keine Rücksicht zu nehmen. Ein großes Land wie Preußen könne eben so gut verlangen, daß man in Italien diejenigen Rücksichten würdige, die Preußen für richtig finde, und auf die Empfindlichkeiten Preußens achte, als daß Preußen sich darin sollte besondere Beschränkungen auferlegen müssen. Auf die Vermischung der kirchenpolitischen Gesetzgebung mit den Beziehungen zum Papste wolle er nicht eingehen. Diese beiden Dinge hätten nichts mit einander zu thun. Jetzt, wo ein Papst an der Spitze der Kirche stehe, der in der höflichsten Weise die diplomatischen Beziehungen wahre, und zu einer Zeit, in der durch ganz Deutschland der Wunsch nach einer friedlichen Gestaltung der inneren Beziehungen gehe, liege es nahe, diejenigen Hülfsmittel zu nehmen, die dazu führen könnten. Und daß die Möglichkeit, jederzeit einen Meinungs— austausch herbeizuführen, dazu viel thun könne, liege auf der Hand. Es gebe kaum eine Ausgabe, die nützlicher sei als diese. Er mache sich keine Illusionen, daß deshalb die kirchen— xolitischen Angelegenheiten leicht erledigt sein würden. Die Verhandlungen mit der Kurie schritten ihrer Natur nach nur sehr langsam vorwärts. Aber die Vorlage stelle einen Schritt auf dem Wege zum Definitivum dar. Sie bilde ein Mittel, um den Wünschen, die ganz Deutschland beseelten, nachzu— . Aus diesen Gründen bitte er, die Position zu be— willigen.
Der Abg. Dr. Virchow erklärte, die Bemerkung des Vor—
redners, daß er und der Abg. Weber die Worte des Reichs— kanzlers nicht vollständig zitirt habe, sei nicht richtig; er habe in der Rede des Reichskanzlers nur das Bedürfniß betont ge— funden, und der Vorredner habe nur eine spätere Aeußerung des Reichskanzlers nachgetragen, daß derselbe sich vorbehalten habe, falls er einmal wieder ein Vedürfniß verspüren würde, darauf zurückzugreifen. Er (Redner) habe nur beweisen wollen, daß sich Gründe zur Kreirung eines Gesandtschaftspostens bei der Kurie nicht hätten finden lassen. Daß der Reichskanzler heute das Bedürfniß einer Vertretung beim päpstlichen Stuhle habe, sei doch kein Grund. Heute habe der Reichskanzler ein Be— dürfniß, morgen habe derselbe vielleicht kein Bedürfniß. Er hätte vom Ministerium gern nähere Erläuterungen gehört. Welche Interessen sollten denn eigentlich vertreten werden? Wenn man in Frieden leben wolle, so werde sich schon ein Arrangement finden, nicht durch Verträge und Konkordate, sondern auf dem Wege der Reichsgesetzgebung. Seiner (des Redners) auswärtigen Politik Erfolge absprechen zu wollen, sei ungerecht. Der Graf Limburg-Stirum sollte doch wissen, daß er (Redner) schon vor ihm für ein Deutschland ohne Oesterreich eingetreten sei. (Heiterkeit rechts) Damals hätten die Herren von der Rechten auch gelacht; jetzt komme es den Herren allerdinas so vor, als wenn sie es gewesen, bie Oesterreich aus Deutschland gedrängt hätten. Seine Karrière hier im Hause habe er mit der kurhessischen und dann mit der schleswig⸗-holsteinischen Frage eröffnet.. Seine Partei habe die Sache in Fluß gebracht; sie habe die Politik vorgezeichnet, die später in Anwendung gebracht sei. (Grsße Heiterkeit rechts) Er kenne ja die viel höhere Begabung des Grafen Limburg-Stirum, aber er werde sich dadurch nicht abhalten lassen, das Verdienst seiner Partei gegen Verdunkelung zu schützen. Er werde aber stets die öffentliche Politik nicht blos im in⸗— duktiven Sinne studiren. Gerade da, wo die Psychologie im Vordergrund stehe, wo der Mensch' als denkender Wensch operire, da könne man deduktiv verfahren, und sehr häufig aus der besonderen Gemüthsart und Veranlagung des Men⸗ schen folgern, was derselbe wohl für eine Politik zu Stande bringen werde. Der Vorredner lasse ihn ganz willkürlich den Papst als einen älteren Herren betrachten, der zufällig in Italien wohne. Das sei eben die große Differenz zwischken ihm und dem Vorredner; der Papst wohne gar nicht zufällig in Italien, er habe denseiben wesentlich für einen Italiener gehalten, und, wenn das Papstthum nicht die größten Re— volutionen erleide, so bleibe es noch lange Zeit eine wesentlich italienische Institution. Daß das nicht Zufall sei, folge aus der ganzen Entwicklungsgeschichte des Papsttyums. Die hier vorliegenden Gesichtspunkte seien nichts anderes als Stadien der Entwicklung des Kulturkampfes; Fürst Bismarck glaube in dieser Form momentan eine Lösung herbeiführen zu kön⸗ nen; ob derselbe es in diesem Augenblick noch glaube, sei ihm nach den Vorgängen der letzten Zeit sehr zweifelhaft. So ein Gesandter müsse schon im Jun des vorhergehenden Jahres angemeldet werden, wenn derselbe auf den Etat kommen solle, und da Fürst Bismarck dem Hause schon im November davon Mittheilung gemacht habe, so fei der Gesandte also eine Somimerfrücht des vorigen Jahres, die nun vielleicht schon wieder reif zum Abfallen sei. Man wisse nicht, ob Fürst Bismarck nicht einen Tag nach der Bewilligung erkläre, er brauche den Gesandten jetzt nicht mehr. Seien doch die Herren, als dem König Georg von Hannover eine Masse Geld bewilligt werden sollte, voll von der Weisheit dieser Politik gewesen, und, ehe das Gesetz noch publizirt gewesen sei, sei das Vermögen wieder mit Sequester belegt worden, und da hätten es die Herrrn eben so weise gefunden, daß man das Geld an sich gehalten und jahrelang zum Ver⸗ derbniß der Presse verwendet habe. Gerade so könne es mit dieser Angelegenheit auch gehen. Was der Rechten in diesem Augenblick als Bedürfniß erscheine, könne sich morgen als das Gegentheil ausweisen, daß der Gesandte nachher einfach ge⸗ spart werde, daß man ihn unter den Minderausgaben des Jahres 1882. 4-83 wiederfinde. Diese Art von Kampfespolitik habe er in allen Stadien eben nicht als eine nützliche gefunden, welche er unterstützen könne. Seine Partei werde dem Interesse des Landes und der Gesammtsituation am meisten durch Ab⸗ lehnung der Vorlage dienen. Er zweifle, daß man von Seiten der Minister dem Hause irgend ein rosiges Bild ent— wickeln werde, etwa dem entsprechend, das der Abg. Stengel etwas frühzeitig habe an das Tageslicht treten lassen. Möge man in Preußen doch etwas vorsichtig sein und überlege man, daß man an vielen Stellen Gelegenheit finden werde, diese 20 000 M sehr viel besser und sruchtbarer für die Inieressen der eigenen Mitbürger anzulegen. Es könnten ja auch katho⸗ lische Mitbürger sein, denen man das zuwende. Und er glaube, das würde den Katholiken fühlbarer sein, als die Wohlthaten, die man durch diesen Gesandten in Rom herbeiführe.
Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, er wolle auf einen naheliegenden Wettstreit nicht eingehen, so verlockend bie De— duktionen des Abg. Dr. Virchow auch gewesen seien. Die An— gelegenheit sei für ihn dazu zu ernst. Er hätte es am liebsten gesehen, wenn das Haus nach der Motivirung der Position durch den Regierungskommissar einfach abgestimmt hätte; das wäre wohl das Einfachste und Würdigste gewesen. Er nehme das Wort auch nur, damit an sein Schweigen nicht unrichtige
Gesandtschaft. Der Reichskanzler habe ja selbst im Reichatag
stellung der Vertretung bei der Kurie als einen wohlüberlegten Schritt der preußischen Staatsregierung, um die friedliche Ge⸗ sinnung zu dokumentiren, welche sie beseele, und er begrüße die Vertretung in diesem Sinne, obwohl er mit der Motivi⸗ rung nicht vollständig einverstanden sei. Jede Gesandtschaft bei der Kurie liege viel mehr im Interesse des betreffenden Landes selbst, als in dem der Katholiken. Dies zeige deutlich das Verhalten Englands, welches stets großen Werth darauf gelegt habe, beim päpstlichen Stuhle vertreten zu sein. Die
Graf Limburg-Stirum habe ihn als eine Art Souverän hin— gestellt. Der Papst sei das sichtbare Oberhaupt der katho— lischen Kirche, zu der sich auch in Deutschland viele Millionen bekennten, derjelbe sei das Oberhaupt von mehr als 200 Millionen Christen, die demselben auf kirchlichem Gebiete folgten, wie keinem anderen Souverän seine Unterthanen; der Papst habe keine Armeen, keine Generale, keine Polizei, und doch herrsche in seinem Reiche mehr Ordnung, als irgend anderswo. Selbst nach seiner Beraubung sei dem Papst durch ein Gesetz seine Souveränetät garantirt worden. Dieser Souveränetät gegenüber habe die deutsche Regierung ab irato die diplomatischen Beziehungen abgebrochen. Die Grunde dafür seien nach seiner Meinung nicht stichhaltig gewesen, doch er wolle dieselhen hier nicht kritistren, um nicht unangenehm zu berühren. Man sage, es seien „unfreundliche Worte“ aus Rom gefallen. Jedenfalls seien diesen Worten „unfreundliche Thaten“ vorausgegangen. In Preußen habe der Minister Falk gerufen: „Auf gegen Rom!“ Wenn man da auf jener Seite in einem Mollton nicht geantwortet habe, fo fei das nicht zu verwundern. Wenn er nun auch erfreut über die Wiederherstellung der Beziehungen sei, so hätte er doch ge— wünscht, daß sie in derselben Weise wieder angeknüpft worden wären, wie sie abgebrochen seien, nämlich durch eine deutsche
gesagt, daß derselbe nichts gegen eine solche deutsche Ver— tretung einzuwenden hätte, wenn die anderen deutschen Staaten sie geboten fänden. Einstweilen bewillige er aber die Position, weil er vertraue, daß der Reichskanzler die auswärtige Politik richtig leite. Für die Nationalliberalen sei es bezeichnend, daß sie das Vertrauen zur auswärtigen Politik des Kanzlers immer im Munde fuhrten, in der Praxis aber ver— leugneten. Der Kanzler sei indeß viel zu sehr Staats— politiker, als daß derselbe Worte für Thaten nähme. Man habe nun gefragt, was dieser Gesandte denn zu thun haben würde und gemeint, die Entsendung eines solchen be— deute eine Verleugnung des Gedankens, daß man die Be— ziehungen des Staates zur Kurie durch einseitige Gesetzgebung ordnen könne. Dies Wort klinge sehr stolz; aber der Papst sei einmal Oberhaupt der Kirche, welcher in Preußen und Deutschland Millionen Bürger angehörten. Dieses einseitige Vorgehen komme ihm so vor, als wenn zwei Gutsnachbarn die Grenze ziehen wollten und der eine sage, er thue es kraft souveräner Gewalt. So habe man es hier bei den Mai⸗ gesetzen gemacht und der Kirche sehr Bedeutendes abgepflügt. Das Centrum werde es dem Staate wieder abnehmen, nur Geduld und Ausdauer! Und selbst wenn der von der Linken aufgestellte Satz richtig wäre, so könnte diese einseitige Gesetz⸗ gebung doch nur geordnet werden mit Rücksicht auf die Ver— hältnisse der Katholiken. Wenn das geschehen solle, so sei es durchaus nothwendig, daß der Staat sich vergewissere, wie dann seine Pläne von der andern Seite beurtheilt würden, dies zu erfahren, würde gerade die Aufgabe des Gesandten sein. Hätte man das bei den Maigesetzen befolgt und nur die Bischöfe hören wollen, hätte die Linke nicht in ihrem ein— seitigen Souveränetätsdünkel ganz ohne Rückficht auf die Interessen der Kirche und möglichst zu eigenem Nachtheile und Schaden diese Grenze ziehen wollen, so wäre man in Preußen nicht in die unglücklichen Verhältnisse ge— kommen, in denen man sich jetzt befinde. Vergesse man doch nicht, daß in allen Dingen, wo die Kirche etwas Positives zu leisten habe, alle einseitigen Bestimmungen gar nichts helfen würden. Man könne denjenigen, den man zwingen wolle, ein⸗ kerkern, ihm Geld wegnehmen: alles bleibe den Gewalthabern offen, aber zur Handlung zwinge man ihn nicht, zumal dann nicht, wenn das Gewissen entgegenstehe. Es werde eine ewig merkwürdige Erscheinung sein, daß die Männer, welche die Gewissensfreiheit proklamirten und täglich im Munde führten, diejenigen gewesen seien, welche zu kirchlichen Handlungen durch Kerker und Strafen hätten zwingen wollen und noch fortfahren wollten, das zu thun. enn der Staat da gesetz⸗ liche Ordungen schasffen wolle, so liege es in seinem Interesse, sich Klarheit zu verschaffen, inwiefern der heilige Stuhl in der Lage sei, stillschweigend oder ausdrücklich zu acceptiren, was der Stagt wolle. Außerdem werde der Gesandte auch die Personenfrage bei Besetzungen von Bischosssitzen zu regeln haben, derselbe werde also, so lange noch ein Stück der Mai⸗ gesetze bestehe, vollauf zu thun haben. Er wolle nur hoffen, daß es nicht zu seinen Geschäften gerechnet werde, die Een trumsfraktion in einem faischen Lichte darzustellen, die Fraktion im Ganzen und die einzelnen Perfonen, aus denen sie bestehe. Wenn man die früheren Publi— kationen lese, so werde man begreifen, wie er dazu komme, so etwas für möglich zu halten. Sei das Centrum doch damals angeklagt, es hätte nicht stimmen wollen für den Schutz der Pilze und Beeren! Er möchte den Regierungs— kommissar ausdrücklich bitten, diesen Wunsch, den alle seine Genossen und die Katholiken theilten, dem Reichskanzler be— sonders zu berichten, damit die Weisungen des Hrn. Schlözer oder seines Nachfolgers danach eingerichtet würden. Daß außerdem eine Reihe von Geschäften zwischen den Katholiken und dem heiligen Stuhl vorkämen, welche ganz zweckmäßig durch die Gesandtschaft erledigt werden könnten, brauche er ebenso wenig auseinanderzusetzen, wie daß es eine Anomalie sei, einen solchen Gesandten abzuschicken und im Gesetze stehen zu lassen: der Papst habe hier eigentlich nichts zu sagen. Es könnte irgend ein witziger Monsignore im Vatikan doch mal darauf aufmerksam machen, daß es kurios aussehe, daß man zu einem Manne komme, den man in seiner Heimath abgesetzt habe. Daneben betone er, daß bei der hohen Bedeutung, welche der Papst für die Katholiken habe und welche dem⸗ selben unwillkürlich auch von den Nichtkatholiken bei elegt werde, bei seinem 61 moralischen, geistigen Lin ß auf die ganze Welt und auf, die ganze Weltgeschichte es im höch— sten Grade wichtig sei, in der gegenwärtigen Jeit, wo Alles in der Auflösung begriffen sei und wo man den schweren sozialen Gefahren gegenüberstehe, daß von dieser Stelle zur Beschwich⸗ tigung und zum Ausgleich in diesen Dingen mitgewirkt werde. Er habe die Ueberzeugung, daß diese Einwirkung der Kurie nicht allein für Deutschland, sondern für die Welt viel wirksamer
Folgerungen geknüpft. würden. Er betrachte die Wiederher⸗
Herren hätten sich gestritten, was eigentlich der Papst sei, und.
sozialistischen Uebel zu Leibe zu gehen. Grade der gegen⸗ wärtige Augenblick sei dazu geeignet, die Gesandtschaft an die Stelle zu schicken, woher solche Hülfe kommen könne. Graf Limburg habe gesagt, es könnte faum eine nützlichere Aus⸗ gabe gemacht werden, wie diese. Dieser Ansicht sei er auch. In der Hoffnung, daß der Gesandte mit richtigen Instruktionen versehen werde, bewillige er diese Position unter Abstattung des Dankes der Katholiken für diesen Beweis friedlicher Ge⸗ sinnung und freundlichen Entgegenkommens. Er schließe sich gern dem Wunsche des Abg. Stengel an, daß von dieser Position aus der Friede sich weiter und weiter anbahnen möchte, und er konstatire mit Befriedigung, daß dies besonders betonte Friedenswort von dem Abg. Stengel gekommen sei, dessen Fraktion sonst Einiges zu wünschen übrig gelassen habe. Der Abg. Virchow, ein genauer Kenner ver Herzen der Menschen, habe gesagt, das komme von dem guten Herzen. Nun wohl, lasse man ihn annehmen, daß heute das gute Herz der Freikonservativen gesprochen und daß die Blutcirkularion so rasch sein möge, daß sie auch in die andern Theile dieses Körpers übergehe. Er bitte, einmüthig oder doch mit großer Majorität, was hier verlangt sei, zu bewilligen, schaden werde es dem Staate ganz sicher nicht.
Die Diskussion wurde geschlossen, die Position sowie der Rest des Etats, letzterer ohne jede Diskussion, angenommen.
Es folgte der Etat des Ninisteriums für Handel und Gewerbe.
Kap. 29 der Einnahme wurde ohne Debatte genehmigt.
Bei Kap. 67 des Extraordinariunis. Ministerium, 2510 , Tit. 1, der Minister (ohne Gehalt) brachte der Abg. Pr, Franz die traurigen Verhältnisse der Hausindustrie der Weberdistrikte im schlesischen Eulengebirge zur Sprache. Es herrsche dort ein permanenter Noihstand, dem die Provin⸗ zialbehörden leider nicht von Anfang an die nöthige Auf— merksamkeit gewidmet hätten. Aus den Nothlisten, die die Armenkommission in Peterswaldau aufgestellt habe, gehe her⸗ vor, daß Familien mit 5 Kindern, die an 2 Webestühlen ar— beiteten, einen Jahresverdienst von 418 6 hätten, von dem noch eine Reihe von Steuern abgehe. Höchst bedauerlich sei es, daß der Kultus-Minister im vorigen Jahre trotz der Be⸗ fürwortung des Ober⸗-Präsidenten nicht erlaubt habe, daß die Vinzentinerinnen in dem Nothstandsbezirk eine Kinder⸗ bewahranstalt gründeten. Besonders schlimm ständen die Verhältnisse in den Kreisen Neurode und Glatz, und zum nicht geringen Theile seien dieselben auf das an vielen Orten bestehende Institut der Ausgeber zurückzuführen, die als Zwischeninstanz zwischen den Fabrikanten und den Webern den Verdienst der letzteren verringerten. Auch der Unfug des Trucksyftems bestehe dort noch vielfach, und es sei an der Zeit, daß der Staatsanw'lt demselben seine Aufmerksamkeit widme. Ganz bedeutend leide die schlesische Weberindustrie unter der Konkurrenz der Elsässer und, der englischen Baumwollenwaaren, und es erwachse der Regierung die Pflicht, zu erwägen, auf welche Weise diesen Gegenden zu helfen sei. Die Arbeitgeber seien im Ganzen ihrer sozialpolitischen Aufgabe weniger gewachsen, als 3. B. im Westen der Monarchie, und es sei zu wünschen, daß die Handelskammern sich lieber mit der in ihrem Bezirke herr⸗ schenden Nothlage, als mit hoher Zollpolitik beschäftigten.
Der Regierungskommissar, Unter-Staatssekretär Pr. von Moeller entgegnete, die von dem Vorredner angeregte An⸗ gelegenheit sei vor einigen Wochen im Reichstage zur Sprache gekommen, und die Regierung habe eine Untersuchung der Verhältnisse in der vom Vorredner bezeichneten Richtung ein— geleitet. Sollte sich als Resultat herausstellen, daß ein Noth— stand bestehe, der der Abhülfe bedürfe und dem von Staats— wegen abgeholfen werden könne, so werde die Regierung Alles thun, um eine Besserung herbeizuführen. Der Wunsch, daß sich die Handelskammern an den Erhebungen betheiligten, werde mit Leichtigkeit erfüllt werden können.
Der Abg. Rickert brachte bei dieser Gelegenheit Reskripte des Handels-Ministers an die Handelskammern zur Sprache, deren Bestimmung und Einrichtung durch das Gesetz vom 24. Februar 1870 geregelt sei. In dem einen vielbespröchenen Reskript werde zunächst von den Handelskammern ver— langt, daß sie die Oeffentlichkeit ihrer Sitzungen einführten. Sollten die Handelskammern diese Forderung nicht erfüllen, so dürfte dem Handels⸗Minister kein Mittel zur Seite stehen, sie dazu zu zwingen, denn in dem Gesetze stehe nur, daß die Kammern die Oeffentlichkeit beschließen könnten, es sei also ihrem freien Ermessen anheimgegeben. Weiter verlange das Reskript, daß die Kammern ihre Sitzungsprotokolle einsenden sollten, daß sie den Jahresbericht vor seiner Veröffentlichung zur Censur einreichen, und den Einsendungstermin pünktlicher innehalten, sollten. Gegen das letzte Verlangen lasse sich nichts sagen. Die anderen beiden Punkte aber müsse er nach wieder— holter Durchlesung des Gesetzes als absolut unvereinbar mit dem Wortlaute und dem Sinne desselben bezeichnen. Es gebe in dem Gesetze keine einzige Bestimmung, auf Grund deren die Einsendung der Protokolle gefordert werden könne. Es gebe keine Bestimmung über eine Einreichung des Berichts vor seiner Veröffentlichung behufs einer Censur. Diese For⸗ derungen gingen vollständig über den Rahmen des Gesetzes hinaus, Der Minister von Boetticher habe im Reichstage ge— sagt, die Handelskammern seien Organe der Staatsregierung, deren Pflicht es sei, wahrheitsgetreue thatsächliche Mittheilun⸗ gen zu machen, an dem subjektiven Urtheile derselben habe Niemand ein Interesse. Er wünsche nur, daß die Regierung denselben Maßstab auch bei der Behandlung derjenigen Kam— mern angewendet hätte, die Lobeshymnen auf die Erfolge der neuen Wirthschaftspolitik angestimmt hätten. Von denen ver— lange man nicht nur Informationen über Thatsachen, sondern man lasse sogar ihren sehr subjektiven Urtheilen die Ehre der Verbreitung durch den „Staats⸗Anzeiger“ und die „Provinzial-Correspondenz“ angedeihen. Er glaube, die ganze Deduktion des Ministers leide an dem Hauptfehler, daß derselbe die Handelskammern für „Organe der Staatg⸗ verwaltung“ halte. Davon stehe kein Wort im Gesetz. Der Minister wolle die Kammern zu untergeordneten Behörden machen, während sie die Vertretung der gesammten Interessen des Handelsstandes seien und diese Aufgabe nach eigenem Er⸗ messen zu erfüllen hätten. Was solle man aber nun dazu sagen, daß die Oeffentlichkeit der Sitzungen der Kammern verlangt werde, und gleichzeitig die uncensirte Veröffentlichung des e , verboten werde, der doch in den öffentlichen
arge hergestellt und verlesen werde. Das sei doch der krasseste Widerspruch. Man könne in den öffentlichen Sitzungen den Bericht nachstenographiren und in den Zeitungen ver— , , noch ehe derselbe an den Handels⸗Minister gelange. Nun sei die ganze Angelegenheit neuerdings in ein Stadium
sei, als alle Gesetze, die man bisher geplant habe, um dem
getreten, das in hohem Grade auffällig sei. Die Handels⸗
kammer von Hannover habe gegen das Reskript des Han⸗ dels-Ministers, das mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar sei, ehrfurchtsvollen Protest erhoben. Als Antwort sei derselben ein Erlaß des Ministers zu Theil geworden, in dem derselbe für den Fall, daß seine Forderungen unbefolgt blieben, der Kammer die Auflösung androhe. So lange Han— delskammern beständen, hätten sie ihre Aufgabe, die Interessen des Handelsstandes zu vertreten, im freien Meinungsaus⸗ tausche erfüllt; der Aera der neuen Wirthschaftspolitik sei es vorbehalten gewesen, die freie Meinungsäußerung zu unter— drücken. Er dächte, auch die Herren von der Rechten, die in wirthschaftlichen Dingen Gegner von ihm seien, hätten ein Interesse daran, daß ihre Gegner zu Worte kämen. Das ganze Verfahren sei ein Symptom derjenigen Politik, die auch im Volkswirthschaftsrath sich offenbare. Er bitte die Rechte, in
ihrem eigenen Interesse, den Weg der Unterdrückung der freien
Meinung zu verlassen; Nutzen habe sie doch nicht davon, die Wahrheit breche sich schließlich doch Bahn!
Der Regierungskommissar, Unter-Staatssekretär Dr. von Moeller erwiderte, die Ausführungen des Vorredners gipfelten in dem Satze, daß derselbe die Handelskammern nicht für Organe der Staatsregierung, sondern für unabhängige Ver— treter des Handelsstandes halte und glaube, daß die Maß⸗ nahmen des Handels-Ministers über die gesetzlichen Bestim— mungen hinausgingen. Er glaube, das Urtheil des Vor⸗ redners würde anders ausgefallen sein, wenn derselbe nicht die Handelskammern von vornhetein den freiwillig zusammen— getretenen Vereinen gleich gestellt hätte. Das Gesetz, von 1870 biete aber keine Veranlassung, sie auf diese Linie zu stellen. Die Kammern seien unter der Mitwirkung und Ge⸗— nehmigung der Regierung entstanden, das Gesetz lege ihnen gewisse Pflichten auf und verleihe ihnen dafür gewisse Rechte. Wenn also die Handelskammern, der Staatsgewalt ihre Ent— stehung verdankten, dann unterliege es doch keinem Zweifel, daß — möge man es nun aus dem speziellen Gesetz oder aus allgemeinen Gesetzen folgern — der Regierung Mittel zu⸗ stehen müßten, sie zur Erfüllung ihrer Pflicht zu zwingen. Nach 8.1 seien sie verpflichtet, durch thatsächliche Mittheilungen und Gutachten die Regierung zu unterstützen; prüfe man danach den Erlaß des Handels-Ministers, so werde man ein⸗ gestehen müssen, daß derselbe nichts Ungerechtes oder Unbilliges verlange. Auch die Forderung der Einsendung der Protokolle stütze sich auf den 8. 1, die Protokolle gehörten auch zu den that⸗ sächlichen Mittheilungen, und die Regierung habe sich bereits über⸗ jeugt, daß sie aus denselben ein größeres Material faktischer Mittheilungen erhalte als bisher. Darin liege also doch nichts Bedenkliches. Was den zweiten Punkt, die Oeffentlichkeit der Sitzungen anbelange, so handele es sich da nur um einen Wunsch, den der Handels⸗-Minister ausgesprochen hahe, denn das Gesetz stelle es allerdings in das Ermessen jeder Kammer, ob, sie die Heffentlichkeit beschließen wolle oder nicht. Ein Mittel, die Erfüllung dieses Wunsches zu erzwingen, habe die Regierung nicht. Gegen die Mahnung, daß die Handels— kammern den gesetzlich fixirten Termin der Einsendung der Jahresberichte innehalten sollten, habe auch der Vorredner nichts einzuwenden gehabt; die Erfahrung zeige nämlich, daß viele Kammern mit ihren Berichten oft mehrere Monate im Rückstande geblieben seien. Was nun die Einreichung der Jahresberichte vor ihrer Veröffentlichung anbelange, so sei er erstaunt über die Konsequenzen, die man daraus gezogen habe. Nichts liege der Absicht des Ministers ferner als eine Unterdrückung der freien Meinungsäußerung, und er denke, sein ganzes Verhalten gegen die Kammern liefere einen Beweis dafür. Von den etwa 80 bestehenden Handelskam⸗ mern sei mehr als ein Drittel in Gegnerschaft gegen die jetzige Wirthschastspolitik, trotzdem sei der Handels-Minister noch mit keiner darüber in Verhandlung getreten, ob ihre Bedenken gegen seine Politik gerechtfertigt seien oder nicht. Das Gesetz schreibe eigentlich zwei Berichte vor, deren einer für den Minister der andere für die Veröffentlichung bestimmt sei. Die Kammern hätten sich aber zum größten Theil daran gewöhnt, sich die dop— pelte Arbeit zu ersparen, sie hätten nur einen Be— richt gemacht, ihn an den Minister adressirt, und denselben gleichzeitig drucken und publiziren lassen. Der Minister wolle nun die Kammern nicht zur Abfassung zweier Berichte zwingen, auch nicht die Veröffentlichung des für ihn bestimmten Be⸗ richtes inhibiren, derselbe habe daher nur verlangt, daß der Bericht, ehe derselbe veröffentlicht werde, ihm vorgelegt werde, damit er Berichtigungen eintreten lassen könne, aber wohl⸗ verstanden nicht Berichtigungen von Meinungen, sondern von Thatsachen. Es kämen nämlich Jahr für Jahr thatsächlich Irrthümer in den Berichten vor und es sei doch nicht mehr als billig, daß dieselben so bald und so wirkungsvoll als möglich berichtigt würden. Dieses Verlangen sei doch nicht als ein Uebergriff aufzufassen; der Minister nehme damit nur ein Recht in An⸗ spruch, das das Preßgesetz jedem Privatmanne sichere. Auch gegenüber der Handelskammer von Hannover sei von einem Uebergriffe keine Rede. Dieselbe habe erklärt, daß das Re⸗ stript des Ministers in ihre Befugnisse und ihre Autonomie eingreife, und habe dagegen, wie sie sage, ehrfurchtsvoll protestirt. Wenn der Minister der Vorgesetzte der Kammern sei, dann habe keine derselben das Recht, in Bausch und Bo⸗ gen gegen eine Verfügung zu protestiren, in der doch zwei Punkte selbst nach der Meinung des Vorredners berechtigt
seien. Die Kammer hätte sich darauf beschränken können,
gegen einzelne Punkte des Reskripts zu protestiren, die sie für gesetzlich nicht begründet gehalten habe; ihr jetziges Verfahren sei aber mit der Stellung nicht veriräglich, die das Gesetz den Handelskammern anweise, sie habe damit ihren Beruf bei Seite gelegt, und es bleibe dem Minister nur das Mittel der Auflösung übrig. Man habe es für zweifelhaft gehalten, ob dem Minister das Recht der Auf⸗ lösung zustehe; einmal sei schon von diesem Mittel Gebrauch gemacht worden, und wenn auch von diesem Recht nicht aus⸗ drücklich im Gesetz gesprochen sei, so bitte er doch zu bedenken, daß die Kammern nicht juristische Personen, sondern nur be—⸗ gutachtende Kollegien seien, deren Errichtung nur in der Hand des Ministers liege. Man könne doch nicht deduziren, daß die einmal vom Minister errichtete Kammer in alle Ewigkeit fort⸗ bestehen oder erst durch spezielles Gesetz aufgelöst werden solle. Der Minister habe die Handelskammer von Hannover zur nochmaligen Ueberlegung aufgefordert; er hoffe, daß dieselbe in dem Resultate gipfeln werde, dem Nestripte Felge zu leisten, und somit eine Maßregel unnöthig machen werde, die seit dem
Bestehen der Kammern erst einnial Anwendung gefunden habe.
Der Abg. Richter bemerkte, die Berufung des Regierungs⸗ kommissars auf die Vergangenheit des Handels-Ministers sei doch etwas unvorsichtig; man könne aus derselben eher das gerade Gegentheil folgern. Im Uebrigen konstruire sich der
Kommissar neben dem Handelskammergesetz ein ungeschriebenes Korporationsrecht, aus dem derselbe beliebige Besugnisse gegen die Handelskammern herleite. Das habe gewiß Niemand von denen, die seiner Zeit das Gesetz berathen hätten, voraus⸗ gesehen. Niemand sei vielmehr darüber im Zweifel gewesen, daß Alles, was der Aufsichtsbehörde habe gegeben werden müssen, in jenem Gesetze selbst enthalten sei. Nun sei hier von einem Auflösungsrechte des Staates keine Rede, woraus natürlich hervorgehe, daß eben die Handelskammern keine Organe der Staatsregierung seien. Dieselben seien nur berathende, begutachtende Körperschaften, und wenn ihr Rath, ihr Gutachten schlecht ausfalle, lasse man es unberücksichtigt. Die hannoverische Handelskammer habe durchaus richtig gehandelt; sie würde ihre Pflicht vernachläfsigt haben, wenn sie durch das Ministerialrestript sich in ihrem Berufe, unabhängig und selbständig ein Gutachten abzugeben, hätte irre machen lassen. Er würde die Handelskammer be— dauern, wenn sie jetzt, gegenüber diesen Anforderungen, zu Kreuze kriechen wolle. Wenn die Rechte jetzt das ganze In— stitut dem Belieben des Ministers anheingeben wolle, dann wäre es besser, dasselbe doch lieber ganz zu beseitigen. Ein so gedemüthigtes Institut, das nicht einmal seine Aufgabe selbst— ständig erfüllen könne, sei wirklich nicht werth, daß der Steuer— zahler dafür nur einen Pfennig beitrage. Auch die weitere Forderung des Kommissars, die Handelskammern hätten ihre Berichte vor der Veröffentlichung dem Minister zuzusenden, sei gesetzlich nicht begründet. Man habe die Handelskammern Cle blich verpflichtet, am Schluß eines jeden Jahres über die
age und den Gang des Handels und Gewerbes durch die öffentlichen Blätter Kenntniß zu geben. Die Handelskammern könnten diese Uebersicht soweit ausdehnen, daß alles in der— selben stehe, was in dem Bericht an dem Minister überhaupt für die Oeffentlichkeit interessant sei. Damit werde also auch das völlig hinfällig, was man als Zweck der Kontrolle im 8 32 anführe. Die Handelskammern berichteten falsche Thatsachen von Behörden, sage der Regierungs— kommissar, diese Behörden müßten in die Lage ge bracht werden, gleichzeitig mit der Veröffentlichung auch diese falschen Thatsachen zu berichtigen. Wolle denn der Minister diese Entwürfe für die Oeffentlichkeit allen Behörden, aus deren Ressorts Thatsachen in den Handelskammern ständen, zuschicken? Wann würden die Berichie überhaupt veröffentlicht werden können? Wenn die Behörden gleichzeitig mit diesen Berichten auch ihre Berichtigungen veröffentlichen sollten, so komme man auf die Censur; das sei der alte Standpunkt vom beschränkten Unterthanenverstand, der hier wieder hervor⸗ trete. Dann führe man doch gleich die Censur ein für alles, was die Kritik der Behörden irgendwie betreffe. Die Ver— anlassung dieses ganzen auffälligen Vorgehens gegen die Handelskammern sei der bekannte Bericht der Handelskammer in Grünberg, der darauf ein sofort im Staats⸗Anzeiger“ ver⸗ öffentlichtes Reskript zugegangen sei, des Inhalts, daß ihr Urtheil ihren angeführten Thatsachen widerspreche. Solches Vorgehen sei in keiner Weise weder gegen diese, noch gegen die Handels⸗ kammern überhaupt gerechtfertigt. Das Reskript weise auf die starke Hebung des Eisenbahnverkehrs hin, was die Handels⸗ kammer auf die Art der statistischen Erhebung zurückführe. Die Verdoppelung der Anzahl in Grünberg eingeführter Tonnen Kohlen im Jahre 1880 gegenüber 1878 komme davon her, daß mehr böhmische Braunkohlen eingeführt seien, weil die Grünberger Bergwerke im Betriebe und in der Produktion zurückgegangen seien. Aus diesem auswärtigen Ersatz von Steinkohlen habe nun der Handels Minister den Aufschwung der Grünberger Verhältnisse gefolgert. Die Hebung des Telegraphenverkehrs, speziell der Änzahl Depeschen in das Ausland erkläre die Handelskammer? durch die Vermehrung der Telegraphenstationen und die Anwesenheit einiger Eng⸗ länder, die häufiger nach Hause telegraphirten. Gerade weil das Girokonto hei der Reichsbank sich verdoppelt habe, sei der Grünberger Geldverkehr bei der Post um ein Bedeutendes vermindert, aber im Handels⸗Ministerium wisse man von diesem Zusammenhange nichts! Die außerordentliche Zunahme der Waarenprohensendungen seit 1878 erkläre die Handelskammer dadurch, daß die Zählung derselben bei der Post nicht das ganze Jahr hindurch gemacht werde, sondern daß nach dem Resultat einer gewissen Woche der Umschlag des Waaren— probeversandts für das ganze Jahr berechnet werde, und gerade 1889 sei das eine Woche gewesen, wo zufällig große Portionen Waarenproben aufgegeben seien. Der Negierungs⸗ kommissar habe von preußischen Traditionen gesprochen, die ein⸗ fachste Tradition der alten Bureaukratie sei doch die gewesen, daß man wenigstens keinen verurtheilt habe, ehe man ihn gehört habe. Statt dessen dieses scharfe Reskript. Nach diesem Muster
abe man die andern Handelskammern behandelt, dieselben Institute, auf welche man den Volkswirthschaftsrath gegrün⸗ det habe. Man wolle für die Handelskammersitzungen Oeffent⸗ lichkeit, während der Volkswirthschaftsrath hinter verschlossenen Thüren sitze und statt Gutachten abzugeben, über Sachen, die nicht derselbe verstehe, über das Tabaksmonopol plaudere. Das Verfahren gegen die Handelskammern zeige, was dem Reichs⸗ kanzler am Parlamentarismus nicht passe, wenn es ihm auch in der unschuldigen Form des Gutachtens einer Handels- kammer entgegen trete.
Der Regierungskommissar entgegnete, daß dem Abg. Richter, seine (des Redners) Darlegung über die rechtliche Stellung der Handelskammern nicht gefalle, glaube er wohl. Er wolle dem Abg. Richter gegenüber auch keinen weiteren Versuch der Ueberredung machen. Die vom Abg. Richter an⸗ geführten Erläuterungen der Grünberger Handelskammer seien von erheblicher Bedeutung; wenn man sie nicht kenne, bekomme man ein anderes Bild von der dortigen Geschäftslage. In dem Bericht dieser Kammer befänden sich übrigens ganz selt⸗ same Widersprüche. In speziellen Theil werde eine Hebung der einzelnen Branchen konstatirt, im allgemeinen werde aber die Lage . überaus mißlich dargestellt. Entweder seien die verschie⸗ denen Theile von zwei verschiedenen Personen abgefaßt oder der Bericht sei mit einem solchen Mangel an Ueberlegung
emacht, wie man es bei einer Handelskammer nicht voraus⸗ etzen sollte. Die Handelkammer habe versucht, ihre Zahlen in ein anderes Licht zu stellen, indem sie zu jeder statistischen Position Erläuterungen gegeben habe, auf die man gar nicht hätte kommen können. So werde die Steigerung des Telegraphen⸗ verkehrs mit der Vermehrung. der Telegraphenstationen erkärt. Eine ärgere Verwechslung von Ursache und Wirkung sei wohl noch nicht vorgekommen. Die Stationen würden vermehrt, weil eben das Bedürfniß danach vorhanden sei. Dann seien die dort lebenden Engländer angeführt. Das seien Leute, die in Grünberg ansässig seien, und wenn diese viele geschäfiliche Telegramme absendeten, so könne man daraus wohl auf eine
sendungen betreffe, so habe die Reichspostverwaltung in Folge zahlreicher statistischer Arbeiten in derartigen Untersuchungen eine so große Geschicklichkeit erlangt, daß sie stets den rechten Zeitpunkt für diese Zählungen zu finden vermöge. Die Re⸗ gierung könne verlangen, daß bei aller Verschiedenheit der Auffassung Seitens der Handelskammern auf die Jahresberichte die größte Sorgfalt verwendet werde. Geschehe das nicht, dann sei der Handels⸗-Minister berechtigt, sein Mißfallen aus⸗ zusprechen, da man demselben nicht zumuthen könne, daß er unbrauchbare Berichte schweigend hinnehmen solle. Nun heiße es aber, der allgemeine Theil des Berichts habe nicht die Grün⸗ berger Verhältnisse, sondern die allgemeine Lage im Auge ge⸗ habt. Seien in jenem Jahre die Verhältnisse so traurig ge⸗ wesen? Der Abg. Richter sage, die Handelskammer in Han⸗ nover habe mit ihrem Protest gegen das Cirkularreskript ihre Pflicht gethan. Nehme der Abgeordnete an, daß alle die Handelskammern, die nicht protestirt hätten, ihre Pflicht ver— säumt hätten? Von allen (einigen 80) Handelskammern hätten nur zwei protestirt, zwei andere hätten ihr Bedenken in Form von Fragen vorgebracht, die übrigen hätten keinen Widerspruch erhoben, ja ein erheblicher Theil habe bereits n im Reskript gestellten Forderungen zu erfüllen ange⸗ angen. Der Abg. Jacobi bemerkte, er könne sich mit dem allge— meinen Raisonnement der Grünberger Handelskammer nicht einverstanden erklären. Es sei bekannt, daß die Grünberger Industrie während der Gründerzeit sehr lief gesunken ge⸗ wesen sei, aber in letzter Zeit habe sie sich bedeutend gehoben. Er lasse dahingestellt, ob dies propter oder post neue Zoll⸗ politik eingetreten sei. Er wolle damit nicht sagen, daß das Verdammunggzurtheil gerechtfertigt sei, bevor noch Grünberg gehört sei. Verwundert sei er über das Cirkularreskript vom November vorigen Jahres. Wenn eine Handelskammer ge— sündigt habe, sei es da begründet, daß darunter alle anderen leiden müßten? Durch dieses Reskript seien die Handels⸗ kammern deterioris positionis gemacht worden. Durch das Gesetz von 1870 seien sie aus ihrer früheren Unter⸗ ordnung zur autonomen Stellung gelangt. Man sei damals der Meinung gewesen, daß sie keineswegs zu Organen der Staatsverwaltung gemacht werden sollten. In dem Reskript widersprächen zwei Punkte dem Geist des Gesetzes. Das Reskript verlange vierteljährliche Einsendung der Pro⸗ tokolle. Nach dem Gesetz müßten Auszüge aus Protokollen wohl veröffentlicht werden, aber die Einsendung der vollstän⸗ digen Protokolle selbst sei bedenklich, da in denselben auch persönliche Angelegenheiten vorkämen. Die Protokolle würden wohl Anfangs gelesen werden, würden aber späterhin doch nur schätzbares Material für die Akten bleiben. Ferner solle der Jahresbericht vor seiner Veröffentlichung dem Handels⸗ Minister, kurz gesagt, zur Censur vorgelegt werden. Das liege nicht im Geiste ves Gesetzes. Wenn das Haus daran gedacht hätte, so hätte es sicherlich eine bezügliche Bestimmung in das Gesetz aufgenommen. Wenn der Handels-Minister glaube, die Autonomie der Handelskammern beschränken und unter ein bureaukratisches Netz bringen zu sollen, so müsse derselbe den Weg der Gesetzgebung beschreiten. Eine überstürzte Maßregel könne er aber nicht billigen. . Hierauf vertagte sich das Haus um 43 Uhr auf Mitt⸗ woch 1 Uhr.
Nr. 4 des Archivs für Post und Telegraphie, Beiheft zum Amtsblatt des Reichs⸗Postamts, herausgegeben im Auftrage des Reichs-⸗Postamts, hat folgenden Inhalt: Aktenstücke und Auf sätze: Die Berathungen im Reichstage über den Etat der Reichs Post⸗ und Telegraphenverwaltung für das Jahr 1882ñ383. — Die Einführung von Postsparkassen in Frankreich. — Die Zeitrechnung der Mohammedaner. — Das Kaiserreich Jayan. — Kleine Mitthei⸗ lungen: Internationale Packetpost. — Eisenbahnen in den australischen Kolonien Neu⸗Süd⸗Wales und Queensland. — Das Projekt der Er⸗ bauung einer Stadtbahn in Paris. — Die New-Jorker Hochbahnen. — Flaschenpost. — Zeitschriften⸗UCeberschau. 2 ;
Nr. 2 des Ministerial⸗Blatts für die gesammte innere Verwaltung in den Königlich preußischen Staaten, her⸗ ausgegeben im Bureau des Ministeriums des Innern, hat folgenden Inhalt: Cirkular, die rechnungsmäßige Justifikation der den Stan⸗ desbeamten zu zahlenden Vergütungen für Ausfüllung von Zählkarten für das statistische Bureau betreffend, vom 24. Dezember 1881. — Cirkular, die Herstellung der Schöffenlisten betreffend, vom 18. Ja⸗
nuar 1382. — Verfügung, den dienstlichen Verkehr der Landräthe mit den Kreisbaubeamten betreffend, vom 30. Januar 1882. — Er⸗
kenntniß des Königlichen Gerichtshofes zur Entscheidung der Kom— petenzkonflikte, vom 14. Januar 1882. Wenn die kirchlichen Ge⸗ meindeorgane zur Deckung eines kirchlichen Baubedürfnisses eine Um⸗ lage beschließen, so bildet dieser von der Staatsbehörde für vollstreck= bar erklärte Beschluß die nächste Rechtsnorm für die Betheiligten, schließt also die Anwendung entfernterer Rechtsnormen über kirchliche Baulast aus und kann im Rechtswege nur insoweit angegriffen wer⸗ den, als dies bei öffentlichen Abgaben überhaupt statthaft ist. 5. 31 Nr. 6 der Kirchengemeinde ⸗Ordnung vom 19. Sep- tember 1873 und 5. 15 des Gesetzes vem 24. Mai 1861. — Erlaß, die den Medizinalbeamten für die Besorgung medizinalpoli- zeilicher Geschäfte zu gewährenden Vergütungen betreffend, vom 28. Januar 1882. — Cirkular, die Revisionen der in gerichtlichen Gemüthszustands⸗ und Leichenuntersuchungen aufgenommenen Proto- kolle und Gutachten betreffend, vom 9. Februar 1882. — Erlaß. die Schmälerung des Bürgerrechts während des Konkurses betreffend, vom 5. Dezember 1881. — Erlaß, die Prüfung der Kandidaten für den Gemeinde⸗Forstverwaltungsdienst betreffend, vom 10. Dezember 1881. — Die Veranlagung der Lebrer an höheren Bürger⸗ꝛc. Schulen zur Gemeindeeinkommensteuer betreffend, vom 25. Dezember 1881. — Erkenntniß des Oberverwaltungsgerichts vom 16. November 1881, be- treffend die Frage, inwieweit eine freiwillige unter polizeilicher Ge nehmigqung gebildete Feuerwehr ein zur Aufrechterhaltung der öffent⸗ lichen Ordnung dienendes Organ und folgeweise verpflichtet ist, den Anordnungen des auf der Brandstelle anwesenden Polizeidirigenten sich zu unterwerfen. 5. 85 der Feuerpolizeiordnung für Westfalen vom 30. November 1841. 8. 6 des Gesetzes vom 12. Februar 1859. — Cirkular, die Bestellung Königlicher Forstschutzbeamten zu Hülfs⸗ beamten der Staatsanwaltschaften betreffend, vom 23. November 1881. — Verfügung, die Berechnung der Transportkosten in Straf- sachen betreffend, vom 19. Dezember 1881. — Cirlular, die Ver⸗ pflichtung der Beamten der ausübenden Polizei bei den Königlichen und städtischen Polizeiverwaltungen, im Dienste Uniform zu tragen. betreffend, vom 18. Januar 1882. — Cirkular, Tagegelder und Reise kosten für Gensd'armen bei Verrichtung von Geschäften außerhalb des Patrouillenbezirks betreffend, vom 21. Januar 182. — Cirkular, das Reinhalten der Luftzuführunge kanäle sowie der Heizkammern ꝛc.
bei Luftheizungen betreffend, vom 28. Januar 1882. — Girkular, die Behandlung der im Bereiche der Forstverwaltung vorkommen⸗ den Bauten betreffend, vom 19. Januar 1882 — Girkular, die
Verhütung von Waldbränden aus Anlaß der Truppenbivouaks be- treffend, — 2 23. Januar 1882. — Cirfular, den Fortbildungsunter richt der gelernten Jäger bei den Jäger⸗Bataillonen berreffend, vom 2. Februar 1882.
Hebung des Geschästes schließen. Was die Zahl der Postver⸗
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