1883 / 135 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 12 Jun 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Zur n, n. der Erbrechtsklage des Fiskus auf einen erblosen Nachlaß gehört gegenüber einem im Auf— gebols verfahren angemeldeten Prätendenten, nach einem Er⸗ kenntniß des Reichsgerichts, vom 1. Februar d. J, nicht der Nachweis, daß ein zur Erbfolge Berechtigter nicht vor⸗ nen fei.

Der Kaiserliche Botschafter, Fürst von Hohenlohe,

Paris mit kurzem Urlaub verlassen. Während seiner Abwesenheit fungirt der Botschafts-Sekretär von Bülow als jnterimstischer Geschäfts träger.

Der neu ernannte kommandirende General des 1 Armee-⸗Corps, General⸗-Lieutenant von Gottberg, bisher Gonverneur von Straßburg i. E., ist zur Abstattung persön⸗ sicher Meldungen hier eingetroffen.

S. M. Kbt. Cyelop“, 4 Geschütze, Kommdt. Kapt.⸗ Lieut. Kelch, ist am 11. Juni er. in Malta eingetroffen und heabsichtigte am 16. Juni cr. die Heimreise fortzusetzen.

Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: Dr. Bslaschkow, Dr. Dargpeky, Dr. Fließ, Dr. Georg Heimann und Dr. Caefar Heimann, Kauffmann, Dr. Manché, Br. Neuhaus und hr. Sieber in Berlin, Dr. Reinke in Spantekom, Trinkhoeffer als Assistent der gynäkologischen Klinik und Orths als Assistent der medizinischen Klinik in Bonn, Klosterhalfen in Dormagen und Poensgen in Düsseldorf.

Bayern. München, 12. Juni. (W. T. B.) Der General-Stabsarzt und Chef der Medizinalabtheilung des bayerischen Kriegs-Ministeriums, Dr. von Lenk, ist gestern gestorben.

Württemberg. Friedrichshafen, 9. Juni. (StA.

f. W) Der König ist heute; Mittag bei freundlicher Witte⸗ rung nebst Gefolge mittelst Separatzugs hier eingetroffen. Se. Majestät wurde beim Austritt aus dem Bahnhof von der zahlreich versammelten Einwohnerschaft mit Hochrusen empfan⸗ gen und fuhr sodann unter dem Geläute der Glocken und hen Salutschüssen der im Hafen befindlichen Dampfboote durch bie beflaggten Straßen der Stadt in das Schloß. Das Aus—⸗ sehen Sr. Majestät ist ein gutes, und es läßt sich hoffen, daß der hiesige Aufenthalt zur baldigen vollständigen Wiederher⸗ stelung des Königs beitragen werde.

Schwarzburg⸗Sondershausen. Sondershausen, 8. Juni. (Leipz. Ztg.) Nachdem die Etatsberathungen im Landtage zu Ende geführt, durch welche den Beamten be⸗ trächtliche Gehaltserhöhungen bewilligt worden, sind in der vorgestrigen Sitzung die Eisenbahnvorlaggen durch einstimmige Annahme erledigt und somit der Bau der Eisenbahnen Hohenebra⸗Ebeleben und Gehren⸗Großhreitenbach einstimmig beschloffen worden. Der Landtag hat ferner 250 000 M für das Grundbuchwesen bewilligt und die Regierungsvorlage, betreffend die „Karl Günther⸗Stiftung“, einstimmig angenom⸗ men. Durch dieselbe wird zu Gunsten der Staatsschulanstalten in Arnstadt und Sondershausen, des Landes⸗-Seminars, zu Gehaltszuschüssen der Geistlichen und Lehrer z, ein Kapital

genehmigte schließlich mit 229 gegen 45 Stimmen den Antra

in die Spezialberathung der Bill, betreffend die dem . Lord Alcest er zu gewährende Dotation einzutreten, und erledigte die Spezialberathung derselben unter Ablehnung aller dazu eingebrachten Abänderungsanträge. Der Antrag auf Vornahme der Spezialberathung über die Bill, betreffend die Dotation für General Wol feley, wurde mit 166 gegen 20 Stimmen ehenfalls angenommen und die Bill unter Ab⸗ lehnung aller Amendements in der Spezialberathung genehmigt.

Frankreich. Paris, 9. Juni. (Fr. Corr.) Man liest im „Mémorial diplomatique“: Lord Granville hat den madagassischen Gesandten den Rath gegeben, sich mit Frankreich . verständigen und einen Kampf nicht zu verlängern, in welchem die französische Regierung sicher sei, zu triumphiren. Er hat den Gesandten bedeutet, daß keine euroyäische Macht zu Gunsten Madagaskars interveniren werde, und daß es folglich besser wäre, die gegenwärtig von der fran— zösischen Republik auferlegten Bedingungen anzunehmen, als noch länger zu warten; denn je länger der Konflikt dauern werde, desto härter würden die französischen Forderungen sein. Lord Granville hat hinzugefügt, daß die englische Regierung die prompte Wiederherstellung des Friedens zwischen Frankreich und Madagascar wünsche.

16. Juni. (Köln. Ztg.) Die Truppen, welche nach Tonkin abgehen sollen, wenn sich die dortige Lage verschlimmert, sind bereits bezeichnet; sie bestehen aus 3000 Mann der Fremdenlegion, 3000 Mann algerischer Scharf⸗ schützen und einer Anzahl vierter Bataillone, die sich gegen⸗ wärtig in Tunesien und Algerien befinden. In Toulon liegen die Transportschiffe für diese . bereits seefertig.

II. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer legte der Minister der öffentlichen Arbeiten die mit den Gisenbahngesellschaften Lyon, Nord, Ost und Süd abgeschlossenen Konventionen vor. In denselben werden die neu zu bauenden Linien fest⸗ gesetzt, von denen 2000 km auf die Lyoner Eisenbahn⸗ gesellschaft und 409 auf die Nord⸗Eisenbahngesellschaft entfallen. Die Gesellschaften partizipiren an den Kosten in dem Verhältniß von 50 000 Fr. per Kilometer. Das Maximum der Dividende wird für die Lyoner Eisenbahn⸗ gesellschaft auf 75, für die Süd⸗Eisenbahngesellschaft auf 50 festgesetzt. Von dem etwaigen Ueberschusse erhält der Staat zwel Drittel, die Gesellschaften ein Drittel. Falls der Staat auf die ihm zustehenden 109 Proz. der Einnahmen aus der Personenbeförderung verzichtet, ermäßigen die Gesellschasten die Tarife für die Beförderung in der ersten . um 10, für die in der zweiten um 20 und fuͤr die in der dritten um 30 Proz. Die Konventionen wurden der Eisenbahnkom⸗ mission überwiesen. ;

Die äußerste Linke hat beschlossen, die Regierung un⸗ verzüglich über die Tonkinfrage zu interpelliren. Nach hier eingegangenen Meldungen aus Saigun lauten die Nachrichken aus Tonkin zufriedenstellend. Die Verbindungen zwischen der französischen Citadelle und den auf dem Flusse vor Anker liegenden Fahrzeugen dauern ungehindert fort.

von go 660 MSW aus dem Kriegskostenentschäbigungsfonds als dauernde und unwiderrufliche Schenkung des Staates bestimmt.

9. Juni. Der Landtag hat gestern seine Be⸗= rathungen beendet und ist higrauf vom Staats⸗Minister Rein⸗ hardt mit einer Rede geschlossen worden.

Großbritannien und Irland. London, 9. Juni. (Allg. Corr.) Wie die „Times“ erfährt, bleibt die madagassische Gesandtschaft in London nicht auf Ersuchen der englischen Regierung, sondern um weitere Instruktionen von der Hoba⸗ Königin abzuwarten. Ein nochmaliger Besuch in Paris vor ihrer Heimkehr wird von der Gesandtschaft nicht beabsichtigt, allein es verlautet, daß, während sie willens ist, mit Frankreich einen Vertrag zu vereinbaren, ähnlich den mit anderen Ländern geschlossenen Verträgen, sie sich auf die Er⸗ örterung irgend einer das Protektorat Frankreichs über Madagascar in sich schließenden Frage nicht einlassen wolle.

11. Juni. (W. T. B.) Das Oberhaus nahm heute mit 166 gegen 158 Stimmen in zweiter Lesung die Bill an, durch welche die Ehe eines Wittwers mit seiner Schwägerin legalisirt wird. ;

Im Unt esrhause erklärte der Unterstaats⸗-Sekretär des Aeußern, Fitzin aurice, auf eine Anfrage; nach Berichten des englischen Geschäftsträgers in Konstantinopel hätten die englischen Kaufleute in Konstantinopel hisher nicht gegen die Erhebung der Zölle mit 8 Proz. ad valorem praę⸗ kestirt. Der Geschäftsträger sei darauf instruirt worden, diese Zölle zu acceptiren, vorausgesetzt, daß die englischen Kauf⸗ leute auch nun nichts dagegen einzuwenden hätten. Weiter theilte der Unterstaats-Sekretär mit: die Regierung habe von Frankreich keine Erklärung verlangt wegen der am 2. d. M. von dem Minister Challemel⸗Lachur im Senat gethanen Aeußerung, betreffend die Aufreizung Chinas gegen Frankreich durch eine ihm (dem Minister) bekannte Macht. Die Regierung habe nicht geglaubt, daß diese Aeußerung irgendwie England berühren solle. In Beantwortung einer Anfrage Churchills verlas der Premier Gladstone De⸗ veschen Mallets, in denen ausgeführt wird, daß das über Suleiman Samis gefällte Todesurtheil gerecht sei. Ferner verlas Gladstone eine Depesche Lord Dufferins vom heu— tigen Tage, in welcher erklärt wird, daß die von Churchill 36 den jKhedive erhobene Anklage der Mit⸗

chuld an den? Niedermetzelungen eine grundlose. Ver⸗ leumpung sei. NRorthcote beantragte die Vertagung des Haufe, um Äufklärungen über die Haltung der Regie⸗ rung betreffs der Hinrichtung Suleiman Samig zu erhalten. Chürchill griff die Fiegierung auf das Heftigste an und be⸗ zichtigte den Khedive aus Reue der Mitschuld an den Nieder⸗ metzelungen in Alexandrien. Der Premier entgegnete; wenn Churchill auch nur eine Idee von Verantwortlichkeit hätte, so würde er nicht so schamlose, falsche Beschuldigungen gegen den Khedine und die Richter einischließlich der englischen und ita lienischen Mitglieder des Gerichtshofes vorbringen. Die Re⸗ gierung stütze sich auf die Berichte eines vertrauenswürdigen kompetenten Agenten. Im weiteren Verlaufe der Sitzung wurde der Antrag Nottheote auf Vertagung abgelehnt. ;

Das „Reutersche Bureau“ meldet aus Mel bourng; die australischen Kolonialregierungen hätten der englischen Regie⸗ rung in an dieselbe gerichteten Depeschen die Annexion der neuen Hebriden, der Salamonsinseln sowie noch anderer Inselgruppen im Stillen Ozean anempfohlen.

12. Juni, früh. (W. T, B.) Das Unterhaus

Der Munizipalrath von Paris nahm mit 45 gegen 10 Stimmen den Antrag auf Beseitigung der Ring⸗ mauer und der Befestigungen von Paris an.

Italien. Rom, 11. Juni,. (W. T. B.) Bei den Munizipalwahlen siegten fast sämmtliche von der katho⸗ lischen Partei ,. Kandidaten.

12. Juni. (W. T. B.) Nach dem nunmehr vor⸗ liegenden definitiven Resultat wurden bei den Munizipal⸗ wahlen 14 Kandidaten gewählt, welche allen Kandidaten listen gemeinsam angehörten, 8, die sich ausschließlich auf der Liste der Liberglen befanden, 8, die guf der Liste der Kleri⸗ kalen und des Vereins der gemäßigt Liberalen, standen und 4, die ausschließlich von den Klerikalen aufgestellt waren.

Türkei. (W. T. B.) Der „Polit. Corresp.“ wird aus Konstantinopel gemeldet: Die Verluste der tür⸗ kischen Truppen in dem Gefecht am 2. d. M. betrugen 30 Todte und 1069 Verwundete. Am 6. d. M. fand bei Hum ein kleines Scharmützel statt, welches jedoch unent⸗ schieden blieb. Die Pforte ist entschlossen, Verstärkungen nach Ober-Albanien zu senden, um die Bewegung ener⸗ gisch zu unterdrücken. .

Konstantinopel, 12. Juni. (W. T. B) Das Patriarchat, und der Vorstand der hiesigen griechi⸗ schen Gemeinde überreichten der Pforte ein Gesuch um Aufrechterhaltung ihrer alten Privilegien und Gerechtsame, da die Pforte beabsichtigen soll, die bisher der Jurisdiktion des Patriarchats unterstellten Fragen der türkischen Jurisdiktion zu überweisen.

Rumänien. Bu karest, 11. Juni. (W. T. B.) Die Kammer beschloß heute eine Initigtivkommission zu wählen zur Ausarbeitung eines Entwurfs für die Verfassungs⸗ revision.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 11. Juni. (W. T. B.) Nachrichten auß Semipalatinsk zufolge ist der russische Grenzregulirungskommissar, General Bobkoff, heute dort durchgereist, um sich nach der Grenze zu begeben, wo er eine Zusammenkunst mit dem aus Shan⸗ ghai kommenden chinesischen. Kommissar haben wird, An der Grenze herrscht vollständige Qrdnung.

12. Juni. (W. T. B.) Die Ober⸗Polizeimeister von Moskau und St. Petersburg, Koslow und Gresser, sind in Anerkennung ihrer Leistungen bei den Krönungs⸗ feierlichkeiten zu General⸗-Lieutenants befördert worden.

Der n n g . nimmt

einen Sommeraufenthalt in Pawlowsk. Moskau, 11. Juni, Vorm. 11 Uhr 50 Min. (W. T. B.) Vor feiner Abreise von Moskau versammelte der Kgiser die gesammte Krönungskemmissign im Petromeki⸗Palast und dankte derselben in huldvollen Worten für die vortreff⸗ lichen Anordnungen, die von reichem Erfolge gekrönt worden seien. Der gute, und ungestörte Verlauf der ganzen Krö⸗ nungsfestlichkeit sei vor Allem der Seitens der genannten Kommission entfalteten Thätigkeit zu danken. Jedes Kom⸗ missionsmitglied erhielt die Erlagubniß, als dauerndes äußeres Andenken die Chiffre des Kaiserlichen Namenszuges, welche bisher das Abzeichen der Kommission bildete, auch ferner zu tragen.

Schweden und Norwegen. Stockholm, §. Juni. (Köln. Ztg.) Der frühere Staatsrath Thyselius ist vom Könige beauftragt worden, ein neues Ministerium zu⸗ sammenzustellen.

und machen ihm

Zeitungs stimmen.

Die Staatsbürger Zeitung“ schreibt unter der Ueberschrift „Der Sieg der guten Sache“:

Nachdem allseitig anerkannt worden war, daß die Vorlegung des Reichshaushalts-Ctats für 1884/35 keine Schmälerung der ver= fassungs mäßigen Rechte des Reichstags involvire, war die Frage, ob die Berathung nothwendig und nützlich sei oder nicht, von durchaus unter Eordneter Bedeutung, Aut diesem Grunde konnten wir denn auch den

ubel einzelner fortschrittlichen Blätter über die Annahme des Richter⸗ schen Antrages, welcher den ganzen Etat in die Kommission verwieg, nicht begreifen. Lange hielt dieser Jubel, in welchem sich eine gewisse Schadenfreude über eine Niederlage Bismarcks“ ausprägte, nicht an. Die Nachricht, daß die Kammisston ernstlich an die Berathung gehen und die Feststellung des Etats ermöglichen werde, trat mit allzu großer Bestimmtheit auf, um noch Zweifel darüber aufkommen zu 1 und so mußte man sich wohl oder übel in das ,,, ügen.

Seitdem ist nun der Ftat auch im Plenum in zweiter Lesung durchberathen und nichts steht seiner vollständigen Feststellung in dritter Lesung entgegen. Von all, den Befürchtungen, welche gewisse Blätter alltäglich ihren Lesern auftischten, ist keine einzige eingekroffen und das Schreckgespenst der Reaktion hat sich als ein Nebelbild er⸗ wiesen, das sich der Wirklichkeit gegenüber sofort verflüchtigt hat.

Das Publikum ist um eine Erfahrung reicher: es weiß jetzt, was es von den Schwarzmalereien gewisser Zeitungsorgane zu halten hat und wird dieselben künftig mit großer Vorsicht aufnehmen, und darum glauben wir, daß die Andeutungen, wie z. B. „der Fürst Bis⸗ marck hat den Etat und hraucht den Reichstag nicht mehr!) heute nicht mehr ziehen werden. Der Fürst Bismarck, davon . jetzt schon jeder überzeugt sein, verfolgt sein Ziel mit einer Sicherheit und Energie, die ihresgleichen suchen, und da wäre es doch wohl kleinlich gedacht, wenn man annehmen sollte, daß er vor den Schwierigkeiten, welche sich ihm auf dem Gebiete der sozialen Gesetzgebung entgegen⸗ stellen, zurückschrecken werde, für welche er nach Feststellung des Reichshaushalts Etats Zeit und Raum gewonnen hat.

Wir haben neulich über den Unterschied zwischen dem deutschen und englischen Parlament gesprochen; wenn Jemand irgend etwas zur Ausgleichung dieses Unterschiedes gethan hat, so ist es der Fürst Bismarck gewesen, indem er dafür gesorgt hat, daß dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritt nur bestimmte Fragen von der allergrößten Wichtigkeit vorgelegt werden, denen gegenüber jeder Ab⸗ geordnete Farbe bekennen muß. Das Unfallgesetz, die Altert⸗ und Invalidenversorgung sind Institutionen, für die das gesammte deutsche Volk das lebhafteste Interesse hat, und mehr als sonst wird es das Kampfspiel beobachten, welches sich im Parlament dar⸗ über entwickeln wird. In Folge dessen wird sich aber auch jeder Ab geordnete der Verantwortlichkeit für sein Votum seinen Wählern gegenüber bewußt sein und darum weit mehr seiner Ueberzeugung als einer gewissen Parteidisziplin folgen, die ihn zu einer Stimmmaschine herabwürdigt. . . ..

Wir haben uns nicht geirrt und werden uns auch ferner nicht irren, wenn wir behaupten, daß die Vertreter des Volkes in ihrer Majorität schließlich doch das thun werden, was sie im Interesse des deutschen Volkes für nothwendig halten. Möge der Kampf auch 9 so heftig sein, der Sieg wird endlich doch der guten Sache werden. Im Hinblick auf die Klagen über die außergewöhn⸗ lichen Beschwerden der Reichstags⸗ und Landtagssession bemerkt der „Westfälische Merkur“:

Es hilft da kein Mundspitzen, eg muß gepfiffen, sein, und wenn uns das Abgeordnetenhaus nur ein gutes 1 g fit Gesetz be⸗ scheert, so werden die Wähler dem Fürsten Bismarck noch danlbar sein, daß er, die, Herren nicht nach Hause gehen läßt. Es sollten aber gerade die Liberalen bei ihren ewigen Klagen Über die parla⸗ mentarische Lage begreifen, daß man ohne zweijährige Etatsperioden keine Besserung schaffen kann, Freilich hat das Centrum auch da⸗ gegen gestimmt, aber hauptsächlich nur aus dem Grunde, damit es Gelegenheit habe, die kirchenpolitische Bedrückung der Katholiken nach Bedürfniß zum Gegenstand seiner Beschwerden zu machen. Wenn durch eine Revision der Maigesetze dieser Gesichtspunkt fortfällt, wird die Mehrheit des Centrums sich ohne Zweifel für zweijährige Etats⸗ perioden entscheiden.“

In den „Hamburger Nachrichten“ findet sich ein Artikel gegen die Fortschrittspartei, in welchem ein Frei= ö. folgende Zugeständnisse über unsere Reformpolitik macht:

Was die wirthschaftlichen Pläne betrifft, o sind wir, die Mit glieder eines glücklichen Gemeinwesens, das im Laufe der Jahr⸗ hunderte durch seine günstige Lage und den Fleiß seiner Be⸗ wohner groß geworden ist, im Stande, auf den Schutz unserer Arbeit und Produktion zu verzichten; wir empfinden ihn sogar als lästigen Zwang, wollen mit Recht nichts von ihm wissen

Bypßs ition, so weit es in unseren Kräften steht. Ob aber die noch vielfach zurückgebliebene Industrie des Inlandes nicht durch Schutzzölle gestärkt und der fremden Konkurrenz gegenüber lebenskräftiger werden und durch ihre Blüthe Wohlstand in weiten Kreisen verbreiten würde wie ja Schutzzoll der amerikanischen Industrie zu ihrer unvergleichlichen . verholfen hat ist eine Frage, die erst die Zukunft lösen wird, und die mit einem noch so entschiedenen Nein“, selbst wenn es von sogenannten Sachkundigen ausgeht, nicht erledigt werden wird. Sehr wohl möglich ist es, daß auch in dieser Frage die oft erprobte Intuiton des Kanzlers das ö trifft. as aber die sozialpolitischen Absichten des Reichskanzlers anlangt, so ö. seine ebenso selbstbewußten, wie kurzsichtigen Gegner sich überzeugt halten, daß, wenn der Himmel ihn dem Deutschen Reiche noch einige Jahre erhält, seine Pläne für das Wohl der Ar beiter nicht nur in Deutschland zur Ausführung gelangen, sondern ihren Siegeslauf durch die gesammte eivilisirte Welt antreten werden.“

In der „Schlesischen Zeitung“ lesen wir:

Seit dem Beginn dieses Jahres hat die Regierung in der par⸗ lamentarischen Areng Erfolg auf Erfolg erzielt. Das Ab⸗ eordnetenhaus ist ihrem Verlangen, die wenig bemittelten Volks⸗ e e, von direkten Staatssteuern zu entlasten, durch die Besei⸗— tigung der beiden untersten Stufen der Klassensteuer und durch Er leichterungen für die nächsthöheren weit entgegengekommen, und jedenfalls wird sich die 9 der Exekutionen fortan sehr erheblich mindern. Die auf Erhaltung eines soliden Bauernstandes gerichteten Bestrebungen erfahren durch die neue Subhastations⸗ ordnung und die ihrem Abschlusse i. engehende Landgüter Ordnung für Brandenburg eine wesentliche Förderung. Der Vorlage bezüglich der Sekundärbahnen ist allgemein zĩugestimmt worden, auch haben die früheren Gegner der Verstaatsichung der Eisenbahnen keinen Anstand genommen, der Regierung weitere Mittel zur Vervollständigung des Staatsbahnnetzes zu bewilligen. Der leb— hafte Interessenkampf, welchen das Kanalprojekt wachrief, hat mit fast unveränderter Annahme der Regierungsvorlage seinen vorläufigen Abschluß gefunden. Auf dem Gebiete der Verwaltungsreform steht die wichtigste Entscheidung noch auJz, die Regierung aher hat wenigstens insofern bereits einen großen prinzipiellen Sieg erstritten, als beide Häuser des Landtags in die Vereinigung des Bejirksrathes und des Verwaltungsgerichts zu einer einheitlichen Behörde, in welcher, von einzelnen Außnghmen abgesehen, der Regierungs-Präsident den Vor⸗ sitz führt, zugestimmt haben, Im Reichstage, dessen Zusammen . ö. fuͤr die Regierung keineswegs günstig ist, hat die erste der ozialpolitischen Gesetzesvorlagen eine ühergui imposante Majorität auf sich e n die heftig umstritten. Novelle zur Ge werbebrdnung ist, gleichfalls; mit, erheblicher Mehrheit zur Annahme gelangt. Dem in der Kaiserlichen Botschaft ausgedrückten Wunsche entsprechend, hat die Kommisston des Reichs tags die Vorberathung des Etats pro 1884/85 binnen kürzester Frist erledigt und schon ist das Plenum in der Spezialberathung wie Herr Richter klagte „mit Sturmegeile! weit vorgeschritten. Alle