1880 / 53 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 02 Mar 1880 18:00:01 GMT) scan diff

in Jahrhundert in eine Wüste verwandelt. Seien nicht , Trümmer am Neckar, am Rhein und tief ins Land hinein bleibende Denkmäler der einstigen Schwäche und des Uebermuths der Nachbarn Deutschlands gewesen? Wer möchte die Tage zurückrufen, wo auf das Machtgebot eines fremden Herrn deutsche Kontingente gegen Deutschland mar⸗ schirten? Wahre man bor Allem die Sicherheit und Ehre des Reiches, die lang ersehnte und endlich erreichte Einheit! Fahre man“ fort, Frieden zu halten, so lange es an Deutschland liege, den Frieden zu schützen auch nach außen, so weit die Krafte Deuͤtschlands reichten. Deutschland werde in diesem Streben vielleicht nicht allein stehen und Bundesgenossen sin= den. Darin liege eine Drohung für Niemand, wohl aber eine Bürgschast für, friedlich Zustände in Europa, voraus- gesetzun, daß Deutschland, starl und, gerüstet sei. Denn, mit shwachen Kräften, mit Armeen auf Kündigung lasse sich dieses Fiel nicht erreichen; nur in der eigenen Krast liege das Schicksal jeder Nation. Er halte die Vorlage der Regierun⸗ gen für gerechtfertigt, zeitgemäß und nothwendig!

Der Abg. Dr. Reichensperger (Olpe) konstätirte, daß die Worte des Grafen Moltke im Reichstage immer sympathisches Entgegenkommen fänden; das Centrum theile auch seine Grundanschauung, daß für die Sicherheit der Nation jedes nothwendige Opfer gebracht werden müsse. Aher es frage sich, wie weit die Leistungsfähigkeit der deutschen Nation reiche. Das alte Wort: „Der Müller habe nie Wasser, der Forst— mann nie Bäume genug,“ sei nach den Reden des Kriegs⸗ Ministers und des Grafen Moltke dahin zu erweitern: Der Militär habe nie Soldaten genug. Diejenige Zahl von Sol⸗ daten, die man im Verhältniß zur Bepölkerung haben müsse, damit Deutschland nicht wehrlos sei, habe man längst. Die deutsche Nation seufze schon lange unter dem Druck der per⸗ sönlichen und steuerlichen Lasten, die ihr aus den militärischen Leistungen erwüchsen. Eine Erleichterung von diesem Drucke sei dem Reichstage formell zugesagt worden. Bei Errichtung des Deutschen Reichs sei von allen Seiten und von allen Dächern die gute Botschaft verkündet worden: nun werde eine Befreiung von dem Drucke des Militär-Etats eintreten. Diese Versprechungen seien nicht erfüllt worden. Die Folgen dieses Ver⸗ fahrens seien schon im vorigen Jahre akut hervorgetreten. Sämmt⸗ liche Finanz-Minister hätten auf ihre wachsenden Defizits hin⸗ gewiesen. Dieselben hätten die Nothwendigkeit konstatirt, daß zu einer weiteren Ausbildung des indirekten Steuersystems zum Zwecke der Deckung jener Defizits geschritten werden müsse. Der Reichstag habe in Erkenntniß der absoluten Nothwendigkeit nicht blos den wirthschaftlichen Gesetzen zuge⸗ stimmt, sondern auch die Finanzzölle bewilligt, weil man ver⸗ traut hätte, daß die damals in Aussicht gestellten Kompensa⸗ tionen eintreten würden. Das Centrum habe im Bewußtsein der Lage der Dinge seine eigene Popularität preisgegeben. Betrachte man das Massenelend, das in so vielen Theilen des Deutschen Reichs hervortrete! Er sei der Meinung, daß, nach dieser Seite vor Allem, wenn man eine Verstärkung des Deutschen Reichs anstreben wolle, Hülfe geleistet werden müsse. Statt dessen trete man jetzt mit neuen Forderungen für den Militär-Etat an den Reichstag heran und weise zur Begrün⸗ dung auf die wachsende militärische Stärke des Auslandes hin! Seien aber nicht in der Thronrede die friedlichsten Ver⸗ sicherungen gegeben worden? Von Rußland habe Deutschland offenhar nichts zu fürchten, da es mit seinen inneren Ange⸗ legenheiten genug zu thun habe. Deutschland könne

allerdings bei Koalitionskriegen möglicherweise in schwie⸗ rige Lagen kommen. Dem gegenüber aher habe Deutschland Bundesgenossen, auf die es sich ver⸗

lassen könne. Der Reichskanzler habe nicht vergebens die Reise nach Wien gemacht, und den furor tentonscus werde jetzt Niemand ungestraft herausfordern. Hinter dieser Soli⸗ darität der Interessen Oesterreichs und Deutschlands ständen aber über 2 Millionen Bayonette, man könne also mit großer Befriedigung darauf hinsehen. Wo solle man aber das Geld zum Kriege hernehmen, wenn man in Deutschland dem Volks⸗ wohlstand immer wieder zur Ader lasse? Er erkenne das Bedürfniß zu dieser Vermehrung der Ausgaben nicht an. Wenn es Deutschland an Seconde-Lieutenants fehle, so wolle er gern die nöthigen Ausgaben dafür bewilligen; nur suche man dieselben nicht dadurch heranzuziehen, daß man immer neue Avancements schaffe. Die zweijährige Dienstzeit sei in Preußen von 1833 bis 1842 ohne Gefahr durchgeführt worden; namhafte Gene⸗ räle hätten sich für dieselbe erklärt. Wäre aber auch jetzt eine Vermehrung des Präsenzstandes nöthig, warum müsse man ihn dann gleich auf 7 Jahre bewilligen? Die Präsenzstärke sollte sich nach der jedesmaligen Finanzlage und dem Bedürf— niß richten. Die Heranziehung der Ersatzreserve zu Uebungen finde er ganz berechtigt; er könne es nicht begreifen, daß man sie bis jetzt habe frellafsen können. Ehenso halte er eine Steuer für die erwerbsfähigen vom Militär gänzlich befreiten Personen für gerecht, wenn nur das richtige Geld- und Zeit⸗ maß für Erhebung derselben gefunden werde. Wenn man aber die Erfatzreserve einziehe, so sei es besser, sie die Uehung auf, einmal abmachen zu lassen, als in 4 verschie denen Jahren, da jede Einziehung die Leute aus ihrer Stellung bringe. Die dentschen Schulen bedürften allerdings auch einer Ver⸗ besserüng zur Unterstützung des Militärweseng, aber nicht durch intellektuelle U szteffon, sondern durch körper⸗ iche Erziehung. Er habe sich immer in der Schweiz gefreut, wenn er die Schuljugend an freien Nachmittagen exerziren und schließen gesehen habe, weil dies ncht nur der Sicher⸗ heit des Landes, sondern auch ihrer Gesundheit diene. End—⸗ lich meine er, daß Deutschland seine Macht geltend machen P te, um eine allgemeine Abrüstung zu erzwingen. Ein zu iesem Zwecke unternommener Krieg wäre der gerechtfertigste, . dann fage er, lieber ein Ende mit Schrecken, als Schrecken hne Ende. Das System des europäischen politischen Gleich— , sei leider durch die Nationalitätsdoktrin und die re⸗ olutionärste aller Erfindungen, den lokalisirten Krieg, ver⸗ . worden. Der Staatsmann, der die Abrüstung in die a. nehme, werde sich den Dank aller Völker erwerben, und a würden alle zugreifen. Denn bei diesen Rüstungen werde ö. . * in Europa schließlich nur mit einer großen Armee 4 . zu thun haben. Er werde daher jede Vermeh⸗ . . er Ausgaben ablehnen der eigenen Stärke Deutschlands . denn ein im Frieden ausgeruhtes und in mäßigem ö. lstand gerathenes Volk werde im Kriege stärker sein, als n. Frieden ausgemergeltes.

gan in Abg. von Bennigsen erklärte sich im Namen der ö. . ,. Mehrzahl seiner politischen Freunde für r n klage. Die Einzelheiten derselben würden zweckmäßiger st Rommission zu prüfen sein; er beantrage daher in

Die Vorredner hätten sich aus politischen und militärischtech= nischen Gründen gegen die Vorlage erklärt; der Abg. . sperger habe hinzugefügt, das, was zur Sicherung des Landes absolut nothwendig sei, würde er nicht ablehnen, die gefor— derte Vermehrung der Wehrkraft schiene ihm aber nicht noth⸗ wendig. Der Abg. Richter habe gemeint, das Gefühl der Sicherheit, gestützt auf die große Wehrkraft Deutschlands, werde immer vorhanden sein und sich nach allen Seiten gel⸗ tend machen, gleichgültig, ob die Vorlage abgelehnt oder an— genommen werde. Er bedauere, daß nach seiner Auffassung das Ausland die , dieser Vorlage in ganz anderem Lichte betrachten würde. icht blos würde das Ausland in der Ablehnung einer Vorlage, die der größte Stratege Deutschlands für nothwendig erkläre, eine sehr bedenkliche politische Schwäche der Reichsregierung entdecken, auf diesem Gebiete, wo die Zustimmung der Nation am ersten erwartet werden könne; auch die Neigung der Nachbarstaaten, soweit sie vorhanden sei, kriegerische Konflikte mit Deutschland her— beizuführen, würde verstärkt werden, wenn offenkundig fest= gestellt sei, daß das für die Erhaltung des Reichs durchaus e ne dio im Reichstage abgelehnt werde. (Zuruf des Abg. ichter. .

Der Präsident bemerkte, er müsse entschieden bitten, den Redner nicht zu unterbrechen.

Der Abg. von Bennigsen fuhr fort: Seine Freunde und er lehnten die Verantwortung von sich ab, diese Verhältnisse besser, beurtheilen zu können, als die Leitung der auswärtigen Politik in Deutschland. Er wisse sehr wohl, daß der Druck, welcher auf Deutschland durch das Militärwesen ruhe, sehr schwer sei, daß derselbe auch durch diese Vorlage noch vermehrt werde. Man habe hier aber auch heute vom Kriegs-Minister und dem Abg. Grafen von Moltke gehört, daß dasselbe Gefühl bei der Staatsregierung vollständig vorhanden sei, daß die⸗ selbe nur der bitteren Nothwendigkeit nachgebe, wenn sie dem deutschen Volke so schwere Lasten auferlege. Man bewillige in Deutschland die Mittel nicht der Regierung, damit sie etwa das Heer für ihre eigene Existenz gegen das Land gebrauchen könne, wie anderwärts. Die Vertreter des Landes bewilligten sie dem deutschen Vaterlande für seine Sicherheit. Es sei auf die schlechte Finanzlage der jetzigen Zeit hingewiesen worden. Diese sei aber hoffentlich nur vorübergehend, während die hier zu Tage tretende Nothwendigkeit, Deutschland zur Wahrung seiner Sicherheit zu befähigen, eine dauernde sei. Gerade wenn es schwierig sei, die neue Belastung von 17 Mil⸗ lionen zu tragen, so habe das Centrum trotzdem ein gewisses Verdienst, wenn die Vorlage ange⸗ nommen werde. Das Centrum habe 120 Millionen neuer Schutz, und Finanzzölle bewilligt, obwohl damals der Abg, Windthorst den richtigen Verdacht gehabt habe, daß ein Theil dieser Summe demnächst vom Kriegs⸗-⸗Ministerium in Anspruch genommen werden würde, Es handele sich hier um einen Konflikt von Interessen. Auf der einen Seite stehe das mili⸗ tärische der Sicherung Deutschlands. Die Organisation der deutschen Heeresmachk solle von den schwankenden Entschlie⸗ ßungen der einzelnen Budgets unabhängig gemacht werden. Auf der anderen Seite stehe das formelle Budgetrecht. Wenn die Bedeutung jenes ersten Faktors eine so hohe sei, dann

nehme er ohne Zaudern eine Einschränkung des letztgenannten in Kauf. Uebrigens hätten sich seit dem Vorgange der letzten Jahre die Partelverhältnisse im Reichstage verschoben. Soviel flehe fest: eine konsolidirte Mehrheit, wie sie früher bestanden hahe, sei jetzt nicht mehr vorhanden. Die Gefahr, daß von Fall zu gall sich Mehrheiten bildeten, daß bei einer solchen Zu⸗ sammensetzung politische Kombinationen entständen, die die wichtigsten , in ihren Bereich zögen, sei jetzt größer, als 1874. enn der Reichstag 1874 geglaubt habe, auf einen Theil seines Budgetrechts verzichten zu müssen, so sei jetzt das Bedürfniß dazu in noch höherem Grade vorhanden. Gün⸗ stiger sei die Lage des Reichs seitdem nicht geworden. Der Abg. Graf von Moltke habe bereits darauf hingewiesen, in welchem Maße die französischen Heereseinrichtungen ver⸗ mehrt und verbessert worden seien, und doch habe man es er⸗ lebt, daß schon bei der Hälfte der jetzigen ij nachdem die französische Armee gefangen, gefallen und eingeschlossen ge⸗ wesen sei, obgleich der erste Stratege der Jetztzeit die deutschen Heere führte, die Franzosen doch noch 8 Monate lang einen für Dentschland gar nicht, ungefährlichen Widerstand hätten leisten können. Die natürliche militärische Befähigung des französischen Volkes sei so groß, daß ein Krieg mit dieser Nation, abgesehen davon, daß jeder Krieg ein Unglück sei, unter allen Umständen ein gefährliches Unternehmen für jeden Nachbar Frankreichs sein werde. Wie viel ernsthafter werde also der Kampf werden, nachdem jetzt die fran⸗ zösische Wehrkraft so erheblich verstärkt worden sei. Und gegen wen rüste Frankreich eigentlich! Sei Frank— reich jemals seit Jahrhunderten von irgend einem Nachbar, insbesondere von Deutschland angegriffen worden? Seien nicht alle Kriege, bei denen Frankreich betheiligt gewe⸗ sen sei, selt mehreren Jahrhunderten wesentlich von Frank⸗ reich provozirt worden? Sei Deutschland jemals der Angreifer ewesen? Welchen andern Zweck könnten also jene französi⸗ ö Rüstungen haben, als unter Umständen die verstärkten Armeen gegen Deutschland zu führen? Es sei vielfach be⸗ hauptet worden und namentlich in Frankreich fei es ein beliebtes Them daß das Verhältniß Deutschlands zu Frankreich ein friedlicheres geworden wäre, wenn Deutschland 1870 seine alten Provinzen nicht wieder zurückgefordert hätte. Eine thörichtere Illusion könne er sich gar nicht denken. Wenn Frankreich in der Lage wäre stets einen großen Krieg zu führen ohne einen Verlust an Land, auch nicht an altem deutschen . zu erleiden, . Deutschland wach genug gewesen wäre, im ahre . 29 . Geschrei nach Revanche für Paris und Sedan, nach der Rheingrenze würde noch viel stärker gewesen sein. Die Kriegsgefahr würde noch viel größer sein, denn bie Franzosen hätten den Krieg führen können mit den nicht unbcträchtlichen Hülfskrästen Elsaß-Lothringens und mit einer sür Deutschland viel gefährlicheren Angriffsfront. Seit 1874 feien die Verhaäͤltnisse in Frankreich für Deutschland jedenfalls nicht günstiger geworden. Damals habe man noch zweifel⸗ haft sein können, ob das Experiment der vepublikanischen Ver⸗ fassung glücken werde. Bei den verschiedenen Regierungs⸗ verhälkniffen in Frankreich sei die Gefahr keinesfalls gering, daß eine unter einem starken populären Drucke stehende Ne⸗ gierung alle inneren Schwierigkeiten nach außen werfe. Die Hiegierungen in Frankreich seien nicht unter allen Umständen so stark, baß sie chaupinistischen und Revanchegelüsten unter allen Ümständen entgegentreten könnten, namentlich wenn

ebereinstimmun i j / j g. mit seinen Freunden, die Vorlage einer esonderen Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen.

ihre Existenz mit einem solchen Kriege zusammenhänge. end n , fei die Situation bedenklicher geworden,

daß diese maßvolle Vermehrung des deutschen Heeres schon allein Frankreich gegenüber sehr wohl verantwortet werden könne. Nach den vom Grafen Moltke mitgetheilten Zahlen stehe fest, daß Deutschland den Zahlen nach Frankreich noch nicht gewachsen sein würde und nur die große Intensität der Kraftentwicklung, in der Organisation und Leitung der Armee gebe Deutschland die Sicherheit, daß es auch mit ge⸗ ringerer Zahl das Wagniß unternehmen könne. Deutschland habe damals das Glück im französischen Kriege gehabt, daß es seine ganzen Kräfte gegen Frankreich habe verwenden kön⸗ nen, Deutschland habe kaum eine Besetzung der Grenzen im Osten gebraucht. Ob Deutschland unter allen Umständen wieder in derselben Lage sein merde? Wer werde wagen, das zu behaupten! Die friedlichste Gesinnung des jetzigen Herrschers in Rußland sichere Deutschland nicht vollständig bei den Zu⸗ ständen in diesem Reiche. Der Abg. Richter habe von den nihilistischen Bestrebungen dort gesprochen. Diese Bestrebun⸗ gen und Verschwörungen, die allerdings das entsetzlichste Bei= spiel des schwärzesten Undanks und verhrecherischer Brutalität lieferten gegen einen Herrscher, der, edel denkend und gerecht,

als Befreier von Millionen seiner Unterthanen aus der Leibeigenschaft dastehe, wie es kaüm etwas Aehnliches in der Geschichte gebe. Die Nihilisten

würden zu einer wesentlichen Aktion möge auch ihr Ein⸗ fluß wachsen niemals geeignet scheinen, aber wenn man unbefangen die Zustände in den Nachbarländern Deutschlands prüfe, so könne man sich dem nicht verschließen, so unange⸗ nehm es auch sein möge, in sehr einflußreichen Kreisen Ruß⸗ lands sei zum Schaden der eigenen inneren russischen Ver⸗ waltung die Antipathie gegen das Deutschthum erschreckend gewachsen. Die panslavistische Bewegung habe Dimensionen angenommen und erstrecke sich in Kreise hinein, in welche sie früher nicht gereicht habe, daß eine 1 große Gefahr für das übrige Europa und speziell für Deutschland entstehen könnte. Wer könne sagen, daß zu jeder Zeit eine russische Regierung stark genug sei, um dem noch weiteren Anwachsen der pan⸗ slavistischen Ideen Widerstand zu leisten, wenn sie für ihre pansslavistischen Interessen einen Angriffskrieg auf das übrige Europa forderten. Wenn nun die politischen Verhältnisse seit 1874 sicher nicht, günstiger geworden seien, so sei aller⸗ dings ein Lichtblick vorhanden, das sei das Verhältniß Deutschlands zu Oesterreich⸗Ungarn. Die diplomatisch⸗ politisch Aktion des Reichskanzlers im vorigen Jahre man könne ja davon sprechen, wenn auch der Text der Vereinbarung nicht hinlänglich bekannt sei welche das Bündniß mit Oesterreich herbeigeführt habe, habe in die Ge⸗ schichte seiner politischen Thätigkeit eines der unverwelklichsten Lorbeerblätter geflochten. Hier zum ersten Male habe der Reichskanzler, der bei der Erfüllung und Durchführung der schwierigen Aufgaben, welche derselbe an Preußen und Deutsch⸗ land gestellt habe, fast bei jedem Schritt auf starken Wider⸗ stand großer Kreise, großer Interessen, ganzer politischer und kirchenpolitischer Parteien gestoßen sei, hier zum ersten Male habe der Reichskanzler eine politisch-diplsmatische Aktion durch—⸗ geführt, wo alle Interessen, alle Parteien, er könne sagen, Janz Deutschland, ihm freudig zustimmten. Seicht sei diese Aufgabe gewiß nicht gewesen und das, was für Deutschland das Erfreulichste sein müsse, sei die große Unbefangenheit, die Selbstverleugnung, die Einsicht der beiderseitigen Interessen, welche die österreichische Regierung bei diesen Verhandlungen gezeigt habe. Leicht sei für Oesterreich der Schritt nicht nach dem Kriege von 1866 gewesen, durch welchen es aus dem Verhältnisse mit Deutschland gelöst sei, mit diesem neu ein⸗ gerichteten Deutschland in ein solches Bundesverhältniß zu treten. Wenn die richtige Würdigung der Interessen in beiden Reichen zu dieser Verbindung geführt habe, so behaupte er nicht zu viel, wenn er hier ausspreche, daß Alle wünschten, daß diese Verbindung von Jahr zu Jahr erstarke und ihre Folgen auch zeigen möge auf dem wirthschaftlich-politischen Gehiete, wo sie bisher leider noch nicht eingetreten seien. Er wiederhole, mit dem Wesentlichen der Vorlage sei er einver⸗ standen, er lehne die Verantwortlichkeit ab, gegenüber der politischen und militärischen Leitung in Deutschland, welche diese Vermehrung für nothwendig halte, Die überwiegende Zahl seiner politischen Freunde werde dafür stimmen, und er uf im politischen Interesse Deutschlands, nicht blos wegen dieser Vorlage, daß sich eine sehr ansehnliche Mehrheit im Reichstage finden die fahren werde. ;

Der Abg. von Bühler (Oehringen) ö der Jour⸗ nalistentribüne nicht recht verständlich) erklärte sich gegen die Vorlage. Man müsse darauf hinarbeiten, endlich zu einem Weltfrieden zu gelangen. Nicht vermehren müsse man die Regimenter, sondern vielmehr abrüsten. Das ließe sich leicht erreichen, wenn man nur wolle. Deutschland müsse als der Stärkere vorangehen, es werde sich dadurch unsterbliches Ver⸗ dienst und höheren Ruhm erwerben, als durch hunderte von Siegen. Ganz Europa lechze nach Frieden; zunächst also solle das Gesetz abgelehnt, sodann von Deutschland an alle Groß⸗ mächte Einladungen zu einem allgemeinen Kongresse erlassen werden, welcher über die allgemeine Abrüstung zu verhan⸗ deln habe. ;

Der Abg. Dr. von Treitschke bemerkte, die Abgg. Graf von Moltke und von Bennigsen hätten bereits Alles was zu Gunsten der Vorlage spreche, in so vorzüglicher Weise . tragen, daß er sich in der vorgerückten Stunde kurz fassen könne. Zunächst eine perfbnliche Bemerkung. Der Abg. Richter habe ihn als den Verfasser des Artikels der „Preußi⸗ schen Jahrbücher“ bezeichnet, dessen Angaben nachher durch den Grafen Moltke eine o glänzende Bestätigung gefunden hätten. Es sei ihm schmeichelhast, daß ihn der Abg. ichter dafür halte. Indeß wolle er demselhben bemerken, daß er seit 18 Jahren nichts Politisch⸗ Anonymes geschrieben habe. Gr wisse nicht, ob sich von. Abg. Nichter basselbe sagen last. Was den Abg. von Bühler anlange, so fei er bereit, hach hundert Jahren, wenn er dann noch lebe und sich unter Palmen auf einer ein⸗ samsen Infel der Sidsee mit dein Vorredner zusammenfinde, mit ihm eine Friedenspfeife zu rauchen und sich mit ihm über sein r zu unterhalten, Heute aber nicht, wo Ss sich um den Schütz Bes deutschen Valerlandes hanbele! Der Vorredner habe übrigens Recht, Deutschland sei Schuld an den besseren Heereszeinhichtungen Europas, da Preußen ja zuerst daß Heer⸗ wesen Scharnhorsts bei sich eingeführt und alle an⸗ deren Völker dadurch veranlaßt habe, ihm zu ae. Preußen sei stolz darauf, durch die allgemeine Wehrp icht diefen edlen Gedanken weiter verbreitet zu haben, so daß endlich die deutsche Nation stark genug geworden sei, daß zurückzufordern, was nationale Schwäche Deutschland einst habe verlieren lassen. Die Völker hätken jetz gelernt, mit Deutschlands Stärke zu rechnen, während sie früher gewöhnt

werde, in gleicher Weise ver⸗