1882 / 111 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 May 1882 18:00:01 GMT) scan diff

Die in der Schlußsitzung der beiden Häuser des Landtags vom Vize⸗Präsidenten des Staats⸗Ministe⸗ riums von Puttkamer gehaltene Rede hat folgenden Wortlaut: . ; 22

Meine Herren! Das Staats- Ministerium hat bei Sr. Majestät dem Rönig die Allerhöchst: Genehmigung Dazu nachgesucht, daß die

egenwärtige Session des Landtags geschlossen werde. enn in dieser ee, mr os in vielen Zweigen der Staatsverwaltung und auf den verschiedensten Gebieten der Gesetzgebung durch das. Zu⸗ sammenwirken der Landesvertretung mit der Staatsregierung große und wichtige Erfolge zum Besten des Landes er⸗ ziell worden sind, so ist dies doch in der laufenden Session nicht in dem Umfange gelungen, wie es von der Staats- regierung erhofft wurde. Das Staats⸗Ministerium hält an der Ueberzeugung fest, daß die Erledigung der sämmtlichen dem Landtage mit Allerhöchster Genehmigung Sr. Majestät vorgelegten Gesetz⸗ entwürse zur Förderung des Landeswohls beigetragen haben würde; nachdem jedoch insbesondere der 3 über die Verwendung der aus den Reichssteuerreformen an Preußen zu überweisenden Geld—⸗ summen in seinen einzelnen Bestimmungen im Hause der Abgeord⸗ neten nicht eine so eingehende Berathung gefunden hat, wie sie zur allseitigen Klarstellung der durch diesen 4 entwurf verfolgten Ziele von der Regierung gewünscht werden mußte, konnte das Staats⸗ Ministerium von einer ferneren Berathung der übrigen Vorlagen einen Erfolg sich nicht mehr versprechen. Bei dieser Sachlage glaubt die Staatsregierung, den Schluß der gegenwärtigen Session nicht weiter hinausschieben zu sollen.

Nach der im Reichs-Eisenbahn⸗A mt aufgestellten, in der Ersten Beilage veröffentlichten Nachweisung über die im Monat März 1882 auf deutschen Bahnen (aus⸗ schließlich der bayerischen) beförderten Züge und deren Verspätungen wurden auf 4, größeren Bahnen heziehungs⸗ weise . mit einer Gesammtbetriebslänge von 29 345,78 km befördert an fahrplanmäßigen Zügen: 12276 Courier⸗ und Schnellzüge, 91 025 Personenzüge, 52 802 gemischte Züge und 84 184 Güterzüge; an außerfahrplanmäßigen Zügen: 1666 Courier⸗, Schnell⸗, Personen⸗ und gemischte Züge und 28 662 Güter⸗, Materialien⸗ und Arbeitszüge. Im Ganzen wurden 669 803 584 Achskilometer bewegt, von denen 190 324713 auf die fahrplanmäßigen Züge mit Personenbeför⸗ derung entfallen. Es verspäteten von den 156103 fahrplan⸗ mäßigen Courier⸗, Schnell⸗, Personen⸗ und gemischten Zügen im Ganzen 534 oder 0, 34 pCt., (gegen 9, 70 pCt. in demselben Monat des Vorjahres, und 9,57 pCt. im Vormonat). Von diesen Ver⸗ spätungen wurden jedoch 125 durch das Abwarten verspäteter Anschlußzüge hervorgerufen, so daß den aufgeführten Bahnen nur 409 Verspätungen ( 0,26 pCt.) zur Last fallen (gegen O, 45 pCt. im Vormonat). In demselben Monat des Vorjahres verspäteten auf den eigenen Strecken der in Vergleich zu ziehenden Bahnen von 146017 beförderten cher r a gen Zügen mit Personenbeförderung 1921 oder 0,70 pCt., mithin 6,44 pCt. mehr. In Folge der Verspätungen wurden 125 Anschlüsse versäumt (gegen 244 in demselben Monat des Vorjahres und 160 im Vormona n.

Bei einer Gruppirung der Verwaltungen nach dem Ver⸗ hältniß der auf je eine Anschlußversäumniß entfallenden

e, ,,. nehmen die Oberhessische Eisenbahn (2 Anschl.

ers. auf 1 Versp.) mit 9,5, die Berlin-Görlitzer Eisenbahn (1. Anschl. Vers. auf 1 . und die Berlin⸗Hamburger Eisenbahn (1 Anschl. Vers. auf 1 Versp.) mit 1,9 die ersten Stellen ein, während die hhessiige Ludwigs⸗Eisenbahn (3 Anschl. Vers. auf 19 Versp.) mit 6,33, die Württemhergische Staats⸗ eisenbahn ( Anschl. Vers. auf 18 6 mit 9,50 und die Bergisch⸗Märkische Eisenbahn (4 Anschl. Vers. auf 65 Versp.) mit 16,25 die letzten Stellen einnehmen und bei 11 Verwal⸗ tungen Anschlußversäumnisse nicht eingetreten sind.

Kiel, 10. Mai. (Kl. Ztg.) Ihre Majestät die Königin Sophig von Schweden-RNorwegen traf auf der Rückreise von Amsterdam, wo die Königin mit gutem Erfolge eine Massagekur von ca. 6 Wochen durchgemacht hat, heute Nacht um 12, Uhr mit dem Hamburger Schnellzuge

ier ein und setzte sofort mit dem Königlich dänischen af dampfer „Skirner“ ihre Reise über Korsör fort.

Baden. Karlsruhe, 11. Mai. (W. T. B.) Der , n, wird morgen, zum ersten Male seit seiner Erkrankung, auf einige Tage hierher zurückkehren und sich dann zu längerem Aufenthalte nach Badenweiler begeben.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 11. Mai. (W. T. B.) r Abgeordnetenhause wurde heute von dem Abg. chönerer eine Petition vorgelegt, welche die Regierung zu Maßregeln gegen die Niederlassung und den Durchzug rusfi⸗ scher Juden auffordert. Der Antrag Schönerers auf Ver— le * er Petition und vollinhaltliche Aufnahme derselben in das Sitzungsprotokoll wurde abgelehnt. Die Zolltarif⸗ vorlage sammt dem Einführungsgesetz wurden in zweiter Lesung angenommen.

FMC Jovanovic meldet unter dem heutigen Da⸗ tum: Zur Säuberung des südwestlichen Theiles der Krivoscie wurde ein Etreisiuz von Zubci aus an⸗

ordnet, Die Abtheilungen unter dem Kömmando des

berst⸗Lieutenants Monari erstiegen daher am 8. d. die Ge⸗ en unterhalb Vucizub, eine andere Abtheilung besetzte Drien.

ucizub war von den Insurgenten stark besetzt. Mo— nari nahm mit denselben ein i auf, welches am 9. d. Morgens wieder begann und bis 31 Uhr Nachmittags sortgesetzt wurde. Als um diese Zeit eine vom General⸗ Major Kober von Visiko, Glavica und Zubar aus gegen Vucizub 2 Abtheilung dort eintraf und eine von Drien über Novce entsendete Abtheilung Pazua im Rücken der Insurgenten erstiegen hatte, flohen dieselben. Ueber ihren Verlust ist 9. nichts bekannt geworden, da die Details noch fehlen. Unser * beträgt: ein Infanterist todt, ein anderer schwer und drei leicht verwundet, sämmtlich vom 22. Regiment.

Pest, 11. Mai. (W. T. B.) Das Unterhaus nahm in der Generaldebatte die Zolltarif⸗Vorlage in nament⸗ licher Abstimmung mit 184 gegen 116 Stimmen an und geiehgrian diese sodann in der Spezialdebatte unverän⸗

rt bis einschließlich der Zolltarifklasse 45, betreffend Kunst⸗ gegenstande.

Belgien. Brüssel, g. Mai. (C65ln. Itg Der Senat hat heute mit selner Mehrheit (29 an dem ö entwurf zugestimmt, der die Zahl der atoren und

utirten nach der Zunahme der Landesbevölkerung vermehrt.

Großbritannien und Irland. London, 10. Mai.

park erledigt wordene Staatsämter sind wiederum be⸗ it worden. Mr. Trevelyan, der bisherige Sekretär der

miralität, ist, wie schon gemeldet, an Stelle des ermordeten Lord Cavendish zum Staata⸗Sekretär des Vizekönigs von

land ohne Sitz im Kabinet, und Mr. Hamilton, früher

ber⸗Rechnungsführer der Marine, an Stelle des verstorbenen Mr. Burke zum permanenten Unter⸗Sekretär des Vizekönigs von Irland ernannt worden. Die Ernennung Trevelyans zu dem durch die Ermordung von Lord Cavendish erledigten Amt hat die irische Partei im großen Ganzen befriedigt. Trevelyan bekennt sich zu radikalen Anschauungen in politi⸗ schen Fragen, und man glaubt, daß er mit der Volkspartei in Irland sympathisire.

Zur Erklärung der Genesis des Dubliner Mo rdverbrechens ist es von Werth, aus den Kreisen der bestunterrichteten Irländer das Urtheil zu verzeichnen, mit welchem die That in jenen Kreisen aufgefaßt wird. Dieselben schreiben den Impuls zu dem Verbrechen der raschen Ver⸗ mehrung der geheimen Gesellschaften, welche sich seit der Unterdrückung der Landliga gebildet haben, zu. Die Mit⸗ glieder dieser geheimen Gesellschaften haben sich niemals recht hingebend der Landliga angeschlossen und deren Vor⸗ gehen in letzterer Zeit strenge getadelt und verur⸗ theilt. So lange die Landliga in voller Thätigkeit war, hielt dieselbe die Mitglieder jener geheimen Gesell⸗ schaften gewissermaßen im Zaum; als aber erstere unter⸗ drückt wurde, gingen diese ihren eigenen Weg. Die Ermordung der beiden Exekutivbeamten wird in den oben⸗ gedachten Kreisen eben so sehr, und mehr noch, als ein gegen die Landliga, als gegen die Regierung gerichteter Schlag an⸗ gesehen. Was Diejenigen, welche die That verübten, dem Lande dadurch zu verstehen geben wollten, ist, demselben einen Beweis zu geben, daß noch eine starke Macht hinter der Land—⸗ liga steht, welche mit England durchaus nichts zu schaffen haben will und einer konstitutionellen Agitation entschieden abgeneigt ist. Dieselben sind nur auf das Fortwuchern und die beständige Schürung der vorhandenen Beschwerden bedacht, in der Hoffnung, daß durch die dadurch genährte Unzufriedenheit die Trennung der beiden Länder von einander zu Wege ge— bracht werden kann. Die irischen Unterhausmitglieder denken, daß nur die Ermordung Burke's beabsichtigt war, und daß die Ermordung Lord Cavendishs nur eine zufällige gewesen ist. Aber darüber herrscht keine Meinungäverschiedenheit, daß der Zweck der Verüber der Mordthat der gewesen ist, die in Aussicht stehende Annäherung zwischen den Führern der Land⸗ liga und dem Ministerium zu zerstören.

Die Leiche des Lord Cavendish wurde am Montag Abend von Dublin nach England überführt. Der Sarg, aus schwarzem Eichenholz, wurde auf eine Lafette gestellt und unter Bedeckung einer Abtheilung Husaren durch ein dichtes Men— schenspalier nach dem Einschiffungsplatze gebracht. Bei der Ankunft daselbst stiegen die Husaren ab und trugen den Sarg auf ihren Schultern an Bord des Dampfbootes, welches bald darauf nach Holyhead abging. Von dort wurde die Leiche mit Sonderzug nach Rowsley gebracht, von wo die Ueber⸗ führung nach Chatsworth Hall, dem Landsitze des Herzogs von Devonsphire, erfolgte.

Gestern früh fand auf dem Glasnevinfriedhofe in Dublin unter ungeheuexrem Volksandrange die Beerdigung des ermor⸗ deten Unter⸗Staatssekretärs Burke statt. . sämmtliche Läden der Stadt waren geschlossen, und allgemein wurde Trauer getragen.

Aus Irland liegen ferner folgende Meldungen vor:

Gestern und vorgestern haben zahlreiche Verhaftungen statt⸗ gefunden, aber in fast jedem einzelnen Falle wurden die in Fat ge⸗ nommenen Personen nach befriedigender Auskunft über ihre Personen und Verhältnisse wieder auf freien Fuß gesetzt. Der Amerikaner Moore, welcher am Montag in Maynooth verhaftet worden war, wurde gestern nach Dublin gebracht, wo er von dem Pöbel beinahe gelyncht worden wäre. Die Polizei hatte aber keine Beweise gegen ihn, und er wurde deshalb wieder freigelassen. In der Burg wurde eine Art Revue gehalten über alle Wagen, welche der Beschreibung desjenigen ähnlich waren, auf dem die Mörder davon fahrend gesehen worden waren. Keiner der Zeugen aber ver⸗ mochte den gesuchten Wagen zu en,, , Der Liffeyfluß wurde gestern ausgebaggert in der Hoffnung, affen oder andere von den Mördern auf der Flucht etwa weggeworfene Gegenstände aufzufinden, aber dersfbenz Die Regierung hat eine Belohnung von 10 6009 Pfd. Sterl. für die Dabhaftwerdun der Mörder ausgesetzt, nebst einer weiteren Belohnung von 1990 Pfd. Sterl. für solche Privatangaben, welche zu einem gleichen Resultate zu führen geeignet sind, nebst einem freien Pardon für irgend einen Accomplicen, der nicht der wirkliche Mörder ist. In Cork sind 2000 Pfd. Ster. zu einem Fonds, um die 8 der Meuchelmörder herbeizuführen, gesammelt worden. In Boston und St. Francisco haben die Ir⸗ länder je 500. Doll. zusammengebracht, ebenfalls um als Belohnung für die Entdeckung ausgesetzt zu werden. In anderen amerikanischen Städten folgte man diesem Beispiele. Verhaftungen haben übri⸗ gens nicht blos in Irland stattgefunden. In Chester, Carmarthen und Crewe sind Leute verhaftet, auf welche das Signalement der Mörder paßt. Die Beschreibung der Mörder gründet sich wohl hauptsächlich auf die erwähnte Aussage der Bildhauergehülfen. Der eine der Mörder wird als 33 Jahre alt, von stämmiger Stalur, mit blondem Backen⸗˖ und dunklem, kurzgeschorenen Schnurrbart geschildert; er trug einen blauen „Pilotrock! und einen weichen „Jerrvhut. Der andere soll 30 Jahre alt sein, blasse Gesichtsfarbe, blonden Backen und bellen Schnurrbart gehabt haben, und mit einem abgetragenen braunen Ueberzieher und weichem Jerrvhut“ be⸗ leidet gewesen sein. Beide hatten das Aussehen von Matrofen oder Fischern. Trotz des angeblichen Ausgleichs zwischen der Regierung und der Landliga treiben die Mondscheinbanden noch fortdauernd ihr heilloseg Wesen. Aus den Grafschaften Tyrone und Cork liegen

Berichte über sehr bedenkliche Ausschreitungen dieser Apostel d No Rent“ Agitation vor. 9 postel der

. 11. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Unter⸗ haus sitzung legte der Staatsselkretär des Innern, Har⸗ court, den Gesetzentwurf, betreffend die unterdrückung der Berbrechen in Irland, vor. Durch denselben wirb die Bildung von besonderen Gerichtehöfen in den Distrikten, in welchen Unruhen vorkommen, gesiaitet. Diese Gerichts⸗ f sollen aus 3 Richtern bestehen und ohne Zuziehung von

verhandeln. Die Pollzei wird nnn gt aut⸗ suchungen vorzunehmen, um nach Merdwerkzeugen zu recher⸗ chiren, sowie Personen zu verhaften, deren Benehmen verdachtig ist; serner wird die Polizei ermächtigt, Aus— länder, deren Anwesenheit für den Frieden in Irland bedrohlich erscheint, zu verhaften und auszuwelsen. Dem Vizekonig wird gesiattet, cin summarlsches Verfah— ren n lager, gehelme Gesellschasften sowie un⸗ erlaubte Versammlungen und aufreizende r u unter⸗ drücken. Die Dauer der Bill wird auf 3 Jahre in fen.

(Allg. Corr) Die durch den blutigen Zwischenfall m Phöonix⸗

n, . fügte hinzu, der Gesetzentwurf, betreffend die

demnächst vorgelegt werden. Northeote erklärte, die Dpposition wolle der Regierung ihren vollen Beistand leihen, aber die Verantwortlichkeit für die Handhabung der Bill müsse der Regierung bleiben. orster billigte den Gesetzentwurf. Parnell und Dillon beklagten lebhaft den strengen Charakter der Bill, welche noch vollständiger fehlschlagen werde als das gegenwärtige Zwangsgesetz. e Bill wurde schließlich in erster Lesung mit 327 gegen 22 Stimmen angenommen. Die mn wurde hierauf vertagt. Vor der Berathung dieser Bill erwiderte der Unter⸗Staagtssekretär Dilke auf eine Anfrage des Deputirten Wolff; zwischen den Regierungen Englands und Frankreichs seien heute Mittheilungen über die Lage der Dinge in Egypten ausgetauscht worden. Den , derselben für die englische Regierung habe selbstverständlich der Schutz für Leben und Eigenthum englischer Unterthanen in Egypten ge⸗ bildet. Bis jetzt habe der englische General-Konsul in Kairo noch keinen Beistand verlangt. Die Regierung habe die Pforte und die übrigen Mächte von den getroffenen Maß— regeln in Kenntniß gesetzt.

12. Mai früh. (W. T. B.) Campbell Bannerman ist zum Sekretär der Admiralität und Courtney zum Sekretär des Schatzamts ernannt worden.

Die Morgenblätter sprechen mehr oder weniger ihre Befriedigung über die neue Zwangsbill aus. Die „Times“ acceptirt dieselbe als eine enischlossene muthvolle . zur Herstellung der Achtung vor dem Gesetze in Irland un zur Verhinderung solcher Verbrechen, wie der Mord im Phönix Park.

12. Mai. (W. T. B.) Unweit Ballina ist gestern Abend auf einen Pächter Namens Barrett geschossen worden, als derselbe in seine Wohnung eintrat. Die Ver⸗ wundungen sind tödtliche. Barrett hatte ein Pachtgut über⸗ nommen, dessen früherer Inhaber exmittirt worden war. Parnell hat in Folge ihm zugegangener zahlreicher Droh⸗ . in London einen besonderen polizeilichen Schutz erbeten.

Frankreich. Paris, 11. Mai. (W. T B.) In der Deputirtenkammer richtete heute Villeneuve eine Anfrage an die Regierung über die Angelegenheiten in Egypten und wünschte namentlich darüber Auskunft, welches die augenblickliche Lage sei, und welche Politik in Bezug auf eine türkische Intervention die maßgebende sein werde. Der Conseils Präsident de Freycinet kündigte an, daß die diplo⸗ matischen Schriftstücke über Egypten der Kammer in etwa 14 Tagen mitgetheilt werden würden, wies sodann auf die jüngsten Zwischenfälle in Egypten hin und bezeichnete die Lage als eine ganz exzeptionelle. Das egyptische Ministerium revoltire gegen den Khedive. Frankreich sei bemüht, die Unabhängigkeit Egyptens so aufrecht zu er⸗— halten, wie sie sich aus dem von den Mächten anerkannten Firman ergeben; Frankreich werde keinem Schritt zustimmen, der Egyptens Unabhängigkeit schmälern könne. Die Unabhängig⸗ keit Egyptens werde Dank dem vollständigen Einvernehmen zwischen Frankreich und England behauptet, und das Ein⸗ vernehmen zwischen Frankreich und England nicht gestört werden. Die Dinge könnten eine Wichtigkeit annehmen, die das europäische Gleichgewicht interessire, es sei deshalb nothwendig, sich mit den Mächten über die Regelung der egyptischen Frage zu verständigen. Von den Mächten werde die präponderirende Stellung Frankreichs und Englands in Egypten anerkannt, „die Konsultirung der Mächte kann uns daher nur eine um so größere Macht ge⸗ währen, um allen Eventualitäten entgegenzutreten. Es sind feste und sichere Schritte nöthig, mit denen man vorgehen muß. Die Aktion der Regierung wird sich auf der Höhe ihrer Pflichten befinden, und die Regierung nimmt die Ver⸗ antwortlichkeit vor dem Lande von vorne herein auf sich.“ Villeneuve dankte dem Ministerpräsidenten für seine Erklärung, womit der Zwischenfall erledigt war.

11. Mai, Abends. (W. T. B.) Die Kammer hat die Gesetzvorlage über die Ausweisung von Ausländern in erster Lesung angenommen. Vom Ministerium wurde eine Kreditforderung von 3 Millionen für die Organisation mehrerer Dienstzweige in Tunis eingebracht; die Kammer beschloß, die bezügliche Vorlage an eine besondere Kommission zu verweisen. z

Der Senat hat die Handelsverträge mit Spanien, Portugal, Schweden und der Schweiz sowie die Konvention mit England genehmigt.

(Fr. Corr.) Der Rekrutirungsausschuß der Deputirtenkammer hat an der Hand der ihm von dem Kriegs⸗Minister gelieferten Daten ausgerechnet, daß mit der dreijährigen Dienstzeit, wenn man die letzten Jahreskontin— lente zum Maßstab nimmt, das Gesammteffektiv der Armee ich auf 4598 554 belaufen, also die von dem Cadregesetz erforderte Ziffer von 500 900 Mann nicht nur nicht übersteigen, sondern sogar noch ein Defizit von 1446 Mann ergeben würde. Gambetta wies noch darauf hin, daß diese Ziffer von 498 554 Mann auch nur dann erreicht wird, wenn die freiwillig Angeworbenen fünf Jahre unter den Fahnen bleiben. Fände die Herab⸗ setzung der Dienstzeit aus drei Jahre auch auf diese Kategorie Anwendung, so würde dies einen weiteren Aussall von 20 009 Mann zur Folge haben. Der Unterausschuß, welcher jetzt diese Fragen behandelt, erkannte denn auch im Sinne Gambetta's an, daß, wenn man die dreijährige Dienstzeit zu⸗ läßt, alle diensttauglichen Individuen in die Armee auf⸗— enommen werden müssen und daß selbst die Ziffer der be— reiten Familienstützen nur höchstens 6 pCt. betragen dürfe. Der Ausschuß beschloß ferner, von dem Kriegs⸗Minister einen vollständigen Status der von jedem Kontingent gelieferten Unteroffiziere zu verlangen.

Türkei. Konstantinopel, 11. Mai. (W. T. B) Die türtisch⸗russische Konvention betreffs Regelung der Lriegsentschädigung ist nunmehr definitiv sestgestellt. Dieselbe enthält 12 Artikel, deren Inhalt im Wesentlichen 1 gender ist: die Pforte verpflichtet sich, die Zahlung der im Ver⸗ liner Vertrage fixirten n , . . Annuitaten von 3650 900 türkischen Livres zu leisten. nn die zur Amor⸗ tisirung des Kapitals 37 inf zu verwendenden Annuitäten werden durch die Schassteuer des Vilayets Alepo und durch die Zehnten des Vilayets Konija, Kostambul, Adana und eines 54 des Vilayets Sivas garantirt. Der Gesammt⸗ betrag dieser Einkünfte ist auf 437 500 Livres veranschlagt. Die vereinnahmten Beträge werden nach dem Abzug der Kosten an die Filialen der ottomanischen Bank ausbezahlt

egelung der Frage des rücksständigen Pachtzinses, werde

und die pc verpflichtet sich, keine Havales oder Anwei⸗ sungen auf diese Einkünfte auszugeben. Die ottomanische

Bank wird regelmäßig die Annuitäten an die russische Bank abführen und den Ueberschuß zur Verfügung der Türkei be⸗ halten. Die Annuitäten erscheinen nur als Einnahmen und Ausgaben im Budget. Ein etwaiger Ueberschuß wird der Pforte übermittelt, dagegen muß die Pforte das etwa ent⸗ stehen de Defizit decken. Die Pforte wird mit Zustimmung der ottomanischen Bank anstatt der erwähnten Einnahmen andere Aequivalente zugestehen können. Wegen der erforderlichen Geldoperationen wird die ottomanische Bank ein Spezial⸗ abkommen mit der russischen Bank treffen. Die Ratifikation der Konvention soll spätestens in drei Wochen erfolgen.

Numänien. Bukarest, 11. Mai. (W. T. B.) Der Senat nahm bei der sortgesetzten Berathung der Inter— pellation Gradisteano's, betreffend die Donaufrage, die ein⸗ fache Tagesordnung an. Die Opposition hatte trotz der wiederholten Aufforderung der Minister Bratiano und Sta⸗ tesco abgelehnt, ihre Anschauungen in dieser Frage darzulegen.

Galatz, 11. Mai. (W. Die europäische Donaukommission hielt gestern eine vorbereitende Sitzung. Man glaubt, daß die Komission sich vor der Berathung des Barrsreschen Antrages mit der Frage beschäftigen werde, ob ihre Vollmachten zu verlängern seien.

(Pol. Corr.) Die Donaukommission ist zu der ordentlichen Semestralsession behufs Erledigung der laufenden Geschäste zusammengetreten. Ob sich daran die Berathung des Barrèreschen Projektes unmittelbar anschließen wird, steht noch nicht fest, Oesterreich⸗ Ungarn ist in der Kommission noch durch den Baron Haan vertreten.

Serbien. Belgrad, 10. Mai. (Polit. Corr.) Bei der gestrigen Vorstellung im Theater veranstalteten die Ra⸗ dikaben eine Demonstration, welche später in eine Schlägerei ausartete. Die Gensd'armerie schritt ein und stellte nach Verhaftung mehrerer Rädelsführer die Ruhe wieder her.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 11. Mai. (W. T. B.) Vom Ministerrath ist gestern der Bau der sibirischen Eisenbahn in der Richtung von Jekatarin— burg nach Fjumen genehmigt worden.

12. Mai. (W. T. B.) Das „Journal de St. Pstersbourg“ schreibt: „Wir konstatiren, daß die Nach— richten über Bulgarien stark übertrieben sind. Es hat sich nichts Außerordentliches in dem Fürstenthum zugetragen. Wenn die Lage der Dinge Befürchtungen iet so würde Fürst Alexander sein Land nicht verlassen haben.“ Dasselbe Blatt meldet, daß über die Lage in Egypten ein sehr lebhafter Meinungsaustausch unter allen Großmächten ohne Ausnahme stattfinde.

12. Mai. (W. T. B.) Die vom Minister⸗Comitè genehmigte sibirische Bahn zweigt von der Orenburger Bahn bei Samara ab und soll über Ufa, Jekaterinenburg, Tiumen nach Omsk führen. Der neue österreichische Botschafter, Graf Wolkenstein, wird heute dem Kaiser in Gatschina sein Beglaubigungsschreiben überreichen. In Oranienbaum sind gestern 36 Häuser niedergebrannt.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 12 Mai. (W. T. B.) Der Reichstag hat beschlossen, den König und die Königin zu ihrer silbernen Hochzeit durch Deputationen zu beglückwünschen. An den Deputationen, welche unter Führung der jetzigen Präsidenten erscheinen sollen, werden sich alle nicht verhinderten Abgeordneten betheiligen.

Afrika. Egypten. Kairo, 11. Mai. (W. T. B.) Nach einer Meldung des Reuterschen Bureaus ist der Verkeh zwischen dem Khedive und den Ministern so gut wie auf⸗ gehoben. Letztere erkennen die Autorität des Khedive nicht mehr an und machen aus ihren eigentlichen Absichten kein Hehl mehr. Von der Demission der Minister Mahmud Pascha und Mustapha Pascha ist nicht mehr die Rede. Der Sultan telegraphirte an den Khedive, er billige dessen Verhalten und sagt, der Khedive habe nichts zu fürchten, die Pforte werde unverzüglich im Einvernehmen mit den Mächten handeln.

(W. T. B.) Die Beziehungen des englischen und des französischen General-Controleurs zu dem egyp⸗ tischen Ministerium sind abgebrochen. Die General-Con— troleure wohnten dem heute Nachmittag abgehaltenen gewöhnlichen Kabinetsrathe nicht bei, obgleich sie von ihren Regierungen noch keine Instruktionen erhalten hatten. Die diplomatischen Agenten Frankreichs und Englands erwarten ihre Instruk⸗ tionen ebenfalls noch. Man meint, die egyptischen Minister rechneten darauf, daß es unmöglich sei, eine Verständi⸗ gung zwischen den europäischen Yin ht! und der Pforte zu erzielen und hegten das Vertrauen, daß die Notabeln⸗ kammer ihr Vorgehen gutheißen werde. Dies wird jedoch in diplomatischen Kreisen als zweifelhaft angesehen, wenn nicht etwa die Notabelnkammer durch die Armee eingeschüchtert worden sei. Die Minister sollen ihre Taktik geändert haben. Nachdem sie sich der Intervention der Türkei offen widersetzt und den Khedive beschuldigt hatten, die Rechte, welche Egypten durch die verschiedenen Firmans der Pforte erlangt hat, Preis zu geben, sollen sie 2 vorschlagen, von der Notablenkammer zu verlangen, daß diese an den Sultan wegen der Unsähig⸗ keit des Khedive zu regieren, eine Petition richte.

Seitungèastimmen.

Die „Elberfelder Zeitung“ schreibt zur Frage des Tabackmonopols:

Eine gewissenhafte, wirklich eingehende Prüfung wird den nicht von vornherein verbissenen Mitgliedern des Reichstages die von ung getheilte und im vorigen Artikel in kurzen Zügen dargelegte Ueber⸗ zeugung verschaffen, daß das Monopol die in Deutschland einzig mögliche und an sich beste Form der Besteuerung des Tabacks ist. n Stellt eine gründliche Berathung der unseres Erachtens 7 zur Entscheidung reifen Frage innerhalb der Reichstage kommission f t:

1) daß jede Gewichtssteuererhöhung oder die Einführung der Fa⸗ brikassteuer mit Rücksicht auf die deutschen Verhältnisse unmög lich, resp. verderblich ist,

2) daß dagegen das Monopol eine weitgehende Schonung der be⸗ rechtigten Interessen der Industriellen und der Arbeiter gestattet und gleichwohl eine ausgiebige Verwerthung der Steuerkraft des Tabacks ermöglicht

so kann die kommende Entscheidung logisch nicht zweifelhaft sein. Bezüglich der, manche Kreise geradezu bestimmenden, Ertragt irie des Monopols möchten wir noch einmal an unsere im vor- er 1— Artikel gegebenen Ausführungen erinnern und hier nur noch hervorheben, daß die von der Regie zu ermöglichenden Er⸗ ern e, der durch die Konkurrenz bedingten Unkosten, wie Reklame, ablung der überaug kostspieligen Reisenden, und namentlich Auf⸗ machung (äußere Autstattung) der Waare, ganz enorme Summen

darstellen. Wer die Sache kennt oder etwa die von der Casseler Versammlung der Hülfsindustrien veran Zusammenstellung des ornamentalen Apparats der Tabackindustrie betrachtet, ermißt erst den Umfang und die finanzielle Tragweite dieses hier nur flüchtig angedeuteten Moments . Wir haben darauf ver⸗ zichtet, worauf wir gern noch eingegangen wären, ein Bild der in— dustriellen Zustände der Tabad⸗ und Cigarrenfabrikation aus eigener Anschauung zu zeichnen und näher darzulegen, daß diese lediglich auf die Bearbeitung und Herstellung eines entbehrlichen Genußmittels ge⸗ richtete, böchst intensive gewerbliche Thätigkeit kaum die ihr zur Zeit vielfach jugewandte Sympathie verdient, und daß die Ueberführung der in dieser Industrie festgelegten großen Kräfte an Kapital, In⸗ telligenz und Arbeit auf ein Produktionsgebiet von im Nationalhaus—⸗ halt nützlicheren oder an sich höher werthigen Objekten nach Ueber⸗ windung vorübergehender unvermeidlicher Störungen in unserem Wirthschaftsleben sich als ein Segen erweisen wird.

Wir haben es uns auch versagen müssen, die außerordentliche Bedeutung eines alle Einzelstaaten entlastenden und späterhin mit reichen Mitteln versorgenden Reichs-Tabackmonopols für die Kon⸗ solidirung des Reichs zu beleuchten: derartige „großen Gesichts punkte sind mehr und mehr in dem allgemeinen Niedergang der nationalen Stimmung verschwunden. Wir haben nur den Nachweis versucht, daß wie fur das staatliche und kommunale Leben (ganz abgesehen von seiner nationalen Concentration), so vor Allem die Sorge für die einzelnen unmittelbar betroffenen Kreise zur ungesäumten Annahme des Tabackmonopols führen muß.

n , der Reichstag sich zu einer ernsten und in die Sache wirklich eingehenden Prüfung so ist und das ahnen die prin—⸗ zipiell negirenden Gegner die Entscheidung damit gefallen, und ein großer Schritt zur Gesundung unserer öffentlichen Zustände gemacht. Wer aber jene Prüfung fürchtet und ohne Gründe ablehnt, kann sich dem Vorwurfe der prinzipiellen Opposition oder der Oberflächlichkeit nicht entziehen.

= Der „Düsseldorfer Anzeiger“ äußerte sich über die Finanzzölle und die Schutzzölle im Jahre 1881: .

.Wenn England seinen Bedarf an direkten Steuern durch hohe Eingangszölle auf wenige ertragreiche Artikel deckt, so kommt ihm dabei der große Wohlstand seiner Bevölkerung und außerdem auch seine insulare Lage ganz wesentlich zu Hülfe. Daß wir bei uns aus dem Kaffee, Thee, Branntwein und Tabach auch nur annähernd so hohe Erträge wie England erzielen könnten, ist ganz undenkbar. Man würde in Deutschland bei wesentlicher Steigerung der bestechenden Zoll⸗ sätze einfach zu Surrogaten für die übermäßig vertheuerten Genuß⸗ mittel greifen und daneben würde das Schmuggelwesen begünstigt durch unfere weitgestreckten, schwer zu bewachenden Grenzen, eine un— gemessene Ausdehnung erlangen, welche den ganzen Effekt einer solchen Finanzpolitik hintertreiben müßte. In England ist gerade letzteres wegen der Concentration des Verkehrs auf wenige Hafenplätze viel weniger zu befürchten und hiermit erst die Möglichkeit gegeben, mit verhältnißmäßig geringen Aufsichtskosten ein ertragreiches Finanzoll— system durchzuführen. Bei uns würde nicht nur die Stei⸗ gerung der Erträge selbst sehr zweifelhaft sein, sondern wir würden auch für die Bewachung der Einfuhr von vier oder fünf Artikeln ein ganz ungeheures Beamtenheer unterhalten müssen. Das gegenwärtige Zollsystem, welches darauf basirt, mög⸗ lichst viele Artikel in mäßigem Umfange zu belasten, hierdurch dem Schmuggel eutgegentritt und die weitgehendste Ausnutzung des ein⸗ mal nothwendigen Aufsichtspersonals gestattet, hat sich gen seinem Bestehen sehr gut bewährt und namentlich ist die seit einigen Jahren eingeschlagene Schutzzollpolitik auch für die Finanzen des Reichs von bedeutenden Erfolgen begleitet gewesen. Dies ergiebt sich aus nach⸗ stehenden Ziffern, welche wir der jüngsten Publikation des statisti—⸗ schen Amtes entnehmen. Darnach haben die hauptsächlichsten Artikel im Jahre 1881 folgende Erträge geliefert:

A. 2

Kaffee. Petroleum Taback .

1 Korinthen, Rosinen Kd Reis

gf . Südfrüchte Gewürzen. Thee. Zucker. 2271. 1 Einige der Artikel, welche wir unter der Rubrik „Finanzzölle“ aufgeführt haben, könnten mit mehr Recht unter die Schutzzölle ge⸗ rechnet werden, indeß ergiebt sich auch bei obiger Rechnung, daß die landwirthschaftlichen Schutzzölle etwa 40, die industriellen 31 und die Finanzzölle 120 Millionen Mark einbringen. Wenn Deutschland Ei Schutzzölle beseitigt, würden die Reichsfinanzen somit einen Aus⸗ all von mehr als 70 Millionen Mark haben, ohne daß die Kosten

ö. Zollverwaltung dabei eine wesentliche Einschränkung erfahren önnten.

In der „Nordd. Allg. Ztg.“ lesen wir:

Man hat von den Gegnern des Tabackmonopols sehr häufig zu hören bekommen, daß die rechnungsmäßigen Grundlagen, auf denen der Monopolentwurf in seinen Berechnungen basirt sei, sowohl den Umfang des Gesammtaufwandes für den Tabackkonsum, d. i. den Gesammtumsatz der Tabackbranche, als auch den Reingewinn der Tabackinteressenten bedeutend überschätze und daß deshalb die von der Vorlage berechnete Einnahme für die Reichsfinanzen auch nicht werde erzielt werden können, zum wenigsten dann nicht, wenn Preise und Qualität der von der Monopolverwaltung gelieferten Fabrikate sich in den jetzt üblichen Grenzen bewegen sollen. Es hatte nun der badische Landtagsabgeordnete Kopfer, der zugleich Reichs—⸗ tagsmitglied ist, in den Verhandlungen der badischen Kammer über das Tabackmonopol eine Berechnung aufgestellt, nach welcher von dem veranschlagten Ertrage des Monopols für das Reich auch diejenige Summe abgezogen werden müsse, welche jetzt die Einzel staaten und Kommunen von der Tabackbranche an Gewerbe! ꝛc. Steuern erheben und war diese Summe auf 40 Millionen Mark an⸗ gegeben. Die Richtigkeit dieser Summe vorausgesetzt, würde sich für Umschlag und Reingewinn der Tabackbranche etwa Folgendes ergeben: man wird wohl von keiner Seite behaupten wollen, 24 die ge⸗ sammte Besteuerung der Branche, ohne die eigentliche Tabacksteuer, denn die ist in der Berechnung der Monopolsvorlage schon abge—⸗ jogen, mehr als 10 0 des Reingewinneg betragen kann; wahrscheinlich beträgt sie viel weniger. Dann würde der Reingewinn der Tabackbranche jetzt sich auf 400 Millionen berechnen und bei Annabme von 25 0 Verdienst am Umschlage letzterer sich auf 1600 Millionen stellen. So nach den Angaben des Abg. Kopfer. Die Monopolvorlage berechnet nun den Gesammtaufwand der Be⸗ völkerung für Tabackfabrikate an der Hand der n f der Taback⸗ enquete und der Ermittelungen des statistischen Amtes auf rund 385 Millionen für die Privatindustrie, auf 385 für das Monopol, es wird also entweder zugegeben werden müssen, daß die Grundlage der Veranschlagung des Tabackkonsums durchaug nicht zu hoch angenom⸗ men ist, oder aber, daß die vom Reinertrage des Monopols * die . der Einzelstaaten und Kommunen abzusetzende Summe sehr erheblich niedriger ist, als die vom Abg. Kopfer angegebene.

Derselben Zeitung wird aus Cüstrin, 11. Mai, berichtet:

Gestern Abend kagte hier in = Hotel in der kurzen Vor⸗ tadt eine von rund 300 Personen besuchte konservative Versamm⸗ ung. Hr. Landtags ⸗Abgeordneter Dr. Kropatscheck aus Brandenburg bielt einen geistvollen und sehr anregenden Vortrag üher die politisch= wirthschaftliche Lage, speziell das Tabackmonopol. Die Ausführungen des genannten Herrn fanden allseitigen Beifall, und wurde auf An

B. ,,,

Baumwollenwaaren Wollenwaaren Eisenwaaren . Seidenwaaren Leinenwaaren . Lederwaaren .. 3117. Drog., Apoth. W. . 2564. Maschinen⸗Instr. 2232. G . 2217. V . 1463.

1155.

000 41810. 21 895. 19358. 10746.

3 652.

3584.

6061. 5125. 4389. 2698. 2590. 1726. 1614. 1416. 17115. 4440. 4230.

im Anschluß an die Ausführungen des Hrn. Dr. ro- patscheck erklãren X konservatipe Männer Cüstrins und der Um. gegend, daß sie der *, , m. des Fürsten Bismarck voll und ganz zustimmen und dieselbe mit allen gesetzlichen Mitteln im unterstũtzen bereit sind!“ einstimmig angenommen.

Der „Sta ats⸗Anzeiger für Württemberg“ meldet aus dem Uracher Bezirk, 8. Mai:

Der Entscheidung über das Tabackmonopol sieht man von hier aus mit großem Interesse, aber ohne Beunruhigung entgegen: man wünscht das Zustandekommen, tröstet sich aber im entgegen⸗ gesetzten Fall damit, daß dann etwas anderes an die Stelle tritt, was sicher zum Monopol, dem einzig Richtigen, führt. Das unser Bezirk für das Monopol ist, beweist unwider⸗ leglich die Thatsache, daß unser Reichstagsabgeordneter als ganz entschieden ausgesprochener Anhänger dieser Einrichtung ohne Widerspruch gegen diesen Theil seines Programms gewählt worden ist. Auch unsere Lokalpresse bringt häufig Artikel zu Gunsten des Monopols, keinen dagegen. Es wäre ein Leichtes, in einer öffent⸗ lichen Versammlung Resolutionen durchzusetzen, daß man das Monopol wolle. Allein wozu? Die Gegner behaupten doch nach wie vor: die ganze Nation sei gegen das Monopol. Man weiß aber, was man von solchen Versicherungen zu halten hat.

Statistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des Statistischen Bureaus der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 30. April bis inkl. 6. Mai er. zur Anmeldung gekommen:

270 Eheschließnungen, 793 Lebendgeborene, 35 Todtgeborene, 514 Sterbefãälle.

Die berufsstatistische Konferenz zu Erfurt. (Stat. Corrr.) Auf Einladung des Direktors des Kaiserlichen Sta⸗ tistischen Amtes traten am 24. April d. J. in Erfurt Vertreter der amtlichen deutschen Statistik zur Berathung über die zur Ausführung der Berufszählung am H. Juni d. J. dienlichen Maßnahmen zu⸗ sammen. Die Verhandlungen erstreckten sich auf drei Tage und be⸗ trafen einerseits die zur Sicherung der Erhebung selbst etwa noch erforderlichen Vorkehrungen, andererseits die Frage der Revision und Verarbeitung des durch die Erhebung gewonnenen Materials.

Der Zweck der allgemeinen Berufszählung besteht darin, eine genaue Kenntniß über die gesammte Erwerbsthätigkeit der Bevölkerung, Über deren Zusammensetzung aus Erwerbsthätigen und Angehörigen, Selbständigen und Gehülfen, Unternehmern und Arbeitern, sowie über Ausdehnung und andere charakteristische Eigenschaften der land⸗ wirthschaftlichen und gewerblichen Betriebe für die Zwecke der Gesetz⸗ gebung, Verwaltung und Wissenschaft zu erlangen.

In Anerkennung dieses Zweckes und in Erwägung, daß zur Er⸗ reichung desselben vor allen Dingen die Sicherung der Kontrole der Eintragungen in die Zählformulare innerhalb der Zählbezirke und Gemeinden erforderlich, die Bildung und Zusammensetzung von Zähl⸗ kommissionen und die weitgehendste Betheiligung der Bevölkerung am Zählgeschäfte selbst von entschiedenem Werthe ist, faßte die Kon⸗ ferenz eine Anzahl von Resolutionen, deren möglichste Verbreitung und Beachtung ihr wünschenswerth erschien.

Diese Resolutionen lauten:

„I) Im Hinblick auf die Bedeutung der am 5. Juni 1882 im ganzen Deutschen Reiche stattfindenden Berufszählung empfiehlt die Konferenz, nichts unversucht zu lassen, um für die Durchführung der Erhebung innerhalb der Gemeinden die Mitwirkung geeigneter Kräfte aus der Mitte der Bevölkerung in ausgedehntem Maße zu gewinnen. Männer, welchen die Ausübung ihres Berufs eine eingehende Kenntniß der persönlichen und gewerblichen Verhältnisse ihrer Gemeinden ver⸗ schafft, werden nicht nur mit dem Zähleramte zu betrauen, sondern auch hinsichtlich der Leitung des örtlichen Zählgeschäfts zu gemeinsamem Wirken mit den hiermit befaßten Behörden aufzufordern sein.

2) Die Konferenz erachtet es für die erfolgreiche Durchführung des Zählgeschäfts als wesentlich, daß wenigstens in den größeren Ge⸗ meinden die Beziehung solcher geeigneten Kräfte zur Leitung der . erfolge, sei es unter Bildung förmlich organisirter

ählungskommissionen aus ihnen und den Mitgliedern der Gemeinde⸗ behörden, sei es, indem sie diesen letzteren zu gemeinschaftlicher Arbeit unmittelbar beigesellt werden. Sie empsiehlt deshalb die Förderung der hierauf zu richtenden Bestrebungen.

3) Die Konferenz empfiehlt feiner, in denjenigen Gemeinden, deren Ausdehnung es u ißt erscheinen läßt, eine Mehrheit nach diesen Grundsätzen gebildeter leitender Stellen einzusetzen, damit das Arbeitsmaß einer jeden derselben die Grenzen nicht überschreite, innerhalb welcher eine zweckentsprechende Gründlichkeit der Behandlung möglich bleibt.

4) Die Aufgabe der Zählungskommissionen bezw. Gemeinde⸗ behörden umfaßt Alles, was zur Vorbereitung, Leitung und Ueber⸗ wachung des Zählgeschäfts innerhalb der einzelnen Gemeinden und Gemeindetheile erforderlich ist. Insbesondere liegt denselben ob:

a. die Eintheilung der Gemeinden in örtlich genau abzugrenzende Zãhlbezirke;

b. die Bestellung einer hinlänglichen Anzahl tüchtiger Zähler und deren Unterweisung;

e die Aufklärung der Gemeindeangehörigen über den Zweck der Erhebung und über die Ausfüllung der Zählformulare, die Gewinnung des Interesses der Bevölkerung für die Lieferung vollständiger und richtiger Angaben und die Ertheilung von Rath und Hülfe bei Aus⸗ füllung der Formulare, sowie endlich

4 die wiederholte Prüfung und Richtigstellung der in den de, m gemachten, von den Zählern bereits geprüften

ngaben.

Die Konferenz empfiehlt, diese wiederholte Prüfung überall alsbald nach Ablieferung der ausgefüllten Formulare seitens der Zähler, unter Zuziehung dieser letzteren, durchzufübren, und hält es für den Werth des Gesammtergebnisses der Arbeit von höchster Be⸗ deutung, daß besonders bei diesem Geschäfte die Lokalbehörden der Mitwirkung ortskundiger Gemeindeangehöriger nicht entbehren.

5) Die Konferenz erachtet das Amt eines Zählers mit demjenigen eines Mitgliedes einer Zählungskommission oder sonstigen, das örtliche Zählgeschäft leitenden Stelle als wohl vereinbar.

6) Um den, sei es als Zähler, sei es als Mitglieder der leiten⸗ den Stellen bejw. Zählungskommissionen, bei der Erledigung der ört⸗ lichen Zählgeschäfte mitwirkenden Personen die formellen Schwierig- keiten der Arbeit zu erleichtern, hält es die Konferenz für sebr geeignet, diese Personen in gemeinschaftlichen Versammlungen über die Einrichtung der e, und die Art, wie die Gintragungen in dieselben zu bewirken sind, unter Vorführung geeigneter Beispiele zu unterweisen.

Die Konferenz empfiehlt, von diesem Mittel Gebrauch zu machen, soweit dies als durchführbar erkannt wird. ;

7) Auch empfiehlt sie mit Rücksicht auf die in dieser Beziehung bereits gemachten günstigen Erfahrungen, die Zählung formulare in den Schulen von den Lehrern besprechen und erläutern zu lassen.

8) Da bei früberen äbnlichen Gelegenbeiten sich die Lebrer als Zähler bewährt haben, so erachtet es die Konferenz für nothwendig. daß am 5. Juni d. J. der Unterricht in den öffentlichen Schulen auägesetzt wird, damit den Lehrern die Uebernahme des Zäbleramtes ermöglicht werde.

ie Seitens der Konferenz in sebr eingebender Berathung in Be- treff der Revision und arbeitung deg durch die Erhebung ge- wonnenen Materials Fiel Beschlüsse u. s. w. baben nur für die. statistischen Centralstellen Interesse. Von ihrer Mittheilung kann daher an dieser Stelle abgesehen werden.

Dagegen verdient noch bervorgeboben zu werden, daß die preußi schen Bezirks Verwaltungs bebörden bereits unter dem 14. durch den Minister des Innern angewiesen sind, thunlichst 1

trag des Bürgermeisters Detlefsen ⸗Cüstrin eine Resolution, dabin lautend:

d. Bedacht zu nehmen, daß Veranstaltungen, welche die ordnunggmäßige Autfübrung der Berufsstatistik in einzelnen Orten oder für einzelne