verdient umsomehr die Beachtung der Fachleute, als es ausschließlich deutsche Maschinen der bekanntesten und re⸗ nommirtesten Fabriken in seinen Mauern birgt, und daß es wiederum die Jahl derjenigen Fabrikinstitute um eines erhöht hat, welche große Summen deutschen Geldes im Reich festhalten, die sonst — nach England wanderten. Noch ist das Etablissement in der Entwickelung begriffen; was wir indeß darüber von kompetenter Seite erfahren, läßt auf eine großartige Ausdehnung und sehr gedeihliche Zukunft schließen.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Aus der Pfalz, 26. April, meldet die ‚Karlsr. Ztg.: Der Regen der letzten Tage kam dem Wachsthum der Pflanzen sehr zu statten. Die Feldfrüchte stehen schön und üppig. Weniger günstig ist der Stand der Futtergewächse, denen die längere Zeit anhal⸗ tende Trockenheit wenig förderlich war. Dies gilt namentlich vom; Klee, dem die kalten Osternächte seinerzeit außerdem sehr zugesetzt
hatten. Gewerbe und sandel.
Der Aufsichtsrath der Victoria zu Berlin hat nach Fest— stellung des Jahresgewinns auf 419 199 M die Dividende an die Akttionäre mit 132 e pro Aktie und den Gewinn an die mit Ge⸗ winnantheil Versicherten auf 6 oo der vom Versicherungsbeginn an gezahlten Gesammtprämien (nicht nur der einzelnen kö festgesetzt. Der Gewinn wird an die Versicherten der Victoria na dem System der steigenden Dividenden vertheilt, nach welchem ganz entsprechend der Anzahl der gezahlten Jahresprämien auch der Antheil an dem Gewinn der Gesellschaft sleigt. Außer den schon nach 2 Jahren zur Anrechnung kommenden Dividenden ist gusschließlich zu Gunsten der mit Gewinnantheil Versicherten noch eine Gewinn⸗ prämienreserve von 117220 1 zurückgestellt, deren Zweck ist, den Jahresdividenden⸗Prozentsatz der Versicherten stets uͤber einer be⸗ stimmten Höhe zu erhalten. Die Gesammtreserven der Victoria hoben sich von 1179 921 MS auf 8737 916 4 ult. 1881. Natur⸗ gemäß entfällt der größte Theil dieses Zuwachses auf die rechnungs⸗ gemäße Prämienreserve der Versicherten, welche sich von 1053 194466 (46,15 o/g der Baarprämie) auf 7929 276 96 vermehrte, während die ausschließlich zur Ausgleichung etwaiger Schwankungen in den jähr— lichen Gewinnergebnissen bestimmte Kapital⸗, Gewinn⸗ und Gewinn⸗ prämienreserve sich von 96 980 6 hob und ult. 1881 den Betrag von 69e 220 M. (2229 S½, mehr als der bagare Einschuß guf das Aktienkapital) erreichte. Die Baarprämieneinnahme stieg um 241 Soh ν auf 2142912 6, und die Zinsen betrugen 388 600 , 54 000 M mehr als im Vorjahre. Die Ergebnisse der Sterblichkeit waren sehr günstig; aus denselben resultirte ein Gewinn von 1655 605 „S, um welchen Betrag die Sterblichkeit geringer als die rechnungsgemäß zu erwartende war. — In der Lebensversiche⸗ rungs⸗Abtheilung gingen insgesammt 4427 Anträge über 17 653 52866 Versicherungssumme ein, und 3256 Policen über 12159 588 ,. wurden ausgefertigt. Der Gesammt⸗VersicherungsBestand hob ö. dadurch auf 21 695 Polizen über 63 495 482 M. Versicherungs⸗ umme.
— In der ordentlichen Generalversammlung der Aktionäre der Deutschen Grundkredit bank vom 29. April wurde auf Vor— lesung des Geschäftsberichts verzichtet, demnächst dem Vorstande Decharge ertheilt und die Vertheilung einer Dividende von 4 Prozent beschlossen. .. Fe
Frankfurt a. M, 29. April. (W. T. B.) Der Civil⸗Senat des hiesigen Qber-Landesgerichts verurtheilte heute die Elisabeth⸗Westbahn-Gesellschaft zur Einlösung ihrer Coupons in deutscher Reichswährung und erklärte den Abzug von 100 Einkommensteuer sowie der Stempelsteuer für unstatthaft.
Frankfurt a. M., 1. Mai. (Oelbericht von Wirth & Co.) Im vorigen Jahre gab es um diese Zeit auf dem amerikanischen kJ bekanntlich eine starke Haussebewegung; United
ertificates sprangen in wenigen Tagen von 76 auf 53 Cents und auch, Raffinirtes verfolgte eine stark steigende Tendenz. Die Pro⸗ duktion bleibt ca. 3 000 Faß pr. Tag. Die Verminderung der—⸗ selben im Bradford⸗Distrikt wird durch die vermehrte Produktion im Alleghany⸗-Distrikt ziemlich aufgehoben. United Certificates konnten sich deshalb nicht behaupten und wichen unter unbedeutenden Schwan⸗ kungen auf 77 Cents pr. Faß zurück. — In Raffinirtem beschränkt sich der Umsatz auf 6 nothwendigsten Bedarf; die gegen⸗ wärtige Notirung ist 1 Kabeltelegramm in New Jork 7.) Cents per Gallone. Ueber die gegen die Standard Dil Co. ge— richteten antimonopolistischen Bewegungen wird aus Buffalo gemeldet, daß einige einen Theil der pennsylvanischen Oelregion beherrschende Cisenbahnen sich an die Spitze dieser Opposition gestellt haben. Dieselben wollen sich nicht allein mit dem Transport von Oel be⸗ fassen und der Standard Co, alle seither genossenen Vorrechte ent— ziehen, sondern auch eine größere Anzahl. Raffinerien errichten. — Im Lubrieating-Oil-Geschäft ist es, wie immer im Frühjahr, ziem⸗ lich still. Nachdem die Lieferungen für den Sommer größtentheils erledigt sind, bleibt in billigen Oelen wenig Nachfrage. Dagegen . gute Cylinder-Oele bon hohem Entzündungspunkt immer
ãufer.
Nürnberg, 29. April. (Hopfen marktbericht von Leopold 8 Am Hopfenmarkte hat sich keine Veränderung vollzogen.
ute Hopfen sind einigermaßen gefragt, während andere nur wenig gekauft werden. Die Zufuhren bleiben hinter den Umsaͤtzen zurück, Hart die Lagerbestände kleiner werden. Die Preise waren in dieser oche keinen Schwankungen unterworfen.
Mainz, 29. April. (W. T. B.). Die Generalversammlung der Hessischen Ludwigsbahn beschloß, die ihr zur Verfügung stehenden 2267 263 M 23 in folgender Weise zu verwenden: 1263 705 6 60 Superdividende von 16 00 ½ außer den bereits gejahlten 200 Abschlagsdividende, 100 000 S½. Dotafion des Er⸗ ueuerungsfonds der nicht garantirten Linien, 14 228 S6 Dotation des Reservefonds, 198 556 C6 Tantième des Verwaltungsraths und der Beamten, 70000 6 Beitrag zur Pensionskasse der AÄngestellten, 110773 1 63 3 Vortrag auf neue Rechnung.
Ludwigshafen, 29. April. (W. T. B.) Die General—⸗ versammlung der Pfälzischen Eisenbahnen hat die Vorlage der Direktion wegen Vinkulirung der Aktien und Prioritäten der Gesell— schaft genehmigt. — 3
n: 29. April. (W. T. B) Die Donagu⸗Dampf⸗ altert r fht hf hat die Offerte der Kreditanstalt auf
ebernahme von 10 Millionen Mark vierprozentiger Goldprioritäten angenommen. . 6
London, 1. Mai. (B. T. B) Die zweite Hälfte der italienischen Anleihe wird der „Times“ zufolge in dieser Woche emittirt werden. ; ü
Glasgew, 29. April. (W. T. B) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores . sich auf 634 100 Tons gegen 5649 700 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 198 gegen 122 im vorigen Jahre.
Verkehrs⸗Anstalten.
Triest, 1. Mai. (W. T. B.) Der Lloyddampfer Saturno“ ist heute ih mit der ostindisch⸗chinesischen Ueber⸗ landpost aus Alexandrien hier eingetroffen.
Berlin, 1. Mai 1882.
Verviers, 30. April. (Tel.) Die Englische Post vom 29. April, Abends, planmäßig in Verviers um 8 Uhr 2 1. Vormittags, ist ausgeblieben. Grund: Sturm m Kanal.
Auf der Rennbahn zu Hoppegarten haben am gestrigen Sonntage die Nennen des Frühjahrs⸗Meetings des Union⸗ Klub ihren Anfang genommen. Das prächtige Frühjahrs wetter hatte ein recht zahlreiches Publikum hinausgeführt, nicht blos mit den Extrazügen der Ostbahn, sondern auch mit Equipagen. — Die Rennen begannen um 3 Uhr mit dem . ö
J. Eröffnungsrennen um den Staatspreis von 15600 4 für 3 jährige und ältere inländische Hengste und Stuten. 80 Einsatz, halb Reugeld. Distanz 1600 m. Dem zweiten Pferde den doppelten Einsatz. Von den zu diesem Rennen ge⸗ nannten zehn Pferden erschienen 6 am Ablauf, von denen nach einem sehr hübschen Kampf des Mr. Cdwards 3jãhr. * . Delawarer', des Prinzen Hatzfeldt 3 jähr. br. St. Naiad“ mit einer Länge schlug. Kapt. Clairs 4jähr. br. H. „Humbert“ wurde 8 Längen zurück dritter, dann folgte des König lichen Hauptgestüts Graditz br. St. „Brunhild . Hrn. W. von Treskows schwbr. H. Cooter. und zuletzt Baron Oppenheims , Flie⸗ gender Holländer. Werth 1980 M fuͤr „Delawara“, 160 M für Naiad?“· — Um 39 Uhr folgte diesem Rennen: .
II. Preis von Dahlwitz. Staatspreis 1590 606 Für 3 jähr. und ältere inländische Hengste und Stuten; 10046 Einsatz, halb Reu⸗ geld. Distanz 1200 m. Dem zweiten Pferde die Hälfte der Einsätze und Reugelder. Das Rennen hatte 11 Unterschriften, 6 zahlten Reugeld, 5 starteten. Mit einem Vorsprung von 3 Längen siegte im Canter des Hrn. Arthur Jos's 3 jähr., br, H., Scharfschütz, gegen des Frhrn. Ex. v. Oppenheim 4 jähr. br. H. Durchlaucht‘. Ebensoweit zurück landete Hrn. Ullrichs 3 jähr. F. H. Gottfried von Bouillon“, als dritter, fünf Längen hinter diesem, Graf Bernstorffs 3 jähr. br. St. Mor- gensteede? und zuletzt Trainer Kellys 3 jähr, br. St, Palme ö Werth 1900 S für „Scharfschütz, 400 S für „Durchlaucht“. — Dem Rennen schloß sich um 4 Uhr an: ö J
III. Staatspreis IV. Klasse. 159) M für dreijährige inlän⸗ dische Hengste und Stuten, welche keinen Staatspreis L. II. oder III. Klasse gewonnen haben. 120 9 Eins., halb Reugeld. Distanz 1600 m. Dem zweiten Pferde die Hälfte der Einsätze und Reugelder. Von den 11 Pferden, welche zu diesem Rennen genannt waren, zahlten 7 Reugeld und 4 erschienen am Start. Des Hrn. v. Tepper-Lasti br. H. . Valerius zeigte sich vom Ablauf an den Konkurrenten überlegen und siegte nach Gefallen mit 25 Längen gegen des Hrn. W. von Treskow br. H. „Harzburg, 6 Längen hinter diesem traf Hrn. Arthur Joss' F. St. Flaminia“ als dritte ein, und Frhrn. Ed. von Oppenheims br. St. Ada“ wurde 12 Längen zurück letzte. Werth des Rennens 19650 für „Valerius“, 450 υst für „Harzburg“. — Um 4 Uhr folgte diesem Rennen: .
LIV. Verkaufs- Hürden - Rennen. Subskriptionspreis 1000 6 Für vierjährige u. ältere inländische u. österreichisch⸗ ungarische Pferde. 66 M Einsatz, ganz Reugeld. Distanz 2400 m. Da für »Alpenstock. Reugeld gezahlt wurde, so gestaltete sich dieses Rennen zu einem Zweikampf für Rittmstr. Mollards 4jähr. F. St. „Gold- perle (i000 ) u. Lieut., v. Treskows 5 jähr. hr. W. „Terxes“ söß00 „o) bei welchem die Stute den Wallach leicht mit einer Länge schlug u. den Preis von 1180 46 erhielt. Die Siegerin wurde nicht gefordert. — Den Schluß des Tages bildete um 5 Uhr:
Vä, Sonntag⸗Rennen. Staatspreis 1200 S. Herrenreiten. Für 3jähr. u. ältere inländische Hengste u. Stuten. 60 4 Einsatz, halb Reugeld. Distanz 1800 m. Dem zweiten Pferde die Einsätze u. Reugelder bis 180 ½. Das dritte Pferd rettet vorweg seinen Ein⸗ satz. Vier Pferde waren genannt, am Start erschienen jedoch nur des Prinzen Fr., Hatzfeldt 3jähr. br. H. „Lein“ und des Lieut. von Boddien Ul. (17. Ul) 4djähr. br. H. „Reginald“. Beide Pferde wur—⸗ den von ihren Besitzern geritten. „Levin“ siegte wie er wollte mit 6 Längen und brachte seinem Besitzer 1200 S, an „Reginald“ das zweite Geld mit 180 „S überlassend.
Im Vexein für die Geschichte Berlins, sprach am Sonnabend Hr. J. Bloch über das Thema. „Mittheilungen über Abxisse alter Berliner Häuser“. Redner hob hervor, daß in diesem Jahre, namentlich in der Friedrichsstadt, viele alte Häuser abge⸗ brochen werden, an die sich mancherlei historische Erinnerungen knüpfen. Indem nun Redner die Bedeutendsten dieser Häuser an⸗ führte, schilderte er zugleich das Historische derselben und verweilte namentlich länger bei den alten Apotheken und Konditoreien. An zweiter Stelle las sodann Hr. Ferd. Maxer eine interessante Arbeit über den „altberlinischen Gasthof zum Goldenen Hirsch“: Dieser Gasthof lag wo jetzt das Haus Spandauerstraße 39 sich befindet, und wird schon i572 genannt, wo ihn der Gastwirth Valtin Doringk besaß. Man macht sich heut zu Tage keinen richtigen Begriff von dem Besitzthum eines damaligen wohlhabenden Bürgers. Zu dem in Rede stehenden Hause gehörten neben einem Garten mit Scheunen und 3 Hausbuden 195 Stangen Weinwachs, eine Schäferei und Meierei mit Scheunen, Garten und Buden, A Stück Kavel⸗ land, 3 Zins⸗ und 2 Freihufen, 8 Stück Wiesenwachs, 35 Wiese (davon eine „am Teiche an der Spree“ gelegen), eine Scheune, ein Holzpack und 5 Buden (davon 3 vor dem St. Gürgenthor) und endlich ein Stück Land vor dem Spandauer Thore bei der Trift. Und für dies ganze Besitzthum zahlte Doringk jährlich an Schoß⸗ geldern 3 Thaler und 65 Schilling. Obwohl nun zwar die Ber⸗ liner Gasthöfe wie die deutschen Gasthöfe überhaupt keines besonderen Rufes genossen, so muß doch der „Hirsch“ jedenfalls zu den Hotels erster Klasse gehört haben. Denn kein Geringerer kehrte bei ihm ein als Philipp Hainhofer, der bedeutendste Handelsherr seiner Zeit, der auch bei Gustav Adolf in hohem Ansehen stand und von Augsburg aus, wo er Hinz Wohnsitz hatte, weite Reisen machte und darüber ein Tage⸗ buch führte. Am 30. August 1617 kam er nach Berlin und kehrte bei Peter Kerschberg im „‚guldin Hirschen“ gegenüber dem Rathhause ein. Drei Jahre später, an einem Sonnabend des Mai 1620, be— gehrte ein schwedischer Hauptmann Gars mit nur kleinem Gefolge Auf⸗— nahme im goldenen Hirsch. Da der Besitzer den Reisenden aber für einen Engländer hielt, so verweigerte der Wirth ihm die Aufnahme. Der Abgewiesene aber war kein Geringerer als Gustav Adolf, der incognit? nach Berlin kam, um seine Verlobung mit der Prinzessin Marie Eleonore zu betreiben. — Mit diesem Vortrage schlossen die Winterarbeiten des Vereins. Es beginnen nunmehr die Sommeraus⸗ flüge und zwar am Donnerstag mit einem Besuche der Heraldischen Ausstellung und am Sonnabend einer Stadtbahnfahrt nach dem Grunewald, wo im Wirthshaus zum Halensee der Baurath Orth einen Vortrag über die Stadtbahn halten wird.
Gestern Mittag wurde im Centralbureau der Hygienischen Ausstellung eine Sitzung des Centralcomites abgehalten, in welcher der Wirkl. Geh. Rath Hobrecht den Vorsitz führte. Vor etwa 150 Comitèmitgliedern rekapitulirte derselbe, welchen Fortgang das Ausstellungs unternehmen seit der letzten Centralcomstèsitzung am 2. Juni 188 genommen habe, wobei er der aufopfernden Hin⸗ ebung Ihrer Majestät der Kgiserin ehrend gedachte. Rach 6 Hobrecht nahm der zweite Vorsitzende des geschäftsführen— den Ausschusses, Civilingenieur Rietschel, das Wort. Er konnte konstatiren, daß in den letzten elf Monaten die dem Aut⸗ an gestellten Aufgaben erfüllt worden sind. Hr. Hobrecht rachte zur Anzeige, daß Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz bereit sei, am 1. Mai, Nachmittags J ühr, die Ausstellung zu eröffnen. Bis dahin wird, wie Baurath Kyll mann konstatirte, die Ausstellung absolut fertig sein. Hierauf be⸗ schloß das Centralcomits nach kurzer Diskussion nabezu einstimmig: „Die Versammlung nimmt von der Mittheilung, daß Ihre Masestät die Kaiserin die Gnade gehabt hat, 20 goldene Medaillen zu be— willigen, mit großem Dank gegen Ihre Majestät Kenntniß und be— i mit Rücksicht hierauf, von einer weiteren Prämilrung Ab- tand zu nehmen.“
D
Der heftige Wind, der gestern Nachmittag in Berlin und Um— gegend herrschte, hat Mr. Godard verhindert, mit seinem Ballon fa nouveau monde“ von der Charlottenburger Flora aus aufzu—
eigen.
Die Königstädtische Realschule feierte heute ihr S0 jähriges Jubiläum durch einen festlichen Schulaktus, der in der mit Topf⸗— gewächsen reich geschmückten Aula der Anstalt stattfand. Als Ver⸗ treter der Regierung wohnten demselben der Ministerialdirektor Greiff bei. Die Motette Lobe den Herren, meine Seele“, vor Schüler⸗ chor vorgetragen, leitete die Feier ein. Die dann folgende Festrede hielt der Direktor Vogel. Nach ihm nahm Ministerialdirektor Greiff das Wort, um die Glückwünsche der Regierung zu überbringen und zugleich kund zu thun, daß Se. Majestät der Kaiser Seiner Gnade dadurch besonderen Ausdruck zugeben geruht haben, daß Se. Maiestät dem Ersten Oberlehrer Prof. Heinrichs den Rothen Adler⸗Orden und den Oberlehrern Dr. Steuer und Dr. Bellermann den Titel Professor verliehen habe.
Friedrich v. Flotow, der Komponist der, Martha“, feierte am 21. v. Mts. in Wien seinen 70. Geburtstag. Der greise Komponist wohnte einer ihm zu Ehren veranstalteten Aufführung der oben ge⸗ genannten Oper im Hof⸗Opern⸗Theater bei und wurde durch viele Ovationen ausgezeichnet. Derselbe arbeitet jetzt an einer neuen Oper, „Sakuntala“, mit der er die Reihe seiner Kompositionen be⸗ schließen will.
Auf ein ungewöhnliches Interesse bei privaten Kunstfreunden sowohl wie bei den Vorständen größerer öffentlicher Sammlungen dürfen zwei Kupferstich⸗Auktionen rechnen, die in der ersten Hälfte des Monats Mai stattfinden werden. Die erste wird vom 10.—12. Mai von R. von Zahn in Dresden veranstaltet, die andere von der Kunst⸗ handlung von Amsler u. Ruthardt geleitet, wird am 15. Mai in Lepke's Berliner Kunstauktionshause ihren Anfang nehmen. In jener gelangt die kostbare, aus 733 Nummern bestehende Kollektion eines verstorbenen russischen Sammlers, des Hrn. Peter Beresoff, in dieser die des Hrn. Oppermann und die mit ihr verschmolzene eines anderen, ungenannten Berliner Kunstfreundes — zusammen eine Reihe von fast. 4000 Nummern, deren Verxzeichniß einen Band von 300 Seiten Umfang bildet, — zum Verkauf. Beide Auktionen bieten eine nahezu unvergleichliche Auswahl von Arbeiten älterer Meister von den Anfängen des Kupferstichs und des Holz⸗ schnitts an bis zu den Blütheperioden des 16. und 17. Jahrhunderts und darüber hinaus in ausnahmslos auserlesenen Exemplaren von zum großen Theil ungewöhnlichster Seltenheit, zu denen in der Ber— liner Auktion überdies noch eine Sammlung der besten Arbeiten des 19. Jahrhunderts von nicht geringerer Qualität hinzukommt. Auf eine Aufzählung im Einzelnen, bei der neben den werthvollsten Inkunabeln des Kupferstichs und Holzschnitts fast jeder bedeutendere Meister einer jeden Schule genannt werden müßte, in Hinblick auf diese seltene Fülle des verschiedenartigsten Materials verzichtend, hemerken wir nur, daß vornehmlich die deutsche und die niederländische Schule in beiden Sammlungen in glänzendster Weise repräsentirt sind. Für das Einzelne verweisen wir auf die beiden Kataloge, von denen der von Amsler und Ruthardt heraus⸗ gegebene nicht blos die, sorgfältigste Beschreibung der einzelnen Blätter darbietet, sondern auch eine Reihe der kostbarsten Unica der Sammlung in trefflichen Lichtdrucken reproduzirt. Er wird auch über die Auktion hinaus für den Kupferstichsammler als Nachweis einer stattlichen Zahl bisher noch unbeschriebener Blätter und Zustände ein schätzbares Handbuch bleiben, was, wenn auch in geringerem Maße von dem Katalog der Sammlung Beresoff ebenfalls gilt.
Im Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater fand am Sonnabend Abend die hundertste Aufführung der Operette von Joh. Strauß: „Der lustige Krieg“, vor einem zahlreichen Publikum statt. Dem Komponisten zu Ehren war von Jacobson ein humorvoller Festprolog, „Ein Frühlingstraum“, verfaßt worden, der lebhaften Beifall fand. Frl. Elise Schmidt betrat als Walzer⸗Fee die Bühne, feierte die leichte Operettenmuse fund ihren Meister Strauß; Walzer-Genien erschienen, begrüßten und gruppirten, sich um sein Bild, und ein großes lebendes Tableau im Hintergrunde der Bühne, verschiedene Szenen aus Straußschen Operetten, veranschaulichend, bildete den Abschluß. Frl. Rinka, als Walzer⸗ Genius ‚An der schönen blauen Donau“ kostümirt, ernteten lebhaften Applaus. Die Musik, ein Potpourri der schönsten Walzer von Johann Strauß, war durch den Kapellmeister des Theaters, Hrn. Federmann, geschickt zusammengestellt worden. In der Oper selbst wirkte. Fr. Direktor Fritzsche⸗ Wagner als Gräfin Violetta mit und bot eine ausgezeichnete Leistung. Auch die hundertste Vorstellung der Oper wurde von reichem Beifall begleitet.
— Im Belle ⸗Alliange⸗Thegter eröffneten am Sonnabend Hr. Emil Thomas und Fr. Betty Thomas⸗Damhofer ihr Gastspiel mit der vieraktigen Gesangsposse „Villa Sanssouci“ von Emil Korn mit Musik von W. Mannstädt. Der Inhalt des Stückes ist in wenigen Worten folgender. Der Rentier Billerbeck kehrt in der Villa seines Ruhe liebenden Freundes Lemke in Freienwalde zum Besuche ein, um dort Alles auf den Kopf zu stellen, unter dem Vor⸗ geben, daß er Alles schön arrangire. Um recht viel Störung und Unordnung zu Wege zu bringen, ist naturgemäß eine große . von Menschen nöthig, deren Bekanntschaft Rentier Billerbeck bequem im Wartesaal eines Bahnhofs macht. Eines ähnlichen Mittels bedient sich der Autor, um die Verwirrung ihren höchsten Grad erreichen zu lassen, dadurch, daß er alle Welt in einem Gasthause mit einer großen Anzahl von Lauben zusammen kommen läßt. Wie man hieraus er⸗ sieht, sind die Mittel, deren sich der Autor zur Erreichung seines lustigen Zweckes bedient, höchst einfacher Natur; ebenso bequem hat er es sich mit den Charakteren gemacht, denen wir aus— nahmslos schon in älteren Possen begegnet sind. Jedoch schien das im Großen und Ganzen der erheiternden Wirkung des Stückes auf das Publikum keinen Abbruch zu thun. — Von den ein gestreuten Couplets waren nur einige anregend; dagegen wurde ein Lied, das Fr. Betty Thomas ⸗Damhofer bei Gelegenheit einer Ge—⸗ burtsgratulation vortrug, recht beifällig aufgenommen. — Hr. Emil Thomas spielte den, Billerbeck mit jener ihm eigenthümlichen Verve, mit der er menschliche Karrikaturen darzustellen vermag. Schon sein Erscheinen wurde mit Applaus begrüßt, den er sich auch während des ganzen Abends durch sein drastisches Spiel zu erhalten wußte. Die Rolle des Kadetten Kurt“, welche Fr. Thomas⸗Damhofer über⸗ nommen hatte, wurde von ihr recht ansprechend durchgeführt. Unter den andern Mitspielern sind noch die Damen Fr. Heltzig und Wisotzky, Frl. Strahl und Glinka, sowie die Herren Schul; und Dorn hervor⸗ zuheben. Das Stück fand bei dem überaus zahlreich versammelten Publikum, das sich sehr gut zu amüsiren schien, eine so günstige Auf. nahme, daß man auf zahlreiche Wiederholungen rechwen kann.
— Im Wilhelm Theater fand gestern die erste Aufführung eines Volksstückes, Der Galeerensklaver, nach dem Englischen des Bartley Campbell, statt. Das etwas drastisch angelegte Stück errang lebhaften Beifall, welchen es zum Theil der trefflichen Dar⸗ stellung verdankt, die dadurch ermöglicht wurde, daß im National- Theater wie im Victoria Theater tüchtige Künstler freigeworden sind, welche die Hauptrollen in jenem Drama übernommen hatten. Die Darsteller, unter denen besonders die Herren van Hell und Door sowie die Damen Frl. Kraus und Kronau ju nennen sind, wurden nach dem vierten Akte dreimal gerufen.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. El gner.
Sieben Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage), 645) außerdem ein Fahrplan der Berliner Stadt und Ringbahn.
3 1G2.
— —
. Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staals⸗Anzeiger.
Berlin, Montag, den 1. Mai
k
12.
Aichtamtliches.
Preußen. Berlin, 1. Mai. Im weiteren Ver⸗ laufe der vorgestrigen (56.) Sitzung trat das Haus der Abgeordneten in die dritte Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Einsetzung von Bezirkseisen⸗ bahnräthen und eines Landeseisenbahnraths für die Statseisenbahnverwaltung ein. In der General—⸗ diskussion bemerkte der Abg. Dr. Windthorst: Alles, was hier an Garantien in Bezug auf die Verwaltung und die Finanzen versucht werde, sei nicht viel werth, es wäre durchaus nicht bedauerlich, wenn Alles abgelehnt und die Verantwortung ganz und gar der Regierung, speziell dem Minister der öffent— lichen Arbeiten überlassen würde. Der Minister würde dem Hause dann weit mehr persönlich entgegentreten, während der⸗ selbe jstzt in diesen Dekorationen ein vorzügliches Schutzmittel finde. Auch die Komposition des Eisenbahnraths sei eine solche, daß ihm die Institution kein Vertrauen einflöße. Die Herren, die dort entscheidend sein würden, seien diejenigen, welche vom Minister hingeschickt würden. Die anderen Mit— glieder würden zum guten Theil aus den Kreisen der Groß— industriellen kommen, und er habe bezüglich der öffent— lichen Verhältnisse absolut kein Vertrauen zu den Geheimen Kommerzienräthen. Dieselben ließen sich viel zu sehr von ihren Interessen beeinflussen. Daneben sei die Kompetenz dieser Institutionen sehr schwankend. Ihr Werth sei ein ge— ringer, sie seien nichts als eine Barriere, die der Minifsler mit einer leichtgeheizten Lokomotive einrennen könne. Weiter seien aber auch die Bestimmungen über die Tarife bedenklich. Es werde eine weitere Entwickelung dieser Angelegenheit an— gestrebt werden können, und zwar in der Weise, daß das Haus einen erheblichen Einfluß auf das Tarifwesen sich verschaffe. Zu diesem Zwecke habe der Abg. Büchtemann den Antrag auf Einsetzung einer parlamentarischen Kommission gestellt. Es würde das eine Art Intelligenzbureau für Eisenbahn— angelegenheiten sein. Er sei mit diesem Vorschlage einverstanden, soweit es wünschenswerth sein müsse, im Haufe instruirte Leute zu haben. Aber die Mittel für diese Tendenz schienen ihm nicht zutreffend und nicht im Einklang mit den Verfassungsbestimmungen zu sein. Die Hauptschwäche des Antrags liege jedoch darin, daß die Mitglieder jener Kom— mission nichts sollten zu sagen haben. Dann sei aber das Orientiren eine mißliche Sache, zu der sich nicht bald Jemand finden dürfte. Es müßten vom Hause in den Landeseisen— bahnrath selbst Mitglieder geschickt werden, wie die Regierung auch beantragt habe, aber vom Abg. Büchtemann seltsamer Weise verworfen sei. Das Haus hätte dann seine Kom⸗ missare, ohne welche der Minister keine Aenderung im Tarif— wesen vornehmen dürste. Solche Kommissare hätten sich seiner Zeit in Hannover vortrefflich bewährt. Aber das Haus sei nun einmgl in der Tendenz, lauter neue Räthe zu schaffen. Er freue sich, daß der Abg. Lieber den Antrag auf Entsen⸗ dung von Landtagsmitgliedern in den Eisenbahnrath erneuert habe, und er bitte, denselben anzunehmen. Es liege darin gar nichts von Unehrerbietung, da das Haus damit nichts anderes wolle, als was der Minister auch gewollt habe.
Der Abg. Büchtemann erklärte sich mit einem großen Theil der Ausführungen des Abg. Windthorst einverstanden, aber nicht mit dem Vorschlage, in den Landeseisenbahnrath parlamentarische Mitglieder zu senden. Auch er halte diese In— stitution nicht für ein genügendes Schutzmittel gegen die Uebermacht des Ministers. Er sei aber nach wie vor der An⸗ sicht, daß die Befragung von Interessenten nützlich sein werde. Die Besetzung des Eisenbahnraths flöße seiner Partei aller— dings kein Vertrauen ein. Er wolle seinen Antrag auf Ein⸗ setzung einer parlamentarischen Kommission jetzt nicht erneuern, weil derselbe keine Aussicht auf Annahme habe und wolle eine günstigere Gelegenheit, vielleicht auch eine andere Zusammensetzung des Hauses abwarten, um wirksamere Garantien zu schaffen. Möge doch einmal das Expe⸗ riment gemacht werden, wie es die Majorität haben wolle. Nachdem sich dasselbe nicht werde bewährt haben, werde sich auch die Neigung für seinen Vorschlag eher finden. Die Mit⸗ glieder dieses Hauses hätten im Eisenbahnrath lediglich die Stellung von Interessenten, sie wären nur ein Bruchtheil des Kollegiums und wären außer Stande, allgemeine Gesichts⸗ punkte zur Geltung zu bringen. Und da es der Stellung der Mitglieder dieses Hauses nicht entsprechen würde, wenn sie ihr Votum unter Interessenten abgeben möchten, so wolle seine Partei die Einsetzung einer eigenen parlamentarischen Kommission. Er wolle serner die Landesvertretung nicht direkt in die Schwierigkeiten der Verwaltung einführen, weshalb seine Partei nicht für erweiterte Befugnisse der von ihm vor— geschlagenen Kommission eintrete. Mit dem Antrage Lieber könne er sich nicht befreunden und begnüge sich mit der Zusammensetzung des Eisenbahnrathes, wie sie der 5. 10 vor⸗ schlage.
Darauf wurde die Generaldiskussion geschlossen.
In der Spezialdis kussion wurde 5. 1 ohne Debatte un⸗ verändert genehmigt.
§. 2. lautet nach dem Beschlusse in zweiter Lesung:
Für den Bezirk einer jeden Staatzeisenbabndirektion, und zwar zunächst der Königlichen Eisenbabndirektionen zu Bromberg, Ber⸗ lin, Magdeburg, Hannover, Frankfurt a. M. und Göln wird ein Bezirkseisenbahnrath gebildet.
Der Bezirkseisenbahnrath zu Cöln fungirt für die Bezirke der Königlichen Direktionen der rechtsrheinischen und der links— rheinischen Eisenbahnen.
Sobald durch Aenderungen in den Verwaltungebezirken der bestehenden, oder Bildung neuer Staatseisenbahndirekisonen die Auflösung oder anderweite Zusammenseßzung bestehender, oder die Bildung neuer Bezirkseisenbahnräthe erforderlich wird, erfolgt die⸗ selbe durch Königliche Verordnung, in welcher zugleich Bestim— mung über die erforderlichen Wahlen zu treffen ist. Diese Wahlen sind binnen 3 Monaten zu bewirken.
Hierzu lagen folgende Anträge vor: 1) von den Abgg. Kalle, von Rauchhaupt und Gen.: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Den 5§. 2 wie olgt 2 Für den Bezirk jeder Staatseisenbahndirektion wird ein Bezirkseisenbahnrath geblldet. Ausnahmsweise kann für mehrere
Staatseisenbahndirektionsbezirke ein gemeinsamer Bezirkseisenbahn⸗ rath errichtet werden;
2) vom Abg. Dr. Hammacher (Essen): Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
den §. 2 wie folgt zu fassen:
Für den Bezirk einer jeden Staatseisenbahndirektion wird ein Bezirfseisenbahnrath errichtet. Auf Anordnung des Minifters der öffentlichen Arbeiten kann jedoch ausnahmsweise statt dessen der Bezirkseisenbahnrath für mehrere Staatseisenbahndirektionsbez irke errichtet werden.
Nach kurzer Debatte erhielt 8. 2 auf Antrag des Abg. Dr. Hammacher und unter Adoption eines Amendements dez Abg. von Quast folgende Fassung:
Für den Bezirk einer jeden Staatseisenbahndirektion wird ein Bezirkzeisenhahnrath errichtet. Auf Anordnung des Ministers der öffentlichen Arbeiten, für Handel und Gewerbe, und für Landwirth— schaft, Domänen und Forsten kann jedoch ausnahmsweise statt dessen der Bezirkseisenbahnrath für mehre Staatseisenbahn⸗ Direktionsbezirke errichtet werden.“
s. 3 lautet nach den Beschlüssen zweiter Lesung:
Die Bezirkseisenbahnräthe werden aus Vertretern des Handels⸗ . der Industrie, der Land- und Forstwirthschaft zufammen— gesetzt.
Die Mitglieder werden von den Handelskammern und den landwirthschaftlichen Vereinen sowie von anderen durch die Minister für öffentliche Arbeiten, für Handel und Gewerbe und der Land— wirthschaft zu bestimmenden Korporationen und Vereinen auf drei Jahre gewählt.
Die Zahl der Mitglieder und deren Vertheilung auf die ver schiedenen Interessentenkreise bestimmen die Minister für öffent⸗ liche Arbeiten, für Handel und Gewerbe und der Landwirthschaft.
Hierzu lagen folgende Anträge vor:
I) von den Abgg. Dr. Wehr, Frhrn. von Minnigerode und Steffens:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
l) Im 5§. 3 Alinea 2 hinter dem Worte „Handelskammern“ einzuschalten die Worte: ‚kaufmännischen Korporationen“;
ferner die Worte; (landwirthschaftlichen Vereinen“ zu ersetz en durch die Worte: „landwirthschaftlichen Provinzialvereinen (Central— bezirksvereinen) “;
endlich die Worte: „Minister für öffentliche Arbeiten, für Handel und Gewerbe und der Landwirthschaft“ zu ersetzen durch die Worte: „Minister der öffentlichen Arbeiten, fur Handel und Ge— werbe und für Landwirthschaft, Domänen und Forsten«.
2) Im 5. 3 Alina 3 die Worte: „Minister für öffentliche Ar⸗ beiten, für Handel und Gewerbe und der Landwirthschaft“ zu er= setzen durch die Worte: Minister der öffentlichen Arbeiten, für Handel und Gewerbe und für Landwirthschaft, Domänen“ und Forsten“.
3) Dem 5. 3 als Alinea 4 hinzuzufügen:
Bei Behinderung eines Mitgliedes kann von den Handels— kammern, Korporationen und Vereinen ein Stellvertreter zu der Sitzung des Bezirkseisenbahnrathes entfendet werden.
2) Vom Abg. Dr. Hammacher:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
im §. 3 Alinea 2 hinter „Mitglieder“ zuzusetzen:
»sowie die im Falle der Behinderung von Mitgliedern ein—⸗ tretenden Stellvertreter“.
im 5. 3 Alinea 3 Zeile 1 anstatt der Worte „der Mitglieder
und“ zu sagen:
»der Mitglieder und Stellvertreter, sowie“
Der Abg. Dr. Wehr motivirte seinen auf Entsendung von Stellvertretern gerichteten Antrag, welcher schon in zweiter Lesung vom Abg. Hammacher angeregt gewesen sei. Es sei wünschenswerth, daß nicht nur die gewählten Stellvertreter an den Sitzungen der Bezirkseisenbahnräthe theilnähmen, sondern daß auch je nach Bedürfniß andere Mitglieder der Handels⸗ kammer oder Vereine zu den Sitzungen Zutritt erhielten; dies würde namentlich im Interesse der Landwirthschaft geboten sein, die dann aus den landwirthschaftlichen Vereinen hinaus von Fall zu Fall zu den sie berührenden Gegenständen Ver— treter in den Bezirkseisenbahnrath entsenden könnte.
Nach kurzer Befürwortung seines Antrages durch den Abg. Dr. Hammacher wurde der Antrag Dr. Wehr abgelehnt, der Antrag Hammacher dagegen angenommen und mit dieser Mod fikation der §5. 3, ebenso ohne Debatte unverändert die S8. 4 — 9. 5§. 10 lautet nach den Beschlüssen in zweiter Lesung:
Der Landeseisenbahnrath besteht:
a. aus einem Vorsitzenden und dessen Stellvertreter;
dieselben werden vom Könige, und zwar auf die Dauer von drei
Jahren ernannt;
b. aus drei von dem Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, drei von dem Minister für Handel und Gewerbe, zwei von dem Minister der Finanzen, sowie zwei von dem Minister
der öffentlichen Arbeiten für die Dauer von drei Jahren berufenen
Mitgliedern; ausgeschlossen sind unmittelbare Staatsbeamte;
e. aus je einem Mitgliede für den Regierungsbezirk Cassel, den Regierungsbezirk Wiesbaden, die Stadt Berlin und die Stadt Frankfurt a. M,
aus je zwei Mitgliedern für die Provinzen Ostpreußen, West—⸗ Preußen, Pommern, Brandenburg, Posen, Schleswig-⸗Hosstein, Hannover;
aus je drei Mitgliedern für die Provinzen Schlesien, Sachsen, Westfalen und die Rheinprovinz;
nebst einer gleichen Anzahl von Stellvertretern.
Dieselben werden durch die Bezirkgeisenbahnräthe aus den Kreisen der Land und Forstwirthschaft, der Industrie oder des Handelsstandes innerhalb der Provinz, beziehungsweise des Regie⸗ rungsbezirks oder der Stadt auf die Dauer von drei Jahren ge— wählt, und zwar
für die Provinzen Ostpreußen, Westpreußen und Posen durch den Bezirkseisenbahnrath zu Bromberg;
für die Provinzen Pommern, Schlesien und Brandenburg, Henn für die Stadt Berlin durch den Bezirkseisenbahnrath zu Berlin;
für die Provinz Sachsen durch den Bezirkseisenbahnrath zu Magdeburg; für die Provinzen Hannover und Schleswig⸗Holstein, sowie für den Regierungsbezirk Cassel durch den Bezirkzessenbahnrath zu YVannover;
für die Provinz Westfalen und die Rheinprovinz durch den Bezirkseisenbahnrath zu Göln;
für den Regierungsbezirk Wiesbaden und die Stadt Frank⸗ furt a. M. durch den Bezirkseisenbahnrath zu Frankfurt a.
Jern lagen folgende Anträge vor: er Abg. Dr. Lieber beantragte, die Regierungsvorlage wiederherzustellen, nach welcher auch Mitglierer des Landtageg
sie drei aus jedem Hause) in den Landeseisenbahnrath ein⸗ treten sollten. Der Abg. Kalle beantragte: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: 1 Im 5. 10 Litt. b. einzufügen hinter die Worte „berufenen
Mitgliedern“ die Worte: nebst einer gleichen Anzahl von Stell vertretern.“
Die Abgg. Dr. Wehr, von Rauchhaupt, Kalle und Gen. beantragten: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
2) Im F. 19 unter 6. Zeile 15 die Worte „und zwar“ zu er⸗ setzen durch die Worte:
nach Maßgabe eines durch Königliche Verordnung festgestell⸗
ten Vertheilungsplans,“ und die folgenden Sätze von 5. 19, sowie den ganzen §. 11 zu streichen.
Endlich beantragte der Abg. Dr. Hammacher:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
im §. 10 suh e. Zeile 15 und folgende bis zum Schluß zu streichen und dafür zu sagen:
zund zwar nach Maßgabe der darüber von dem Minister der
öffentlichen Arbeiten getroffenen Bestimmungen.“
Der Abg. Dr. Lieber befürwortete seinen Antrag. Eine Vertretung der parlamentarischen Körper in dem Landes⸗ eisenhahnrath sei schon früher von den Abgg. Frhrn. von Huene, von Wedell⸗Malchow und Roeckeraith gewünscht worden. Es sei hervorgehoben worden, daß eine solche Vertretung eine bessere, lebendige Information über die Veränderungen im Tarifwesen, und die Vertretung höherer, allgemeinerer Gesichts⸗ punkte gegenüber einer überwuchernden Interessenpolitik mög— lich mache. Nicht minder sei die Anwesenheit parlamentarisch geschulter Kräfte in dem Landeseisenbahnrath als wünschens— werth anerkannt. Von denselben Anschauungen sei er bei der Wiederaufnahme des 5. 10 der Regierungsvorlage ausgegan⸗ gen. Er hitte das Haus, seinem Antrage zuzustimmen.
Der Abg. Dr. Wehr erklärte, 3 nur der Noth ge⸗ horchend, habe die Regierung dies Gesetz eingebracht, das besser unterblieben wäre. Wenn seine Partei trotzdem dem— selben zustimme, so geschehe das nur, weil es durch die Be— schlüsse der zweiten Lesung möglichst unschädlich gemacht sei. Gegen den Antrag Lieber sei seine Partei, weil sie hindern wolle, daß die Exekutive durch die Landesvertretung kontrolirt werde, was wider den Geist der Verfassung streite.
Der Abg. Kieschke bat, es bei dem Kommissionsbeschluß zu lassen, da alles, was zu Gunsten einer Vertretung der par⸗ lamentarischen Körper in dem Landeseisenbahnrath gesprochen, illusorisch sei.
Der Abg. Dr. Windthorst war erstaunt, daß diese Ge— legenheit zu einer Kontrole der Verwaltung, welche die Re⸗ gierung selbst darbiete, vom Hause so leicht dahin gegeben werde. Zu erklären sei das nur daraus, daß die Herren aus Preußen viel bureaukratischer seien, als die Vertreter der neuen Provinzen. Eine Vertretung des Landtags im Landes—⸗ eisenhahnrath solle gegen den Geist der Verfassung sein, aber die Regierung selbst trage nicht Bedenken, dieser Forderung zuzustimmen. Ueberall bei der Verwaltung fänden sich In⸗ stitutionen ähnlicher Art. Gerade in der Eisenbahnverwaltung sei es von äußerster Wichtigkeit Männer an so wichtiger Stelle zu haben, die mehr vom unparteiischen Standpunkte den Fragen gegenüberständen.
Der Abg. von Wedell⸗Malchow erklärte im Gegensatz zu seinen politischen Freunden für den Antrag Lieber stimmen zu wollen.
Darauf wurde §. 10 nach den Beschlüssen zweiter Lesung mit dem Amendement Dr. Wehr und Gen. angenommen, der Antrag Lieber abgelehnt.
Der 5. 11 wurde in Konsequenz der Beschlüsse zu 5. 10 gestrichen; die 88. 12 — 20 wurden dagegen ohne Debatte un⸗ verändert angenommen.
8. 21 lautet nach den Beschlüssen der zweiten Lesung:
Unbeschadet der dem Reiche verfassungsmäßig zustehenden Ein⸗ wirkung auf das Eisenbahntarifwesen können Erhöhungen der für die einzelnen Klassen des Gütertarifschemas zur Zeit der Publi⸗ kation dieses Gesetzes hestehenden Normal⸗ (Maximal-) Transport- gebühren, soweit 6e nicht zum Zwecke der Herstellung der Gleich mäßigkeit der Tarife oder in Folge von Aenderungen des Tarif⸗ schemas vorgenommen werden, nur durch Gesetz erfolgen.
Hierzu beantragten: 1) der Abg. Dr. Hammacher statt der Worte „zur Zeit der Publikation dieses Gesetzes“ zu sagen: „jeweilig“; 2) der Abg. Büchtemann die Worte „oder in Folge von Aenderungen des Tarifschemas“ zu streichen.
Der Abg. von Wedell⸗Malchow wünschte, daß die Tarif⸗ ermäßigung nicht im Wege der Differential- und Ausnahme⸗ tarife, sondern im Wege der Normaltarife vorgenommen werde. Gegen den Antrag Hammacher habe er das schon bei Gelegenheit der zweiten Lesung geäußerte Bedenken, daß dasselbe die Regierung von Tarifermäßigungen abhalten werde.
Der Abg. Steffens trat für den Antrag Büchtemann ein. Die Aeußerungen des Regierungekommissars in der zweiten Lesung hätten jeden von der Nothwendigkeit desselben über⸗ zeugen müssen.
Der Regierungskommissar Geheime Negierungs⸗Rath Fleck erklärte, daß die Regierung gegen den Antrag — 7 kein Bedenken habe, dagegen sei der Antrag Büchtemann für dieselbe unannehmbar.
Der Abg. Dr. Hammacher erklärte sich gegen den Antrag Büchtemann, nicht aus materiellen Gründen, sondern weil die Regierung denselben für unannehmbar erklärt habe, und dessen Werth nicht von der Art sei, daß er darum das ganze Gesetz
reisgeben könne. Der Abg. von Wedell⸗Malchowm gehe mt einen Bedenken weiter als die Regierung, die gegen die a ö Antrag geforderte Einschränkung nichts einzuwen⸗ en habe.
Der Abg. von Eynern stand dieser Frage gegenüber auf dem Standpunkt, den der Abg. Richter in 1 Nede vom 24. April 1882 präzisirt habe, und bat die Fortschrittspartei, sich nach den Anschauungen deg * Richter, nicht des Abg. VBüchtemann, in dieser Frage zu richten.
Hierauf wurde der Antrag Hammacher angenommen, der des Abg. Büchtemann dagegen abgelehnt. Die übrigen Para⸗
raphen wurden ohne Debatte erledigt und schließlich das Ge⸗ etz im Ganzen in dritter Lesung genehmigt.