1882 / 68 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Mar 1882 18:00:01 GMT) scan diff

aufsicht verlangt und verlangen muß, nicht eine Lokalschulaufsicht, wie sie früher häufig nur auf dem Papier bestand, ein Eingreifen in die Thätigkeit, eine Kontrole über den Lehrer, eine Förderung desselben in der Erfüllung seiner Dienstpflichten, dann liegt es doch in der That sehr nahe, die Frage aufzuwerfen: wie entschädigt man solchen Geistlichen für baare Auslagen, die er unter allen Umständen zu machen hat? =

Der Herr Abgeordnete ist dann weiter eingegangen auf die polnische Frage in Qberschlesien und hat sich veranlaßt gefunden, darüber eine ganze Reihe von Bemerkungen zu machen, ich habe sie mir leider nicht notirt, doch werde ich versuchen, ihm rücksichtlich einiger zu antworten. Wir beide sind im Allge⸗ meinen darüber einig, daß die sogenannte großpolnische Agitation in QOberschlesien nur geringe Fortschritte gemacht hat. Ich will den Hrn. Abg. Dr. Franz es wird ihn interessiren, da die Kund⸗ gebung sich im wesentlichen gegen seine Person richtet auf einen ganz neu erschienenen Artikel des „Kurher Poznanski“ aufmerksam machen, worin gegen verschiedene Ausführungen, die, wie ich glaube, hier oder in der „Schlesischen Volkszeitung! gemacht worden sind, Stellung genommen wird. Da wird ausdrücklich in der Ueberschrift gesagt: Was sind wir Oberschlesier? und geantwortet:

Die „Schlesische Volkszeitung! nennt uns polnisch redende Katholiken, von anderen werden wir deutsches Volk genannt, wir selbst sagen: wir sind von Blut und Gebein Polen.“

So geht es weiter und dann wird gesagt: ;

„Es muß uns in hohem Grade Wunder nehmen, daß die „Schlesische Volkszeitung? nur zwei polnische Qberschlesier kennen will, es sind doch ihrer viel mehr, es sind viele Tausend.“

Der Hr. Abg. Dr. Franz wird mir gestatten, ihm auf diesen Artikel, der manches Interessante enthält, aufmerksam zu machen. Ab⸗ gelöst davon wird die Frage nach dem sprachlichen Unterricht behandelt. Hr. Dr. Franz hat aus den bekannten Verfügungen von 1871 ein⸗ zelne Stellen verlesen. Da muß ich ihn doch zunächst darauf auf— merksam machen, daß die ganze polnische Sprachenfrage in Ober⸗ schlesien zu allen Zeiten einen ganz anderen Charakter gehabt hat, als die in den eigentlichen polnischen Landestheilen. Das oberschle—⸗ ie Polnisch ist, wie der 9 Abg. Dr. Franz und die Herren, die

ich mit dieser Frage beschäftigt haben, anerkennen werden, in der That nicht das sogengnnte Polnisch, mit dem wir uns in Posen zu beschäftigen haben (Widerspruch bei den Polen), ja, meine Herren, Sie mögen dem ja widersprechen, Sie werden ja nachher zum Worte kommen sondern es steht fest, wenigstens habe ich Berichte dar⸗ über gelesen, daß das eigentliche oberschlesische Polnisch, ein ganz an deres Idiom insofern ist, als es ebenso wie das Litthauische nur über einen beschränkten Sprachschatz verfügt. Darin ist nun ein Wandel nach dem Jahre 1843 eingetreten, indem, während man früher im Allgemeinen geneigt war, neue Begriffe, für die das ober⸗ schlesische Polnisch keine sicheren Wörter hatte, aus dem deutschen Sprachschatz zu entnehmen es sind den Herren vielleicht anekdotenhaft die Fälle von Wörterumgestaltungen bekannt, die durchaus noch das deutsche Wort verrathen, aber in eine polnische Endung gebracht sind seit 1842 und zwar durch die Mitwirkung der Schulverwaltung dahin gekommen ist, 3a das sogenannte Hoch polnisch den Kindern gelehrt wurde. Auf diese Weise ist es möglich gewesen, daß es heute nicht ohne Mithülfe unserer staatlichen Ein richtungen dahin gekommen ist, daß wir selbst stark polonisirt, d. h. die Kinder in das Großpolnische übergeführt haben.

Vielleicht gelingt es mir, im Momente aus dem allerneuesten Bericht hierüber etwas Einschlagendes zu finden. Also hier heißt es in dem Bericht:

Das in der Petition

es handelt sich um eine Petition des Herrn Pfarrer Edler, die ja hier wohl noch zur Verhandlung kommen wird; jedenfalls kennt der

Hr. Abg. Franz sie, denn er hat im Laufe seiner Rede darauf hin⸗

gewiesen

Das in der Petition über die Sprachenfrage Gesagte ist in allen Beziehungen unrichtig, und sind die Mängel, welche zur Zeit bezüglich der Unterrichtsberwaltung bestehen, übertrieben.

Dann heißt es weiter:

Daß die Ziele der Elementarschule in beiden Beziehungen auch in rein polnisch redenden Gemeinden bei deutschem Unterricht erreicht werden können, steht außer Zweifel; alle Organe der Schul- aufsicht sind hierüber einig. Wenn aber dem so ist, so würde es eine schwere Schädigung sowohl des staatlichen, wie des eigenen Interesses der heranwachsenden Bevölkerung sein, falls erneut von cht deutschen Sprache als Unterrichtssprache abgewichen werden ollte.

Vun kommt ein Gesichtspunkt, den die Herren, glaube ich, in der Majorität des Hauses bei der Berathung des oberschlesischen Nothstandes schon anerkannt haben, =

Die Isolirung, in welche eine Volksgruppe durch den Mangel de Verstaͤndnisses der herrschenden Sprache ihres Landes versetzt wird, muß für, den Staat, zumal in einer Zeit wie der heutigen, wo die Stammessympathien so weite, über die Landesgrenzen hinausgehende Kreise ziehen und zu so stark centri— fugalen Richtungen hindrängen, eine ernste Sorge sein. Ganz be— sondere Aufmerksamkeit fordert dieselbe aber dann, wenn jene Volksgruppen an, den äußersten Grenzen des Reichs in kompakten Massen geographisch vertheilt sind und mit den, verwandten Na— tionalitäten angehörigen, Bevölkerungen anderer Staaten in einem fortdauernden lebhaften Verkehr stehen. Diese Isolirung hat den weiteren sehr wesentlichen Nachtheil, daß die ö Masse der Be⸗ völkerung für jede direkte und auf eigener, Einsicht beruhende Antheilna hme an der Entwickelung des staatlichen Lebens unfähig bleibt und allein in der gemeinsamen Wehrpflicht das dieselbe mit dem Staate und dem Reiche einigende Band findet. Wie nachtheilig dieselbe zugleich in dem Zurückbleiben des Volkes in wirthschaftlicher Beziehung wirkt, haben die Erfahrungen der der letzten Jahre unzweifelhast bewiesen. Es fehlt der polnisch redenden Bevölkerung nicht an Beanlagung und Intelligenz, fon— dern an der Fähigkeit, beide zur Geltung zu bringen; sie leidet an einem Stumpfsinn und einer fatalistischen Ergebung, die, meines Erachtens, lediglich darauf zurückzuführen sind, daß sie von den Erfolgen eigener Kraftanstrengung, wie sie die in lebendiger Wechfel⸗ wirkung mit dem Entwickelungsgange des deutschen Thells bes Landes stehenden Bewohner des Bezirks erreichen, ungenügende Kenntniß erlangt, jedenfalls nicht fähig ist, jene für sich nutzbar zu machen. In dem eigensten Interesse der polnisch redenden Be—⸗ völkerung liegt es deshalb, sie von dieser Isolirung zu befreien und sie zu thätiger Antheilnahme, an der aufstrebenden Richtung des gesammten Landes zu befähigen. Dies ist aber nur dadurch möglich, daß die Schule eine deutsche bleibt, und daß im Gegen— satz zu dem Wunsche der Herren aus der Leschnitzer Verfammlung das Deutsche nicht blos ein Lehrgegenstand, sondern die für ÜUnter⸗ h obligatorische Lehrsprache ist ... 2 und so geht es noch weiter. Meine Herren! Ich will damit nur anführen, daß es in der That für Alle, welche vorurtheilsfrei in diese Frage hineingehen, sehr bald zu einer unumstößlichen Ueberzeugung wird, daß im Interesse unseres Volkes, namentlich in Oberschlesien, die Isollrung gebrochen werden muß, und ich kann bei dieser Gelegenheit nur wiederholt die. Bitte aussprechen, ich habe auch in dem Bericht einen sehr warmen Passus in diesem Sinne gefunden daß namentlich die Geistlichen den Zeitpunkt nicht verkennen, wo in der That die Vorbildung der= jugendlichen Geister so weit gediehen ist, daß mit Erfolg die deutsche Unterrichtssprache im geistlichen Unterricht und in der Predigt einge⸗ führt wird. Es ist kein Vorwurf, den ich ausspreche, sondern eine Thatsache, mit der wir rechnen müssen. Daß gerade in Oberschlesien die Geistlichen beider Bekenntnisse, ich betone ausdrücklich beider Bekenntnisse, sich im Allgemeinen haben angelegen sein lassen, dem deutschen Unterricht in der Schule ahlehnend gegenüber zu stehen, das bat, wis auch anderweitig bestätigt, worden ist, wefentlich seinen Grund darin, daß die Geistlichen die Unbequem— lichkeit des Doppeltsprechens am meisten fühlen und die Be—

syrache würde sie einen Theil ihres Einflußes verlieren. Gerade

die Angebörigen der katholischen Kirche deutscher 3 legen davon

gen ab, daß sie ebenso treue Anhänger ihrer Kirche sind wie die olen.

Meine Herren! Das sind ja Sachen, die sich in den Rahmen des Kulturkampfes meiner Ansicht nach gar nicht zwängen lassen; ich lehne diese Insinuation von meinem Standpunkt aus ab. Ich halte aber daran fest, woran nicht allein mein letzter, sondern auch die früheren Vorgänger festgehalten haben, daß wir namentlich Ober⸗ schlesien, welches eine ganz andere geschäftliche und sprachliche Ent⸗ wicklung hat als namentlich Großpolen, aus seiner Vereinsamung herausziehen müssen. Hätten wir das nicht schon früher erkannt, der letzte Nothstand hätte es uns meines Erachtens zeigen müssen. Ich habe in meiner amtlichen Eigenschaft Kenntniß erhalten von Zu— ständen, welche, was die w der Bevölkerung betrifft, sich zu helfen, weit über das hinausgehen, was wir in Ostpreußen aus eigener Anschauung bekannt geworden ist, wie in dem Bericht sehr richtig gesagt ist, die absolute Unfähigkeit, weiter zu arbeiten und sich zu bemühen, wenn eine gewisse Größe des Unglücks an sie herangetreten ist. Darin sind alle Freunde des Volks einig, daß diesem Mangel nur abgeholfen werden kann, wenn die Bevölke⸗ rung nicht allein in den Sprachschatz, sondern auch in das ganze Wesen des Vaterlandes hineingeführt wird, dem sie angehört.

Meine Herren, ich kann nur bitten, daß Sie diese Sachlage möglichst objektiv prüfen, und ich bin meinerseits nicht gewillt, was die Erhaltung und die weitere Ausbildung der deutschen Sprache in Wberschlesien betrifft, von dem Wege abzuweichen denke, den meine Vorgänger betreten haben.

Ein Schlußantrag wurde abgelehnt; das Haus vertagte um 45M Uhr die weirere Diskussion bis Abends 8 Uhr.

Die vorgestrige Abendsitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten von Goßler mit mehreren Kommissarien beiwohnte, wurde vom Präsidenten von Köller um 8i Uhr eröffnet. Das Haus setzte die abgebrochene Debatte fort über den Etat des Ministeriums der geistlichen ꝛc. An— gelegenheiten (dauernde Ausgaben Kap. 121 Tit. 25 Remunerationen für die Verwaltung von Schulinspektionen 427 470 !, 100 000 S6 mehr gegen den vorjährigen Etat). Der Abg. Knörcke erklärte sich aus denselben Gründen, wie der Abg. Franz gegen die geforderte Mehrbewilligung. Er

wünsche, daß man die in Rede stehenden mehr geforderten

100 000 6 lieber den emiritirten Volksschullehrern zuwenden möchte. Er beantrage, diese 100 00 (6 auf Tit. 29: „Ruhe⸗ gehaltszuschüsse“ zu übertragen.

Der Staats-Minister von Goßler bat, diesen Antrag abzulehnen.

Der Abg. Dirichlet lam nochmals auf den Erlaß des Kreisschulinspektors in Pr. Friedland zurück, und bedauerte die Ausführungen, die der Kultus-Minister gegen den Abg. von Stablewski gemacht habe. Er müsse seine Partei gegen den Verdacht in Schutz nehmen, als ob sie die betreffende Rede mit ihrem Beifall begleitet hätte. Gerade die Fort— schrittspartei habe mancherlei Erfahrungen gemacht, durch welche vielleicht gerade bei ihr das Gefühl für die individuelle Würde jedes Mitgliedes dieses Hauses etwas feiner geworden sei, als bei irgend einer anderen Partei.

Der Abg. Dr. Franz bedauerte, daß der Kultus⸗Minister seine (des Redners) Ausführungen über die Sprachenfrage in Oberschlesien so wenig entgegenkommend aufgenommen habe. Das Volk könne nicht verantwortlich gemacht werden für die Vernachlässigung, welche es ein Jahrhundert lang erfahren habe. Der deutsche Sprachunterricht werde in der That in einer Weise betrieben, welche die natürliche Entwickelung des Kindes auf das Empfindlichste beeinträchtige. Die wohl⸗ wollenden Intentionen des Ministers würden von den Re— gierungsorganen in Breslau nicht mit Energie, sondern eher mit Widerwillen ausgeführt. Er wünsche lieber den in Rede stehenden Titel in zwei zu zerlegen, damit zwischen den welt⸗ lichen Kreis- und den geistlichen Lokalschulinspektoren unter— schieden werden könne.

Der Abg. Strosser bekämpfte den Antrag Knörcke trotz der Popularität, deren derselbe sich zweifellos zu erfreuen habe; soweit die preußischen Emeriten einer Aufbesserung ihrer Gehälter bedürften, sei der preußische Staat auch reich genug, sie zu gewähren, ohne anderen etwas wegzunehmen.

Der Titel wurde unverändert genehmigt.

Bei Titel 28: „Behufs Errichtung neuer Schulstellen 218 362 6“ beklagte der Abg. Scholz (Neisse) das stete An⸗ wachsen der kommunalen Schulbaulasten und wünschte eine Verstärkung des Fonds im Etat.

Hierauf nahm der Minister der geistlichen 2c. Angelegen— heiten von Goßler das Wort.

Meine Herren! Finige kurje Bemerkungen möchte ich mir auf die Ausführungen gestatten. Der Herr Vorredner hat eine sehr schwierige Materie berührt, er hat, aber nicht darauf hingewiesen, wie die Sache hinsichtlich der Zuständigkeit der Unterrichts verwaltung gegenüber steht. Wie den Herren bekannt ist, ist in den östlichen Provinzen die Sache so geordnet, daß nach §. 78 des Kompetenz gesetzes die Schulbauten im Bereich des Volksschulwesens die Streitig⸗ keiten sowohl zwischen den Betheiligten und den Schulaufsichtsbehör— den einerseits, wie zwischen den Betheiligten unter einander anderer seits im weitesten Umfange dem Verwaltungswege in zwei Instanzen unterliegen und daß gegen das Erkenntniß des Bezirksverwaltungs— gerichts der ordentliche Rechtsweg zulässig ist. Der Herr Vorredner wird mir zugeben, daß die Materie bezüglich der von ihm in den Vordergrund geschobenen Frage meiner Kompetenz ent⸗ zogen ist, nämlich bezüglich der, Ausführung, daß dasz Landrecht seiner Meinung nach in seiner prinzipiellen Gestaltung ein gutes sei und verständige und heute noch anwendbare Vorschriften enthalte, die Praxis aber sich von diesen Prinzipien abgewendet habe. Meine Herren, auf diese Praxis habe ich keinen entscheidenden Einfluß, son⸗ dern habe nur den Einfluß, daß wenn, sei es in der Verwaktungs— rechtsprechung, sei es durch den ordentlichen Richter, ein Präjudiz ge⸗ schaffen ist, ich dasselbe der nachgeordneten Behörde zur Kenntnißnahme und Beachtung mittheile. Ein solches ist, soweit mir bekannt, auf von dem Herrn Vorredner angedeuteten Gebiete noch nicht erfolgt. Ich will das nur bemerken, damit der Herr Abgeordnete nicht etwa annimmt, daß es an Interesse für die von ihm behandelte Materie diesseits ermangelt, sondern sich auch die Kompetenzschwierigkeiten gegenmärtig hält, die jetzt bestehen.

3 , wurde der Titel bewilligt, desgleichen die Titel is 32.

Bei Tit. 33: „Zuschüsse für Fortbildungsschulen 162 150 6“ befürwortete der Abg. Kalle die stärkere Subventionirung dieses Fonds dringend und wies auf das Beispiel des Groß herzogthums Baden hin, welches die doppelte Summe für seine Fortbildungsschulen verwende; doch mache er aus der Viedrigkeit dieses Fonds weniger dem Kultus- als dem Finanz⸗Ministerium einen Vorwurf.

Der Regierungskommissar Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Lüders erwiderte, die Regierung hoffe. daß die Finanzlage schon in kurzer Zeit eine ausgiebigere Dotation dieses Fonds gestatten werde.

sorgniß hegen, mit dem Einzuge des Deutschen als Volks⸗ *

Der Abg. Strosser trat den Ausführungen des Abg.

Kalle durchweg bei, er erkenne die große Bedeutung der Fort⸗ bildungsschulen in ihrem ganzen Umfange an. Die Unter⸗ richtsverwaltung möge aber baldigst dem üblen Mißstande ein Ende machen, die Lehrstunden der Fortbildungsschulen . die Zeit des Sonntags⸗Vormittags⸗-Gottesdienstes zu ver⸗ egen.

Demnächst ergriff der Minister der geistlichen 2c. Ange⸗ legenheiten von Goßler das Wort:

Die Frage, welche der ö. Abg. Strosser angeregt, ist eine

Frage überaus weitgehender Bedeutung und es würde wohl nicht möglich sein, überhaupt in einem beschränkten Zeitraum, diese Frage eingehend und abschließend zu erörtern. Wir alle vereinigen uns wobl in der Auffassung, daß wir unserer Jugend eine freie Sonntagsfeier gönnen und für sie erstreben, ebenso stehen wir auf dem gemeinsamen Standpunkt, wie derselbe eben durch die beiden Herren Vorredner bezeichnet ist, daß wir unseren jungen Gewerbtreibenden, den Lehrlingen und Gesellen, in jeder Weise ein er r lte in ihrer Bildung ermöglichen und sichern wollen. JIwischen diesen beiden prin⸗ zipiellen Polen bewegt sich nun die Unterrichtsverwaltung seit Jahrzehnten unter den größten Schwierigkeiten und dem Bewußtsein ihrer vollen Verantwortung. Es giebt keinen Unterrichtsminister, der nicht, soweit die Akten reichen ich habe sie nachsehen lassen vom Anfang dieses Jahrhunderts an, es ist eine besondere eingehende Denkschrift über diefe geschichtliche Ent= wicklung erlassen der im erften Zeitpunkt seiner Thätigkeit es ver= sucht hat, die sogenannte Sonntags ⸗Fortbildungsschule aus der Welt zu schaffen, und es ist kein Unkerrichts-Minister gewesen, der nicht damit geendet hat, sie wieder zuzulassen. . Weine Herren, die Gründe, die dafür geltend gemacht worden sind, sind außerordentlich mannigfaltig und weitgehend. Ich möchte mir nur gestatten, thatsächlich darauf hinzuweisen, daß es seit einer ganzen Reihe von Unterrichts-⸗Ministerien ein Ariom ist, daß eine obligatorische Fortbildungsschule unter allen Umständen an Sonntags⸗ vormittagen nicht abgehalten werden darf. Ferner ist es aber nicht allein auf dem Gebiete der sogenannten freiwilligen . schule, der fakultativen, sondern auch bei Staatsanstalten und sehr ausgedehnten Staatsanstalten, welche unter Miuistern der verschie⸗ densten Ansckauungen eingerichtet worden sind, immer als ein noth= wendiges Uebel erachtet worden, den Sonntagsvormittagsunterricht fakultgtiv aufrecht zu erhalten.

Meine Herren! Es führt zu weit, so dankbar auch das Thema ist. Das steht fest, daß, der Unterrichts⸗Minister die Befugniß hat, in die Sonntagsschule einzugreifen; das steht aber meines Erachtens auch fest, daß, wenn er nicht vorsichtig und schonend in die Sache eingreift, er ganz sicher ist „das Gute, was wir haben, zu zerstören, daß er aber nicht sicher ist, dasjenige Gute, was wir im Uebrigen mit Hrn. Strosser sicherlich gemeinsam erstreben, auch zu erreichen. Und darum muß ich sagen, so schwer es auch den einzelnen Unter⸗ richts⸗Ministern geworden ist, sie haben sich bei ihren Schlußentschei= dungen, immer dahin entschieden, daß sie die Segnungen, welche im Fortbildungsunterricht liegen, nicht haben, gefährden und zerstören wollen, ohne sicher zu sein gleichzeitig etwas mehreres und besseres zu erreichen. Wir werden von der Entwickelung

„der Zukunft und von dem steigenden Verständniß unserer gewerb—

treibenden Bevölkerung erhoffen und vielleicht auch erwarten durfen, daß sie in immer mehr steigender Einsicht und Erkenntniß dahin kommt, daß die Meister an gewissen Wochentagen bereits des Nach⸗ mittags oder in früheren Abendstunden ihre jungen Leute dem Unter—⸗ richte zuführen. Aber, meine . wenn man das jetzt dadurch erzwingen wollte, daß man den Fortbildungsschulunterricht am Sonn⸗ tag Vormittag einfach aufhebt, so erreicht man, das Erstere nicht. Auf diesem Gebiete, meine Herren, das ist vielleicht ein versöhn⸗ liches Wort, das nur in den Mund gelegt wird ist wohl der Initiative der Vereine und der Initiative jedes wohlgesinnten Privat⸗ mannes ein außerordentlich segensreicher Spielraum eröffnet, und ich möchte jeden Herrn bitten, der tiefer in die Materie eindringt und Interesse für die Entwicklung unserer gewerbtreibenden Jugend hat, mit ganzer Kraft dahin zu wirken, daß unsere gewerbtreibende Be— völkerung allmählich dazu übergeht, nicht die Kraft der Jugend aus— zunutzen bis zum letzten Augenblick des Wochentages, fondern im Interesse des Gewerbes und ihrer selbst der Jugend freie Zeit zu ge⸗ währen, damit sie solchen Unterricht besuchen könne. Ist diese Mühe mehr erreicht als bisher, so wird sicherlich die Einsicht der Ver— waltung und Einsicht der Unterrichtsbehörden nicht mangeln, um den Unterricht auf die Wochentage überzuleiten; heute halte ich diese An⸗ wendung noch für zu früh.

Titel 33 wurde bewilligt.

Es folgte Kap. 122: Kunst und Wissenschaft 2738 460 46 und zwar zunächst Kunstmuseen zu Berlin 716 0902 M

Titel 1 bis 3 wurden ohne Diskussion genehmigt.

Bei Titel 4 zur Vermehrung und Unterhaltung der Sammlungen 325 000 ging der Abg. Dr. A. Reichensperger (Cöln), wie schon in früheren Jahren, auf die Qualität der jungsten Erwerbungen in sehr ausführlicher Weise ein. Auf die Bacchantin des Kalide wolle er nicht wieder zurückkommen, dagegen sei der Preis von 200 000 4M für den zweifelhaften Rubens doch exorbitant. Um Raum zu schaffen, möge man doch end⸗ lich aus der Gemäldegalerie die Bilder zweiten und dritten Ranges an die vernachlässigten Museen in der Provinz ab⸗ geben. In Bezug auf das Kupferstichkabinet sei eine Er— höhung des Fonds für die Anschaffung von Stichen ersten Ranges sehr zu wünschen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

M GS.

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Montag, den 20. März

ISS 2X.

rr.

(Schluß aus der Ersten Beilage.) Darauf nahm der Staats⸗Minister von Goßler, wie

folgt, das Wort: Für das warme Interesse, welches der Hr. Abg. Dr.

Reichensperger dem Kupferstichkabinet entgegengetragen hat, kann ich ihm nur dankbar sein, und wenn es seiner Einwirkung gelingen würde, den Fonds für die Vermehrung der Sammlung zu ver— 6 so würden wir uns Alle nur im Dank begegnen. Aber ich darf doch daran erinnern, daß das gleiche Interesse und dasselbe Wohlwollen, welches er dem Kupferstichkabinet entgegenträgt, eine ganze Reihe anderer sehr beachtenswerther Persönlichkeiten auch noch für die anderen Zweige unserer Museen hegt. Ich erinnere beispiels— weise an das Antiquarium an das Münzkabinet, an die ethnologische Sammlung und andere. Also auf diesem Gebiet wird der Hr. Abg. Dr. Reichensperger viele Konkurrenten haben, und ich möchte nur e e, daß die Konkurrenz aller dieser Kreise dazu führt, überhaupt die Fonds für unsere Sammlungen zu erhöhen. Die Summen und das schien dem Hrn. Abg. Dr. Reichensperger doch von Interesse zu sein wie sie hier in dem vorliegenden Titel aufgeführt sind, im Gesammtbetrage von 325 000 „S, werden nur in der Weise zwischen den einzelnen Abtheilungen der Museumsverwal⸗ tung des sogenannten alten Museums vertheilt, daß zunächst ein all⸗ emeiner Reservefonds von 100 000 S6 ausgeschieden wird. Dann ekommt jede Abtheilung noch einen gewissen wohlwollend bemessenen Durchschnittssatz, den die Direktoren alle selbst mitbestimmen. Zu meiner Freude kann ich sagen, daß, obgleich naturgemäß jeder Di⸗ rektor seine Abtheilung für die wichtigste und der Vermehrung be— dürftigste hält, es immer gelungen ist, eine Einigung herbeizuführen. Das Kupferstichkabinet hat im letzten Jahre auch seinen Antheil von 37009 6 erhalten. Aber darüber hinaus hat sich die Centralinstanz aufs äußerste bemüht, anderweitige Mittel auch noch flüssig zu machen. Und wenn Hr. Abg. Reichensperger die Güte gehabt hat, in der letzten Zeit das Kupferstichkabinet zu mustern, so wird er uns die Anerkennung nicht versagen, daß wir im Laufe der letzten Jahre nicht allein quantitativ, sondern auch qualitativ prosperirt haben; und ich will ihm außerdem noch versprechen, daß soweit überhaupt meine Kraft und mein Einfluß reicht ich diesem Zweig der Kunstsamm— lung mein besonderes Interesse zuwenden werde. ö Da Hr. Abg. Reichensperger auf den Anschaffungsfonds für die Nationalgalerie eingegangen ist, so ist es vielleicht kürzer, wenn ich gleich hier auf seine Bemerkungen eingehe,. Der Fonds von I00 000 M ist nicht bestimmt, überhaupt nur Bilder der National⸗ galerie zuzuführen, sondern, wie Sie aus dem Vermerk bei dem Titel sehen, so ist er überhaupt für die Förderung der Kunst beftimmt, und es ist namentlich in den letzten Jahren ein wahrer Löwenantheil für die monumentalen Malereien verwendet worden, also für die Malerei, welche sich außerhalb der Nationalgallerie selbst vollzieht. Er hat dann aber weiter einen Gedanken angeregt, der sich mit einem Gedanken, den ich selbst seit langer Zeit bei mir hege, begegnet, das ist nämlich der Gedanke, ob wir recht thun, zunächst alle Bilder unter allen Um⸗ ständen in den Kunstsammlungen zu magaziniren, also, um konkret

zu bleiben, alle modernen Bilder, die wir ankaufen, obligatorisch der

Nationalgallerie zuzuführen. Nach dem Wortlaut unseres Titels 33 erscheint ein solches Verfahren wohl nothwendig, aber mir schwebt die Idee vor, daß sich eine Einrichtung ähnlich wie in Frankreich treffen ließe, wo man Anstand genommen hat, unter allen Umständen jedes Bild in eine der beiden Staatssammlungen einzufügen, sondern wo man auch in anderen öffentlichen Gebäuden, in Provinzial-Insti⸗ tuten, in den Wohnungen höherer Staatsbeamten, wenn ich mich so ausdrücken darf, die Gemälde auf Probe und Miethe gegeben hat, selbstverständlich unter dem Vorbehalt des Rechts der Kunstverwaltung, in jedem ihr angemessen erscheinenden Augenblick die Bilder zu revoziren, Denn das wird der Hr. Abg. Reichensperger anerkennen, es ist bei den modernen Erwerbungen im Moment nicht zu ermessen, ob das Bild, wie er verlangt, eine Perle ist oder sein wird, denn in dem Augenblick, wo entweder die Kunstrichtung sich verändert, oder wo das Talent des Künstlers sich in steigender Bedeutung entwickelt und das Bild, das der Künstler in einem Jahre geschaffen hat, eine wichtige Unterlage zur Beurtheilung der Entfaltung seines Genies geworden ist, verschieben sich natürlich die Verhältnisse und die Preise, und, wenn der Künstler das Unglück hat, etwas Großes nicht mehr schaffen zu können, oder gar vorzeitig zu sterben, dann kann das einzelne Bild fast unvermuthet einen fast ungemessenen Werth erlangen,

So verlockend die Materie ist, so würde es mich doch zu weit führen, diesen Gedanken hier weiter zu verfolgen. Vielleicht hat der Hr. Abg. Reichensperger die Güte, den Gedanken, den wir, wie es scheint, gemeinsam haben, weiter nachzugehen; ob es nicht in der That möglich und richtig ist, eine Form zu finden, die vielleicht auch im Etat ihren Ausdruck finden kann, wonach moderne Gemälde, namentlich große Gemälde, die in der heutigen Nationalgallerie nicht mehr Platz finden können, für den Staat er⸗ worben werden, ohne sie gerade der Nationalgallerie zuführen zu müssen. Dann sammeln wir meines Erachtens für unsere Nachkom— men einen Schatz, welcher es ihnen viel leichter macht, in jedem ge⸗ gebenen Abschnitte eine sehr lehrreiche und sehr bedeutende Samm⸗ lung zusammenzustellen. ö i.

Der Abg. Dr. Frhr. von Heereman erklärte, er könne der jetzigen Oberleitung der Königlichen Museen für ihre Thätigkeit in den letzten zehn Jahren nur die rückhaltloseste Anerkennung aussprechen. Er müsse aber auch seinerseits das Kupferstichkabinet der besonderen Beachtung des Ministers empfehlen; vie Forderung eines Extrgordinariums für diesen Zweck würde vom Hause gewiß ohne Anstand bewilligt werden. Der Gedanke, im Staatsbesitz befindliche Kunstwerke an Provinzialmuseen zu verschenken oder zu verleihen sei ein sehr glücklicher.

Demnächst nahm der Staats-Minister von Goßler das Wort:

Ich möchte auf die letzte Bemerkung des geehrten en Vor⸗ redners kurz dahin antworten, daß seinen Wünschen im Großen und Ganzen schon jetzt entsprochen wird. Wenn ich mich an die Gegen⸗ wart halte, so geht jetzt eine größere Anzahl Bilder auf die Wiener Ausstellung die Wiener Ausstellung wird beschickt von Künstlern, deren Bilder in den letzten 10 Jahren angefertigt worden sind. Ferner geht eine Anzahl größerer, zum Theil recht großer Bilder in die östlichen Provinzen, ein Theil geht auch nach Düsseldorf; es ist sogar möglich, daß für Nürnberg einige Bilder übrig bleiben. So bereit ich bin, den in dieser Richtung an die Kunstverwaltung herantretenden Wünschen zu entsprechen, so darf ich doch auf der anderen Seite nicht außer Acht lassen, daß durch solche Beispiele die Nationalgalerie nicht gleichsam gusgeplündert werde, namentlich im Interesse des zu⸗ reifenden Publikums, und wir haben wiederholt die schwersten Klagen von solchen Fremden gehört, die ihr besonderes Interesse unseren Kunstsammlungen zuwenden, und schmerzlich das Fehlen be⸗ deutender Bilder vermsssen. Aber vielleicht hat der geehrte Herr Ab=

eordnete aus meinen Aeußerungen entnommen, * ein prinzipielles Ber elfe! gegen seine Anregung diesseits nicht be teht. Das Ver⸗ fahren bei dem Ausleihen der Bilder ist im Allgemeinen ein solches, daß, wenn ein Bild noch nicht inventarisirt ist, das Ausleihen durch

den Unterrichts-Minister verfügt wird; ist es aber inventarisirt ver⸗ zeichnet, und in vollem Maße in das Staats eigenthum übergegangen. Dann ist nach den maßgebenden Grundsätzen der Erlaß einer Aller⸗ höchsten Ordre erforderlich. Es wird nie gezögert in geeigneten Fällen, wie z. B. im Falle der Wiener Ausstellung die Allerhöchste Ordre zu R. Sie ist sogar in dem betreffenden Falle inzwischen schon ertheilt.

Der Abg. Dr. Virchow (als Referent der Bugetkommis⸗ sion) plädirte für eine Ausdehnung der Besuchszeit der Museen; er müsse auf die Liberalität der Londoner Mu⸗ seumsverwaltung verweisen, welche den arbeitenden Klassen den Besuch der Museen bis zum Sonnenuntergang freistelle.

Tit. 4 wurde bewilligt, desgleichen Tit. 5 und 6.

Bei Tit. 7, Nationalgalerie zu Berlin 82 860 M, konnte der Abg. Dirichlet nicht umhin, auch der Verwaltung dieses Instituts uneingeschränktes Lob für die großen Lei⸗ stungen zu zollen, welche es in der kurzen Zeit seines Be⸗ stehens aufzuweisen habe.

Bei der Position: Königliche Bibliothek zu Berlin 248 534 S6 empfahl der Abg. Dr. Kropatscheck eine spyste⸗ matische Kompletirung der Büchersammlung, nicht sowohl durch Erwerbung ganzer Bibliotheken, als durch Ankauf einzelner Werke. Es könne sonst leicht geschehen, daß Amerika Preußen überflügele. Zur Erfüllung seines Wunsches bitte er um die Einstellung von 50 000 S6 in das Ordinarium des nächst—⸗ jährigen Etats.

Der Abg. Schmidt (Stettin) wünschte eine Ausfüllung der Lücken in den preußischen Bibliotheken und die Aufbesse⸗ rung der Gehälter der Beamten derselben. Er halte einen Neuban der Berliner Bibliothek für nöthig; man solle auch dafür sorgen, daß die Bibliothek länger, namentlich auch Abends, der Benutzung zugänglich sei. .

Tit. 12 wurde bewilligt, ebenso ohne Diskussion die fol— genden Titel bis 23. .

Tit. 24 fordert für sonstige Kunst⸗ und wissenschaftliche Zwecke 48 552 Il

Der Abg. Dr. Seelig bat um eine größere Fürsorge des Staates für die prähistorischen Alterthümer. ö.

Dieser und die folgenden Titel wurden bewilligt.

Bei der Forderung von 12000 S6, in Tit. 35 zur Kon⸗ servirung der Alterthümer in den Rheinlanden plaidirte der Abg. Knebel für Neu⸗ und Umbauten der dortigen Museen.

Der Staats⸗Minister von Goßler stellte diesbezügliche Verhandlungen von Regierungskommissarien mit den betreffen⸗ den Provinzialbehörden in Bonn und Trier für die aller⸗ nächste Zukunft in Aussicht.

Der Abg. Dr. August Reichensperger (Cöln) bat um reichlichere Berücksichtigung seiner Vaterstadt, namentlich bei der ferneren Stadterweiterung.

Tit. 35 und 36 wurden bewilligt. .

Bei der Position; 457 9383 S6 als Zuschuß für die Aka⸗ demie der Künste in Berlin, referirte der Abg. Dr. Virchow Namens der Budgetkommission über die Ausgaben für die Akademie der Künste und sprach den Wunsch aus, daß der⸗ selben größere Räumlichkeiten und vielleicht bald ein Neubau zur Verfügung gestellt werde. . . .

Der Regierungskommissar Ministerial⸗Direktor Greiff er⸗ widerte, daß vorläufig miethweise neue Räumlichkeiten beschafft werden wurden; ein definitiver Bau dürfte noch eine Zeit lang auf sich warten lassen. Die Regierung werde indeß die Verwirklichung dieses Planes aufs lebhafteste fördern und hoffe, eine diesbezügliche Denkschrift im nächsten Jahre dem Hause vorlegen zu können. .

Dieser Titel sowie der Rest des Kapitels wurde be— willigt.

Darauf vertagte sich um 11½ Nachts das Haus auf Montag 10 Uhr.

Die in der (36.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten bei dem Kap. 121 der dauernden Ausgaben (Elementar⸗Unterrichtswesen) des Etats des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten vom Staats⸗Minister von Goßler gehaltene Rede hat folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Wenn ich auf alle die Gedanken eingehen wollte, welche der Herr Vorredner hier vorgetragen hat, namentlich auf die geschichtliche Darlegung der Stellung des Staates zur Kirche in Beziehung auf den Religionsunterricht in der Volksschule, so würde jedenfalls meines Crachtens die Absicht nicht erreicht werden, die ich bei der bisherigen Etatsberathung gehabt habe, nämlich die, so weit es möglich ist, eine an die konkreten Verhältnisse angeschlossene Diskussion aufrecht zu erhalten.

In Beziehung auf die prinzipiellen Momente, welchen der Herr Abgeordnete Ausdruck gegeben hat, will ich mich mit ihm sehr gern einigen, ich muß mir aber zunächst versagen, auf seine historischen Rückblicke einzugehen, ich würde bei der Kritik zu etwas scharfen Be⸗ merkungen kommen, weil ich in der That nicht anerkennen kann, daß eine große Anzahl von Ausführungen, die er in Beziehung auf meinen vorletzten . ö irgendwie in der angegriffenen Verfügung ihre Rechtfertigung finden. ; i

3 Verfügung von 876 das bin ich schuldig zu erklären ist auf Beschwerden von katholischer Seite erlassen. Es ist vielleicht einzelnen Herren, die auch damals im hohen Hause gesessen, noch im Gedaͤchtniß, daß die Verfügung, nachdem sie erlassen war, als ein sehr erheblicher Fortschritt auf katholischer Seite begrüßt wurde. Daß sich diefer Erfolg im Laufe von 6 Jahren umgedreht haben sollte, kann ich mir vom Standpunkte des Herrn Vorredners erklären, aber wir wollen doch der historischen Wahrheit nicht so ganz den Rücken kehren. Auch dem Herrn Minister Falk ich muß seinen Namen hier aussprechen ist es nicht im LTraume eingefallen, den Art, 24 der Verfaffung in feiner Bedeutung umjukehren, im Gegentheil, wenn Sie die Nr. 7 seiner Verfügung ansehen, werden Sie, meines Erachtens, Das finden, was wir auch heute in Preußen als virtuelles Recht anerkennen und befolgen. Meine Herren, ich glaube, solche Rekriminationen und Ausführungen führen zu nichts. Ich stehe auf dem Standpunkt meines letzten Herrn Vorgängers das wird zu⸗ gleich dem geehrten Herrn Vorredner eine Beruhigung ö und zwar nach allen Richtungen hin, zunächst nach der Richtung von der hohen Bedeutung der Religion bezüglich unseres Volksschulunter, richts und in Bezug . die Stellung der Kirche zur Schule. Es ist aber auch in dieser Beziehung, wie leider in manchen anderen Punkten, doch zu unterscheiden zwischen der Religion in ihrer idealen Bedeutung und der Kirche mit ihrer historischen Berechtigung einerseits und zwischen den physischen Personen einzelner Personen andererseits und

eben auf diesem Punkte wie überhaupt im Raume, wo sich die Sachen und Personen stoßen, sind die Konflikte entstanden, und da ist auch heute noch nicht der ideale Zustand eingetreten, nach dem ich, soweit meine Kraft reicht, hinstrebe und wohin ich auch mit weiteren Fort⸗ schritten zu gelangen hoffe.

Seit dem vorigen Jahre die bezüglichen Zahlen hat der Herr Abgeordnete, soweit ich habe kontroliren können, aus den stenographi⸗ schen Berichten richtig vorgetragen ist doch wieder ein sehr erheb⸗ licher Fortschritt auf dem in Rede stehenden Gebiete zu verzeichnen, und der 64 Minister von Puttkamer hat auch ganz richtig z. 3. den Weg bezeichnet, der zu betreten war, das ist die Prüfung der konkreten Verhältnisse im Einzelfalle. Die Verhältnisse liegen in der That sehr verschiedenartig. Nun will ich dem Herrn Abgeordneten zunächst einen kleinen Ueberblick geben, wie sich unter des Hrn. von Puttkamer und meiner Verwaltung im letzten Jahre die Verhältnisse bezüglich der Zulassung der katholischen Geistlichen zur Ertheilung und Leitung des Religionsunterrichts sich gestellt haben.

Es ist den Herren bekannt, daß, wie auch der Herr Abgeordnete Steinbusch vorgetragen hat, in den Vorjahren 2848 Geistlichen die Leitung beziehungsweise Ertheilung des Religionsunterrichts entzogen war. Im vorigen Jahre betrug die Zahl derjenigen Geistlichen, welche noch nicht wieder zugelgssen waren, 635, im gegenwärtigen Augenblick, oder vielmehr im Monat Januar 542. eiter spricht der Herr Abgeordnete seine Verwunderung darüber aus, daß die Ausschließung der Geistlichen in einzelnen Regierungsbezirken ein sehr verschiedenartiger ist. Ich kann das zugeben, es ist das in der That auch charakteristisch. Wir wollen uns die Regierungsbezirke einzeln ansehen, in denen die Nichtzulassung der katholischen Geistlichen in größerem Umfange besteht. Es sind vor allem der Regierungsbezirk Posen mit 265 Geistlichen also schon über ein Drittel Bromberg mit 81 beide zusammen bilden die größere Hälfte Breslau mit 62 gegen 93 im Vorjahre, Oppeln mit 48 gegen 50 im Vorjahre. Wir haben also mit dieser Thatsache wieder ein gewisses Gebiet berührt, auf das wir immer von Neuem hinge⸗ führt werden. Das ist dasjenige Gebiet, wodurch nationale und Sprachschwierigkeiten Anforderungen an die Schulverwaltung gestellt werden, die sich ohne Entgegenkommen der Geistlichen nicht so leicht überwinden lassen. Darüber hinaus ist die Zahl der kathelischen Geistlichen, welche nicht zugelassen worden sind, von einiger Erheblich⸗ keit nur in Cöln. Dort beträgt die Zahl der noch nicht zugelassenen Geistlichen 61 gegen 68 im Vorjahr.

Im Uebrigen das kann ich weiter daran knüpfen ist die Auffassung in der That nicht richtig, als ob irgendwie nicht der Klerus, sondern die physischen Personen der römisch- katholischen Geistlichen während des Kulturkampfes überhaupt und auf dem Ge⸗ biete der Schulverwaltung insbesondere ein gleichartiges Bild gegeben hätten. Wie der Hr, Minister Falk schon bei der Erörterung des Schulaufsichtsgesetzes hier entwickelte, beherrschte ihn die ganz richtige Auffassung, daß, auch dieses schwerwiegende Gesetz in großen und weiten Landestheilen ganz ohne Einfluß auf die Stellung der Geistlichen zur Schule sein würde und diese Voraussicht ist nicht allein Wahrheit geworden für große Bezirke mit überwiegend evangelischen Geistlichen, sondern auch in Bezug auf weitere Gebiete, in denen vorwiegend katholische Geistliche als Schulaufsichtspersonen oder als Lehrer und Leiter in den Schulen fungiren. Ich darf daran erinnern, daß beispielsweise im J Wiesbaden, in Osnabrück, in

ildesheim, im Liegnitzer Bezirk fast spurlos der ,, , und uberhaupt die Bewegung auf dem Schulgebiete an der römisch⸗katho⸗ lischen Geistlichkeit vorübergegangen ist und das, soweit meine Kenntniß reicht, nicht blos, wie der Herr Vorredner annahm, weil die Regierungen anders verfuhren, sondern auch, weil in den von mir genannten Be⸗ zirken gewisse Einflüsse nicht dieselbe Macht auf die Geistlichkeit hatten, wie in anderen Bezirken. Ganz diese selbe Auffassung gewinnt man, wenn man einen Blick auf die Besetzung der Lokal-⸗Schulinspel⸗ tionen, Kreis-Schulinspektionen wirft. Es sind auffallender Weise immer dieselben Bezirke, welche sich in allen Beziehungen zwischen Staat und Kirche freundlicher darstellen. .

Es ist ein weiterer Vorwurf darüber erhoben worden, daß die Geistlichen, denen die Leitung und Ertheilung des Religionsunterrichts nicht wieder beigelegt worden ist, Seitens der Behörden hierbei nicht gehört worden sind. Meine Herren! Diese Behauptung ist doch sehr cum grano salis zu verstehen. Die katholischen Geistlichen enthielten jedenfalls der Unterrichtsverwaltung zum Theil sehr bestimmte An⸗ träge nicht vor, und sowohl mein Vorgänger wie ich sind wiederholt in der Lage gewesen, sich sehr eingehend damit zu beschäftigen. Ich kann im Allgemeinen nur sagen, daß, wer einige spezielle Fälle kennt, man sich wundern muß, daß überhaupt von denjenigen Persönlich⸗ keiten, die dabei in Frage kommen, so gehandelt werden konnte, wie gehandelt ist. (Zuruf im Centrum; Dunkel ist der Rede Sinn)

Meine Herren! Wenn Sie über solche Fälle Auskunft haben wollen, die Akten stehen ja zur Verfügung. (Abg. Dr. Windthorst: Ich werde sie mir ausbitten) . .

Meine Herren! Ich habe weil der Abg. Dr. Windthorst es wünscht, gehe ich weiter darauf ein einen Bericht bekommen aus Qberschlesten, wo ein Kaplan den Religionsunterricht in polnischer Sprache ertheit hat und nunmehr über sein Vorgehen befragt werden mußte, weil er den Religionsunterricht in einer anderen Sprache er⸗ theilt hat, als in Bezug auf den Religionsunterricht im Jahre 1873 vorgeschrieben ist. An diesen Kaplan ist nun die Frage gerichtet, ob er sich der in der gedachten Hinsicht getroffenen Anordnung fügen wolle und derselbe ist ersucht worden, innerhalb acht Tagen dem Kreis-⸗Schulinspektor gegenüber sich darüber ju erklären. Darauf schreibt der Herr nicht an den Kreis⸗Schulinspektor, sondern an die Regierung und zwar, wie er sagt: „zur Beschleunigung auf direktem Wege“, das Folgende:

So lange ich nicht als Sprachlehrer zu fungiren und nur den Religionsunterricht zu ertheilen und diesen nicht als Mittel zum Zweck, sondern allein als Zweck zu behandeln habe, kann ich den Religions⸗ unterricht in der fraglichen Mittelklasse in der Landschule nur in der hier verständlichen polnischen Sprache ertheilen.

nun kommt der Nachsatz, meine Herren, ich bitte denn auch „Bravo“ zu rufen; aber vergessen Sie es nicht; wie ja auch Christus, dessen Verfahren doch wohl das Beste ge⸗ nannt werden kann, die Juden, obschon römische Unterthanen, in der ihnen verständlichen Sprache belehrte, . ;

Meine Herren, wenn das nicht eine Begriffsverwirrung ist, dann weiß ich nicht, wie man so etwas bezeichnen soll. Daß aber die e ,, mit solchen Herren nicht gemeinsam die Schul ver waltung betreiben und ihnen die Unterweisung der Jugend überlassen kann, das werden Sie mir zugeben.

Auf weitere Spezialitäten ist der geehrte Herr Vorredner auch noch eingegangen, es bietet sich vielleicht in anderem Zusammenhange die Möglichkeit, darauf weiter einzugehen. Er berührte die missio eangnica. Vielleicht haben die 66 die Güte, sich aus den Geissel'schen Memoiren präsent zu halten, daß die missio eanonica eine neue Einrichtung für Preußen war. —: so sagt derselbe wörtlich: im Allgemeinen hat die preußische Regierung immer die Maxime befolgt., daß es Sache der einzelnen Religionslehrer ist, die nach ihrer religiöfen Üeberzeugung etwa erforderliche missio . zu verschaffen. Sie hat aber 2 Jeder . daran festgehalten, daß das berech 3 Interesse der Kirche bei der Lehrerprüfung zum Ausdruck kommen muß. Bei allen ei n, auf. den Lehrersemingrien ist es auch heute noch das Uebliche, daß ein bischöflicher Kommissarius den Prüfungen beiwohnt,

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