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Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 4 Oltober. (W. T B.) Der Kronprinz Rudolf und Prinz Leopold von Bayern sind heute nach Eisenerz abgereist, um an den dort vom Kaiser und dessen Gästen, dem König von Sachsen und dem Prinzen Wilhelm von Preußen abzuhaltenden Hochwildjagden theilzunehmen.
Prag, 3. Oktober. (W. T. B.) Der Landtag berieth heute die Virilstimmenvorlage. Der Berichterstatter Schar⸗ schmid empfahl die unveränderte Annahme. Professor Czyhlarz sprach ebenfalls für die Vorlage, weil die Rechts⸗ kontinuität der deutschen Universität unangetastet bleibe. Pro⸗ fessor Kvicala bezeichnete das neuerliche emphatische Betonen des Gegensatzes für überflüssig; seine Partei werde man nicht überzeugen. Indem er zur Abwehr schreite, könne man ihm nicht Friedensstörung vorwerfen. Eduard Gregr wies auf Grund der Geschichte nach, daß die Universi— tät keine deutsche sein könnte und kritisirte sodann den Prü— fungserlaß der Regierung. Czyhlarz verwahrte sich gegen den Vorwurf der Friedensstörung und wies darauf hin, daß die deutschen Abgeordneten zahlreich erschienen seien, obwohl es sich nicht um ein deutsches Interesse handele. Nach einer sehr versöhnlichen beifällig aufgenommenen Schlußrede des Bericht⸗ erstatters Scharschmid wurde die Vorlage einstimmig ange—⸗ nommen.
Preßburg, 4. Oktober. (W. T. B.) Ein Erlaß des Minister⸗Präsidenten Tisza verhängt das Standrecht auf einen Monat über das Preßburger Komitat und ernennt den Obergespan Esterhazy zum außerordentlichen Re⸗ gierungs⸗Kommissar für das ganze Preßburger Komitat.
Großbritannien und Irland. London, 2. Okto⸗ ber. (Allg. Corr) Großbritanniens Staatsein⸗ künfte in dem am 30. v. M. beendeten zweiten Quartal des laufenden Finanzjahres betrugen 18 360 270 Pfd. Sterl. oder 226 200 Pfd. Sterl. mehr als in dem entsprechenden Quartal des vorhergehenden Jahres. Die Einkünfte in den ersten sechs Monaten des laufenden Fiskaljahres ergeben einen Mehrertrag von 443 988 Pfd. Sterl., an welchem in , Weise die Einnahmen aus den Stempelgefäl— en, der Gebäudesteuer, den Zöllen, des Postamtes, und die unter der Rubrik „Verschiedenes“ einbegriffenen Einnahmen betheiligt sind. Die Bodensteuer und der Telegraphendienst lieferten ebenfalls eine Mehreinnahme, wogegen die Getränke⸗ steuer, die Vermögens- und Einkommensteuer mit einer nicht unbeträchtlichen Abnahme figuriren.
In der Sonnabendsitzung des Dubliner Kommissione⸗ gerichts brachte Richter Lawson die Angelegenheit des am 16. August wegen Mißachtung des Gerichtshofes zu drei Mo— naten Gefängniß und Zahlung einer Geldbuße von 500 Pfd. Sterl. verurtheilten Abgeordneten und Obersherifs ron Dublin, Mr. Gray, zur Sprache. Er bemerkte, daß während der sechs Wochen, welche Gray in der Haft zugebracht, die Angriffe gegen den Gerichtshof anfgehört hätten und in dem Ton der Presse, namentlich in dem des (von Gray heraus— gegebenen) „Freemans Journal“, eine beträchtliche VBendung zum Besseren eingetreten wäre. Die Prozesse der Kommission seien alle erledigt worden, und das Vorgehen der Gerichtsbehörde hätte die Wirkung gehabt, zu verhindern, daß dem Lause der Gerechtigkeit Einhalt gethan werde In An— betracht aller dieser Umstände und der Mr. Gray in seiner Stellung als Großsherif obliegenden Pflichten fühle er sich
ere ilfe fin Begen üInttichtunỹ der hn in flrlch en des⸗⸗ buße von 5090 Pfd. Sterl. die Freiheit wiederzugeben. Gray
zahlte Nachmittags die 500 Pfd. Sterl. und wurde unverzüg— lich aus der Hast entlassen. 9
Irland wurde gestern von einem heftigen Sturme
heimgesucht, der im Binnenlande wie an der Kuͤste bedenten— den Schaden anrichtete. Hier und da sind auch Menschen verunglückt.
— 4. Oktober. (W. T. B.) Der Premier Gladstone kehrte gestern von Penmaen⸗Mawr (Nordwales) nach Ha⸗ varden zurück und erwiderte auf eine ihm auf dem Bahn— hofe von Penmaen⸗Mawr überreichte Adresse mit Worten warmer Anerkennung für die Haltung der englischen Ossiziere und Soldaten in Egypten. Er würde nicht von einem Triumphe sprechen, wenn die Sache, für welche die englischen Soldaten sich schlügen, keine gerechtfertigte wäre. Kein Land könne aber unter einer militärischen Tyrannei des Wohl— standes genießen, und diese militärische Tyrannei sei es, die die englische Armee umgestürzt habe. Ec hoffe, daß Egypten, die große Pforte für den ganzen Orient, bald wieder zu Glück und Wohlstand gelange.
Frankreich. Karis, 2. Oktober. (45ln. Ztg.) Morgen er— solgt im El ysce die Ueberreichung des Baretts an den päpstlichen Nuntius Czacki, der in der nächsten Woche nach Italien abreist. — Die Brazzaschen-Verträge mit den Neger ö am Congo werden jetzt in den Bureaux der
linisterien des Auswärtigen und der Marine geprüft; das Ergebniß dieser Untersuchung wird der Verathung des Ministerconseils zur Unterlage dienen, die der Vorlage der Sache in den gammern vorausgehen soll.
— 3. Oktober. (W. T. B.) Der Kriegs⸗Minister Billot hat heute ein Schreiben an den Jenerai Chanz Sy gerichtet, in welchem er denselben im Namen des Präsidenten Greyy zu dem Ausfall der Manöver des 98. Armee⸗Corpg, beglücwünscht und sich namentlich über den Eiser und die Intelligenz der Divisions Generäle aurion und Berge bei der Aussührung der ministeriellen nstrultionen lobend ausspricht. Die anderweitig verbreitete
lachricht von der Abberufung des Generals Berge ist somit unbegründet.
Türkei. Konstantinopel, 3. Oktober. (W. T. B) Ter Zwischenfall mit den auf dem Dampfer „Odessa“ aus Egypten jurückgekehrten Arbeitern hat im Sinne
des von der Pforte vorgeschlagenen Kompromssses seine Erledigung gefunden.
Montenegro. Cettinje, 26. September. (Pol. Corr) Neben den Stammen der Grudi und Hotti nahmen nach amt— lichen, aus Podgoritza einge lausenen Meldungen auch die Ma— lissori eine feindselige Stellung der montenegrinischen Gren z⸗ be völkerung gegenüber ein. Es vergeht sast keine Nacht, in der die diesseitigen Grenzwächter nicht durch von albanesi— scher Seite abgegebene Schüsse beunruhigt würden. Auf der 7 en Linie von der Kakaritzla Gora bis zum Tzemower
olje knattern die Gewehre, und der Zustand, welcher sich in kiesem Winkel entwickelt, kann micht anders als ein halbkriegerischer genannt werden. Es wird bier beson— ders über den Umstand geklagt, daß die auf den Po—
sitionen von Schiptschanik disponirten türkischen Nizams keine Miene machen, die aufrührerischen Albanesen in die Schranken der Ordnung zurückzuweisen. Die diesen albanesischen Be⸗ lästigungen am meisten ausgesetzten Stämme der Kuci und Piperi verspüren nicht übel Lust, nach althergebrachtem Brauche den Grudi, Hotti und Malissori heimzuleuchten, und schon ward ein „Rachezug“ nach Dinosch und Pikalje geplant. Die Albanesen, die Lunte rochen, brachten all ihr bewegliches Hab und Gut von diesen Wohnsitzen nach Tuse, während in Dinosch und Pikalje Vedetten ausgestellt wurden. Indessen ist es ge⸗ lungen, die Kuci als auch die Piperi bisher von der Aus⸗ führung ihrer Absicht zurückzuhalten. Die Fürstliche Regierung hat an die Grenzkapitäne und Serdare die strengsten Wei⸗ sungen ertheilt, daß die Grenzbevölkerung mit den ener— gischesten Mitteln zur Ruhe verhalten werde.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 3. Oktober. (W. T. B.) Das „Journal de St. Pétersbourg“ be⸗ merkt zu den von verschiedenen auswärtigen Blättern gebrach⸗ ten Artikeln betreffs der Kilia⸗Mündung: es scheine, daß mehrere Mitglieder von dem Exckutiv⸗Comits der euro⸗ päischen Do naukommission die Pretention erhoben haben, die Messungen der russischen Ingenieure an der Kilia⸗Mün⸗ dung müßten unter der Direktion des Comitss gefchehen. Dieses Verlangen sei durchaus zu bestreiten, denn die europäische Kommission und ihr Comits seien eingesetzt worden, um die Schiffahrt auf der unteren Donau bis zum Meere zu sichern. Das sei geschehen durch die Arbeiten in der Sulina-⸗Mündung. Die Kilia-Mündung sei bis jetzt außer⸗ halb des Wirkungskreises der europäischen Kommission ge— blieben, und man sehe nicht ein, weshalb die Kom⸗ mission sich jetzt mit ihr beschästige, wo sie in rus⸗ sischem Besitze sei. Von Hindernissen für die freie Be⸗ wegung könne keine Rede sein, da diese ja so wie so durch die Sulina-Mündung ermöglicht sei. — Anknüpfend an eine Aeußerung der auswärtigen Presse über die Zoll⸗ politik Rußlands bemerkt das Journal: was man in Berlin Retorsionszölle nenne, habe in Rußland nie Geltung gehabt; die russischen Tarife seien aus fiskalischen oder industriellen Gründen erhöht worden, aber niemals in Folge von Erhöhungen Seitens der Nachbarländer.
Dem Grafen Baranoff ist anläßlich seines 50 jährigen . der Andreas-Orden mit Brillanten verliehen worden.
— 4. Oktober. (W. T. B.) Es ist vielleicht angemessen, darauf hinzuweisen, daß in der egyptischen Frage bisher zwischen den europäischen Regierungen auch nicht der geringste Mißton hervorgetreten ist. Es ist allgemein das volle Ver— trauen vorhanden, daß Gladstone seine Versprechungen durch⸗ aus loyal halten werde. Rußland hat in der egyptischen Frage keinerlei arrière pensée gehabt. Was Deutschland an— langt, so hat man hier anerkannt, daß dasselbe auch bei Be⸗ handlung dieser Frage sich um die Erhaltung des Friedens vielfach verdient gemacht hat. Jederzeit herrschte volles Ein⸗ verständniß zwischen hier und Berlin.
Der „Regierungs-⸗Anzeiger“ veröffentlicht einen Kaiserlichen Erlaß, durch welchen die zum Tode ver⸗ urtheilten politischen Verbrecher Nagorny und Jemsejeff zur Zwangsarbeit auf unbestimmte Zeit in den Bergwerken begnadigt werden. Gleichzeitig wird bei zwei anderen politischen Verbrechern die Zeit der ihnen zuerkannten Zwangs— ron nern ugrsetzt.
= ESt. Pet. Itg) Ueber die Explosion auf der Popowka „Nowgorod“ bringt der „Regierungs-Anzeiger“ solgenden amtlichen Bericht:
Am 17. September explodirten auf der gegenwärtig in Sewastopol ankernden Popowka „Nowgorod“ aus bisher noch nicht ermittelter Ursache in der Minenkammer zwei Minen, wobei gegen zwanzig Personen getödtet und verwundet wurden, darunter drei Offiziere. Sofort nach Empfang der Benachrichtigung über diesen Vorfall ordnete der Ober Kommandirende der Flolte und der Häfen des Schwarzen Meeres die Vornahme einer ÜUnterfuchung an. Zur Fest⸗ stellung der Ursache dieses Unglücksfalles und behufs strengẽr Unter suchung der Sache wurden nach Sewastopol unverzüglich abkomman—⸗ dirt: der Direktor der Kanzlei des Marine⸗Ministeriums Contre-“ Admiral Kasnakoff und der Gehülfe des Verwesers des Marine⸗ Mineurwesens, Kapitän 1. Ranges, Werchowski.
Süd⸗Amerika. (W. T. B.) Nach einer dem „New. Dork Herald“ zugegangenen Korrespondenz aus Lima, vom 13. September, war der Vize-Präsident von Peru Montero, in Arequipa eingetroffen, hatte das Ministerium gebildet und unterhandelte mit Bolivia wegen Fortsetzung des Krieges. Unter seinen Befehlen hatte der— selbe ewa 5009 Mann. In Bolivia war inzwischen Arie, ein Mitglied der Frieden partei, zum Präsidenten des Kon— gresses gewählt worden.
Zeitungèstimmen.
Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ widmet der zur Zeit in Moskau veranstalieten Ausstellung russischer Industrieerzeugnisse einen Artikel, dem wir folgende Stellen entnehmen:
... Die russische Tuchindustrie befindet sich gleichfalls, Dank den Schuß zöllen und den großen Lieserungen für die Armee, in starkem Aufschwunge. 463 Fabrlken in den rein russischen Gouvernemenss mit 22 210 Wekstühlen und 69 00) Arbeitern liesern für 585 Mill. Rubel jährlich Tuch. Außerdem bessnden sich in Polen 223 Fabrilen
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mit 7 Mill. Rubel Jahrcéprodukt, in Finland 10 Fabriken mit einem Grtrage von 342 009 Rhbl. Am staunengwerthesten ist der Einfluß des russischen Schutz zoll. svste: ng auf die Entwidelung der Zuckerindustrie gewesen, die in letzter Zeit eine reißend schnelle Ausdebnung gewonnen hat. Im Jabre 1825 eristirten in Rußland nur 7 kleine Jucerfabriken; die schnellere Ent⸗ wicklung der Industrie begann seil 1810. Gegenmwärtsg finden wir in 14 russischen und in 8 volnlschen Gouvernementg belegen 239 abriken, die 809 3509 Arbeiter beschäftigen, und die 13 Millionen zerkowetz Rüben verarbelten, aus denen sie 11 Millionen Pud —— gewinnen. Seit 1876 ist mehrfach Zucker aus Rußland nach uropa bei günstigen Konjunkturen erportirt worden, wie schon früher und in großer Ausdehnung nach Persien.
Ein ferner durch staalliche Fürsorge und ein stelses jweckbewußtes Schutz zoll system erstarkter Industriesreig ist die Maschinenindustrie ei dieser letzteren a . galt als ausgesprochenes Ziel der wirth⸗ schaftlichen Maßregeln, Rußland vom Auslande gänzlich unabhãngig nu = m und beute muß dieses Zil als nabezu erreicht bejeichne
erden.
Die russische Maschinenindustrie begann selt dem Krimkriege, um sedann erst in den JJer Jabren, Dank andauernder Ünterstüßung Seiter s der Regierung und der Erbẽbung der Schutz oͤlle, einen grö⸗ ßeren Aufschwung zu nehmen. — So wurden in den 31 1844 big 1864 in Rußland 20 Lokomotiven gebaut, dann big um Jahre 1865
gar keine, dagegen wurden im letztgenannten Jahre 1009 Lokomo⸗ tiven im Auslande bestellt. Hierauf aber wurden von 1869 — 1880 1963 Lokomotiven in Rußland gebaut
Der Schluß des Artikels lautet:
Wir haben hiermit nur beispielsweise einige der hauptsächlichsten Industriezweige, die in Rußland vertreten sind, erwähnt und die Merkmale ihrer gegenwärtigen Entwickelungshöhe den deutschen be— theiligten Interessentenkreisen zur Beachtung zu empfehlen gesucht. Der hierbei betheiligten Interessentenkreise giebt es aber in Deutsch⸗ land sehr zahlreiche und ausgedebnte; sie umfassen nicht etwa blos diejenigen Produzenten, Industriellen, Fabrikanten und Exporteure, die durch die erst neuerdinds wieder erhöhten Schutzzölle Rußlands mit einem allmählichen gänzlichen Aufhören des bisherigen Absatzes ihrer Waaren nach Rußland bedroht werden. Das Interesse an diesen Erscheinungen geht viel weiter. es umfaßt die gesammte deutsche Volkswirthschaft. Gerade von freihändlerischer Seite hat man so häufig die drohend ausgesprochene Weissagung zu hören be— kommen, daß, wenn wir durch Schutzzölle den ausländischen Erzeug— nissen den Weg auf unsere Märkte versperren, das Ausland seinerseits nicht mehr im Stande sein würde, unsere Waaren zu kaufen, da es dieselben ja nur mit seinen Waaren bezahlen könnte. An diese selben Herren kö glauben wir uns daher jetzt mit der Frage wen— den zu können. womit denn die deutsche Volkswirthschaft auf die Länge die in Masse zu uns strömenden russischen Rohprodukte, Ge— treide insbesondere, dann Flachs und Holz bezahlen soll, wenn Ruß⸗ land fortfährt, durch Schutzzölle, die fast mit jedem Jahreswechsel und noch einige Mal außer der Reihe gesteigert werden, den Eingang sämmtlichen deutschen Industrieerzeugnissen über seine Grenzen systematisch zu versperren. Nach der freihändlerischen Doktrin, die für die ganze Welt fertige Schablonen hat, sollte Deutschland in wirthschaftlicher Beziehung zu Rußland etwa die Stellung einer Stadt gegenüber dem flachen Lande einnehmen. Das Letztere lieferte die Bodenerzeugnisse an die Stadt, um dafür von derselben die Erzeugnisse einer hochentwickelten und weit über das eigene Konsumbedürfniß hinaus produzirenden Industrie im Austausch zu empfangen. Was aber dann, wenn die böse Welt sich nicht mehr unter diese Schablone der schönen Harmonie der In— teressen fügen will, wenn das flache Land zwar fortfährt, das In— dustrieland mit seinen Getreideüberschüssen zu überschwemmen und unsere Landwirthschaft bedrängt und zum Aufgeben ihrer Thätigkeit zwingt, seinerseits sich aber weigert, die Industrieerzeugnisse dieses Käufers seiner Bodenprodukte im Austausch als Bezahlung zu nehmen, weil es seinen Bedarf an diesen Waaren durch eigene Haus⸗ industrie selbst zu befriedigen gedenkt. Sollen wir da, nachdem wir unsere Arbeitskräfte von dem landwirthschaft— lichen Betriebe durch die übergroße Konkurrenz des Imports haben verdrängen lassen, dieselben jetzt auch durch die Absperrung des Industrieexports wiederum brodlos werden lassen?
Die deutsche Industrie wird, so glauben wir, die Unge— rechtigkeit und die Unmöglichkeit des Fortbestandes dieses einseitigen Handelsverkehrs wohl einzusehen geneigt sein und wird gern denjenigen Maßnahmen ihre Zustimmung geben, welche darauf abzielen könnten, in gerechter Nothwehr diejeni⸗ gen Produktionszweige, die jetzt vom Importe russischer Rohprodukte hart bedrängt werden, zu schützen und dadurch den Arbeitskfäften . wenigstens auf diesen Gebieten einen gesicherten Erwerb zu schaffen.
— Der „Hamburgische Correspondent“, welcher sich lebhast für die Innungsfrage interessirt, schreibt in einem Artikel über die Zwangsinnungen:
Das geeignetste und allein geeignete Mittel zur Klarlegung und eventuellen Förderung dieser eminent wichtigen Sache wird von den Anhängern der obligatorischen Innungen trotz alles darauf verwendeten Eifers bedauerlicher Weise nicht angewendet. Dem gesammten Streit würde wahrscheinlich ein Ende gemacht werden können, wenn die Herren mit einem wohlausgearbeiteten Normalstatut für die Zwangsinnung der Zukunft vor die Oeffentlichkeit treten und in demselben deutlich und genau sagen wollten, wie sie sich die Stellung der Großindustrie innerhalb der obligatorischen Innung denken. Daß es in der Absicht liegen sollte, die Großindustrie überall da ganz zu verbieten, wo sie mit dein Kleingewerbe in Konkurtenz tritt, oder großindustriellen Autoritäten (ö. B. Krupp in Essen oder Hartmann in Chemnitz), die als Maschinenfabrikanten, Erfinder u. s. w. eine europälsche Stellung einnehmen, das Ablegen von Prüfungen in der Schlosser— aden Schmiedekunst zuzumuthen und denselben für den Fall der Weigerung das Halten von Gesellen oder Lehr— lingen zu verbieten — das kann von praktischen Politikern doch nicht angenommen werden. Gegen Unterstellurgen solcher Art würden sich die Herren von Rauchhaupt und von Kleist sicher ebenso nachdrücklich verwahren, wie die gebildete ren und einsichtigeren Handwerkerführer. Aber wenn das nicht beabsichtigt wird — wie will man den Innungs⸗ zwang dann noch verwirklichen und die den Wählern gegebenen Ver— sprechungen wahr machen? Mit allgemeinen Redensarten von Förde⸗ rung des korporativen Prinzips, Schutz des Mittelstandes, staatlicher Privilegirung derjenigen Leute, die ihre Leistungsfähigkeit ausge— wiesen haben u. s. w. ist in dem vorliegenden schwierigen Verhäst nisse leider nicht auszukommen. Soll den Faktoren der Gesetzgebung das Spstem der Zwangeinnung plausibel gemacht werden, so muß ganz genau und bis ins Einzelne angegeben werden, wie man sich die Sache denkt, — wo man dieselbe anzugreifen gedenkt, in welche recht— liche Form sie gebracht werden soll. Am zweckmäßigsten, einfachsten und wirksamsten würde das (wie oben gesagt) durch die Aufstellung eines Statutenentwurfs geschehen.
— Der „Schwäbische Merkur“ bespricht das in Verbindung mit einer Anzahl Gelehrter von Profsessor Dr. Schönberg in Tübingen kürzlich herausgegebene „Handbuch der politischen Oekonomie“. Ueber den Abfchnitt, welcher die indirelten Steuern behandelt, sagt das genannte Blatt u. A.: Die Vorzũ e der indirekten Steuern voll anerkennend, aber gegen ihre schwachen Seiten nicht bliad, präzisirt schließlich Schall die steuer. politische Tagesfrage dahin: . Also nicht direkte oder indirekte Besteuerung ist die Frage, sondern eine den jeweiligen finanziellen Bedarf genügende, gerechte und gleichmäßige Besteuerung durch direkte und indlrekte Steuern je innerhalb der durch allgemein volkswirthschaftliche und natürlicke Verhältnisse gesteckten Grenzen ist das Ziel, welchem ein rationelles Steuersystem zustreben muß.“ Man mird hienach dem Autor Recht geben, wenn er mit Hinweis darauf, daß die Zölle und Verbrauchesteuern in England S3 o/ , in Frankreich 5 o? in Deutschland 38 oy aller Staatgabgaben bei einer Steuerlast pro Kopf von bezw. 4027 , 52, 24 Æ und 185,14 M etragen, die Auf⸗ gaben einer Steuerreform für England und Frankreich mehr in der Ausbildung des direkten Steuerwesens, insbesondere der Einkommen—⸗ besteuerung. für Deutschland dagegen in der Weiterbildung der in— direkten Steuern sucht.
— Die „Sclesische Zeitung“ berichtet:
Nach den Seiteng des Landrathsamts des Kreiseg Landes hut er— folgten Erhebungen über den Stand der Industrie innerßalb des e Kreises zeigt sich durchgängig eine Besserung in den Ver⸗ ältnissen. Der sich allmählich vollzichende Aufschwung nimmt cinen normalen Verlauf, indem nach Ginführung des neuen Zolltarifs zunachst bei gleichbleibenden Löhnen die Arbeitsgelegenheit zunabm und jetzt, zum ersten Male seit zehn Jahren, auch die Arbeitelöhne sich ju. beben beginnen. Dle e,. tritt am Deut lichsten eim Kohlenbergbau hervor, aber auch in der Leinen dand⸗ weberei beginnt sie sich an cinzelnen Stellen bemerkbar zu machen, und wäre es nur zu wünschen, daß namentlich in der Handweberel allgemein eine beträchtliche Lohnerhöhung Platz griffe. In der all maligen Besserung in allen Branchen scheint eine Gewähr dafür zu liegen, daß dieselbe nicht durch eine Spekulation hervorgebracht, fon.
dern daß sie ein Anzeichen deg Gesundeng der wirthschastl ichen Ver ⸗ bäͤltnisse ist.
Amtsblatt des Reichs-Postamts. Nr. 61. — Inbalt: Verfügungen: vom 26. September 1882: Neue Ausgabe der Ab⸗ heilung J des Abschnitts V der Allgemeinen Dienstanweisung; vom 2 September 1882: Postdampfschiff verbindungen mit Danemark und Schweden.
Marinevererdnungsblatt. Nr. 18 — Inbalt: Straf⸗ register und Strafurtheile. — Verpflegungszuschuß. — Termin⸗ ralender. — Proviantlieferungskontrakte. — Zulagen. — Schifft⸗ artillerie Zeichnungen. — Personalveränderungen. — Benachrichti⸗
n. gung ee tral-Blatt der Abgaben-Gesetzgebung und Ver⸗ waltung in den Königlich preußischen Staaten. Nr. 20. — Inhalt: Anzeige der in der Gesetz Sammlung erschienenen Gesetze und Verordnungen. — J. Allgemeine Verwaltungsgegenstände: Angabe des Ge⸗ vichts der Geldbeutel und Geldrollen im Kassenverkehr, — Annahme von Depotscheinen der Reichsbank als Sicherheit für Zoll und Steuer⸗ kredite. — Veränderungen in dem Stande und in den Befugnissen der Zoll⸗ und Steuerstellen. — III. Indirekte Steuern; Ausführung des Befetzes über die Reichsstempelabgaben. — Statistischer Nachweis der Einfuhren an Getreide und der Ausfuhren von Mühlenfabrikaten. VI. Personalnachrichten.
Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 39. — Inhalt: Amtliches: Personalnachrichten. — Nichtamtliches: Bericht über den Gisenbahnun fall bei Hugstetten. — Autgrahungen in Troja. — Ueber Stadteifenbahnen (Schluß). — . Vermischtes: Die Konkurrenz für Entwürfe zum neuen Raihhaus in Wiesbaden,. — Konkurrenz um den Thurmbau auf dem Astenberge. — Leuchtthurm auf dem Rothen Sande in der Wesermündung. — Um- und Erweiterungsbau des Gymnafiums in Essen. — Brückeneinsturz. — Französische Eisen—⸗ bahnen. — Reglement für das Königlich italienische Civilgeniecorps. — Tiefwasserhafen für Dover. — Konkurrenz für das Denkmal des Kaisers Alexander II. in Moskau.
Stati ftische St ach richten.
Das Kaiserliche Statistische Amt veröffentlicht in dem soeben her⸗ ausgegebenen Augustheft zur Statistik des Deutschen Reichs Zusam⸗ menstellungen über die Schiffsunfälle an der deutschen Küste und die Verunglückungen deutscher Seeschiffe im Jahre 1881. Aus diesen Zusammenstellungen geht hexvor, daß das Jahr 1881 der Seeschiffahrt annähernd im gleichen Maße gefährlich und verlustbringend war, wie das Vorjahr, und daß diese beiden Jahre im Vergleich zu früheren Jahrgängen ganz besonders reich an schlim— men See-Ereignissen sich erwiesen. Die Zahl der amtlich bekannt gewordenen, an der deutschen Küste im Jahre 1881 vorge⸗ kommenen Schiffsunfälle betrug 236, von denen (bei 26 Kollisionen) 262 Schiffe betroffen wurden. Die Erhebungen für 1880 hatten ergeben 235 Un⸗ fälle und Ni betroffene Schiffe, wogegen nach den früheren Erhebun— gen auf die 7 Jahre 1873 bis 1879 nur 125 bezw. 139 durchschnitt— lich auf ein Jahr sich berechnen. Von den im Jahre 1851 an der deutschen Küste verunglückten 252 Schiffen, worunter 174 deutsche (i154 Segel und 20 Dampfschiffe) sich befanden, sind gestrandet 137, gekentert 9, gesunken 32, in Kollision gerathen 52 und 32 von sonsti⸗ gen Unfällen betroffen worden. Total verloren gingen 191 und theil⸗ weise beschädigt wurden 114 Schiffe, 41 blieben unbeschädigt und von 6 Schiffen ist der Ausgang des Unfalls unbekannt geblieben. Menschenleben sind, so weit bekannt, 89 in Folge der gedachten Un⸗ fälle verloren gegangen. Der Sturm in den Tagen vom 14. bis 16. Oktober 1881 hat allein 60 Schiffsunfälle, darunter 39 Total⸗ verluste, verursacht und 52 der an Bord gewesenen Personen das Leben gekostet. Von den deutschen Küstengebieten fordert dasjenige der Nordsee von der Schiffahrt erheblich mehr Opfer als das der Ostsee; auf ersteres kamen im Jahre 1881 119 Schiffsunfälle (57,8 der Gesammtjahl) und 76 Verluste an Menschenleben 85,4 0so .
; 86 Zahl der bis jetzt angezeigten auf das Jahr 1881 entfallen⸗ den Verünglückungen' (Totalverluste) deut scher Seeschiffe beträgt 225 mit einem Nettoraumgehalt von 48 602 Registertons. An Bord dieser Schiffe befanden sich 1562 Mann Besatzung und 31 Passagiere, von welchen 214 Mann der Besatzung und 11 Passagiere ihr Leben verloren. Von den gedachten Schiffen sind 121 gestrandet, 6 gekentert, 35 gesunken, 4 verbrannt, 39 in Folge schwerer Beschä— gungen und 3 durch Kollisionen zu Grunde gegangen, und 17 ver⸗ schollen; beladen waren 1894 mit einem Raumgehalt von 42739 Re⸗ gistertons, die übrigen in Ballast oder leer. Die größte Zahl der Verunglückungen fällt auf die Nordsee bezw. deren Kusten, wo 110 Schiffe verloren gingen, 46 Schiffe sind in der Ostsee, 39 auf dem atlantischen Ocean, 8 im englischen Kanal,? im stillen Ocean, 3 im indischen Deean, 4 zwischen Großbritannien und Irland, 2 zwischen den ostindischen Inseln und 2B an der Küste von Norwegen zu Grunde gegangen; in Bezug auf 4 Schiffe ist der Ort des Untergangs nicht genau ermittelt.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Das ‚Deutsche Familienblatt“ (Verlag von J. S. Schorer bierselbst) bat im dritten Jahre seines Bestehens einen Leser— kreis von über 70 (0) Abonnenten um sich zu sammeln ver— standen: ein gewiß seltener Erfolg, der mehr als eine besondere Empfehlung für die Gediegenheit dieser Zeitschrift sprechen dürfte. In den nächsten Quartalen wird das ‚Deutsche Familien ⸗ blatt“ folgende Romane und Novellen bringen: ‚Die Spiritisten“, Roman von Max Ring; „Josa, die Geschichte eines Kindes“, von Rich. Tellheim; „Abendroth‘, von A. Nuellens, und Der Heren— meister', von Heinrich Seidel, mit Illustrationen von A. Zick. Mit dem neuen Jaßre erscheinen u. A.: Ernst Eckstein, „Prusiase, ein Roman aus der römischen Geschichte; ferner „Zitta., ein Roman aus dem Schwarzwald. vom Verfasser der Mehalah.“ Auch die Schriftstellerin E. Werner bat einen Roman für das „Deutsche Familienblatt“ unter der Feder. Ferner erscheinen: Poetische Er ⸗ zählungen von Heinrich Kruse, „Der Geizhals“ von Wilhelm Jensen, »Am Abend“ von E.. O. Hopp, 36. An belehrenden und unter. haltenden Artikeln werden dle nächsten Nummern u. a. Folgendes bringen: Du Prel, „Studien über den Traum ; Brugsch Pascha, GEgvptens Bedeutung für den Weltverkebr‘; Dr. Platen, Reise⸗ schilderungen aus Bornegn ; Müller ⸗ Gauger, „Die Ahnen der Gauner; M. Eckardt, Das Museum Godeffroyn; Kapitän Schück. Sturm, Schiffbruch und Rettung, ꝛc. — Von den angekündigten Holzschnitten seien genannt: Das Begräbniß“' von Oebmichen, „Der Schriftgelehrte und seine Tochter“ von K. Gebbardt, eine Defregger Nummer mit dem großen Bilde Die bellige Familie, eine Mondscheinlandschaft von Ries, der Bot porus und das „Innere der Sophienmoscheen, nach Driginal⸗ aufnabmen, „Christian II.“ von A. Struij, „Die Gedächtnißseier“ von W. Genbß. „Der Besuch deg Kardinals im Klester! von Max Michael, „Herbststurm von O. Sinding. . Weibliche Anziehung.“ von Hans Pabf. Wustenräuber⸗ von Gd. Vernsnger, „Rebe im Winter von C. Kröner. — Man abonnirt auf das Deutsche Familienblatt in allen Buchhandlungen und Postämtern zum Peeise von 180 M viertel ⸗ jährlich,. oder auf den am 1. Oktober begonnenen Jahrgang der w säbrlik 26 Hefte zu 30 . Bei den Postämtern
ann man nur auf die Wochenausgabe abonniren. ö
— Das soeben erschienene Gentral⸗ Bureau für den Weltverkebr“ von Brasch X Rothenstein, Berlin W., Friedrich ⸗ Straße 758, für die Menate Oftober, November und Dezember d. J., enthält in ükersichtlich klarer Weise Informationen über den Reise⸗ verkehr mit allen trangatlantischen Ländern sowie ferner den Prospelt dieses für Information, Billetverkauf, Spedition u. s. w. in Betreff überseeischen Verkehrs bestimmten Bureaug.
München, 2. Oktober. Wie die N. N. melden, starb am 30. September iu Briren in Tirol der Maler, Professor und rene h nn der Akademie der bildenden Künste, Adolf Lier. Sein 2 Werk ziert zur Zeit noch die Qunsthalle der Landeßaug . stellung in Nürnberg es ist die in abendliche Dämmerung gebüllte Tberesienwiese mit Ter Rubmetballe und der Bavaria im Hintergrunde.
Dresden, 2. Oktober. Das amtliche Dresdner Journal“ meldet, daß dem Geheimen Archiv ⸗ Rath Dr. Paul Hass el in Ber⸗ lin die erledigte Stelle des Direktors des Haupt⸗Staatsarchios hier= selbst, unter Ernennung zum Geheimen Regierungs- Rath, übertragen und der zeitherige Direktorial-Assistent am Könialichen Antiquarium und Privatdozent der Archäologie an der Universität zu Berlin Dr. Georg Treu zum Professor der Kunstgeschichte und Mitglied des Akademischen Raths an der Königlichen Akademie der bildenden Künste hierselbst, zum ordentlichen Professor der Kunstgeschichte am Töniglichen Polytechnikum, sowie zum Direktor der Königlichen Antikensammlung und des Museums der Gipsabgüsse hierselbst er⸗ nannt worden ist.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Aus dem Großherzogthum Mecklenburg, 1. Oktober, meldet man der „Köln. Ztg.“: Bei dem fast ununterbrochen während des ganzen Monats September hier herrschenden wundervoll klaren Herbstwetter ist in den beiden Großherzogthümern Mecklenburg und den angrenzenden Theilen der preußischen Provinzen P0nmmern, Bran— denburg, Hannover und Schleswig⸗Holstein nicht allein die Ernte aller Getreidegattungen, sondern jetzt auch die Grummeternte der Wiesen und die Kartoffel-, Rüben⸗ und Wurzelernte glücklich beendet. Die Kartoffeln gaben einen ungleich reichern Ertrag, als man im August, wo die Fäulniß anzufangen begann, hier und da befürchtete, und die Preise ebenso wie die der Wurzeln, Rüben und des Heues und Strohes sinken fortwährend. Roggen, der, wie dies im August wohl häufig vorkam, nicht ganz trocken eingefahren ist., kann kaum noch verkauft werden und alles, mit Ausnahme des Obstes, ist in Ueberfluß vor⸗ handen. Da im vorigen Jahre bei der Mißernte, besonders an Futter, alle Landleute ihren Viehstapel, namentlich an Pferden und Rindvieh, möglichst zu verringern suchten, so kaufen sie jetzt zu den theuersten Preisen wieder Vieh, um den, Ueberfluß an Futter einigermaßen zu verwerthen. Junge zweijährige, Sterken wurden schon mit 30 —– 350 (S, bezahlt, bei der Ausrangirung der Kavallerie! und Artilleriepferde wurden einzelne ausrangirte Pferde mit 4 = 500 S verkauft, und die preußische Remontekom⸗ mission, welche jetzs ganz Mecklenburg bereist, muß für leichte Ka—⸗ vallerieremonten an 8 — HSh0 S. ausgeben. Auch Schweine, Kälber, Hammel, Gänse, kurz, alle Viehsorten haben jetzt übertri hen behe Preise und sind oft nicht zu bekommen, da alle Landwirthe nichts verkaufen, sondern wo möglich zukaufen wollen, um ihre Ställe an⸗ zufüllen und den Ueberfluß an Futter zu benutzen. Es herrscht hierin letzt gerade der schroffste Gegensatz zum vorigen Herbst, wo das Futter sehr kheuer und alles Vieh wohlfeil war.
München, 1. Oktober. (Allg. Ztg) Der heutige. Haupttag des Sktoberfestes war, was nach der bisher so ungünstigen Witte⸗ rung kaum noch zu hoffen war, vom Himmel sehr begünstigt; wir hatten einen sehr schönen Herbsttag. In Folge dessen hatte sich, obwohl man mußte, baß nichts Neues geboten wird, eine große Menschenmasse — man schätzte dieselbe auf mindestens 70 009 Personen — auf dem Fest: platz eingefunden, der denn auch einen im Ganzen großartigen Anblick darbot. Das Fest bestand gleich den Vorjahren aus einer von den sämmtlichen hiesigen Militär Musikeorps ausgeführten Musikproduk— tion, dem Umzug der Preisfahnenträger, Vorführung der preisgekrön⸗ ten Thiere, wobei der K. Staats⸗Minister des Innern, Freiherr von Feilitzsch, in Gegenwart des K. Regierungs ⸗Präsidenten Freiherrn von Pfeufer und der Mitglieder des Generalcomites des landwirth— schaftlichen Vereins, die Preise an die betreffenden Landwirthe ver— iheilte, dann dem Pferderennen, an welchem diesmal 11 Rennpferde theilnahmen. Der Münchener Rennverein zeigt uns zwar seit einer Reihe von Jahren durch seine Frühjahrsrennen, wie die Pferderennen eigentlich eingerichtet und veranstaltet werden müssen; es blieb dies aber bisher ohne den geringsten Einfluß auf das Oktoberfest-Rennen, das auch heute wieder ganz in der altherkömmlichen Weise abgehalten wurde, aber auch so zur nicht geringen Belustigung des weitaus größten Theils des Publikums beitrug. Morgen Vormittag beginnt auf dem Fesiplatze das von der K. Hauptschützengesellschaft veranstal⸗ tete Festschießen, zu welchem sich die Schützen vom Rathhause ab in festlichem Zuge begeben.
— 2. Oktober. Ein Haupttheil im Oktoberfest- Programm ist alljährlich das Schießen auf der Theresienwiese, zu welchem die Schützen in festlichem Aufmarsche ausziehen. So versammelten sich auch heute diefelben in großer Zahl im Rathhaussaale und begaben sich Schlag 10 Uhr in feierlichem Zuge mit ihren Gewehren unter Vorantragung der Preise und Fahnen sowie der Ehrengehänge der Hauptschützengesellschaft, von Musik begleitet, auf die Theresienwiese, wo alsbald das Festschießen eröffnet wurde. Der Zug, den eine über⸗ aus große Menge Volkes vom Rathhause ab begleitete, ging über den Marienplatz, durch die Kaufinger , Neuhauser⸗ und Schwanthaler - straße zur Festwiese.
Gewerbe und SGandel.
Vom Berliner Pfandbrief⸗Institut sind bis Ende September 1882 14 095 260 06 4 0 ige, 44 323 80) ιν 41½υ o/oige und 9181 500 M. 5 ige, zusammen 67 600 509 6 Pfandbriefe aus gegeben, wovon noch 15 908 900 6 40 ige, 37 093 890 66 41,a'soige und 7176 000 M Hostige, zusammen 58 178 700 4 Pfandbriefe ver⸗ zinslich sind. Es sind zugesichert, aber noch nicht abgehoben 16062090 S, im Laufe des Menats September 1882 angemeldet 2 Grundstücke mit einem Feuerversicherungswerth von 92 900
— Nach den statistischen Ermittelungen des Vereins deutscher Eisen« und Stahlindustrieller belief sich die Roheisenproduk« tion im Deutschen Reich (einschließlich Luxemburgs) im August 1882 auf A446 t, darunter 175 480 t Puddelrobeisen, 12412 t Spiegeleisen, 61 791 1 Bessemer und 19663 t Gießerei⸗ roheisen. Im August 1881 wurden 222 602 t Robeisen erzeugt. Vom 1. Januar bis 31. August 1882 betrug die Roheisenproduktion 15867 873 t gegen 1770 367 t im Vorjahre.
— Dem Geschäftsbericht der Görlitzer Maschinenbau—⸗ anstalt und Eisengießerei über das am 30. Juni er. beendete 10. Betriebe jahr der Gesellschast entnehmen wir Folgendes: Die dies malige Produktion an Maschinen ze. ist gegen das vorjährige Er⸗ gebniß um 101 815 kg geringer, während der Geldwerth des Umsatzes pro 1881/83 um 41783 60 gegen 1880/81 gestiegen ist. Die Ge⸗ sammtprodultion der Eisengießerei in fast durchgängig, feinem Maschinenguß betrug während des veiflossenen Geschäftsjabres Goh 721 kn gegen Szz2 478 kg im Vorjahre. Der im verflossenen Jahre erziele Ueberschuß beziffert sich auf 82 759 S, wovon a6 5687 M zu Abschreibungen verwendet und 30 0 für unvorher gesehene Ausfälle in Reserve gestellt worden sind. Von dem alsdann verbleibenden Reing⸗ winn von 31063 ½ fließen z1i06 M in den Reservefonds, auf Tantidmelonto entfallen Mö5 M und 22 125 werden als Dividende von 21 69 an die Aktionäre vertbeilt. Der Rest von 57 ist auf neue Rechnung vorgetragen worden
Königsberg i. Pr 4. Oktober. (W. T. B.) Die Be⸗ triebsgeinnahme der Ostpreußischen Südbahn pr. Serthr. 1882 betrug nach vorläufiger Feststellung: im Personenverkehr 93 405 M, im Güterverkehr 281 331 6, an Erxtraordinarien 120900 , zusammen 386 736 M; im Monat Septbr. 1881 definitiv 639 420. , mithin weniger gegen den entsprechenden Monat des Vor⸗ jabres 257 684 ; vom I. Januar bis ult. Seytbr. 1882 im Ganzen 3578 332 ½ gegen 2 01788 * im Jahre 1881, mithin mehr gegen den entsprechenden Zeitraum des Voriahres S7 544
Dortmund, 2. Oktober. (Ess. Zta) Im Eisengeschäft bält die günstige Stimmung der Vorwochen unverändert an und das Vertrauen auf eine Andauer der bessern Konjunktur wird bei der Stetigkeit des Verkehrs immer zuversichtliciher. Was die verschiedenen Branchen betrifft, so bat sich der Bedarf in Puddel ⸗Rebgisen so gesteigert, daß die betreffenden Hochöfen denselben nur mit Mäbe zu decken vermögen, obgleich im Laufe des Jabres verschiedene Oefen, die big dabin auf Gießereieisen gingen, auf Puddeleisen —— worden sind. Es ist daber ron mehreren Werken die Vergrößerung der Produktion von Puddelelsen in Aussicht genommen. Die Firma Carl von Born bat auf ibrer im Hiesigen Stadtbenrk ge⸗ legenen a , einen diitten Hochofen angelegt, der in kurzer Zeit dem Betriebe übergeben werden kann, und
auf dem hiesigen Hochofenwerk der Dortmunder Union ist kürzlich der Gießere i⸗
280-295 S½, do. do.
Verkehrs⸗Anstalten.
In einem Artikel über die Eisverhältnisse an den deut⸗ schen Küsten der Ost- und Nordsee, welchen die Annalen der Hydrographie und maitimen Meteorologie in ihrem Augustheft brachten, werden auch über den Hafen von Warnemünde nach Angaben des dortigen Lootsencommandeurs Jantzen schätzbare Mit⸗ theilungen gegeben. Aus denselben ergiebt sich, daß kein anderer deutscher Ostseehafen so wenige winterliche Unterbrechungen der Schiff⸗ fahrt gaufzuweisen hat wie der genannte Rostocker Hafenort. Die Eisbildung in Strom und See beginnt gewöhnlich in der zweiten Hälfte des Januar und erreicht schon gegen Ende des Monats Februar ihr Ende. Selten ist der Fluß ganz zugefroren und dann immer nur auf einige Tage, oft nur auf wenige Stunden, da das steigende Wasser die Eisdecke sprengt und die Strömung das Eis in wenigen Stunden aus dem Hafen in die See führt. Ein eigentlicher Cisgang findet nicht statt und es tritt daher keine Eis- stauung ein. Auch hat der Eisgang auf die Tiefenverhältnisse keinen Einfluß. Nach Ausweis der in den Jahren 157121851 geführten Journale ist der Hafen bis auf kurze Pausen im Winter 18765s77. 1879/80 und . für Dampfer stets und für Segelschiffe wenig kürzer zugänglich gewesen.
nn, mr 5. Oktober. (W. T. B) Der Dampfer des Rorddeutschen Lloyd . Rhein! ist hier eingetroffen.
Berlin, 4. Oktober 1882.
Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)
Bei der heute angefangenen Ziehung der 1. Klasse 167. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen:
1ẽ6Gewinn von 9000 s6 auf Nr. 53 233.
16ewinn von 3600 6 auf Nr. 21181.
4 Gewinne von 1500 6 auf Nr. 7017. 10723. 63 088. 70351.
3 Gewinne von 300 6 auf Nr. 731. S661. 21 531.
Am AV. September hielt der Verein für deutsches Kunst⸗ gewerbe seine erste Sitzung nach den Ferien. Nach Erledigung der geschäftlichen Mittheilunzen und Aufnahme nener Mitglieder hielt Pr. Dr. Pabst einen Vortrag; . Kunstgewerbliches aus Paris.. Redner schilderte in demselben auf Grund eigener Anschauung den derzeitigen Stand der Pariser Kunstindustrie. Dieselbe bewege sich fast aug—= schließlich in den Bahnen des Roccoco und leiste auf diesem Gebiete allerdings ganz Bedeutendes; nicht nur in den Zimmereinrichtungen, welche dort nicht wie bei uns von den Architekten, sondern fast aug schließlich von den Decorateuren besorgt würden, behaupte das Roccoco seine Herrschaft, sondern auch in den übrigen Fächern, zum Beisplel in der Metallindustrie In der = namentlrung sei das Nachahmen japanischer Muster allgemein. Bemerkenswerth sei die bedeutende Unterstüßung des Kunst⸗ gewerbes durch den Staat; . B. kaufe derselbe jährlich große Mengen von Kunstbronjen zur Dekorirung öffentlicher Gebäude und zu Geschenken. Ju gleichem Zweck arbelteten Staatginstitute, wie die Porjellanmanufaktur in Soeres und die Gobelinmanufaktur. Neben den staatlicihen Anstalten wirke die société des arts decoratifo, welche z. B. in diesem Jabre eine sebr reich ausgestattete Ausstellung für JZimmereinrichtung veranstaltet babe. — An den Vortrag knüpfte fich Line längere Diskussion über die Berechtigung des Noccgeostils im Kunst gewerbe. — Vorgelegt wurden durch den Baumeister Schäfer und Hrn. Rechnungg Rat Warnecke mehrere schöne Leinenstickerelen aus dem 16. und 17. Jabrbundert, von Om. Weiner eine seltene Seidenstickerei auf Papier, und von dem Baumeister Schäfer ver ⸗ swiedene auf Seide gedruckte Kupfersliche, wie solche bier in der Runsthandlung von Stiefbold zu baben sind.
Stolse' scher Stenogravben⸗ Verein, Hauvptversammlung Donnerstag., den 5. Dltober, Abende 8 Ubr, im Schloßrestaurant. Schloßfrelbeit 89. Tagegordnung: I) Vortrag des Herrn Bädler uber die Kurzschrift von Römberg. 2) Verein tan gelegenbeiten. Jeden Donnerstag, Abends 8 Uhr, im Vercinelolale Lescakend. Ga. 8 stenograr bische Jeitungen verschie dener Sprachen und Systeme 6 die neucssen stenograpbischen Litteraturerzeugnisse liegen ur freien Benutzung für Stenograpben aller Spsteme aug. Gäste sind will lommen.
Victoria Theater. Morgen, Donnerstag. findet die 1 Aufführung von Schillers . Verschwörung deg Fier con statt. m Freitag werden . Wallensteirs Lagern und Die Piccoleminl- jur uf -
sührung gelangen. —