Erste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Nichtamtliches
Preußen. Berlin, 12 April. Im weiteren Verlaufe der vorgestrigen (32) Sitzung setzte der Reichstag die te Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abän⸗ ng des 8. 3) des Gesetzes vom 21. Oktober 1878 gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozial⸗ demokratie fort. Der Abg. Dr. Hänel erklärte, die Debatte habe ihm nirgends Veranlassung zum Eingreifen gegeben, da von keiner Seite neus Gründe für das Gesetz oder gegen den Standpunkt seiner Partei 1 Ddemselben vorgebracht worden seien. Die von den sozialistischen Abgeordneten gehaltenen Reden bestätigten zum großen Theil das Urtheil, daß, abge⸗ sehen von der prinzipiellen Stellung, die Art und Weise der Handhabung des Gesetzes äußerste Bedenken habe. Diese Aus⸗ führungen litten zwar an großer Breite, aber es sei doch eine Reihe von Thatsachen angeführt worden, die weitaus die Grenzen alles dessen überschrltten, was die Majorität des . ursprünglich bei Erlaß des Gesetzes als Grenzen sestgestellt zu haben glaubte. Er könne eine ganze Reihe von Thatsachen dem Vorredner zugeben, wenn aber ein solches Gesetz einmal gegeben und in die Hände der Polizei gelegt sei, seien solche Uebergriffe der Polizei ganz ati i Wenn man einmal 9 derartigen weiten Begriffen gekommen sei, dann gebe es keine Grenzen mehr und die Polizeidiktatur, sei schließlich dasjenige, was man nicht nur sür noihwendig, son⸗ dern sogar für ein Verdienst balte. In Konsequenz der Stellung, die seine Partei nun einmal diesem Gesetz gegen⸗ über eingenommen habe, würden er und seine politischen Freunde für die von den Sozialisten beantragten Amendements stimmen. Er gebe aber den Antragstellern zu bedenken, ob sie nicht, wenn der Antrag zu 5. L abgelehnt und damit die Stellung des Hauses markirt sei, das Haus durch Zurückziehung der 83 Anträge mit weiteren Abstimmungen verschonen ten. Der Abg. Fritzsche beantragte, 5. 2 des Gesetzes vom 21. Oktober 1878, nach welchem auf eingetragene Genossen⸗ schasten und Hülsekassen das Verbot erstreckt werden könne, aufzuheben. Daß die schärssten Bestimmungen gegen die Sozialdemokraten erlassen werden würden, habe er voraus⸗ gesehen, daß man aber auch Krankenkassen und andere Unter⸗ stützungs vereine aufheben werde, das hätte er nicht geglaubt; er und seine politischen Freunde . der Hoffnung gewesen, daß man dem allgemeinen Gefühl der Menschlichkeit Rechnung tragen würde. Man habe aber im Gegentheil die 62 auf⸗ gehoben, weil man geglaubt habe, daß er und seine Freunde dadurch einen weiteren Einfluß auf die Arbeiter ausüben wür⸗
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Aenderung vorgenommen habe. In der Abkürzung sänden eine große Zahl von Männern einen Trost für das Votum, welches eine so große Zahl der deutschen Mitbürger außerhalb des Gesetzes stelle. Aber wer da glaube, daß der Ablauf des Gesetzes auch das Ende der sozialdemokratischen Bewegung be⸗ deute, der irre sich gründlich, der habe den Sinn dieser er⸗ schreckenden Bewegung nicht begriffen, durch die Verkürzung solle nur die Neglerung daran erinnert werden, das Geseß mit größter Vorsicht anzuwenden. Der Kern feines ersten Antrags liege darin, daß er richterliche Entscheidung im Zweifelsfalle eintreten lassen wolle. Um dem Soꝛiallasmus die Nahrung fortzunehmen, müsse die positive Thätigkeit ein⸗ treten, die den Arbeitern 1878 so voll und ganz versprochen worden seiz aber zu seinem Bedauern habe er nichts davon gemerkt. Wie derherftellun der Moral und der Religion müßte die Haupt⸗ sache bilden. Er beobachte den Gang dieser Bewegung auf das Allersorgfältigste, weil er von einem etwas anderen Gesichts= punkte ausgehe, als die Polizei, die nur suche, wo sie mit dem Knüttel dreinschlagen könne. Er habe bemerkt, daß, während früher in die Kreise der Arbeiter hauptsächlich sozial⸗= demokratische Preßerzeugnisse eingedrungen seien, jetzt die Tendenz wesentlich dahin gehe, Broschüren und Flugschriften in jede Werkstatt zu tragen, welche den Glauben christlicher und aller anderen Religionsgesellschaften lächerlich machten. Diese Schristen fielen nicht unter das Sozialistengesetz, sie fänden vielleicht Beifall in höheren Kreisen und diejenigen, welche dem Volke nahe ständen, sagten ihm, wenn der Boden also vorbereitet sei, dann würden die sozialistischen Ideen bald ganz allgemein werden, dann werde Jeder Sozialist. Die jetzige Gesellschast beruhe nach allen Richtungen hin auf den Lehren des Christenthums und der positiven Religion; schaffe man diese weg, so habe man gar keine Basis mehr als die nackte Ge⸗ walt, d. h. wer eine gute Faust habe, nehme, was er bekom⸗ men könne und lasse den Rest den Anderen. Gegen Alles dieses geschehe gar nichts; ja diejenigen, welche am meisten berufen wären, die Sozialdemokratie zu bekämpfen, habe man entfernt! Man knechte die Kirche, welche gegen jene Be⸗ strebungen allein einen Damm bilden könnte. (Der Präsident bat den Nedner, bei der Sache zu bleiben) Er habe nur nachweisen wollen, daß, weil der Kulturkampf so lange dauere, man diese richterliche Instanz herstellen müsse, um ein dauerndes Aufgehen in die Sozialdemokratie zu verhindern. Nehme das Daus seinen Antrag an, so werde derselbe die Bewegung auf bessere Bahnen leiten, als die Polizei allein vermöge. Der Abg. von Kardorff erklärte, er müsse der Behauptung des Vorredners, daß dieses Gesetz bisher wirkungslos gewesen
den. Ein Ausspruch, den er vor drei Jahren geihan haben solle, sei aus den Polizeiakten herausgesucht worden und als Motiv zur Auflösung einer Kasse gebraucht. — Redner führte noch mehrere Beispiele an, und bat, diesen Paragravhen zu streichen, da die . thue was sie wolle, wodurch nur das Rechts bewußtsein im Volke schwinden müsse; von den in Aussicht gestellten pofitiven Maßregeln zur Bekämpfung der Soʒial⸗ demokratie sei nicht mehr die Rede; die Wilhelmsspende sei zwar zu diesem Behuf gegründet, doch werde dieselbe vollstän⸗ dig ihren Zweck verfehlen, da der Eintritt in dieselbe nur in sehr beschranktem Maße dem Arbeiter möglich und die Anlage des Geldes in jeder Sparkasse vortheilhafter sei. Auf diese Weise würde man die Sozialdemokratie eher fördern, als sie unterdrücken. Die Diskussion wurde hierauf geschlossen und sämmtliche Anträge der Sozialdemokraten vom Hause abgelehnt. Der Abg. Dr. . stellte den Antrag, dem §. 8 des Gesetzes vom 21. Oktober 1878 folgende Fassung zu geben: Das von der Landesbehörde erlassene Verbot, sowie die An⸗ ordnung der Kontrole ist dem Verein soorstande, sofern ein solcher im Jalande vorhanden ist, durch schriftliche, mit Gründen ver—⸗ sehene Verfügung bekannt zu machen. Gegen dieselbe steht dem Vereins vorstande die Beschwerde beim Reichsgericht zu, welches . 24 e , der thatsächlichen Vorautsetzungen zu er⸗ ennen hat. Die Beschwerde ist binnen vierzehn Tagen nach der Zuftellung * Verfügung bei der Behörde anzubringen, welche dieselbe er⸗
assen hat. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wir kung.
Der Abg. Dr. Windthorst befürwortete seinen Antrag. Die Verwerflichkeit der sozialistischen Bestrebungen, ihre Gefähr- lichkeit für Staat und Kirche würden von seiner Partei ebenfo wie von allen anderen anerkannt. Die Meinungsverschieden⸗ heit beziehe fich nur auf die Methode der Bekämpfung. Dieses Gesetz sei ein reines Präventiogesetz, welches alle Garantien persönlicher Sicherheit und sogar des Eigenthums durchbreche und eine große Zahl der Staatsbürger außerhalb des Gesetzes stelle. Er habe der Berathung desselben ausgeführt, daß man durch ein solches Vorgehen nur dag Gegentheil von dem erreichen würde, was erreicht werden solle. Der Gang der Er⸗ eignisse hahe ihn von der Unrichtigkeit dieser Ansicht nicht überz ugt. Er gebe dem System den Vorzug, das die Stammez⸗ genossen Deutschlands, die Engländer , die Be⸗ kämpfung solcher Anfichten der Dis ku on in Versammlungen überließen, diejenige Partei, welche die allgemeinen Gesetze verletze nach diesen Gesetzen behandelten, und im Uebrigen vertrauten, daß die Wahrheit siegen müsse über den Unsinn. Die fozialdemokra— tische Bemegung werde jetzt hauptsächlich von England aus geführt, die Herren, die hier erschienen, seien nur Handlanger der Londoner Führer. (Der Präsident erklärte eine solche Bezeichnung, angewandt auf Mitglieder des Hauseg, für un⸗ lässig Wenn man die Diskussion unmöglich wache, so änge man die Agitation immer mehr in geheime Schlupf⸗ winkel zurück, und mache die Sozialdemokratie dadurch nur um so gefährlicher. Wenn er allein es zu sagem hätte, 28
würde er das Gesetz nicht mehr fortbestehen lassen; er aber nur eine einzelne Stimnie. Die kommissarische Prüfung sei vorbei, die Anträge, welche seine Partei 6 habe, um das * durch einige Modifikationen erträglicher zu machen, und so die Rü zum gemeinen Recht zu ermöglichen, seien von der Kommisston zurückgewiesen worden. Er habe sich indeß mt le n, das Wichtigste derselben hier wieder einzu= bringen, da Kommission nur in Bezug auf die Zeit eine
sei, widersprechen. Selbst die Gegner des Gesetzes hätten an⸗ erkannt. daß daz Gefeß auf die Sozialdemokratie ernüchternd, also wohlthätig gewirkt habe. Dieses Gesetz sei ein aus e liches Verwaltungsgesetz, seine Fassung sei für die richterli Judikatur durchaus nicht geeignet. Er wänsche auch, später einmal die ganze Materie im gemeinen Recht zu ordnen, aber für den Augenblick stellten sich diesem Bestreben unüberwind⸗ liche Hindernisse entgegen. Er müsse auch der Behauptung des Vorredners widersprechen, daß bisher keine positiven Maßregeln gegen die Sozialdemokratie getroffen worden seien. Er erinnere nur an die Anträge des Abg. Stumm, an die Anträge zur Abänderung der Gewerbe⸗Drdnung, und an die neue Wirthschaftspolitik, welche den Arbeitern durch reicheren Verdienst helfe. Deshalb bitte er, die Anträge Windthorst abzulehnen, und das Gesetz in der Kommissionsfassung an⸗ zunehmen.
Nach Schluß der Diskussion führte der Referent Abg.
Dr. Marquardsen aus, die präventive Natur dieses 3 . schließe eine streng richterliche Würdigung der Handhabung desselben aus. Es handele sich nicht um ein reines Rechts⸗ gesetz, denn die Gesichtspunkte der Angemessenheit und Zweck= mäßigkeit müßten vielfach die Entscheidung beherrschen. Der Thatbestand des §. 1 entziehe sich einer streng juristischen Auffassung. Es müsse auch im Interesse des Reichsgerichts selber vermieden werden, demselben Aufgaben zu stellen, welche über die reine Rechtsprechung hinausgingen und in das Politische Gebiet hinübergriffen. Er bitte also den Antrag Windthorst zu §. 8 abzulehnen.
Der Antrag Windthorst wurde sodann abgelehnt und §. 8 in der ursprünglichen Fassung genehmigt.
Der Abg. Dr. Windthorst beantragte, den 8. 9 des Gesetzes vom 21. Oftober 1878 folgende Fassung zu geben:
Versahnmlungen, in denen sojialdemokratktsche, sozialistische oder kommunistische auf den Umstarz der bestebenden Staatz oder = gerichtete Bestrebungen zu Tage treten, sind 2 en.
Versammlungen, von denen durch Thatsachen die Annahme gerechtfertigt ijt, daß sie zur Förderung der im ersten Absatze be= jeichneten Bestrebungen bestimmt sind, sind zu verbieten. Auf Versammlungen jum Betriebe der den Reichstag oder eine Landes⸗ vertretung betreffenden Wablangelegenheiten nach ausgeschriebener Wahl erstreckt sich diese Beschraͤnkang nicht
Den Versammlungen werden öffentliche Festlichkeiten und Auf üge gleichgeslellt.
Der Abg. Dr. Windthorst empfahl die Annahme seines n, der * den Zweck habe, die in der Verfassung garantirte freie Wahl zu schützen. 4
Sonnemann fuhrte aus, er könne in den Ver⸗ änderungen der Gewerbeordnung und in den schutzzöllnerischen Maßregeln durchaus keine posttiven Schritte zur Beseitigung der Sozialdemokratie erblicken. Nach 5. 9 sollten solche Ver⸗ eee nr. aufgelöst werden, in denen sozialistische Be⸗
rebungen zu , ,, und Versammlungen vorher ver⸗ boten werden, bei denen Thatsachen vorlägen, welche auf die Förderung sozialistischer Bestrebungen schlleßen ließen. Ueber die Anwendung dieses Paragraphen sei viel gesprochen wor= den. Jede Partei habe darüber ihre eigene Ansicht. Aber in den doch wohl allein authentischen Aus ührungsbestimmun⸗ gen des Ministers Grafen zu Eulenburg sei gefagt, daß dieser Paragraph loyal und gegen Niemand anders als gegen die Sozialisten angewendet werden solle, und gegen diese nur dann, wenn die Merkmale des Gesetzes, die —ᷓe ge⸗
meingefährlicher Bestrebungen, vorhanden seien. Zu seinem Bedauern sei dieser Paragraph nicht in diesem Sd aus ge⸗
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KÜhrt worden. Namentlich habe man Wahlversammlungen der Sozialdemokraten, in denen sie sich jeder err, a e tion enthalten hätten, verboten, 69. in Breslau, Hamburg, in Magdeburg und in Chemnitz. Wenn nun auch der Abg. von . den Vorzug des Gefetzes in der dadur hervorgerufenen rnüchterung erblicke, fo sei er en doch der Meinung, daß die Entziehung so wichtiger bür⸗ 1 echte ganz entgegengesetzte: Gefühle wachrufe. as nun den 5. 9 anlange, o sei allgemein behauptet wor- den, derselbe sei in loyalster Weise nur gegen die Sozialisten angewendet worden. Indessen habe er personlich erfahren, daß andern Parteien gegenüber nicht inmer loyal verfahren sei, In München habe seine Partei, die deutsche Volkspartei, welche bekanntlich durchaus gar keine sozialistischen Tendenzen verfolge, eine Versammlung zur Berathung über die Militär⸗ vorlage anberaumt gehabt, in welcher ihm das Referat über⸗ tragen worden sei. Diese Versammlung, zu welcher alle Partei⸗ genossen und Freunde der demokratischen Sache eingeladen ge⸗ wesen seien, sei aufgelöst worden, und zwar auf Grund des Sozia⸗ listengesezes, weil in der Versammlung eine größere Anzahl von Sozialisten anwesend gewesen sei. Was das Verbot betreffe, so wäre, wenn Alles wahr wäre, was die Polzei behaupte, das Verbot trotzdem nicht berechtigt gewesen. Es . aber auch eine Erklärung des Vertrauensmannes der deut⸗ schen Volkspartei in München erschienen, welche diesen Be⸗ uptungen widerspreche und gleichzeitig hervorhebe, daß neun ehntel der Versammlung aus Mitgliedern des Mittel standes und des besseren Bürgerstandes zusammengesetzt gewesen sei, nur ein Zehntel seien Arbeiter gewesen, es stehe aber noch nicht fest, daß es Sozialdemokraten gewesen seien. Der Polizeibeamte habe trotzdem die Versammlung mit der Be⸗ merkung aufgelost, er sehe Anhänger der Sozie demokratie im Saale, und unter Bezugnahme auf das Sozialistengesetz. Es hätten indeß noch keine Verhandlungen stattgefunden, sondern nur die Konstituirung des Bureaus. Wie wolle man das recht⸗ fertigen? Die Auflösung hätte doch nach 5. 9 erst stattfinden können, wenn in der Versammlung selbst die be⸗ zeichneten Bestrebungen hervorgetreten wären. Das hätte aber garnicht geschehen können, weil nur die sor⸗ melle Ansprache des Vorstandes erfolgt gewesen sei. Eine andere große Versammlung sei aufgelöst, weil einige Sozialisten in derselben anwesend gewesen seien. In Munchen, der drittgrößten Stadt des Deutschen Reichs, sei die Auf⸗ lösung durch ein rechtekundiges Mitglied der Polizeiverwaltung
erfolgt, wie man zugeben werde, in völlig ungerechtfertigter Weise. Was solle man erst von der Handhabung des Ver⸗ sammlungsrechts in kleinen Städten erwarten? Man sei der bloßen Polizeiwillkür Preis gegeben, es gebe absolut keine Gewähr 2 daß noch irgend eine Partei Versammlungen abhalten könne. In München habe man allgemein ein Ge⸗ fühl der Beschämung darüber empfunden, daß solche polizei⸗ liche Uebergriffe möglich seien. Und nicht blos in Bayern, auch in Sachsen seien solche Fälle vorgekommen. Er begreife nicht, wie einzelne Mitglieder des Centrums, welches doch seit 8 oder 9 Jahren so sehr viel durch die Ausnahmegese gebung gelitten habe, sich veranlaßt finden könnten, für die Erneuerung des Sozialistengesetzes zu stimmen. Auf das Recht der Wahl⸗ versammlungen habe jede Partei ein n, r,. Recht. Er sei nach reiflicher Ueberlegung zu der Ansicht gekommen, daß nur durch eine Beseitigung, nicht durch Amendirung des Paragraphen diesen Mißstanden abgeholfen werden könne und werde deshalb gegen denselben stimmen, jedenfalls aber für das Amendement Windthorst, weil ohne Gestattung der Wahl⸗ versammlungen das allgemeine Wahlrecht nicht mehr bestehe. Es sei Sache der Majorität, aus den von ihm und anderen vorgebrachten Beschwerden die Konsequenzen zu ziehen und bei der dritten Lesung darauf bezügliche Anträge zu stellen. Besonders hierzu , ,. sei aber die liberale Hark, welche erst jüngst durch den Abg. Rickert erklärt habe, daß sie an den Grundsätzen des Liberalismus festhalten wolle. Der Abg. Rickert habe bei diesem Anlaß erklärt, daß die Nation stolz sein könne auf die Gesetze, welche durch das Zusammenwirken der Konservativen und Nationalliberalen zu Stande gekom⸗ men seien. Wenn eg wahr sei, wie ein berühmter Staats⸗ mann und Geschichtsschreiber sage, daß die Gesetze die hervor⸗ ragendsten und lehrreichsten Denkmäler der Geschichte seien, so hätten sich diese Parteien durch das Sozialistengesetz ein Denkmal gesetzt, auf welches stolz zu sein der Reichstag keine Veranlassung habe.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Ober⸗-Regierungs⸗ Rath Herrmann entgegnete, in Bezug 14 den . ner Vorfall stehe den Betroffenen das Recht der 2 schwerde an die vorgesetzte Behörde zu. Von diesem Recht sei Gebrauch gemacht worden und er könne die Prüfung des Ver⸗ fahrens dem geordneten Instanzenzug der Behörden über lassen. An dieser Stelle welle er ein bestimmtes Urtheil über die Berechtigung oder Nichtberechtigung der Polizeidirektion in München 6 ihrem wer , nicht abgeben. Nachdem aber der Abg. Sonnemann die rheit der thatsächlichen Erörte⸗ rungen in dem Bescheide bestritten habe, wosle er doch den Vorgang klar stellen. Der Vorstand der deutschen Volkspartei in München habe an Stelle der verbotenen Volkzversammlung eine Parteiversammlung angemeldet, und zwar unter der Erklärung, daß erf die anwesenden Sozial⸗ demokraten zum Verlassen des Lokales bei der Er⸗ oͤffnung der Versammlung auffordern würde. n . dessen sei die Anzeige nicht beanstandet. ie
der in dem größten Saale Münchens Versammelten 1009 de, . Davon hätten 150 der Volkspartei ange⸗
2090 seien Neugierige der liberalen und ultramontanen
artei eren der Sozialdemokraten. Bei der Eröff⸗ . abe der Vorsitzende nicht seinem Versprechen gemäß die Sozlaldemokraten zum Verlassen des Saales veranlaßt, son⸗ dern sie nur zur Vassivität ermahnt. . räsident habe das unter aktiver Mitwirkung der Sozialdemokraten gewählte Büregu vorgeschlagen, welches auch bestätigt sei. Darauf sei die Versammlung aufgelöst, weil man angenommen 92 daß die Versammlung mit der verbotenen identisch sei. Uebrigens
glaube er, daß, selbst wenn die Angaben des Abg. Sonne⸗ mann richtig wären, ein einzelner Irrthum einer Polizei⸗