1889 / 14 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Jan 1889 18:00:01 GMT) scan diff

bedacht gewesen, ist mißglückt, denn von den in dieser Be⸗ ziehung benannten Zeugen haben bekundet: ;

Der Staats⸗Minister a. D., General der Infanterie z. D. von Stosch: ; ;

Im Jahre 1886 oder 1887 habe der damalige Kronyrinz zu ihm geäußert, Er könne ihm Sein Tagebuch von 1870/71 nicht mittheilen, da dasselbe zu viel Persönliches enhalte; übrigens würde dasselbe auch vor einer langen Reihe von Jahren nicht zur Veröffentlichung ge⸗ langen können, da darin auch zu viel Politisches enthalten sei; ;

und der Schriftsteller Geheime Rath Dr. Freytag.

In der Zeit von 1813 bis 1816 habe er dem Hochseligen Kaiser, dem damaligen Kronprinzen, in Dessen Hauptquartier er sich während eines Theils des Krieges von 1810/71 be⸗ funden, auf ergangene Einladung in Potsdam seine Auf⸗ wartung gemacht und bei dieser Gelegenheit auf Anordnung des Kronprinzen durch den Kabinets-Sekretär von Normann ein von Kanzleihand geschriebenes Tagebuch von 1870/71 zur Lektüre übergeben erhalten. Nach beendigter Lektüre habe er dem Herrn von Normann und auch dem Kronprinzen gegenüber

äußert und die dringende Bitte ausgesprochen, daß eine er ger tss h eng des Tagebuchs, sowie . eine Mit⸗ theilung desselben an Dritte, wie eine solche hinsichtlich früherer Tagebücher erfolgt sei, unter allen Umständen unter⸗ bleiben möchte. Zu dieser Meinungsäußerung sei er haupt⸗ sächlich veranlaßt durch die in dem Tagebuch enthaltenen, übrigens mit den von dem Kronprinzen während des Krieges ihm mündlich kundgegebenen Auffassungen übereinstimmenden Mittheilungen über die Gründung des Reichs, deren Be⸗ kanntwerden ihm für das Wohl des letzteren, sowie für das Ansehen des Hohen Verfassers selbst als durchaus unzuträglich erschienen sei. Auf seine Aeußerungen habe sich auch der Kronprinz im zustimmenden Sinne erklärt.

Die Veröffentlichung verstößt in ihrem gesammten Inhalt gegen den §. 92 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs.

Im Einzelnen kommt hierbei Folgendes in Betracht:

Die Tagebuchsauszüge enthalten Aufzeichnungen über die Verhandlungen bei der Entstehung der Reichsverfassung, über die Stellung der Regierungen einzelner Bundesstaaten zu diesen Verhandlungen und über die Auffassung, welche bei dem König und dem Kronprinzen von Preußen, dem König von Bayern und anderen Bundesfürsten über die einschlagenden Verhältnisse vorherrschte.

Die Auszüge enthalten auch Bemerkungen über die Be⸗ ziehungen Deutschlands zu auswärtigen Regierungen, zur Päpstlichen Kurie, zu Rußland, England, Luxemburg, Belgien und Frankreich. Die berichteten Thatsachen sind solche, deren Geheimhaltung für das Wohl des Deutschen Reichs erforderlich ist. Bei der Prüfung der . keit der Geheimhaltung kommt es nicht sowohl darauf an, ob die berichteten Thatsachen im Einzelnen objektiv wahr find, als vielmehr darauf, daß sie berichtet sind von dem Preußischen Kronprinzen, dem nachmaligen Deutschen Kaiser; denn ihre Autorität auf dem Gebiete politischer Erwägungen und Ent— schließungen erhalten die Außzeichnungen an und für sich ver— möge der Stellung des dern e, in der öffentlichen Meinung, insbesondere auch bei den anderen Regierungen, unabhängig von der Frage nach ihrer Richtigkeit in Einzelheiten.

ü Die Entstehung der Verfassung des Deutschen Reichs.

Die folgenden Stellen kommen insbesondere in Betracht:

IL. Seite 9 J. August. Ich bleibe dabei, daß wir unmöglich nach erlangtem Frieden uns mit der bloßen An⸗ bahnung neuer Bestrebungen im deutschen Sinne begnügen können, vielmehr verpflichtet sind, dem Deutschen Volk etwas Ganzes, Greisbares zu bieten, und man hierfür das Eisen der deutschen Kabinete schmieden muß, so . es noch warm ist.

3 Seite 14 30. September. Ich rede Se. Majestät auf die Kaiserfrage an, die im Anrücken begriffen; er be⸗ trachtet sie als gar nicht in Aussicht stehend, beruft sich auf Dubois-Reymond's Aeußerung, der Imperialismus liege zu Boden, sodaß es in Deutschland nur einen König von Preußen, Herzog der Deutschen geben könne. Ich zeige dagegen, daß die drei Könige uns nölhigen, den Supremat durch den Kaiser zu ergreifen, daß die tausendjährige Kaiser- oder Königskrone nichts mit dem modernen Imperialismus zu thun habe; schließlich wird sein Widerspruch schwächer.

3) Seite 15 10. Oktober. Delbrück kommt, Bayern will auf die Bedingungen für Eintritt in den Norddeutschen Bund eingehen, nur Militär und Diplomatie vorbehalten. Die Minister sind unter sich uneinig und berufen sich auf widersprechende Aeußerungen des Königs, der sich mit Delbrück 1 Stunden über Gegenflände, die sich meist auf dessen Mis⸗ sion nicht bezogen, unterhielt.

4 Ibid. Der König von Württemberg will direkt mit 69. unterhandeln, um nicht in Bayerns Schlepptau zu er—

heinen.

5) Seite 17 3. November. Delbrück meint, man . doch einen Bundesgenossen wie Bayern im gegenwärtigen Augenblicke nicht mit Gewalt zum Eintritt zwingen können; ich aber behaupte, daß wir uns unserer Macht gar nicht be! wußt sind, folglich in dem gegenwärtig weltgeschichtlichen Augenblicke das, was wir ernstlich wollen, auch zweifellos lönnen, nur Gott sei's geklagt, fragt es sich, was wir wollen und wer jetzt etwas ernftlich will. ö

6) Seite 135 11. November. Der Großherzog hat einen ganz wundervollen Brief an den König von Bayern geschrieben, der aber unbegntwortet geblieben ist. Württemberg macht untergeordnete Reservation bei der Militär-Konvention, das Recht zur Beförderung in seiner Division benachtheiligt seine eigenen Offiziere.

JI).Ibid. 12. November. Die württembergischen Minister sind plötzlich auf schlechte Nachrichten abgereist, als sie unter—= zeichnen wollten; das ist eine Intrigue Gasser's, Succo und Mittnacht sind ehrlich. Roon und Podbielski beklagen sich, nichts zu wissen, Bismarck ist entsetzt, daß solche preußischen Partikulgristen überhaupt mit der Angelegenheit zu thun haben.

IS) Seite 18 und 19 14. November. Gespräch mit Bismarck über die deutsche Frage, er will zum Abschluß kommen, entwickelt aber achselzuckend die Schwierigkeiten; was man denn gegen die Süddeutschen thun solle? Ob ich wünsche, daß man ihnen drohe? Ich erwidere: „Jawohl, es ist gar keine Gefahr, treten wir sest und gebietend auf, fo werden Sie sehen, daß ich Recht hatte zu behaupten, Sie seien Sich Ihrer Macht noch, gar nicht genügend bewußt.“ Bismarck

wies die Drohung weit ab und sagte, bei even⸗

Bundesstaaten hängt das Wohl des Deutschen Reichs

uellen äußersten Maßregeln dürfe man am wenigsten . . weil n jene Staaten in Oesterreichs Arme treibe. So habe er bei Uebernahme seines Amts den festen Vorsatz gehabt, Preußen zum Krieg mit Desterreich zu bringen, aber sich wohl gehütet, damals oder zu früh mit Sr. Majestät davon zu sprechen, bis er den Zeitpunkt für geeignet angesehen. So müsse man auch gegenwärtig der Zeit anheim⸗ stellen, die deutsche Frage sich entwickeln zu sehen. Ich er⸗ widerte, solches Zaudern könne ich, der ich die Zukunft re— präsentire, nicht gleichgültig ansehen; es sei nicht nöthig, Gewalt zu brauchen, man könne es ruhig darauf ankommen

lassen ob Bayern und Württemberg wagen würden, 6 SBesterreich anzuschließen. Es sei nichts leichter, als von der hier versammelten Mehrzahl der deut⸗

en Fürsten nicht bloß den Kaiser proklamiren, son⸗ . 6 eine den berechtigten Forderungen Des deut⸗= schen Volkes entsprechende Verfassung mit Oberhgupt genehmigen zu lassen, das würße. eine Pression sein, der die Könige nicht widerstehen könnten. Bismarck bemerkte, mit dieser Anschauung stehe ich ganz allein; um das gewollte Ziel zu erreichen, wäre es richtiger, die An— regung aus dem Schooße des Reichstages kommen zu lassen. Auf meinen Hinweis auf die Gesinnungen von Baden, QAldenburg, Weimar, Coburg, deckte er sich durch den Willen Sr. Majestät. Ich, erwiderte, ich wisse sehr wohl, daß sein Nichtwollen allein genüge, um eine solche Sache auch bei Sr. Majestät unmöglich zu machen. Bismarck entgegnete, ich mache ihm Vorwürfe, während er ganz andere Personen wisse, die jene verdienten. Hierbei sei die große Selbständig⸗ keit des Königs in politischen Fragen zu berücksichtigen, der jede wichtige Depesche selbst durchsehe, ja korrigire. Er bedauere, daß die Frage des Kaisers und Oberhauses über⸗ haupt diskutirt sei, da man Bayern und Württemberg dadurch vor den Kopf gestoßen. .

Y Seite 20 17. November. Delbrück reist zur Reichs⸗ tags-Eröffnung nach Berlin, er ist nicht entmuthigt und glaubt, ö. unsere Taktik, die Bayern seit 14 Tagen zu ignoriren, ihre guten Früchte trage, da sie um Wiederaufnahme der Ver⸗ handlungen gebeten. ; ;

10) Ibid. 21. November. Bismarck sagt beide Königreiche wollten nun eintreten, er müsse aber seine Trümpfe auch noch ausspielen. Roon drohe die Militärverhandlungen über die äußeren Abzeichen abzubrechen.

1I) Seite 21 30. November. Ein Konzept Bismarck's für den Brief des Königs wegen der Kaiserwürde an Se. Majestät ist nach München gegangen; der Großherzog sagt mir, man habe dort nicht die richtige Fassung zu . ver⸗ mocht und sich dieselbe von hier erbeten, der König von . den Brief wahrhaftig abgeschrieben und Holnstein

ringt ihn!

12 Seite 222 9. Dezember. Man fragt, ob dieser Bund das Resultat aller Opfer sein solle, ein Werk, das nur den Männern passe, für welche und von denen es gemacht. Ich bin mir wohl bewußt, welche unendliche Mühen und Be⸗ , mir dereinst die heutigen Unterlassungssünden bringen werden. ; 13) Ibid. 12. Dezember. Es ist an den König von Bayern fee e t, er möge die längst in seinen Händen be⸗ findlichen Schreiben hersenden.

14) Seite 24 31. Dezember. Der König erklärt, zu morgen keine öffentliche Kundgebung zu wollen, weil Bayern noch nicht zugestimmt Bismarck erklärt, ohne Bayerns Zutritt keine Inaugurirung vornehmen zu können.

15) Ibid. 1. Januar. Der König begrüßt mich ernst und freundlich bewegt mit dem Wunsche, daß es mir dereinst vergönnt sein möge, die Friedenssaat der jetzigen Arbeit zu erleben. Er könne sich freilich nicht denken, daß die dauernde Einigung Deutschlands bestehen bleiben werde, da leider die wenigsten Fürsten so handelten und gesonnen seien, wie es zu wünschen wäre und denen der Großherzog ein so edles Beispiel gebe.

Die hier berichteten Thatsachen sind in doppelter Richtung von Bedeutung, einmal für das Verhältniß Preußens zu den anderen Bundesstaaten und zum Reich, dann für die Slg ung der ausländischen Regierungen zum Deutschen

eich.

A. Von dem Verhältniß Preußens zu den anderen

, ab. Das Wohl des Reichs beruht in erster Linie auf, der Einigkeit der dasselbe bildenden Glieder. Diese Einigkeit wird erschüttert, wenn einzelnen Gliedern des Reichs Nachrichten mitgetheilt werden, welche bei ihnen Miß— trauen gegen den führenden Bundesstaat und den Träger der mit Preußen verbundenen Kaiserkrone zu erregen geeignet sind. u solchen, das Mißtrauen er— weckenden Nachrichten gehört dasjenige, was über die Auffassung des preußischen Thronerben in Bezug auf die Stellung der , zu den einzelnen Bundes⸗ gliedern, insbesondere über die Absicht desselben mitgetheilt wird (S. 17, 19), die süddeutschen Staaten zu einer Ent— äußerung ihrer vertragsmäßigen Selbständigkeit und ihrer wesentlichsten Hoheitsrechte zu Gunsten des Kaisers zu zwingen. Die Kenntniß von dieser Absicht kann bei ein— zelnen Bundesgenossen die Befürchtung erregen, es könne die gleiche Absicht, wenn sie einmal nahe daran war, sich auf, dem preußischen Throne zu verwirklichen, auch ein zweites Mal zur Erscheinung gelangen, und diese Befürch— tung kann der Erwägung Raum . ob nicht durch recht⸗ zeitiges Ablommen mit anderen Mächten die Zukunft sicher zu stellen sei

Diese Betrachtung findet ihre Bestätigung in dem, was die preußischen Gesandten an den deutschen Höfen über den Eindruck berichten, welchen die Veröffentlichung des Tagebuchs gemacht hat. Inhalts derselben hatte, nach der berichteten Äeußerung des Ministers, Freiherrn von Lutz, die bayerische Regierung den Eindruck gemonnen, die Anschauung des damaligen Kronprinzen sei im Jahre 1870 dahin gegangen, das durch die Verträge Erreichte sei nur deshalb annehmbar, weil sich zur Zeit nicht mehr erreichen lasse. Der sächsische Minister-⸗Präsident und die rer des Innern und des Kultus erklärten, daß die Veröffent= lichung das monarchische Prinzip schädige, und die bei der Errichtung des Deutschen Reichs betheiligten Souve⸗ räne verletze. Der Bericht aus Stuttgart charakterisirt die bereits eingetretene Schädigung des Reichs, weil die Publikation neuen Unfrieden gestistet und die arteigegen⸗ sätze gefördert habe. Aehnlich der Bericht aus aden, und die Berichte aus London und Wien konftatiren ausdrücklich

B. Die Stellung der ausländischen Regie⸗ rungen zum Deutschen Reich wird durch die Tagebuch— Publikationen insofern beeinflußt, als jene Regierungen aus den Veröffentlichungen die Auffassung entnehmen

können, als ob im Falle eines Krieges nicht auf den Widerstand des gesammten Deutschen Reichs gerechnet werden müsse, und

mit Nothwendigkeit ; als ob ein . desselben eine nicht auszuschligßende Möglichkeit sei. Die Gefährdung des Deutschen Reichs ist eine doppelte: Stärkung der kriegerischen Neigun derjenigen Mächte, welche einen Kampf mit Deutschlan innerhalb der Ziele ihrer Politik erachten und Schwächung des Zutrauens der Bundesgenossen zur n ei des Deutschen Reichs. Die Thatsachen, die hierbei in Be— tracht kommen, sind namentlich die Aeußerungen des Königs von Preußen über die Einigung Deutschlands, die Vot— gänge bei Abfassung des Briefes Königs Ludwig, die Wei⸗ terungen und die nur mühsam zu überwindenden Schwierig= keiten, die sich den gehegten Plänen entgegenstellten, sowie der Tadel, den dieselben von Haupt-Interessenten ihrer an⸗

geblichen Unvollkommenheiten wegen erfuhren.

Die Annahme, daß in dem Bekanntwerden dieser That— sachen eine Gefährdung des Deutschen Reichs liege, wird auch hier durch die Gesandtschaftsberichte bestätigt. Der Bericht aus St. Petersburg konstatirt den Ausdruck unver— lennbarer Schadenfreude auf Seiten der Feinde Deutsch⸗ lands und deren Befriedigung über die Wahrnehmung, daß das neu erstandene Deutsche Reich seine sehr verwundbaren Stellen habe und daß die mit Schwierigkeiten, wie sie im Tagehuche geschildert werden, zu Stande gekommene deutsche Einigkeit nur eine formelle sei und 36. leicht einmal wieder in die Brüche gerathen könnte. Derselbe Bericht weist nach, daß die panflavistische Presse auf Grund der Tagebuch⸗ Auszüge die Leitung der deutschen Politik von Neuem zu verdächtigen und die Feindschast gegen Deutschland zu nähren sucht. In dem Pariser Bericht werden die, die einflußreiche öffentliche Meinung vertretenden Aeuße= rungen der Presse zusammengestellt, aus denen sich ergiebt, daß man aus den „Kéxélations precienses“ er- kenne „le pied d'argile du colossen daß man Freude hat an dem nachgewiesenen Mangel an Festigkeit des Reichs, der dasselbe bündnißunfähig mache und den kleineren deutschen

Staaten den Gedanken nahe lege, das preußische Joch zu gelegener Zeit abzuschütteln. II. Die Beziehungen zur Kurie. Die folgenden beiden Stellen kommen in Betracht: 1) Seite 16 24. Oktober. Bismarck erzählt meinem Schwager, daß er nach Beendigung des Krieges gegen die

Unfehlbarkeit vorgehen wolle.

2) Seite 18 12. Novemher. Ledochowsky erkundigt sich, ob der Papst Aufnahme in Preußen finden werde. Bitz marck würde das Verlaͤssen Roms für einen ungeheuren Fehler Pio Nono's halten, aber sein Aufenthalt in Deutsch⸗ land könne gut wirken, weil die Anschauung der römischen Priesterwirthschaft die Deutschen kuriren werde.

Die Niederschrift der ersteren Notiz findet ihre Er⸗ klärung darin, daß der Kronprinz wiederholt darüber inter— pellirt hatte, ob gegen die Infallibilität nichts geschehen werde; die Absicht, diese Frage geschäftlich aufzunehmen, lag der damaligen Regierung absolut fern, und man verfuchteè wei teren, dem Thronerben gegenüber schwierigen Erörterungen einer unbequemen Frage dilatorisch durch das praktsche Argu⸗ ment ein Ziel zu setzen: vor der Hand sei der Krieg zu führen und der angeregten Frage könne man erst nach dem Kriege näher treten. Die Absicht, letzteres zu thun, war garnicht vorhanden. Die Kronprinzliche Aufzeichnung wird aber immerhin zu dem Vorwande benutzt werden können, die Regierung habe feindselige Hintergedanken gehabt und werde bei anderen Gelegenheiten bemüht sein, diefelben zu verwirklichen. Die Außzeichnung war daher zum Wehle des Deutschen Reichs geheim zu halten. Dasselbe gilt von der Aufzeichnung unter Nr. 2. Diese Annahme wird auch bestätigt durch den Bericht des Gesandten am Päpstlichen Stuhl, in welchem nachgewiesen wird, daß die römischen Intransigenten mit besonderem Nachdruck daran erinnern, wie oft und wie dringend sie den Papst vor der „Ketzer-Regierung“ in Berlin gewarnt hätten; die Berechtigung ihrer Mahnungen ergebe sich aus den Tagebuch-Aufzeichnungen, welche auf eine tief⸗ gehende feindselige Gesinnung abseiten der deutschen Regierung gegenüber der Kurie hindeuteten. Gleiche Meinungen sind in der Presse zum Ausdruck gekommen, und das ultramontane Wiener „Vaterland“ läßt deutlich die Hoffnung durchblicken, daß die Beziehungen zwischen Preußen und dem Vatikan getrübt werden und der Centrums⸗ partei neue Waffen gegen die Regierung in die Hände ge— drückt werden könnten.

III. Die Beziehungen zu Rußland.

Die folgenden Stellen:

I) Seite 13 14. November. Die russische Lossagung bestätigt sich; es wird erzählt, Palmerston habe Brunnom bei Unterzeichnung des Vertrages von 1856 gesagt, derselbe werde nicht 10 Jahre dauern. General Annenköw hringt einen Brief des Kaisers Alexander, Reuß erhielt erst bei Abgang desselben Nachricht davon mit dem Bemerken, er möge nicht cher telegraphiren, als bis der König den Brief erhalten. Wir telegraphiren, den Schritt zu verschieben, aber erhalten die Antwort, es sei zu spät, es seien gleichzeitig Mittheilungen nach London und Wien gegangen. . ü

16. November. Unsere Vertreter sollen passiv bleiben, der König ist sehr betroffen und sagt mir, diese Ueberraschung sei außer allem Spaß, in England wird dies sicher als eine Rache für die Waffenausfuhr angenommen. Bismarck aber stellt jedes Mitwissen in Abrede. ; ;

Y Seile 305 19. Jiovember. Bismarck soll bei Goꝛt⸗ schakow's Note gerufen haben: „Die dummen Kerls haben vier

ochen zu früh begonnen.“ 3 ft ö . Lossagung Rußlands von der Konven⸗ tion in Befreff des Schwarzen Meeres. Die Aufzeichnungen über die wenig wohlwollende Haltung des damaligen Königz von Preußen, der gegenüber jenem . Rußlands nach jener Registrirung die Kündigung des Vertrages, hinaus— schieben wollte, sind Nachrichten, welche geeignet sind, der russischen Reglerung gegenüber das Wohl des Reichs zu ge⸗ sährden, und welche deshalb dieser gegenüber hätten geheim gehalten werden müssen. Der oben ad J. B erwähnte

die, Gefahr sür die inneren Beziehungen des Deutschen Reichs, welche durch die Publikation 3 könne. .

„Nowosti⸗⸗Artikel bestätigt dies.

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