1882 / 185 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 09 Aug 1882 18:00:01 GMT) scan diff

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der Pächter innerhalb 7 Jahren nach Anwendung der Bill auf sein Pachtgut das Pachtrecht verkauft, der Grund⸗ besitzer den Pachtrückstand von einem Jahre aus dem Erlös des Verkaufs nachträglich soll erheben können. Das Haus lehnte schließlich das erste Amendement Salisbury's mit 293 egen i657 Stimmen ab und nahm den an Stelle desselben * Zusatz Gladstone's an. Im Fortgange der Sitzung wurden die Üübrigen Amendements zur Pachtrück— standsbill nach den Anträgen der Regierung mit großer Ma⸗ joritãät angenommen.

Frankreich. Paris, 8. August. (W. T. B.) Die 2 in der Kammer der Deputirten verlesene mini⸗ erielle Erklärung sagt: Das Votum der Kammer vom 29. Juli hat die Folge, daß sich Ihnen ein neues Kabinet vorstellt. Seine erste Pflicht ist, Ihnen zu sagen, welche Bedeutung das Vetum in seinen Augen hat und welches Verhalten dasselbe ihm auferlegt. Indem die Kammer die nöthigen Kredite für eine partielle Be⸗ setzung des Suezkanals verweigerte, ergriff dieselbe eine Maßregel der Zurückhaltung und der Klugheit, welche durch⸗ aus keine Abdankung ist. Die Regierung wird sich von dem Gedanken durchdringen lassen, welcher das Votum diktirte, und wird ihre Haltung demgemäß einrichten. Wenn indeß Ereignisse eintreten sollten, welche die Interessen und die Ehre Frankreichs zu engagiren scheinen, so werden wir uns beeilen, die Kam⸗ mer zusammenzurufen, und ihr diejenigen Beschlüsse zu unterbreiten, welche die Umstände erheischen sollten. Wenn die inneren Fragen auch weniger dringliche sind, so verlangen sie doch nicht weniger unsere Aufmerksamkeit; aber von dieser Seite her kann während der bevorstehenden Suspension der Sitzungen nichts kommen, was uns gefährdet oder engagirt. Wir werden die Zeit, welche Sie uns geben werden, benutzen, um die betreffenden Fragen zur Lösung zu bringen. Wir werden uns bemühen, die Lösung derselben in dem liberalen und fort⸗ schrittlichen Sinne durchzuführen, welchen diese Fragen mit sich bringen. Wir setzen uns ein weiteres Ziel: wir werden dahin arbeiten, die verschiedenen Fraktionen der republika⸗ nischen Majorität einander näher zu bringen und, zu vereinigen, und wenn wir mit Ihrer Hülfe dieses patriotische Ziel erreichen können, dann glauben wir ein Werk vollendet zu haben, welches bei den gegenwärtigen Umständen für die Kammer und die Republik von dem größten Interesse ist Die Kammer nahm die ministerielle Erklärung mit Beifall auf und genehmigte darauf die Kapitel des Budgets, betreffend die direkten Steuern. Clémenceau gab darauf eine Erklärung ab, in welcher er sein Mißtrauen gegenüber dem neuen Kabinet aussprach. Man erwartet den Schluß der Session für morgen.

Türkei. Konstantinopel, 8. August. (W. T. B.) Ueber die gestrige Konferenzsitzung verlautet weiter, daß Said Pascha ausdrücklich erklärte, die Pforte stimme den in der Note der Botschafter vom 15. v. M. enthaltenen Bedin⸗ nn und Vorbehalten vollständig zu und daß die türkischen

elegirten hierauf das diesbezügliche Protokoll unterzeichneten. Ferner machte Said Pascha die Mittheilung, daß die Prokla⸗ mation, welche Arabi Pascha zum Rebellen erkläre, bereits abgefaßt sei, er werde eine Uebersetzung der Proklamation voraussichtlich schon nächsten Donnerstag vorlegen.

(W. T. B.) Auf eine bezügliche Anfrage Said Paschas

soll Lord Dufferin erklärt haben, er sei ohne Kenntniß dar⸗ über, ob die Engländer Ismailia besetzt hätten. Ueber die bisherigen Verhandlungen wegen des italienischen An—⸗ trags, betreffend den maritimen Schutz des Suezkanals, wird noch bekannt, die Türkei habe anfangs die Bedin⸗ ung gestellt, daß die Dauer der Ueberwachung zeitlich estgestellt werde, womit sich Corti einverstanden erklärt habe. Said Pascha habe darauf verlangt, daß die Ueber⸗ wachung des Kanalufers der Türkei vorbehalten werde. Corti aber habe erklärt, daß ein solches Verlangen einem absoluten Verbote jeder Landung von anderer Seite gleichkommen und das ganze Arrangement verhindern würde. Said Pascha habe in Folge dessen sein Verlanzen zurückgezogen.

9. August. (W. T. B.) Die türkischen Trans⸗ portschiffe „Taif“ und „Medjidie“ mit 3000 Mann sind, von Salonichi kommend, in der Sudabay eingetroffen. Derwisch Pascha und Server Pascha haben ihre Ab— reise verschoben, bis das Arrangement über die türkische Inter⸗ vention und die Proklamirung Arabi Paschas zum Rebellen, sowie die militärische Konvention mit England zu Stande gekommen sind. Das türkische Expeditions-Corps wird, wie verlautet, nur 6200 Mann betragen; die Pforte soll aber die Formirung eines zweiten Armee⸗Corps von 10000 Mann beschlossen haben.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 9. August. 8 T. B.) Durch Kaiserlichen Befehl an den Justiz⸗Minister ind die Vollmachten des die Ostseeprovinzen revidirenden Senators Manassein dahin erweitert worden, daß derselbe 6 Einleitung des Strafverfahres gegen Beamte be⸗ ugt sein soll. An Stelle des General⸗Majors Kosloff in seiner Funktion als Stabschef des Gens d'armerie⸗ Corps ist General⸗Major Fürst Kantakucen, bisher Ge⸗ lw des Stabschefs des Warschauer Militärbezirks, ernannt worden.

Dänemark. Kopenhagen, 9. August. (W. T. B.) Der König und die Königin von Dänemark sowie der König von Griechenland mit seinen Kindern werden heute Nachmittag über Lübeck nach Wiesbaden abreisen.

Afrika. Egypten. Alexandrien, 8. August. (W. T. B. Das englische Kriegsschiff „Superb“ hat vor Ramleh Stellung genommen und beschießt die Vor⸗ 8 der egyptischen Truppen, welche in den letzten Tagen

ersuche machten, vorzudringen. Das Ueberwachungs⸗ comité für die Lieferung des Süßwassers giebt be⸗ kannt, daß vom nächsten Montag ab nur noch während vier Stunden Wasser geliefert werden wird und daß für die ü bri⸗ gen Tage die tägliche Entnahme pro Kopf auf 20 ÜL fixirt wird. Im Laufe des , ging eine kleine Ab hir fen egyptischer Kavallerie von Isbet Kiwshid gegen za n n vor, wurde aber durch das Feuer der Engländer bald zum Rückzug genöthigt. Den englischen Truppen wurde 2 in einem Tagesbesehle die Anerkennung der

önigin wegen ihres Verhaltens ausgesprochen. Das Befinden der bei dem letzten Rekognoszirungsgefecht Ver⸗ wun deten ist ein r* endes. Die wegen augreichender Veschaffung von 6 gehegten Besorgnisse werden durch Umstand vermehrt, daß 6. mit jedem Dampfer . r. namentlich Italiener und Griechen, nach

lexandrien zurückkehren.

Ein Telegramm der „Times“ sus Alexandrien vom 8. d. M. meldet, der Khedive habe eine Proklamation an das egyptische Volk erlassen, welche Arabi Pascha für einen Rebellen erkläre. .

Ueber die egyptische Armee berichtet die „Pol. Corr.“ weiter:

Um ein völlig getreues Bild von der egyptischen Armee zu ge⸗ winnen, muß man unterscheiden: 1) zwischen den besitzenden Fellahs, 2) nichts besitzenden Fellahs, 3) Negern. ;

Jene Fellahs, die ein Eigenthum auf;juweisen haben, sind nur von dem einen Gedanken möglichst rascher Heimkehr beherrscht. Seit dem 1. Februar 1880 versprechen ihnen Arabi und seine Kollegen den Abschied, und seit dieser Zeit nehmen die Desertionen ganz unglaublich zu. Die meisten der unter Waffen stehenden Soldaten, die irgend einen Besitz in, den Dörfern des Nilthales haben, sind seit 1881 nicht etwa. einmal, sondern mehrere⸗ male desertirt. Mit Gewalt und in Ketten zurückgebracht, desertiren ie abermals, weil man es nicht wagt, sie zu bestrafen. Man hört ie laut sagen, daß sie es waren, die Arabi und dessen Konsorten zu dem gemacht hätten, was sie jetzt sind, und daß diese ohne sie heute Nichts wären u. f. f. Arabi und seine Genossen belassen sie in diesem Glauben, um sich ihre Anhänglichkeit zu erhalten. Seit mehr als einem Jahre erscheinen die Soldaten sehr unregelmäßig beim Fxerzieren und viele Personen wundern sich, daß sie sich noch dazu herbeilassen, die Wache zu beziehen.

Dagegen desertirten die besitzlosen Fellahs gar nie. Diese haben sich an das Garnisonsleben gewöhnt. Jene von ihnen, die das Schreiben und Lesen erlernt haben und nicht älter als 25 bis 30 Jahre sind, treten zur Gensd'armerie oder zur Polizei über; die Übrigen bleiben in der Armee, und wenn es absolut noth thut, sie zu reformiren, schickt man sie nach den Forts an den Küsten oder in die Hauptstädte der Provinzen. Die Klasse der Soldaten, die besitz⸗ losen ö können als der solideste Theil der egyptischen Armee angesehen werden. Es ist aber zu bezweifeln, ob sie Arabi Pascha treu bleiben, wenn er sie nicht versichern kann, daß er nach den Be⸗ fehlen des Khedive handle. Sicherlich waren manche unter ihnen ge⸗ neigt, ihn zu verlassen, wenn sie nicht fürchteten, ihren einzigen Brod⸗ erwerb zu verlieren. Diese Sorte von Soldaten bildet indeß die Minderheit in der Armee.

Die gegenwärtigen Neger endlich sind Sklaven aus dem Sudan, die aus allerlei Gegenden zusammengelesen, hauptsächlich aber den Sklavenhändlern abgenommen und in die Armee gesteckt worden sind, als Ismail Pascha mit England den Vertrag betreffs Abschaffung der Sklaverei abschloß. Die Leute kennen den Khedive nur als ein un⸗ persönliches Wesen und attachiren sich an ihre Affiziere, von denen man sie nicht leicht abwendig machen kann. Sie sind Wilde, die, wiewohl durch das Leben in Kairo schon etwas verweich⸗ licht, den Tod nicht fürchten. Wenn ihre Offiziere sie die eine oder die andere Bewegung ausführen lassen wollen, lassen sie ihnen vorher die Busa, eine Sorte aus Brot gegorenen Bieres, geben; damit berquscht, würden sie den Khedive unter Anrufung seines Namens tödten oder sich für ihn in Stücke hauen lassen, je nach den Befehlen, die sie von ihren unmittelbar vorgesetzten Offizieren empfan⸗ gen würden. Sie sind Alle verheirathet und schleppen ihre Weiber, die einen großen Einfluß auf das Gemüth ihrer Männer ausüben, mit sich. Sie kennen keine Disziplin und würden auf keine Befehle hören, wenn ihre Weiber in Gefahr wären. .

Wenn Arabi Pascha heute wirklich einen über Einschüchterung durch terroristische Mittel oder über einen momentanen Rausch hin⸗ ausreichenden, tieferen Einfluß auf die Armee besitzen sollte, dann wäre dies nur der Schwäche zuzuschreiben, die ihm gegenüber an den Tag gelegt wurde und ihm von Erfolg zu Erfolg verhalf. Schon im Februgr 1881 gewährte man Arabi Alles, was er anläßlich

seiner ersten Demonstration verlangt hatte. Ebenso wurde

ihm bei seiner zweiten Deminstration Alles bewilligt. Arabi verlangte aber noch mehr. Im September 1881 nannte Herr von Blignières diese Demonstration: Revolution mit Rosenwasser; Kg, Pascha und seine Rathgeber hatten aber alles, erreicht, was sie wollten: Erhöhung der Bezüge, Rang, Beseitigung der Tscherkessen und Türken, deren Ersetzung durch Egypter aus der Truppe, Zuweisung der den Militärschulen entwachsenen Zöglinge an die Civilverwaltung und der Offiziere an die Armee. Je schwächer man sich ihnen gegenüber zeigte, desto hungeriger wurden sie in ihren Ansprüchen, und je höflicher man ihnen gegenüͤbertrat, je mehr man es versuchte, sie durch Sanftmuth zu gewinnen und ihnen klar zu legen, daß es Alles verlieren bfg wenn man Alles umstoßen wollte, desto mehr befestigte sich in ihnen die Ueberzeugung, daß man sie fürchte und daß sie selbst nichts zu befürchten hätten. 3 Einem hervorragenden Mitgliede der Notabelnkammer hielt ich gelegentlich vor, daß die Franzosen sich seit einem vollen Jahr hundert auf der Suche nach einer ihnen konvenirenden Regierungs⸗ form befinden, und daß sie noch immer davon entfernt seien, die ihren Aspirationen entsprechende Regierung gefunden zu haben, und betonte, wie Angesichts dessen die Egypter glauben können, daß die eben in der Ausarbeitung begriffene Verfassung dem Lande unbedingt konveniren werde. Er erwiderte, ohne im Mindesten zu zaudern: „Ja, die Franzosen sind Kinder, die nicht wissen, was sie wollen; wir Egvpter aber, wir wollen Gerechtigkeit und werden eine gerechte Konstitution ausarbeiten.“ Ich habe ihn nicht verstanden; hätte ich geglaubt, daß er n seine Antwort verstehe, würde ich ihn um Aufklärungen gebeten haben. Ein anderes Mitglied der Notablenkammer antwortete einem meiner Freunde im letzten Mai in einem Augenblicke, in welchem man glaubte, der Khedive werde die Oberhand behalten, auf die Frage, ob er für den Khedive oder für Arabi Pascha sei: „Ich halte den Stock bei der Mitte und werde meine Hand nach der Seite Ern, nach welcher er sich neigen sollte, um nach der entgegensetzten Seite zu tasten.“ Es bleibt also festzuhalten, daß die ganze egyptische Armee aus Fellahs besteht. Nur unter den höberen Offizieren giebt es noch einige wenige, die Türken oder Tscherkessen sind, die übrigen sind egvptische Parvenus, die ihre Karriere von der Pike auf gemacht haben. Der Präsident des Kriegsgerichtes, das zur Aburtheilung der im Mai 1882 wegen einer angeblichen Verschwörung gegen Arabi Pascha an— 6 n Tscherkessen eingesetzt wurde, war Raschid Pascha, ein Tscherkesse, der an eine Schwester Mansur Paschas, eines Schwagers des Khedive, verheirathet ist, der aber keinerlei Einfluß auf seine Kollegen besitzt. Der Divisions⸗General und Platz⸗Kommandant von Alexandrien während der letzten Ereignisse war ein Türke, Namens Ismail Kiamil Pascha; man kbielt ihn aber in Quarantaine und er empfing die Befehle vom Oberst⸗Lieutenant Osman Bey, der den Schlüssel zur geheimen Corre—⸗ spondenz mit Arabi Pascha besaß. Der Kriegs⸗Minister korrespondirte mit dem Qberst ⸗Lieutenant, und dieser ertheilte die Befehle an den Diyvisions⸗General, den Brigade General, die Obersten und selbst an den Gouverneur und Präfekten von Alexandrien. Oft⸗ mals ließ er diese Befehle direkt an die betreffenden Stellen mit Umgehung der vorgesetzten Behörde gelangen. Es könnten zwar noch viele höhere Offiziere namhaft gemacht werden, welche eine Stelle innehalten und dieselbe, te ihres Widerstrebens und ihrer Abneigung gegen ihre erniedrigende Verwendung, auf Be—⸗ fehl und ausdrücklichen des Khedive beibehielten. Sie be⸗ deuten aber reine Schattenexistenzen und genießen nicht die geringste He nt, weder bei der Armee, noch auch insbesondere bei den zieren.

Zeitungsstimmen.

n der „Neuen Preußischen Ztg.“ lesen wir:

n dem Bericht der Handelskammer des Kreises Eupen über das Jahr 1881 wird geklagt, daß die Ergebnisse der Industrie im Allgemeinen und namentlich der Tertil⸗Industrie geen das Vorjahr wesentlich zurückgeblieben. Bezüglich der Ursache dieses Zustandes sei jedoch weder in der früheren noch in der gegenwärtigen Handelspolitik

irgend ein Anhaltspunkt zu finden; die traurigen Verhältnisse könnten viel- mehr einzig der ungünstigen geographischen Lage der Stadt und den hier durch gegen die Konkurrenzorte, Aachen und Düren, wo die Textil⸗ industrie sich mit jedem Jahre vergrößere, zurückstehenden Verkehrs- mitteln zugeschrieben werden. Hinsichtlich der Streichgarnspinnerei wird hervorgehoben, daß die Zölle auf Garn noch zu mäßig seien und nicht hinreichten, um die belgische Konkurrenz, welche ihre Waaren zu Schleuderpreisen auf den der her Markt bringe, wirksam zu ver⸗ drängen. Es sei sehr zu befürchten, daß die Spinnereibesitzer mit der Zeit müde würden, ohne Nutzen zu arbeiten, und es werde sich dann die jetzt schon verhältnißmäßig große Zahl der stillstehenden Spinnereien noch erhöhen. Dieselbe Klage über zu niedrigen Zoll auf ausländische Garne wird von mehreren Handelskammern erhoben. So auch in dem Bericht der Handelskammer für die Kreise Mühlhausen i. Th. Worbis und Heiligenstadt. Die beiden Handelskammern können nicht als Freunde der Schutzpolitik bezeichnet werden; um so bemerkens⸗ werther ist die Anerkennung, welche dieser Politik dadurch gezollt wird, daß man zu neuem Kampfe gegen die Konkurrenz des Auslandes aufruft, und zwar zu einem Kampfe, durch das Mittel starken Schutzzolls. ; .

Die „Niederschlesische Zeitung“ meldet aus Lauban, 30. Juli:

Nach dem Berichte der hiesigen Handelskammer hat im Bezirke derselben eine Zunahme von 302 Webern stattgefunden; im Ganzen wurden im letzten Jahre 5047 Weber gegen 4745 im Vorjahre be⸗ schäftigt. Die Leinenweberei verdrängt mehr und mehr die Baum— wollenindustrie, da die Löhne für Leinen sich höher stellen.

Der „Westfälischen Volkszeitung“ wird aus Bochum, 3. August, geschrieben:

Es ist ein Ungluͤck, daß nach der jetzigen Lage der Gesetzgebung die Industrie ihre Invaliden, Kranken, Wittwen und Waisen einfach der Kommune zur Last setzen kann, anstatt selbst dafür zu sorgen. Dadurch wird ein kleiner Ort, wo sich eine Fabrik niederläßt, in kurzer Zeit von den Schul⸗ und Armen⸗ lasten erdrückt, und früher wohlhabende Leute gehen dem Ruin ent⸗ gegen. Besser steht es mit dem Bergbau, der durch seine Knappschafts⸗ kassen selbst für die Invaliden der Arbeit sorgt, anstatt sie einfach der Civilgemeinde zur Ernährung zu überlassen. Es ist leicht, ziffernmäßig nachzuweisen, daß überall da, wo vorwiegend Bergbau mit Knappschaftskassen existirt, die Gemeinden nicht in so rapider Weise belastet worden sind, wie in solchen Gemeinwesen, die von dem Wohlwollen oft manchesterlicher Fabrikherren und den Folgen des höchst defekten Haftpflichtgesetzes abhängig sind. Führen wir als Beweis zwei Städte auf, deren Entwickelung eine ziemlich gleich⸗ mäßige war:

Unsere Nachbarstadt Gelsenkirchen besitzt wenig Industrie, wohl aber einige gut rentirende Bergwerke; während Bochum vorwiegend eine durch Knappschaftskassen nicht geschützte Eisen⸗ und Stahl⸗ industrie besitzt. Im Jahre 1880/81 nun betrug in der Stadt Bochum der Armen⸗Etat exkl. Verwaltungskosten bei 33 432 Ein⸗ wohnern 100546 S, gleich 3 M rund auf den Kopf der Bevöl⸗ kerung, im Jahre 1870 aber bei 17585 Einwohnern nur 18783 , gleich 1 Æ é 10 4 rund per Bevölkerungskopf. Die Armen⸗ lasten Bochums stiegen alspo um 530 oso gegen 1870 (in 11 Jahren), während die Vermehrung der Einwohnerzahl nur rund MM oo betrug. Die Armenlasten des 1870 noch als Amt rangirenden Gelsenkirchens betrugen 5103 M, gleich 27 3 per Kopf der Bevöl⸗ kerung. Im Jahre 1880/81 betrug die Bevölkerung der jungen Stadt 15 122 Seelen (die Gemeinden Bulmke, Heßler, Braubauer⸗ schaft, Hüllen und Schalke, welche früher zum Amt Gelsenkirchen gehörten, bilden jetzt das Amt Schalke), die Armenlasten dagegen nur 12692 6, was also nur 83 3 pro Kopf der Bevölkerung ausmacht. Die Armenlast Gelsenkirchens ist also um fast 200 o gestiegen, in welcher Zeit die der Stadt Bochum, Dank der keine Knappschaftskassen besitzenden Eisenindustrie, um rund 530 üso gestiegen sind. Diese Zahlen müssen zu denken und den Impuls an den maßgebenden Stellen geben, mit aller Energie dafür einzutreten, daß die projektirten Unfalls⸗, Kranken⸗ und Invalidenkassen noch in diesem Jahre greifbare Gestalt gewinnen. Die Industrie soll nicht mehr die ihr gebührende Versorgung ihrer Invaliden, Waisen, Witt wen ꝛc. auf die Gemeinden abwälzen dürfen.

Der „Essener Zeitung“ schreibt man aus West⸗ falen unter dem 6. August:

Ueber den segensreichen Einfluß der neuen Zollpolitik auf die chemische Industrie spricht sich der soeben erschienene Bericht der Aachener Handelskammer aus, indem sie hervorhebt, daß diese Politik nach allen Richtungen hin belebend und fördernd für die vater ländische Industrie gewirkt habe, da einheimische Rohprodukte (Salz, Schwefelkies, Kohlen und Kalksteiny mehr als je gefördert und verarbeitet werden und weniger Kapitalien als früher für das fertige Produkt ins Ausland wandern, während der Konsument erheblich weniger für die fertige Waare zu zahlen hat, als vor Jahren. Im Vertrauen auf die Beibehaltung der jetzigen Eingangszölle werden u. a. die vorhandenen Sodafabriken verbessert und ausgedehnt, und mehren sich daneben die Anlagen von Ammoniaksodafabriken in Deutschland, so daß bald auch in dieser Branche eine Ueberproduktion stattfinden wird. Nachdem solche Ammoniaksodafabriken in Grevenberg, Duisburg, Dieuze, Heilbronn, Nürnberg, Trotha bei Halle und Wyhlen existiren, wird auch Mitte des Jahres eine solche Anlage in Inowrazlaw und Ende 1882 die Solvaysche Fabrik in Bernburg in Betrieb kommen. Die englische Soda ist mehr als früher zurückgedrängt und trotz der Erhöhung des Eingangszolles auf kalzinirte Soda sank der Verkaufspreis seit 1379 um 5 S per 109 kg. Alle Etablissements, welche sich in Deutschland mit der Fabrikation chemischer Produkte beschäftigen, sind vollauf beschäftigt und namentlich auch die Fabriken des Aachener Bezirks.

Statistische Nachrichten.

Das Juniheft der Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reichs enthält, außer den auf den entsprechenden Monat bezüglichen Nachweisen über die Ein und Ausfuhr der wichtigeren Waarenartikel, die Durchschnittspreise wichtiger Waaren im Groß handel und über die Zuckerversteuerung noch folgende Jahresstatistiken: 1) für das Kalenderjahr 1881᷑ die Hauptergebnisse der Waaren⸗ Verkehrsstatistik nach Mengen und Werthen, 2) für das Etatsjabr 1881 82 eine Uebersicht über den Tabackbau und die Ergtbnisse der Tabackernte, 3) für denselben Zeitraum eine Uebersicht der Einnahmen an Zöllen, gemeinschaftlichen Verbrauchs steuern und an Stempelabgaben von Spielkarten, Werthpapieren, Schlußnoten, Rechnungen und Lotterieloosen, sowie 4) über den Ver⸗ brauch von gestempelten Blanketts und Stempelmarken und die Ein⸗ nahme an Wechselstempel ˖ Steuer.

unst, Wissenschaft und Literatur.

Wien, 5. August. Die amtliche „Wiener Ztg.“ veröffentlicht folgende Bekanntmachung: Die Jury der ersten internatio⸗ nalen Kunstausstellung in Wien hat die vom K. K. Unter⸗ richts Ministerium für die hervorragendsten Werke der Ausstellung gewidmeten dreißig goldenen Staatsmedaillen den nach⸗ benannten Künstlern zuerkannt: Belgien: Henri de Braekeler. Maler; Louis Gallait, Maler; Jahn Verhas, Maler. Dänemark: Thorwald Niß. Maler. Deutschland: Reinhold Begas, Bildhauer; Franz Defregger,

ar Robert Diez, Bildhauer; Eduard von Gebhardt, Maler; er Ja

ö nssen, Maler; Ludwig Knaug, Maler; 1 v. Lenbach, aler. England: Joseph C. Böhm, Bildhauer. n n. Paul ouis Clsmentin Bruyerre, Architekt; Medailleur; Paul Dubois, Bildhauer; Adolphe Joseph ee ö arle race.

and: ohann A. B. Stroebel, aler.

ules Cloment Chaplain, enri Sa me, aler; ean Antoine

acques Baudry, Maler; William ö. Bouguereau, Maler;

Bildhauer. sᷣ Italien: Emilio Marsili, Bildhauer. . Hans

Malart, Maler; Michael von Munkächv, Maler; oseyh

Tautenhayn, Medailleur; Otto von Thoren, Maler; Victor Tilgner,

ildhauer. Schweden ⸗Norwegen; Karl Gustar Hellquist, Maler.

Jose Casado del Alisal, Maler; Francisco Pradilla, Raler. Zu dem vorstehend aufgeführten Ergebnisse der Jury Ver handlungen * bemerkt werden, daß in Gemäßheit der Bestim= mungen des Reglements der Jury jene Mitglieder derselben, welche zugleich Aussteller sind, auf Erlangung der Staats⸗ medaillen Verzicht geleistet haben. Diese sind: Heinrich von Angeli, Karl Becker, Léon Bonnat, Hans Canon, Coradin Cunoeus, Flaude Ferdinand Gaillard, Claude Guillaume, Konrad Kiesel, Rarl Kundmann, Victor Lagye, Jules Lefebvre, Morten⸗Müller, Victor Marie Charles Ruyprich⸗Robert, Edmond de Schampheleer. Ferner als Ersatzjuroren: Sigmund LAllemand, Kaspar Zumbusch. Die Jury der ersten internatignalen Kunstausstellung hatte auch die Sedel⸗ meyersche Widmung im Betrage von 6000 Francs zu vergeben, und wurde diese dem Maler Franz Rumpler einstimmig zuerkannt.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Leonberg (Württemberg), 7. August. Die letzten schönen Tage der vergangenen Woche haben es durch fleißige Hände möglich ge⸗ macht, daß wir alle geschnittenen Brodfrüchte gut nach Hause ge⸗ bracht haben und daß selbst das Stroh wenig an seiner Farbe ge—⸗ sitten hat. Es wird wohl in den letzten 2 Tagen 4 Theil der Ernte ins Trockene gebracht worden sein. Allerdings ist es räthlich, daß bei der zweifelhaften Witterung, wenn die Frucht reif ist, ge⸗ schnitten und sogleich gebunden und nach Hause gebracht wird, weil bei dem vielen Regen der Boden doch warm bleibt und die Frucht sich trocken erhält.

Vom Bodensee, 6. August. Karlér. Ztg) Die Roggen ernte ist in hiesiger Gegend weit besser als in der Schweiz aus— gefallen. Ganz leere oder halbleere Aehren sind in der That eine Seltenheit. Was Gerste und Korn betrifft, so erzielte man stellen⸗ weise um 5 mehr Garben als im Vorjahre. Aber auch der Körner ertrag ist durchaus zufriedenstellend. Ein Landwirth gewann beim Ausdrusch von 52 Garben Korn nicht weniger wie 51 Sester, mit— hin nahezu die Hälfte mehr als in anderen Jahren. Korn und Weizen zeichnen sich namentlich durch schweres Körnergewicht aus. Während in England die Aussichten für die Hopfenernte sich sehr schlecht gestalteten, läßt sich aus der Seegegend hierüber nur Günstiges berichten. Die Hopfenpreise haben sich daher befestigt, und jene Sorten, welche für den Export nach England sich eignen, haben eine Preissteigerung von 20 30 46, d. i. etwa 250 o, erfahren.

(Allg. Br. u. Hopf. Ztg.). Der vierte Bericht des deutschen Hopfenbauvereines meldet in seinem allgemeinen Theile: Eine mittel⸗ gute, wenn auch quantitativ nicht ebenso befriedigende Ernte wie im Vorjahre scheint für Bayern, Württemberg, sowie für einen Theil der österreichischen Hopfen gegenden einstweilen gesichert ju sein. Das im großen Ganzen günstige Juliwetter hat alle durch die naßkalte Juniwitterung in der Entwickelung zurück⸗ gehaltenen Gaͤrten bestens gefördert. Ungeziefer und Krank⸗ heiten haben sich nur in wenigen Gegenden des Kontinentes in größerem Maße gezeigt und festgesetzt. Leider aber ist die derzeitige Witterung nicht dazu angethan, diese günstigeren. Aus sichten weiter zu befestigen. Württemberg wird nach den bisherigen Aussichten keine reichliche, aber hei bleibend guter Witterung doch eine Durchschnittsernte erzielen. Das Gewächs steht überall gesund und rein, wenn auch mitunter nur schwach entwickelt. Insbesondere auf dem größten Platze, Rottenburg 9. N,, wurden in neuester Zeit alle älteren Vorräthe aufgekauft und relativ gut bezahlt, woraus die dortigen Produjenten den Schluß ziehen, daß das voraus⸗ sichtliche Erntequantum dieses Jahres allgemein als niedrig an— gesehen wird.

Vor einigen Tagen starb in Schwerin der Gartendirektor Theodor Klett, einer der bedeutendsten deutschen Landschafts— gärtner, im Alter von 74 Jahren. Der jetzt Verstorbene schuf den Schweriner , der das Großherzogliche Schloß von der Seeseite umgiebt, und verschönerte den Schloßgarten in ge— schmackvoller Weise. Auch legte er den neuen Schweriner Friedhof nach dem Muster des Pariser Pere - Lachaise im Jahre 1862 an. Nicht nur auf mecklenburgischen Gütern (beson— ders zu Ivenack und Tressow), sondern auch auf holsteinischen stellte er prächtige Parkanlagen her. Seine letzten größeren Arbeiten waren die Verschönerungen auf dem Leup zu Doberan, Parkanlagen in Dobbertin und der Entwurf eines Planes zu Anlagen bei dem neuen Museum in Schwerin.

Gewerbe und Handel.

Der Geschäftsbericht der Preußischen Hypotheken⸗ Aktien-⸗Bank zu Berlin für das erste Semester 1882 bezeichnet die Ergebnisse dieses Zeitraums als im Allgemeinen befriedigend. Die ier . des Instituts vertheilten sich am 30. Juni d. J. auf Grundstücke in Berlin mit 88,99 /, in Posen mit 6,20 9e, in Breslau mit 1,470, in verschiedenen Städten der Provinzen Preußen, Posen, Pommern, Schlesien, Brandenburg und Sachsen mit 1.61 09, und auf ländlichen Grundbesitz derselben Provinzen mit 1736069. Für die seit dem J. Januar d. J. neu erworbenen Hypotheken im Betrage von 16902 A0 M sind städtische Hausgrund⸗ stücke zur ersten Stelle verpfändet, deren statutenmäßige Beleihungs⸗ sähigkeit 1 027 570 16 beträgt, während der Terrainwerth der Grund⸗ stücke auf ca. 450 O00 M und der Feuerversicherungswerth auf 1402 985 6 geschätzt sind. Im abgelaufenen Halbjahre war die Bank bei 9 Sub⸗ hastationen betheiligt, in denen dieselbe ein Grundstück erstanden hat. Der Pfandbriefumlauf, hat sich in Folge der Hypothekenrückzahlungen ermäßigt. Es waren im Umlauf am 31. Dezember 1881 84 635 700. und am 30. Juni 1882 83 248 150 6 Von den verloosten, noch einzulösenden Pfandbriefen sind seit dem 1. Juli d. J. bereits ca. 11 Millionen Mark zur Einlösung gelangt. Der Reserfonds ist durch die Zuschreibung aus dem Reingewinne pro 1881 auf 1040 659 M angewachsen. Ein gußerdem vorhandener Spezial⸗ Reservefonds bezifferte sich am 30. Juni 1882 auf 413 586 6 Der Effektenbestand von 1262771 M wird bis guf wenige Tausend Mark derlooster Effekten nur aus preußischen Consols und deutscher Reicht Anleihe gebildet. Der Status vom 390. Juni d. J. ergiebt, nach Abrechnung aller Geschäftsunkosten, einen Gewinnüberschuß von 181 175

Glasgow, 8. August. (W. T. B). Die Verschiffungen von Roheisen während der letzten Woche betrugen 13579 gegen 12 669 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.

New⸗ York, 7. August. (W. T. B) Weizenverschif⸗ fungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Ver⸗ einigten Staaten nach Großbritannien 3390 009, do. nach Frank—⸗ reich 95 O00, do. nach anderen Häfen des Kontinents 55 0090, do. von Kalifornien und Oregon nach Großbritannien 56 00, do. nach Frank⸗ reich —ů do. nach anderen Häfen des Kontinents 7600 Qrtrs.

Verkehrs⸗Anstalten.

London, 9. August. (W. T. B.) Wie aus Penzance von heute früh gemeldet wird, ist das Packetb ost des Rorddeut“ schen glovd Mosel *, welches von Southampton nach Nem= Joy bestimmt war, in der Nähe des Kap Lizard gescheitert. Die en. steigen in Penzance ans Land.

lIym outh, 8. August. (W. T. B. Der Hamburger Post⸗ Dampfer . Sueoia* ist hier eingetroffen.

Berlin, 9. August 1882.

Ernteaussichten und Preise landwirthschaftlicher Produkte im Auslande.

I. Amerika.

Wenn man eine gute Normalernte gleich 100 baz, dann errei 27 Distrikte der Vereinigten Staaten, in Folge verschledener Ümstände, eine solche nicht, wofür jedoch andere durch eine als 190 versprechenden Stand diesen Mangel wieder ausgleichen, so daß durchschnittlich in den

Vereinigten Staaten für Weizen 102 angenommen wird.

iernach wären die Aussichten also besser als auf eine gute Normalernte. Von Pennsylvanien nordwärts bis zur atlan⸗ tischen Küste, in einem kleinen Theile New Englands, vorzüg⸗ lich in Connecticut, West⸗New⸗York und New⸗Jersey litt der Weizen durch Frost Schaden, der besonders auf nassem Kleiboden (6pongy clay soils) intensiv und noch im Mai sichtbar war, wodurch die Aussichten der Ernte in diesen Staaten zwischen 81—94 schwanken. Auch in Tennessee und Virginia schadete der Frost, doch war der Weizen hier so aus⸗ gezeichnet, daß ein Zurückgehen unter Normal nicht nur nicht stattfand, sondern der Stand in Tennessee vielmehr noch auf 107 geschätzt werden konnte. In der Baumwollen⸗Gegend hat der Weizen in einigen Distrikten durch Rost und Ungeziefer gelitten; so warden in Texas, wo Rost, Trockenheit, die Hessenfliege und anderes Ungeziefer zusammenwirkten, die Aussichten um 24 Proz. verringert, und in Jack-County, von wo man bis Mitte April die herrlichsten Aussichten meldete, haben Würmer die halbe Ernte vernichtet. Dagegen melden die übrigen Staaten sämmtlich mehr als eine gute Normal— ernte, so daß die Aussichten der Weizenernte im Allgemeinen als ausgezeichnete bezeichnet werden müssen.

Die Aussichten der Roggenernte stimmen in den meisten Staaten mit dem Weizen überein, und wenn dieselben in den Vereinigten Staaten durchschnittlich nur 96 Proz. einer guten Normalernte sind, so liegt dieses daran, daß New⸗York und Pennsylvanien 83 und 93 Proz, melden, welche beiden Staa— ten fast die Hälfte des in den Vereinigten Staaten produzir— ten Roggens bauen.

Die namentlich Gerste bauenden Staaten Kalifornien, New-Hork und Wisconsin (/ Theil von den Vereinigten Staaten) melden 93,70 und 78 Proz. einer guten Normal— ernte, und ebenfalls verspricht der Hafer, der im Süden in größerem Maßstabe als sonst angebaut ist, eine gute Ernte, da der Rost, von dem verschiedene Correspondenten melden, bis jetzt keinen ernstlichen Schaden angerichtet hat.

II. Rußland.

Nachdem sich in der letzten Hälfte des Maimonats der so lange gewünschte Regen in Südrußland eingestellt hat, ist der Stand der Saaten jetzt allerdings ein besserer geworden, doch ist der Regen zu spät gekommen, als daß auch nur eine mittelmäßige Ernte in Aussicht gestellt werden könnte. In dem größten Theile des Kreises Dneprow ist an eine Ernte überhaupt nicht zu denken und in den Kreisen Werchne— dneprowsk, Slawänoserbsk, Alexandrowsk, Melitopol, Berdi⸗ ansk, Perekop, Feodosia und Cherson sind die Wintersaaten schlecht und an eine Heuernte kann ebenfalls nicht gedacht werden, wenn auch der Regen den Graswuchs sördert und wenigstens dem Vieh jetzt genügend Nahrung geboten wird. Im Distrikt Waiwara wurde außerdem am 10. Juni stellenweise viel Roggen durch Hagelschlag vernichtet. Die Sommer— saaten dagegen gewähren jetzt Aussicht auf eine mittelmäßige Ernte, wenn es gelingt, das überall auftretende Ungeziefer Zieselmäuse und Käfer) in Schranken zu halten. In den Fruchtgärten der Umgegend von Karasubasan haben der Apfelblüthenstecher (Anthonomus pomorum) und der Birn— knospenstecher (nthonomus piri) den Aepfel-⸗ und Birnbäumen großen Schaden zugefügt. Diesen schlechten Aussichten gegen⸗ über melden Rostow am Don und Reval im Allgemeinen gute Ernteaussichten, wie man auch in Finland eine gute Mittel⸗ ernte erwartet.

In Warschau wurden Ende Juni folgende Preise bezahlt:

r. Gir. Weizen hoch fein pro Pud 1,68 1572 Rbl. 16 15 Gttz 6 hoch hunt = 1,56 1,60 l5, 23 15,52 , ö; n 1,35— 1,40 13,18 - 13,657 Roggen inländisch O91 0,94 S S7 - 9, 16 ruffisch 6587 090 s. 18 877 Gerste, Brau⸗ O0, 65— 0, 75 6,34 7,31 . : O. 85 O, 95 8, 29 9.25 rbsen, Koch⸗ O, 9090 0, 96 8,77 9,35 Buchweizen O, I5 O, S5 7, 31 - 8,29 Rapps und Rübsen 8, 75— 9,00 S3, 21 - 87.75 Klee roth 5600 –- 1096 75 HH = 97 5 weiß 6,00 - 9.090 58, 50 87, 75 III. Ungarn.

Der Weizen verspricht im Allgemeinen eine gute, in den südlichen Komitaten sogar eine vorzügliche Ernte, während Roggen weniger günstige Aussichten bietet, auch haben stellen⸗ 3 Brand und Rost einigen Schaden verursacht. Das Sommergetreide steht gleichfalls gut, in den Komitaten Arod, Bihar, Csanäd und Jazygien⸗Groß⸗Kumdnien⸗Szolnok sogar sehr gut, und die Hackfrüchte, besonders Mais, versprechen de, , eine gute Ernte. Dagegen ist Raps mit wenigen lusnahmen hinter einer Mittelernte zurückgeblieben und auch die Futterkräuter geben nur eine schwache Ernte. Mit Aus⸗ nahme einiger Komitate Siebenbürgens, welche durch Kälte litten, gewähren die Weingärten sehr gute Aussichten.

II. Türkei.

In den Vilayets Aidin, Konia und Angora und auf den türkischen Inseln des Archipels ist die Ernte besser als in den 3 103 Jahren, indem dieselbe nicht nur durch günstiges Wetter befördert wurde, sondern auch die in den letzten 5 Jahren immer zunehmende Heuschreckenplage in diesem Jahre voll⸗ ständig ausllieb. Die Qualität der geernteten Gerste ist gut und der Ertrag sehr ergiebig, so daß die Preise sür diese Frucht von 28 auf 22 Piaster Kupfergeld, etwa 2,15 0 für ein Kila von 161, Okken oder 21 kg gefallen sind. Ebenso reich war die Einte des Weizens, des Mais, der Mohn⸗ flanzungen, der übrigen Oelsaaten und der Baumwoll⸗ aaten. Auch der Wein, die Feigenbäume, Melonen und Ge⸗ müsegärten versprechen sehr ergiebigen Ertrag. Die Weinlese sindet im Juli und August statt und im letztgenannten Monat auch die Feigenernte, und da das Trocknen der Früchte gleich unter freiem Himmel vorgenommen wird und jeder Regen dann schädlich ist, so hängt die Qualität der für die Ausfuhr bestimmten Rosinen und Feigen, welche in großen Mengen von dort nach Deutschland versandt werden, von der dort jetzt herrschenden Witterung ab.

V. Schweden⸗Norwegen. In Norwegen waren die Ernteaussichten bis Anfang 364 sehr gute, worauf kältere, bis zum Frost 2 emperatur befonders Hafer und Kartoffeln Schaden zufügte. Die dann Ende Juni eintretende große Hitze ohne Regen war der Entwickelung ebenfalls ungünstig, so daß mit Aug—⸗ nahme der sehr 8 Heuernte die Aussichten nur mittel⸗ mäßige waren. anhaltendem Regen besserten sich die⸗ selben wieder, so daß die letzten Nachrichten wieder Hoffnung auf eine gute Ernte auesprechen. Die Preise für landwirthschaftliche Produkte waren im Juni folgende:

II I III III II I II I I III II

i Christiania.

Rosgenttt pro 1099 kg 12.50 - 14.00 Kr.

Gerste, zweizeilige . sechszeilige

Hafer

Kartoffeln

Roggen pro 100 Gerste 3 Hafer Kartoffeln Heu

1 I III I III

2) kg

343-9 68 721 867

3 33-3. 8 666

e 3, 33 3, 88

VL. England. Berichte aus England melden, daß im Juni kalte Winde und häufige Niederschläge, welche mehrere Wochen fast ununterbrochen fortdauerten, die sehr günstigen Aussichten merklich bedrohten. Da jedoch Ende Juni, Anfang Juli eine günstige Wendung eintrat, so erholten sich die Saaten all⸗ mählich und stehen jetzt kräftig und üppig. Die Heuernte ist verschieden; während einige Distrikte sich äußerst günstig über dieselbe aussprechen, können andere nicht viel Rühmliches darüber berichten.

Bezahlt wurden Anfangs Juli: I Birmingham. 45— 46 s. 10,12 10,35 M pro Ctr. 26—27 6, 7 79, ö. Safer . 33—- 34. , Kartoffeln, Tonne 50-70 , 51 O0- 71,40 . , Tonne

2) Cork.

Kartoffeln alt pro Tonne 6 F 122,40 S pro Tonne

244, 80

ö neu, ö 12 ö ö Butter Ia. Ctr. 106 sh. 2, 12 Kilogr. 1,98 ö ö.

r IIa. n * 99 IIIa. 1, S6 ö .

II II

l I III

Weizen pro Quarter Gerste .

III

VII. Frankreich. Trotz der mehrwöchenklichen sehr naßkalten Witterung werden die Aussichten im Südwesten Frankreichs, soweit sie Getreide betreffen, als sehr günstige bezeichnet, dagegen sind die Aussichten zur Weinernte auch in diesem Jahre sehr kümmerliche, und glaubt man nicht mehr, als im vergangenen Jahre, in dem das geerntete Quantum kaum den achten Theil eines Durchschnittsertrages erreichte, zu ernten. Die ser Erntegus⸗ fall ist eine Folge des während der Blüthe herrschenden feuchten Wetters und der immer mehr um sich greifenden Verheerungen der Reblaus, welchen Kalamitäten sich außerdem noch in auf⸗ fallendem Maße die sogenannte „maladie noire“ oder „antrach- nose“ zugesellt. Diese Krankheit macht sich zunächst durch schwarze Flecken auf den Zweigen des Weinstocks bemerkbar, worauf in sehr kurzer Zeit die jungen Traubenansätze plötzlich absterben. Der Preis für Weizen war im Juni in Bordeaux 23 24 Fr. pro 860 kg gleich 11,50 12,00 e pro Ctr.

1 I I II

Ernteaussichten deutscher nichtpreußischer Staaten.

In den beiden Großherzogthümern Mecklenburg⸗Schwerin und Mecklenburg⸗-Strelitz sind die Aussichten für die dies⸗ jährige Ernte sehr günstig und verspricht inan sich namentlich vom Wintergetreide, Weizen und Roggen, reiche Erträge. Ebenso entwickelte sich das Sommergetreide, Hafer, Gerste,

Sommerroggen und Buchweizen, recht gut, da Niederschläge

im Juni die nachtheilige Dürre des Maimonats vollständig ausglichen. Erbsen, durch die Trockenheit etwas zurück⸗ geblieben, sind befriedigend und Rüben und Kartoffeln sehr gut, während der Raps nur ein mittelmäßiges Resultat ergab. Klee ist in Folge der vorjähri⸗ gen Fröste und der Dürre im Frühling zurück⸗ geblieben und hat beim ersten Schnitt nur einen mittelmäßigen Ertrag gegeben, während die Heuernte, besonders auf feuchten und auf Rieselwiesen, besser war.

Im Großherzogthum Hessen erwartet man eine vorzüg⸗ liche Ernte, indem sämmtliche Getreidearten schöner als seit langen Jahren stehen. Nur die Obsternte wird nahezu gänz⸗ h. . während die Weinberge recht guten Ertrag ver⸗ prechen.

Am 7. d. Mts. ist der um 5,20 Nachmittags von Ober⸗ hausen nach Holland abgelassene Eilzug zwischen Ober⸗ hausen und Wesel in Folge eines Radreisenbruches entgleist, wobei mehrere Personen leicht verletzt wurden. Die Strecke war am folgenden Morgen bereits wieder fahrbar.

In den Tagen vom 15.—17. d. M. findet in Schwerin die all⸗ gemeine lutherische Konferenz statt. Nach einer Vorversamm⸗ lung am Dienstag Nachmittag und einer gegenseitigen Begrüßung am Abend folgt am Mittwoch Morgen ein Gottesdienst in der Domkirche, bei welchem Pastor Büttner aus Hannover die Predigt hält. Vormittags 104 Uhr beginnt unter dem Vorsitze des Ober -Kirchenraths Dr. Kliefoth die allgemeine öffentliche Versammlung in der St. Nicolaitirche. Zunächst , der theologischen Fakultäten und ihrer Mitglieder zur Kirche und die Eee daraus erwachsenden Aufgaben. Daran schließt sich eine Besprechung über die Organisation der gemeinsamen Arbeiten der lutherischen Kirche (firchliche Versorgung der Auswanderer, die luthe— rische Diaspora u. pen bei der Kirchen ⸗Rath Dr. Ruperti aus Eutin und Haupt⸗Pastor Kreusler aus Hamburg als Referenten fungiren. Nachmittags 6 Uhr hält Superintendent Polstorff aus Güstrow in der Aula des Gymnasiums eine Sitzung in Sachen des Gotteskasten', dessen Delegirten sich am Donnerstag Vormittags unter Leitung des genannten Geistlichen zu einer Sitzung vereinigen. Gleichzeitig sind noch folgende Spenialkonferenzen auf das Programm

esetzt: 1) Zur Heidenmission unter Leitung des Missionsdirekters Dr. 3 eland eig. 2) Zur inneren Mission unter Leitung des Grafen

zitzthum aus Dresden. I) Wegen Kirchengesang und der Kirchen gesangsvereine unter Leitung des Pastors Postler aus Melkhof. ) Berathung der in der ersten Hauptversammlung zu erwählenden

ommission für Organisation der kirchlichen Arbeit. Um 101 Uhr Morgens wird alsdann wieder eine allgemeine öffentliche Versamm⸗ lung in der St. Nicolaikirche ihren Anfang nehmen. Die Tages. ordnung derselben lautet: a. die Gymnasial off d. h. über das Verhältniß der gegenwärtigen Art der Gymnasia bildung zum Stu⸗ dium der Theologie (Referent: Dr. Schnedermann aus Leipzig). b. Herstellung eines allgemeinen Gebetbuches , Pastor Kittan aus pe in Sachsen. Aue eg 3 Uhr ist Vesper ˖ gottegdienst in der St. Paulskirche. Paster Köhler ⸗Schwerin hält eine Ansprache. Schließlich ist noch zu erwähnen, daß am 16. August, Abends 71 Uhr, der Schloßchor unter Leitung des Musikdirektors Kade sich hören lassen wird, und zwar sollen hervorragende Meister⸗ werke aus alter und neuer Zeit, u. A. von Seb. Bach, Haupt⸗ mann, Reißiger, Mendelssohn, Nils Gade, zum Vortrag kommen.

Krolls Theater. n singt Dr. Emil Krauß aus Ham⸗ burg den Rigoletto'. Als „Gilda“ tritt an diesem d zum ersten Male Frl. Kauer auf; den Herzog giebt Hr. Dberländer.