerdem besteht noch ein Extrareservefond von 10378 .

—. Das 2. (Februar⸗) Heft XVI. Jahrgangs 1882 von ‚Kunst und Gewerbe“, Zeitschrift zur Förderung deutscher Kunstindustrie, berausgegeben vom Bayerischen Gewerbe Museum zu Nürn“ berg, redigirt von Dr. Otto von Schorn (Druck und Verlag von G. P. J. Bieling G Dietz] in Nürnberg), hat folgenden Inhalt: Ueber Technit und Entwickelung der Spitzen. Von G. von Braunmühl Lehrerin an der Kgl. Kunstgewerbeschule in München. A. Keims Mineralmalerei. Von C. A. Regnet. Museen, Vereine, Schulen, Auststellungen 2c. Berlin: Das Kunstgewerbe⸗Museum. Cassel: Die Landgräfliche Porzellanmanufaktur. Rom: National⸗Monument. Für die Werkstatt: Ueber Drahtzieherei. Anwendung der Elektrizität zur Reinigung der Porzellanmasse. Imitation des Jacaranda⸗ oder Palisanderholzes. Geschnitzte Arbeiten in Gips zu formen. Neuerungen in der Herstellung von Dichtungsmitteln für Dampfleituungen. . Ebenholibeize, Die Faßbinderei in Japan. 2 Aus dem Buchhandel; Illustrirte Geschichte der Buchdruckerkunst. Von Karl Faulmann. A. Hartlebens Verlag. Wien, Pest, Leipzig. Seemanns kunsthistorische Bilderbogen. Zweites Supplement. 2. u. 3. Lfrg. Dr. Fr. G. H. Lucanus. Vollständige An— leitung zur Erhaltung z. der Gemälde. 4. Aufl. Halber⸗ stadt 1881. Helmsche Buchhandlung. Kleine Nachrichten. Zeitschriften. Erklärung der Beilagen. Illustrationen: Ntalienische Spitze (point conpé) (17. Jahrhrdt.). Venetianische Spitze (17. Jahrhrdt.) Foint d'Argentan (18. Jahrhrdt. ). Foint d Alengen (18. Jahrhrdt.). Point de gaze. Geschnitzter italienischer Blasbalg (16. Jahrhrdt). Masjolika⸗Platte (Castel Durante). Kunstbeilagen: Lampenteller, entworfen und gezeichnet von Prof. C. Mell. Beilage 4. Pokal, entworfen und auto— graphirt von F. Miltenberger. Beilage 5. Schmiedeeisernes Hitz von der Foldenen Pferte zu Freiberg; aufgenommen von A. Gottschaldt. Beilage 6. Die Zeitschrift „Kunst und Gewerbe“ erscheint in Monatsheften von vier Bogen mit vielen Illustrationen und Kunstbeilagen. Das Beiblatt „Mittheilungen des Bayerischen Gewerbe ⸗Museums“ am J. und 15. jeden Monats. Der Abonnements— preis beträgt für den ganzen Jahrgang 15 0 Bestellungen nehmen alle Buchhandlungen und Postämter an. Die Mitglieder des Vayerischen Gewerbe⸗Museums erhalten Kunst und Gewerbe bei direkter Bestellung für 77 M jährlich.

Stuttgart, 27. Februar. (Schwäb. Merk) Heute fand hier die Gründung des Württembergischen Zweigvereins für

lande statt. Die Statuten wurden en bloe angenommen. Der Ver⸗ ein wird in 3 Sektionen thätig sein: I) wissenschaftliche Geographie, 2) Auswanderung, 3) kaufmännischer Export. Gleichzeitig erfolgte die Organisation des Bureaus.

Wien, 28. Februar. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Kreditanstalt beschloß in seiner heutigen Sitzung, der General⸗ versammlung vorzuschlagen, für das Jahr 1881 eine Dividende von 17 Fl. per Aktie zu vertheilen, den Reservefonds mit 20 C des Reingewinns, also mit circa 634 000 Fl. zu dotiren, 100 0090 Fl. vom Werth des Anstaltsgebäudes abzuschreiben und den Rest des Gewinnes, cirea 10000 Fl., vorzutragen. Der aus der Konvertirung der 6pro⸗ zentigen ungarischen Goldrente erzielte Gesammtgewinn ist in das zur Vertheilung gelangende Jahreserträgniß nicht einbezogen, sondern auf das laufende Jahr übertragen.

London, 28. Februar. (W. T. B.). Die heute eröffnete Wollauktion war stark besucht, das Geschäft war animirt, Schluß⸗ preise der letzten Auktion völlig behauptet.

Glasgow, 28. Februar. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen während der letzten Woche betrugen 10739 gegen 11266 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.

New⸗Jork, 27. Februar. (W. T. B.) Weizenverschif⸗ fungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Ver— einigten Staaten nach England 87 000, do. nach dem Konti- nent 30 000, do. von Kalifornien und Oregon nach England 130 000, do. do. nach dem Kontinent 17 000 Qrtrs.

Berlin, 1. März 1882.

Goslar, 25. Februar. (Hann. Cour) Decken- und Wand⸗ malerei im Saale des Kaiserhauses. Vor etwa 14 Tagen war der Geh. Ober⸗Baurath Adler aus Berlin in Sachen der Deckenmalerei im Kaisersaale mit anderen Herren zur Konferenz hier anwesend. Seit jener Zeit wird an der Deckenmalerei rüstig geschafft; es arbeiten gegenwärtig daran drei Maler aus Berlin und zwei von hier. In vier Wochen gedenkt man mit dem Schmuck der Decke fertig zu sein; auch die Pfeiler, welche sich in einer Reihe der Länge nach durch den Saal ziehen, werden alsdann in der besten Farbenpracht glänzen. Einige dieser Pfeiler sind jetzt probeweise fertiggestellt, worüber in 14 Tagen eine Konferenz gehalten werden wird. (Ursprüng⸗ lich hatte der Kaisersaal Steinsäulen, an deren Stelle wohl schon seit Jahrhunderten diese Holzpfeiler, natürlich mächtige Blöcke, stehen.) Die Deckenmalerei, erschwert durch die vielen und engen Balkenlagen, ist bis auf den Mittelbogen vollendet und prangt in den schönsten Farbentönen. In den Mittelbogen kommen die Insignien des Deut⸗ schen Reiches, und zwar in Gold. Was die Wandmalereien von Prof. Wislicenus betrifft, so ist das großartige Mittelbild an der westlichen Wandfläche des Saales, die Wiederaufrichtung des Deut⸗ schen Reiches durch Kaiser Wilhelm, völlig fertig, doch gegen— wärtig wegen der Deckenmalerei verhängt. Dornröschens Darstellung über den Arkaden der Fenster ist noch nicht ganz beendet. Es heißt, daß im nächsten Sommer die ornamentalen Einrahmungen der zu schaffenden Geschichtsbilder gemalt werden sollen. Zur Einweihung des Bilderschmuckes und der gänzlichen Restauration des Kaiserhauses dürfte hier ein großartiges Fest gefeiert werden, jedoch dürfte die Wandmalerei noch sechs Jahre in Anspruch nehmen.

In der morgen, Donnerstag, Abends 8 Uhr, im Schloß— Restaurant, Schloßfreiheit 89 stattfindenden Sitzung des Stolze—⸗ schen Stenographen-⸗Vereins wird die amerikanische Schreibmaschine demonstrirt. Gäste haben Zutritt. .

Das Sunda-⸗Rinder-Gehege des Zoologischen Gartens hat dieser Tage durch Züchtung einen neuen Zuwachs erhalten. Dem weiblichen Nilpferde, das bekanntlich an einem Bruch leidet, hat man vorgestern wieder ein neues Bruchband angelegt und dabei mit Be⸗ friedigung konstatiren können, daß das Uebel mehr und mehr schwindet. Der große Elephant, der nunmehr seit 13 Jahren dem Garten angehört genießt jetzt fleißig Unterricht, um die durch den Tod Boy's ent“ standene Lücke auszufüllen.

Literarische Neuigkeiten undperiodische Schriften.

Preußisches Verwaltungs-Blatt. Verwaltung und Verwaltungsrechtspflege in Preußen. Heraus— geber; Dr. jur. Binseel, Verlag und Expedition: Otto Drewitz in Berlin N., Monbijou Platz 10. Jahrgang III Nr. 22. Inhalt: Vermittelung der Seehandlung bei An“ und Ver— käufen von Effekten. Tilgungsfrist der von Kreiskorporationen und Gemeinden ausgegebenen Anleihescheine. Uebernahme von Nebenämtern Seitens der Magistratsmitglieder. Beamteneigen— schaft der Regierungsbaumeister und Maschinenmeister. Erstat— tung der Krankenpflegekosten für entlassene Gerichtsgefangene an Kommunal-Krankenanstalten aus den Justizfonds. Ausweisung legi— timationsloser Ausländer aus dem Staatsgebiet. Revi⸗— sionen der in gerichtlichen Gemüthszustands- und Leichenunter— suchungen aufgenommenen Protokolle und Gutachten. Revision der pneumatischen Bierdruckapparate. Momentane Hülfs⸗ bedürftigkeit in Folge Arbeitsmangels. Zu §. 30 Abf. 2 Reichs— Unterstützungswohnsitzgesetzes. Verwaltungsfosten des Krankenhaufes betreffs Kurkoste nerstattung. Unzulässigkeit des Rechtsweges über die Verbindlichkeit zur Zahlung von Gemeindesteuern. Unzulassig⸗ keit des Rechtsweges auf Untersagung des polizeilich angeordneten Eingießens von Flüssigkeiten in eine Privat⸗Wasserrinne. Zuläfsig— keit des Rechtsweges über die Höhe der Entschädigung für die Ein. quartierungslast. Vergütungepflicht der Bundeskasse aus dem Reichs ⸗Viehseuchengesetz. Bestellung von Realservituten für terri— toriale oder personale Kreise. Steinbrechvertrag als Pacht- vertrag. Pfand⸗ oder Retentionsrecht des Vermiethers. Polizelgesetze im Sinne des §. 26 1. 6 A. 2. R. Fortbestand oder Erlöschen des im Rezeß übergegangenen Wege⸗ rechte. Ban über die Grenzlinie des Nachbargrundstüͤckes hinaus. Rechnungslegung der städtischen Behörden bezüglich der Straßen pflasterungskosten für die Anlieger. Fälligkeitstermin für die Bei⸗ tragspflicht zu Straßenpflasterungskosten. Aneignung von im Bette schiffbarer Flüsse liegenden Steinen. Natur der Last der Guts— herrschaften aus §. 36 1I. 12. A. L. R. Unzucht im Sinne des S. 180 Str G. B. Beleidigung kollektiver Einheiten. Wahr— nehmung berechtigter Interessen der Gesammtheit. Beleidigung durch die Presse. Urkundenunterjeichnung mit Zustimmung des Namensträgers. Ueberschreitung des Züchtigungsrechts des Lehrers. 2 Befugniß zur Tödtung ungeknüppelter Hunde. Polizeiliche An ordnung zur Abwehr einer strafbaren Handlung oder der Folgen derselben. Beseitigung von Sachen zuwider einem polizeilichen Verbote. Neue Ddeutsche Jagd-Zeitung. deutschen Jagdklub in Berlin. halt: Der deutsche

Wochenschrift fur

tasche. Der Jagdbund. Die Frage der Hundesteuer in Preußen (Fortsetzung)! Einige Worte über das Apportiren. . Zwingernachrichten. Hundemarkt. Briefkasten. Anzeigen.

Deutjche Landwirthschaftliche 1446 Nr. 16. In⸗ halt: Die Getreidepreise während des Jahres 1881.

schaftsreformer. Kongreß deutscher Landwirthe. Funken fänger. Vagenaterne mit Federstütze. Wiesenverbesserung. Vom Oek⸗ Rath Abel. Eismaschine. Von Prof. Dr. Wüst. Kraftfutter für Milchkühe. Von Benno Martiny. Spreu von brandigem Weizen als Viehfutter. Von Dr. Eisbein u. a. m.

Wetterbericht vom 1. März 1882. 8 Uhr Morgens.

Barometer auf J 0 Gr. n. d. Meeres- ö

spiegel red næ. in Wind. Wetter. Millimeter.

730 XO 742 0 T56 080 754 9 I56 W. 749 750 757

Statiĩdnen. in O Celsius

ö 9.4 R.

6 bedeckt 7 8 Schnee) 2 2 wolkenlos —6 6 bedeckt —3 4 wolkenlos —14 X90 4 sschnce, —13 WSW 3 bedeckt —5 8 2 bedeckt

Mullaghmore

Aberdeen ..

Christiansund

Kopenhagen.

Stockholm..

Haparanda

Petersburg.

Moskau ...

Cork, Queens- . 734 W

w

Helder... 73

Hamburg 748

Swinemünde. 754

Neufahr wass ö

756

746

742

748

746

754

750

wolkig?) bedeckt?) Regen Regent) bedeckt bedeckt?) bedeckte) halb bed. bedeckt?) bedeckts) Regen) Regen Regen 751 Regen lo) 755 heiter . 89 3 Nebel

J

Münster... Karlsruhe.. Wiesbaden. München Leipzig.. Berlin. ,

de do do Ro CO N O οσ.«

924

55 IG No 758 still bedeckt 7

1) Seegang sehr hoch. 2) Seegang mässig. 3) Seegang hoch. ) Nachts Graupelschauer. 3) Abends wenig Schnee. s) Abends und Morgens feiner Schnée, Regen. ) Regnerisch, zeitweise stürmisch. 8) Gestern Regen. “) Nachts Regen.

z ; 8 ; Ne en. 10) Nachts Regen. ö

Anm er ung; Die Stationen sind in 4 Gruppen geordnet! 1) Nordeuropa, *) Küstenzone von Irland bis Ostpreussen, 3) Mittel- suropa südlich dieser Zone, 4) Südeuropa. Innerhalb jeder Gruppe ist die Richtung von West nach Ost eingehalten. 8k ala für die Windstärke: 1 leiser Zug, 2 leicht, ; ee. ö, . ,. 5 frisch, 6 stark, 7 gteif, 8 stürmisch, 9 Sturm = starker Sturm, 11 hefti Sturm, 12 Orkan. 39 2

Uebersicht der Witterung.

Eine tiefe Depression, deren Herannahen vom Ozean bereits gestern über Westbritannien angedentet war, liegt uper der irischen See, umschloscen von zungenförmigen von Nordwest nach Südost gestreokten Isobaren bei trübem Wetter und ausgedehnten Regen- oder Schneefällen wehen über Ostbritannien stürmische Nordeentraleéuropa vielfach starke südöstliche Winde wührenũ über Frankreich und Süddeutschland starke, stellenweise St ür- mische südwestliche Luftbewegung herrscht. Anf ersterem Ge- biete ist daher meist Abkühlung eingetreten, während auf letzterem das warme Wetter fortdanert. Im mittleren und nörd- lichen Ostseegebiete herrscht unter dem Einflusse der Depression welche gestern bei Riga lag und jetzt dem Weissen Meere an! eilt, sehr strenge Kälte. ö

Deutsche Seewarte.

Ker lin, 28. Februar 1882. Marktpreise nach Ermitt. des K. Pol- Präg

Höchste s Nearigel Preis e. per 1090 Kilogr. Sp 3 460 Fur Weizen gute Sorte.... . 25 8 123 J . r 80 21 meme, ( 40 20 l 130 M J 9 Roggen geringe Sorte.. J Q 15 1 9 80 . 3650 , 3 20 Hafer gute Sorte JJ k 5 16 k 3 20 Richt · Stroh Hen Erbsen ö Speisebohnen, weisse Linsen Kartoffeln Rindsleisch von der Kenle 1 Kilogr. Bauchfleisch 1 Kilogr.. Schweinefleisch 1 Kilogr. Kalbfleisch 1 Kilogr. . Hammelfleisch 1 Kilogr. . Butter 1 Kilogr.. Fier 60 Stück ; Karpfen per Kilogr.. Aale zander Hechte Barsche Schleie Bleie ö ; Krebse per Schock,,

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Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition Kesseh. Deuck: W. Glsner. Fünf Beilagen

Berlin:

Nebenverdienst für Förster, Waldwärter und kleine Landwirte 3c. =

Handelsgeographie und Förderung deutscher Interessen im Aus—⸗

Aus Memo 8 Haf off Forts Aus den Memoiren des Hasen Löffelmann (Fortsetzung). Jagd⸗ !

(einschließlich Börsen · Beilage).

; Deutscher Landwirthschaftsrath. Generalversammlung der Steuer⸗ und 6

Temperatur

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Käniglich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

WX 52.

Berlin, Mittwoch, den 1. März

18832.

Aichtamtliches.

Preußen. Berlin, 1. März. Im weiteren Ver—⸗ laufe der gestrigen (22. Sitzung setzte das Haus der Abgeordneten die zweite Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts-Etats für das Etatsjahr 1882/83 mit der Diskussion des Etats des Ministeriums des Innern (dauernde Ausgaben, Kap. 92, ö in den Provinzen, Tit. 6 Polizeiverwaltung in Posen fort. Bei Tit. 6 (Polizeiverwaltung in Posen) beklagte sich der Abg. von Wierzbinski aufs Bitterste über die scharfe Ueberwachung resp. Maßregelung nichtpolitischer polnischer Vereine, als landwirthschaftlicher, Unterstützungs⸗ und sonstiger Vereine, hinter denen man unablässig großpolnische Agitation wittere, die diesen Vereinen stets fern gelegen habe.

Der Abg. Hahn führte dagegen aus, daß die genannten Vereine es sich zur Aufgabe gestellt hätten, nationale Agitationen unter dem Deckmantel eines landwirthschaftlichen Vereins zu betreiben und dadurch Unfrieden in der Bevölke⸗ rung zu säen. Eine strenge Ueberwachung der Vereine sei also durchaus geboten.

Der Abg. Kantak erklärte, man könne es doch den Polen nicht verdenken, daß sie für ihr Geld auch ihre Nationalität und ihre Sprache pflegten. Politische Agitation sei mit den Bestrebungen der qu. Vereine nicht verbunden. Neuer— dings spreche man allerdings, sogar von großpolnischer Agitation. Der Staat habe kein Recht, von den Polen zu verlangen, auf Dinge zu verzichten, die ihnen verfassungs⸗ mäßig garantirt seien. Harmlose Vereine, die sich um Kunst und Wissenschaft bekümmerten, würden, nur weil es pol⸗ nische Kunst und Wissenschaft sei, bewacht, als ob sie politische Agitation trieben. Auf jeder Vereinsversammlung finde sich ein Polizeikommissar ein, die Mitgliederlisten müßten pünkt⸗ lich eingereicht werden und würden aufs Peinlichste kontrolirt. Demgegenüber sei hier im Hause die nützliche Tenden; der Vereine anerkannt worden. Aber die Polizeiverwaltung schenke jeder beliebigen Denunziation ohne weiteres Glauben.

Der Abg. Günther (Fraustadt) trat den Ausführungen des Abg. Hahn bei und wies die gegen die Polizei erhobenen Gravamina als ungerechtfertigt zurück. Die Leitung dieser Vereine sei durch nakionalpolnische Rücksichten beeinflußt, und sei ihre Ueberwachung zur Verhinderung von Agitationen un—

erläßlich.

Titel 6 wurde darauf angenommen, ebenso der Rest des Kap. 92.

ö Bei Kap. 93 (Polizei-⸗-DistriktéKommissare in der Pro⸗ vinz Posen 502 545 M beklagte sich der Abg. von Jazdzewski über das Institut der ,, . im Allge⸗ meinen und speziell über die Vermehrung dieser Stellen u. A. in Inowrazlaw. .

Der Abg. Hahn erklärte dagegen das Institut der Di— strikts-⸗Kommissarien gerade sür die Provinz Posen für unent— behrlich und die Vermehrung der Stellen gerade für den Be⸗ zirk von Inowrazlaw für geboten. Diese Beamten seien eine nothwendige Stütze für die Landwirthe, und ihre Zahl müßte im Interesse der bffentlichen Sicherheit womöglich noch weiter vermehrt werden.

Der Abg. von Dziembowski empfahl eine Erhöhung des für die Distriktskommissarien ausgeworfenen Pferdegelder— aversums und eine Verbesserung der Entschädigungen für Bu— reau⸗ und Vertretungskosten.

Der Vize⸗-Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern, von Puttkamer, erkannte die Nothwendigkeit dieser Erhöhung an, er könne dieselbe aber bei der Finanzlage des Staates zur Zeit nicht versprechen. Uebrigens werde die Re⸗ gierung auch die Aufbesserung der Gehälter der Distriktskom⸗ missare im Auge behalten. .

Das Kap. 93 wurde darauf bewilligt.

Bei Kap. 94, Landgensd'armerie, 8 969 499 MS erhob der Abg. Dr. Kolberg Beschwerde über die ungenügende Zahl der in Ostpreußen vorhandenen Gensd'armen. In einzelnen Kreisen mehrten sich die Diebstahle, namentlich die Pferde⸗ diebstähle, in bedenklicher Weise. Das Vagabondenthum nähme enorm zu, da die Gensd'armen zum Grenzdienst, anstatt zur inneren Verwaltung verwendet würden. Diese Uebelstände träten hauptsächlich in den Kreisen Mohrungen und Preuß⸗ Holland zu Tage.

Hierauf ergriff der Vize⸗Präsident des Staats-Ministeriums von Puttkamer das Wort:

Meine Herren! Wenn ich zuerst auf den ersten Theil der Be⸗ merkungen des geehrten Herrn Vorredners eingehen darf, so ist mir aus meiner früheren Stellung in der Provinz Ostpreußen persönlich der von ibm gerügte Uebelstand des häufigen Pferdediebstahls, nament⸗ lich in den Grenztbeilen, sehr wohl bekannt. Aber das Uebel hat eben hauptsächlich seine Wurzel in der Grenzlage der meisten Theile der Pro- vinz Ga n, Es gelingt den Pferdedieben nur zu leicht, ihre Beute bei Nacht über die Grenze nach 9 hineinzubringen und dann hat der Eigenthümer meist das Nachsehen. In den aller⸗

eltensten Fällen kann die Anzeige des betreffenden Diebstahls an die olizeiorgane so rasch erfolgen, daß man den Dieben auf der kurzen ntfernung von wenigen Meilen bis zur Grenze mit Wirkung nach- setzen kann.

Wenn der Herr Vorredner dann zu der in meinen Augen aller dings wichtigeren und bedeutungsvolleren Frage der nach seiner Meinung erschreckenden Zunahme der Vagabondage überging, so bin ich der

einung, daß dies eine r, Lokalfrage nicht ist. Vielmehr ist die Üeberzeugung davon, daß wir uns auf diesem Gebiete in einem nicht unbedenklichen Maße in unseren Zuständen verschlechtert haben, eine ziemlich allgemeine. Ich glaube, auf die Gründe dieser Erscheinung, die ja gewiß sehr verschieden beurtheilt werden, ier nicht weiter eingehen zu sollen. Sie werden wohl äufig auf wirtbschaftlichem Gebiete liegen. Aber was dig von dem Herrn Abgeordneten gegen die auch von mir anerkannten Uebelstände vorgeschlagenen Hülfsmittel anbetrifft, so muß ich mir doch in dieser Bar eb un die Bemerkung gestatten, daß ich, wenn er zunächst die Qualifikation unseres Genéd armerie Gorpz bejweifelt, mich mit ihm in der Beurtheilung auf einen sehr verschledenen Standpunkt stellen muß. Ich glaube, daß die militärische Qualifikation und die militärische Organisation unserer Gened'armerie- Corps gerade eine der Säulen der öffentlichen Sicherheit ist. Ich glaube, die öffentliche Meinung in Preußen steht ganz über wiegend auf dem Standpunkte, daß sie in der militärischen Organi⸗

Gensd'armerie⸗Corps einen großen Vorzug erblickt, und ich würde es auch bedauern, wenn bei uns die Anschauung Platz griffe, daß die Rekrutirung des Gensd'armerie-Corps nicht ausschließlich aus dem Militärstande erfolgen sollte. Ich glaube, der Herr Vorredner würde, wenn dieser sein Wunsch ich habe ihn so aufgefaßt in Erfüllung ginge, sehr bald finden, daß wir üble Er⸗ fahrungen machen würden, und ich kann nur bitten, auf diesen Gesichts⸗ punkt nicht zu sehr Nachdruck legen zu wollen. Ich glaube, meine Herren, der Zunahme der Vagabondage, deren Grund ich, wie gesagt, nicht untersuchen will, wird auf dem Wege der Repression kaum abgeholfen werden können. Wir bedürfen dazu größerer organisatorischer Ein⸗ richtungen, die hier zu erörtern viel zu weit führen würde. Ich glaube, daß gerade auf dem Gebiete der Selbstverwaltung und Selbsthülfe die Heilmittel liegen, welche dem gedachten Uebelstande Abhülfe zu schaffen in der Lage sein werden. Aber, wie gesagt, ich möchte weder die Tüchtigkeit des Gensd'armerie⸗Corps mit dieser Frage in Verbin⸗ dung bringen, noch auch die Tüchtigkeit und Pflichttreue der Lokal⸗ polizeibehoͤrden, von denen der Hr. Abg. Dr. Kolberg sprach.

Der Abg. Bachem bemerkte, die Erklärung des Ministers vom Sonnabend, daß die Requirirung militärischer Kräfte zur Unterdrückung von Volksunruhen in der Hand der Be— hörden ein zweischneidiges Schwert sei und nur in den äußersten Nothfällen angewendet werden könne, sei vom Centrum mit dem lebhaftesten Beifall aufgenommen worden. Es hätten sich allerdings im Centrum sehr eigenthümliche Erinne— rungen einstellen müssen. In Westpreußen und Pommern habe es sich um ernste Exzesse, um Personen⸗ und Sachbeschädigungen gehandelt, welche erhebliche Gefängniß— strafen nach sich gezogen hätten, trotzdem habe man die Requi— sition von Militär nicht für nöthig gehalten. In der Rhein⸗ provinz sei dagegen bei dem bekannten Fall, der in der Vergangenheit liege und den er nicht weiter erörtern wolle, nicht eine einzige thatsächliche Ausschreitung nachgewiesen worden und doch sei Militär requirirt. Ebenso ssei man vor Kurzem im eigenthümlichen Gegensatz zu der Erklärung des Ministers in der rheinischen Gemeinde Rheinbrohl verfahren. Der Bürgermeister habe von dem katholischen Ortsgeistlichen das kirchliche Geläute bei dem Begräbniß eines zweijährigen Kindes verlangt, obwohl es in der ganzen Gegend garnicht üblich sei, bei einem solchen Begräbniß zu läuten. Der Weigerung des Geistlichen sei auch die kirchliche Gemeindevertretung und der Gemeinderath beigetreten, auch gegenüber der Intervention des dortigen aus dem Kulturkampfe noch sehr wohl bekannten Landraths von Runkel. Man habe passiven Widerstand ge⸗ leistet, indem man die Herausgabe der Kirchthurmschlüssel verweigert habe. Darauf habe sich der Landrath unter Zu— hülfenahme von 4— 6 Landgensd'armen zur Kirche begeben, um in den Kirchthurm einzudringen. Da jedoch die zahlreich versammelte Volksmenge eine drohende Haltung angenommen hätte und da der Landrath sich dem Volke gegenüber nicht eine genügende Autorität zugetraut habe derselbe werde wohl mit Rücksicht auf seine reiche kulturkämpferische Thätigkeit ein böses Gewissen gehabt haben so habe der Landrath sich sofort telegraphisch an den Regierungs⸗Präsidenten von Coblenz um militarische Hülfe gewandt. In Abwesenheit des Regierungs-Präsidenten habe der Ober⸗Präsident das Gewünschte angeordnet und es sei endlich ein Piquet Land⸗ gensd'armerie mit einer Compagnie Militär in Rheinbrohl eingerückt nebst einigen mit Aexten und Brecheisen bewaff⸗ neten Arbeitern. Diese hätten die Kirchthurmsthür erbrochen und mit allen Glocken bei dem Begräbniß des zweijährigen Kindes eine Stunde lang geläutet. Uebrigens wäre es nicht Sache des Landraths, sondern des Bürger⸗ meisters gewesen, die Sache auf dem Wege Rechtens zum Austrage zu bringen. Aber auch dieser hätte das Läuten nicht anordnen können, denn der sog. Glockenparagraph räume der bürgerlichen Gemeinde dieses Recht nur ein bei feierlichen Gelegenheiten und Unglücksfällen. Er möchte nun den Minister bitten, sich zu überzeugen, ob auch in diesem Falle der Landrath nach seinem weisen Grundsatz versahren habe, wenn nicht, so möge der Minister dem Landrath den kalten Wasserstrahl appliziren, auf den derselbe einen begrün⸗ deten Anspruch habe.

Demnächst nahm der Vize-Präsident des Staats⸗Mini⸗ steriums von Puttkamer das Wort:

Meine Herren! Ich werde den von dem Herrn Vorredner erör— terten Fall obne die Schärfe, die er in seine Aeußerungen gelegt hat, bier vor Ibnen vortragen und will damit beginnen ausdrücklich zu betonen, daß ich keine Veranlassung habe, von denjenigen Grundsätzen, die ich in der vom Herrn Vorredner erwähnten Sitzung über die Anwendung militärischer Gewalt zur Unterdrückung von Unruhen eutwickelt habe, irgendwie zurückzutreten; im Gegentheil, ich halte dieselben noch heute für richtig und will mir nun erlauben, an der Hand des That⸗ bestandes, soweit er mir bekant ist, zu erörtern, ob im vorliegenden Fall die Behörde eine Schuld dahin trifft, daß sie zu voreilig und ohne Noth militärische Kräfte zur Unterdrückung eines drohenden Auf— standes oder einer drohenden ernstlichen Ruhestörung ju Hülfe ge— rufen babe. Ich muß dabei vorausschicken, daß mir bis jetzt ich habe selbstverständlich, sobald ich in einer Wolffschen Telegraphen⸗ depesche den Vorfall las, mich an den Ober -⸗Präsidenten mit der Bitte um Information gewandt daß mir bis jetzt nur die Berichte der betreffenden Behörden vorliegen ohne aktenmäßiges Material über Zeugenvernehmung und weiteres Eindringen in die Sache selbst; ich referire also nach den mir vorliegenden Berichten der Behörden, die ich in keiner Weise Veranlassung habe, in ihrer thatsächlichen Richtigkeit irgendwie anzuzweifeln. Es ist richtig meine Herren ich welß mich des Tages nicht mehr genau zu entsinnen, es kommt darauf aber nicht an daß in dem zur Bürgermeisterei Hönningen gehörigen kleinen Orte Rheinbrohl des Kreises Neuwied der Gemeinderath dem Bürgermeister verweigert hat, das Glockengeläute herzugeben zur Beerdigung eines der konfes⸗ sionellen Minorität angehörigen zweijährigen Kindes. Es ist ferner richtig, was der Hr. Abg. Bachem ju erwähnen vergessen hat, daß die Kirche, um die es sich handelt, ich nebme an, also auch das Glockengeläute auf Kosten der politischen Gemeinde erbant ist, und daß in Folge dessen die Civilgewalt auch schon in früheren Fällen mit Erfolg den Gebrauch der Glocke zu anderen als unmittelbar kirchlichen Zwecken in Anspruch genommen bat.

Das sst die Vorgeschichte des Falles, und nun hat sich daran folgendes Zerwürfniß geknüpft. Der Bürgermeister hat auf Wunsch der betreffenden Eltern, nicht etwa aus eigener Initiatioe, das Ver⸗ langen gestellt, daß das Begräbniß dieses Kindes mit Glockengeläute, wie es in der Gegend üblich ist, stattfinden möge. Der Geistliche, der Kirchenrath und ich glaube mich recht zu entsinnen, auch der

terungen einlassen zu dürfen, sondern indem er von der a auß⸗ ging, daß ein möglicherweise zweifelhaftes Rechtsverhältniß hier vor⸗ liege, daß unter allen Uniständen die Autorität der Obrigkeit zu wahren sei, hat er geglaubt, im Wege des administrativen Zwanges sein und der betreffenden Eltern Verlangen durchsetzen zu müssen. In Folge desfen hat ein großer Theil der Ortsbevölkerung eine überaus drohende Haltung angenommen, auch dem Landrath gegenüber, welcher zur Assistenz des Bürgermeisters, um dessen Anordnungen durchzusetzen, an Ort und Stelle erschien, diese drohende Haltung hatte ein solches Maß angenommen, daß sogar der Kirchthurm, dessen Thür verschlossen war, oben besetzt war und daß der Landrath und Bürgermeister mit Thät⸗ lichkeiten bedroht wurden für den Fall, daß sie den Versuch machen wollten, dennoch in den Kirchthurm einzudringen und das Glocken geläute stattfinden zu lassen. Der Bürgermeister und Landrath haben sich nun die Frage vorgelegt, ob es mit den vorhandenen Exekutiv⸗ kräften, die, glaube ich, aus 5 oder 4 Gensd'armen bestanden ich weiß es augenblicklich nicht genauer, weil mir der Bericht nicht vorliegt, es wird auch auf die Zahl nicht ankommen ob es mit den vorhandenen geringen Kräften möglich sein würde und unter allen Umständen möglich, den entgegengesetzten thatsächlichen Widerstand eines großen Theils der Bevölkerung zu brechen, und der Landrath, nicht durch sein böses Ge⸗ wissen getrieben ich bedaure, daß der Hr. Abg. Bachem diesen Ausdruck gebraucht hat sondern im Vollgefühl der ihm obliegenden Verantwortung hat er sich davon überzeugt, daß in diesem Fall und ich kann ja da nur aus seinem Bewußtsein urtheilen nicht möglich sein würde, ohne Aufwendung einer am Ort nicht aufzubringenden größeren Exekutivkraft seinen Anordnungen thatsächliche Folgen zu verschaffen. In Folge dessen hat er allerdings militärische Hülfe requirirt und sich mit seiner Bitte an den Regierungs⸗Präsidenten gewandt, in deffen Abwesenheit hat der Ober-Präsident die Sache selbst untersucht und ist auf Grund des erstatteten Berichts, welcher die Nothlage als solche hinstellt, zu dem ö. gelangt, eine Compagnie auf der Eisenbahn nach Rheinbrohl zu schicken. Es ist auch glücklicherweise ohne irgend welche Thätlichkeiten gelungen, durch Aufbieten der militärischen Hülfsmacht den Widerftand that— sächlich zu überwinden. Die militärische Macht hat sich übrigens nach den mir vorliegenden Berichten insofern im Hintergrund gehalten, als die Gensd'armerie, indem sie sich dem Kirchengebäude näherte, im Vordergrund sich befunden hat und das Militär nur in einer gewissen Entfernung gefolgt ist. Man hat die Thüren geöffnet und das Glockengeläut hat stattgefunden. Ich kann zu meiner großen Freude die bereits konstatirte Thatsache wiederholen, daß die Nothwendigkeit, von der Waffe Gebrauch zu machen, nicht eingetreten ist. Es ist nur, nachdem die ganze Angelegenheit auf dem Wege thatkräftigen Ein⸗ schreitens erledigt war, noch die Erwägung übrig geblieben, ob das Militär noch zur Vorsicht eine Zeitlang, etwa 48 Stunden, an dem Ort Rheinbrohl stationirt bleiben soll, um der etwaigen Wiederkehr von Ausschreitungen entgegenzutreten. Das ist jedoch nicht die Meinung der oberen Behörde gewesen; das Militär ist in seine Garnison zurückgekehrt und in diesem Augenblick hat man, da nicht mehr zericulum in mora ist, aus den benachbarten Kreisen eine größere Anzahl von Gensd'armen 26 unter einem Oberst⸗Wachtmeister zusammengezogen, die jetzt noch in Rheinbrohl statiozirt sind, um für den Fall der Noth der immer noch sehr aufgeregten Haltung der Be⸗ völkerung gegenüber den nöthigen Schutz zu gewähren.

Dies, meine Herren, ist dasjenige, was ich von der Sache weiß und ich kann in diesem Falle, so sehr ich an dem Grundsatz festhalte, den der Hr. Abg. Bachem im Eingange seines Vortrages als den richtigen und auch von mir anerkannten bezeichnete, den Behörden keinen Vorwurf daraus machen, daß sie geglaubt haben, einer derartigen drobenden Haltung der Bevölkerung gegenüber zu den äußersten Mitteln, der Anwendung militärischer Macht, zu schreiten. Ich wiederhole keinen Falles auch nur einen Anschein dafür zu haben, daß der Landrath von Runkel unbesonnen verfahren und über das nöthige Maß in seiner Requisition hinausgegangen ist. Ich möchte wirklich bitten ohne vozliegende Akten es wird ja gewiß über den Fall eine Untersuchung eintreten und es werden ja wohl eine Anzahl Leute, die am Tumult betheiligt sind, in den Anklagezustand versetzt werden ich betrachte es als ein großes Glück, daß die ganze Angelegenheit ohne thatsächlichen Zusammenstoß verlaufen ist, ich kann natärlich nicht sagen, ob die Präventive, welche in diesem Fall in der Requisition der Militärgewalt lag, wirklich die Ursache davon gewesen ist, daß keine größere Unzuträglichkeit eingetreten ist, das aber möchte ich vor allen Dingen nochmals betonen, daß ich nicht in der Lage bin über den Fall abzuurtheilen. Es wäre das eine sehr mißliche Sache. Ich bin dazu völlig außer Stande, ich kann soweit ich die Sachlage zu übersehen vermag, nur daran festhalten, daß ich den Bebörden aus ihrem Verhalten bei dem fraglichen Vorfall einen Vor wurf nicht machen kann.

Der Abg. von Eynern erklärte, nach den ausführlichen Debatten über den traurigen Vorfall in Rheinbrohl möchte er den Minister nur noch fragen, ob der Hr. Bischof Korum, der als Friedensapostel in Trier seinen Sitz habe, seinerseits zur Beruhigung der Gemüther in Rheinbrohl beigetragen habe. Bekomme er vom Minister keine Antwort, so sei keine Antwort auch eine Antwort.

Der Minister des Innern von Puttkamer entgegnete, er habe nur zu erwidern, daß in diesem Falle keine Antwort doch nicht eine, sondern eben keine Antwort sei.

Der Abg. Freiherr von Minnigerode brachte die große Anzahl der Pferdediebstähle in Ostpreußen zur Sprache und empfahl als zweckentsprechendstes Mittel dagegen, aus Vereins⸗ mitteln Belohnungen für Entdeckung der Pferdediebe auszu⸗ setzen. Dieses Verfahren hätte in manchen Gegenden besser seinen Zweck erfüllt, als der größte Eifer der Gensd'armerie,

Der Abg. Dr. Lieber kam nochmals auf den Fall in Rheinbrohl zurück. Zwischen den heutigen Erklärungen des Ministers und denen vom vorigen Sonnabend sei ein großer Ünterschied. In Pommern und Westpreußen seien Personen thätlich angegriffen und verletzt, Häuser demolirt, Eigenthum geplündert und zersibrt. Hier habe der Minister keinen einzigen Erzeß nachweisen können. Die fonfessionellen Gegensätze in diese Frage zu tragen, wie der Minister gethan, sei geeignet, die Sach= lage zu verdunkeln. Der Abg. Bachem habe den Fall rein sachlich

lediglich vom Rechtsstandpunkte aus beurtheilt. Nach den ihm zu⸗ gegangenen Darstellungen sei der Kirchthurm nicht besetzt ge⸗ wesen;: beim Anmarsche der siegreichen Armee unter Führung des Landraths hätten sich vielmehr die geordneten Vertreter der Kirchenvermbgensverwaltung vor dem Thurme befunden, lediglich um ihren Besitz zu wahren. Glockengeläute sei bei Beerdigung eines zweijährigen Kindes keineswegs orts⸗ üblich. Daß dasseibe der Civilverwaltung bisher auch zu Privatzwecken hergegeben worden, hade auch der Minister nicht zu bebaupten vermocht. Uebrigens ergebe ein ihm vorliegendes Regierungsreskript, daß die Ver⸗

Gemeinderath haben sich diesem Ansinnen widersetzt, und der Bürger

satlon und auch in der fortdauernden militärischen Disziplin des

meister hat geglaubt, in diesem Falle sich nicht auf prozessualische Wei⸗

pflichtung der Civilverwaltung zum Bau und Unterhalt der kirchlichen Gebäude der Q —b— Kirche noch keinen An⸗