— namentlich in der englischen Presse Beistand sucht für diese Ge= legenheit. Eine Zeitungsstimme findet dort oft mehr Gehör als die eines auswärtigen Gesandten, won dem man doch annimmt, daß er mehr die eigenen Landesinteressen als wie die englischen wahrnimmt. Aber es ist, wie ich Eingangs bereits bemerkte, ganz zweifellos, daß sehr viele Engländer, alle, die nicht der Niger Company angehören, mit unseren Kameruner Ländern ein identisches Interesse haben, und wenn dort auf Grund kaufmännischer Beziehungen und Correspondenzen ein. Gemeinschaft hergestellt werden könnte, so können deren Be— mühungen auf die Beihülfe der deutschen Botschaft in England und des Autwärtigen Amtz stets mit Sicherheit rechnen, und wir brauchen deshalb die Sache nicht von Neuem anzufangen. Es ist. Gegenstaud langjähriger Correspondenzen und Beschwerden unsererseits gewesen, und ich bin dem Herrn Vorredner doch dankbar, daß er uns einen neuen Anstoß in der Beziehung gegeben hat.
Staatssekretär Graf von Bismarck: =
Meine Herren! Ich hatte in Bezug auf die Aus führungen des Hrn. Abg. Woermann nur noch einige kurze geschäftliche Mittheilungen machen wollen. Es ist zunächst ganz richtig, wie der Herr Abgeyrd⸗ nete uns erzählt hat, daß der Handelsstand in Lagos sich im Mai 1888 bei der eigenen Regierung beschwert hat über zu hohe Zölle. Die Schwierigkeit, die Sache anzufgssen, liegt aber auch für die englische Regierung darin, daß die Niger⸗-Company bisher alle An— gaben bestreitet, welcher sowohl unser Handelsstand — zuletzt durch eine Beschwerde, glaube ich, der Handelskammer von Hamburg im September an den Sengt — als auch die englischen Angesessenen
dort machen. Unser Abkommen vom 2. Juni 1885 mit England, welcheß der Hr. Abg. Woermann auch kennen wird, bedingt Zollfreiheit auf dem Niger mit Ausnahme
erhoben werden dürfen, um die Ver= Es ist darin ausdrücklich gesagt; diese Zölle Nun liegt es ja guf der Hand,
derjenigen Zölle, die waltungskosten zu decken s sollen so niedrig als möglich sein. — ; n daß dies immerhin eine allgemeine Angabe ist; „so niedrig als mög⸗ lich“ wird die Niger Company ganz anders auslegen, als die übrigen Interessenten, ¶nd wir sind bet unserer umfangreichen Correspondenz mit der englischen Regierung, in der wir uns unserer Interessenten, wie schon das Datum unseres Abkommens, das Jahr 1885, zeigt, leb haft angenommen hahen, auf, den Punkt gediehen, daß unsere An⸗ gaben sowie die des Handeltstandes in Lagos, schließlich als einseitige, von der Niger-Company bestrittene Behauptungen dastehen, die, ob=
leich von englischen Unterthanen getheilt, doch von der Company in . gestellt wurden. ⸗
Soweit die englische Regierung in Betracht kommt, kann ich nur
sagen, daß dieselbe prinzipiell auf demselben Boden steht wie wir, insofern sie darin mit uns übereinstimmt, daß die Niger-⸗Company zur strengen Beobachtung der internationalen Abkommen angehalten werden muß. Angesichts dieser Unmöglichkeit, die Angaben der dort Handeltreibenden jetzt amtlich zu bestätigen, haben wir uns ver⸗ anlaßt gesehen, einen Berufs beamten nach Lagos zu schicken, damit wir die amtlichen Unterlagen bekommen, um die Reklamationen, die wir fortgesetzt im Interesse unserer Reichsangehörigen bei der englischen Regierung anbringen, sobald sie berechtigt sind, zu be⸗ gründen; und so viel ich gehört habe, beabsichtigt die englische Re⸗ gierung ebenfalls, einen Beamten von England dorthin zu schicken, um die Angelegenheit an Ort und Stelle zu prüfen Es ist also nach der ganzen bisherigen freundschaftlichen Haltung, die die englische Regierung uns in allen Kolonialverhandlungen entgegenbringt., an— zunehmen, daß, sobald wir die amtliche Unterlage von beiden Seiten haben, um zu ergänzen oder richtig zu stellen, was bisher außeramtlich vom Handelsstand angegeben ist — daß wir dann zu einer befriedigenden Erledigung der Sache kommen werden.
Abg. Richter: Die Baseler Missionsgesellschaft, welcher Abg. Woermann neulich das Zeugniß ausgestellt habe, daß sie in ihrem bisherigen Wirkungskreise in Lagos eine segensreiche Thätigkeit entfaltet habe, beklage sich in einem kürzlich veröffentlichten Bericht über die von deutschen Firmen bewirkte Ueberschwemmung der deutschen Schutzgebiete in Kamerun mit Branntwein; die Thätigkeit der Missionare werde dadurch ganz erheblich gehemmt; wenn sie versuchten,
diesem Ueberhandnehmen des Genusses von Brannt⸗ wein zu steuern, so liefen sie Gefahr, daß ihre ganze junge Christengemeinde sich wieder auflöse; sie
wünschten deshalb, daß der Reichstag und die Regierungen die Frage ins Auge faßten, wie dieser Branntweinpest in Kamerun, die namentlich von deutschen Firmen dort gefördert werde, gesteuert werden möge. Man könne mit dem Reichs—⸗ kanzler der Meinung sein, daß der Branntwein in Deutsch⸗ land ein nothwendiges Getränk des berühmten armen Mannes sei. Etwas Anderes aber sei es in Norddeutschland, als im tropischen Klima. Es werde jetzt so viel dabon gesprochen, daß Deutschland den Beruf hätte, Gesittung nach Afrika zu tragen; der Abg. Woermann habe das neulich noch besonders ausgeführt. Nun gehöre es seines Erachtens nicht in erster Neihe zu den deutschen Aufgaben, dieses Kulturprodukt, den Branntweingenuß, in den tröpischen Gegenden derart zu för⸗ dern. Er würde es vielmehr für ganz gerechtfertigt halten, wenn man dazu überginge, den Branntweingenuß zu beschränken oder die Einfuhr ganz zu verbieten. Nahe liege hier auch die Frage nach der Einfuhr von Waffen und Munition. Graf isn arc sei gegenwärtig mit großer Energie darauf bedacht, das Verbot dieser Einfuhr in Ot Afrika mit den vereinigten Kräften der dort betheiligten Mächte durchzuführen; soiche Einfuhrvenbote würden auch für West-Afrika befürwortet, so weit das Congogebiet und die benachbarten französischen und portugiesischen Besitzungen in Frage kämen. Aber in Bezug auf die deutschen Gebiete in West-Äfrika, Kamerun und Togo, gehe die Einfuhr von Waffen und Munition ganz ungehindert. Wenn heute die Errichtung und Vertheidigung von Kolonien größere Schwierigkeiten finde als früher, fo liege das daran, daß die Eingeborenen nicht blos mit Pfeilen und Waffen, sondern durchweg sogar schon mit Hinterladern ausgerüstet seien. In Neu⸗Guineg habe die Reichsregierung von Anfang an ein Verbot der Waffeneinfuhr erlassen; andernfalls würde es der Deutschen Gesellschaft wohl schlecht ergangen sein. In Ost-Afrika kämen die Verbote vielleicht schon zu spät, wenn es wahr sei, daß über Zanzibar mehr als 30 660 Gewehre be⸗ reits in das Innere verkauft seien; aber in West -Afrika läge s im eigenen Interesse, gegen diese Einfuhr einzuschreiten. Wenn die Kolonialpolitik einmal weit über den Wunsch seiner Partei ausgedehnt werden solle, so habe sie das Interesse, daß das nicht mit allzu blutigen Opfern erkauft werde. Dis Frage des Hinterlandes von Kamerun und Togo sei durch⸗ aus noch nicht gelöst; aber je mehr man die Eingeborenen mit Gewehren zu versorgen fortfähre, um so schwieriger werde es, das Handelsmonopol, das diese Völkerschaften der Küste gegenüber hätten, zu durchbrechen; schon bei den bisherigen Erforschungs-Expeditionen hätten die Lieutenants Kundt und Tappenbeck üble Erfahrungen aus diesem Grunde machen müssen. Es wäre intereffant, einmal zu erfahren, wie weit an der n h. in Kamerun und Togo Branntwein und Waffen betheiligt feien, und welchen Werth die übrigen Artikel noch darstellten, wenn man jene abziehe. (Zuruf des Abg. Woermann.) Hr. Woermann habe neulich interessante statistische Daten mitgetheilt; nur bedauere er (Redner), daß sie sich blos auf die englischen Gebiete von West= Afrika bezögen, man aber nicht irgend eine Zahl von
entnehme ich die Neigung desselben, weit größere Ausgaben sür die koleniale Politik zu machen, als das Reich bisher von dem Reichstage
rechtes des
irgend eine Entschädigung, ja, dann begreife ich seine Rede. Aber ich
Auswärtigen erhalten in Kamerun neulich aus⸗
ihm oder dem Staatssekretär des Ausmn habe in Bezug auf die Einfuhrverhältnisse oder Togo. Der Abg, Woermann habe ö. geführt, wie sich die Einfuhr nach den vier westafrika⸗ nischen Kolonien von 18873 — 87 gesteigert habe; er stelle die Verhältniffe in Kamerun gewissermaßen als Muster hin, um zu der Kolonialpolitik in Sst-Afrika zu ermuthigen; um so wichtiger sei es, die wirklichen Verhältnisse in Kamerun genau festzustellen. Hr. Woermann habe aus seinen Zuständen Fol⸗ gerungen zu ziehen versucht; er habe sie aber selbst wieder entkräftet, indem er auf die Zunahme der deutschen Einfuhr in Lagos auf englischem Gebiet hingewiesen. Wenn also die Zu⸗ nahme deutscher Waaren in West-Afrika davon ganz unab⸗ hängig sei, ob die deutsche oder eine andere Flagge dort wehe, fo hänge sie von der Entwicklung der Territorien ab und habe mit der Kolonialpolitik nichts zu thun. Der Abg. Woer—⸗ mann beziffere die deutsche . auf. 5606 Proz. der Gesammteinfuhr der dort etahlirten, Firmen. Die Deutschen trieben also dort erfolgreich Geschäfte, ohne daß es einer Kolonialregierung bedürfe. Der Abg. Woermann unter⸗ schätze auch, was Kamerun und Togo koste. Er weise darauf hin, daß die Zolleinnahmen gewisse Lokalkosten deckten. Wenn das auch der Fall wäre, so komme doch außerdem für Kamerun in Betracht der Etatposten von 565 000 S6 für den Gouverneur, ein Posten von 40 000 υι im Marine-Etat zur Unterhaltung der Dampfbarkasse, und daß man ständig zwei Kriegsschiffe als westafrikanische Station dort unterhalte. Wenn man dies mitveranschlage, so sei es sehr zweifelhaft, ob der ganze Handels⸗ gewinn so groß sei, wie der Reichszuschuß fur die dortige Kolonialregierung; ja, der Abg. Woermann sei noch weiter gegangen und habe diesen Handel, der doch unabhängig von der deutschen Kolonialregierung sei und schon vor der Flaggen⸗ hissung dort vorhanden gewesen, als einen Beweis dafür hin⸗ gestellt, wie überhaupt das Prestige der deutschen Kolonial⸗ Politik auf den überseeischen Handel gewirkt habe. Den Nachweis sei er gänzlich schuldig geblieben. Der Handel, der in Ost⸗-Afrika bestanden, habe vielmehr durch die Kolonialpolitik sehr gelitten, und es dürfte große Mühe kosten, ihn auch nur auf den Standpunkt vor dem Beginn der Thätigkeit der ostafrikanischen Gesellschaft zurückzuführen. Der Karo— linenstreit allein habe den deutschen Handelsbeziehungen mehr geschadet, als die ganze Kolonialpolitik seit 1584 Nutzen geschaffen hat. Wenn die Herren in Hamburg wirklich so überzeugt seien von dem Nutzen einer energischen Kolonial⸗ politik in Ost⸗-Afrika, dann begreife er nicht, warum gerade sie die Taschen so absolut zuhielten. Hätten die Hamburger Großkaufleute das Vertrauen, das äußerlich bei ihnen hervor⸗ träte, warum gäben sie kein Geld dazu her? Sie hätten es ja1 dazu! Das Zahlen würde ihnen viel mehr imponiren, als die schönen Reden; im Inland müsse man sich sagen: wenn die Herren in Hamburg sich so zugeknöpft verhielten, dann müsse die Sache bedenklich sein. Er sei gespannt gewesen auf den Ham⸗ burger Handelskammerbericht, nachdem der Abg. Woermann den ganzen Handel mit der neuen Kolonialpolitik in Zusammen⸗ hang gebracht hahe. Der Bericht spreche über alles Mögliche, habe aber nicht ein Sterbenswörtchen der Anerkennung über die Kolonialpolitik; ebensowenig der Bericht der Bremer Handelskammer. Man scheine also dort doch eine andere Anschauung von der Sache zu haben. Wie stehe es ferner mit den Sklavenverhältnissen in denjenigen Gebieten, wo die deutsche Flagge wehe? Der Abg. Woermann habe gerade diese westafrikanischen Verhältnisse gewissermaßen als Muster vor⸗ geführt. Es sei ja natürlich, daß dort bessere . be⸗ ständen; denn nachdem Amerika die Sklaverei abgeschafft habe, habe auch die Nachfrage nach Sklaven in West-Afrika auf— gehört. Der Abg. Woermann sage: Sklavenjagden fänden in West-Afrika nicht statt, füge aber dann einschränkend hinzu: wenigstens an der Küste nicht. An der Küste würden auch in Ost-Afrika nicht gerade die Sklavenjagden stattfinden. Seine Frage gehe dahin: bestehe Sklaverel dort unmittelbar, wo die Reichsbeamten regierten, unter den Augen dieser Beamten und dort, wo unsere Kriegsschiffe stationirt seien? Nach Allem, was man höre, mache das Kamerungebiet gar keine Ausnahme. Die Häuptlinge Akwa und Bell hätten Nachbardörfer, in denen sie ihre Sklaven hielten. Wenn Streitigkeiken ent— ständen, so würden sie ausgeglichen, indem man Ent— schädigung zahle in Form von Sklaven oder Frauen; die Vielweiberei sei ja nur eine Form der Sklaverei, auf das weibliche Geschlecht angewendet. Vor Allem aber komme es darauf an: werde Sklavenarbeit in deutschen Faktoreien durch Sklaven verrichtet, die man miethsweise von den Sklavenbesitzern sich verschafft? Ehe man an die Lösung der Sklavenfrage gehe, müsse man hierüber in unseren eigenen Schutzgebieten klar sehen. Unter allen Verordnungen, die bisher für diese Gebiete erlassen worden seien, befinde sich eine einzige, die nur irgendwie einschränkend, mildernd in Bezug auf die Sklavenfrage spreche.
Reichskanzler Fürst von Bismarck:
Aus dem zuletzt von dem Herrn Vorredner berührten Thema
zu fordern gewagt, hat. Er hat eine Frage berührt, die den Eng⸗ ländern seiner Zeit nur in Jamaika 26 Millionen Pfund Sterling, 400 Millionen Mark, gekostet hat, d. h. den Freilauf der Sklaven, die Aufhebung der bestehenden. Sklaverei, des ⸗ Menschen am Menschen. Bei dem Gerechtig⸗ keitssinn, der den Herrn Abgeordneten in allen seinen Aeußerungen auszeichnet, kann ich mir doch nicht denken, daß er vor⸗ aussetzt, wir sollen per Ukas, und ohne die Hand in die Tasche zu stecken, dieses Verhältniß plötzlich lösen. Damit würden wir alle die Hunderte von Millionen, die noch von und in der Sklaverei leben und beiderseits an ihr festhalten, weil der Sklave verhungert, wenn er aufhört, es zu sein, — damit würden wir alle diese Hunderte von Millionen ron Hause aus gegen uns in derselben Weise auf⸗ bringen, wie das heute mit den arabischen Sklavenhändlern auf der Ostküste der Fall ist. Wenn das die Absicht des Herrn Abgeord⸗ neten gewesen ist, den Zunder weiter hinein ju werfen in das end durch Tie Anregung dieser Frage, durch die Aufftellung der Möglichkeit, daß durch einen solchen Gewaltftreich ein Verhältniß ge⸗ löst werden könnte, das seit Jahrtausenden dort einheimisch ist, ohne
Eigenthums⸗
kann mir nicht denken, daß der Herr Abgeordnete sympathisiren sollte mit dem Aufhetzen alles Ausländischen gegen das . ig und gegen unser deutsches Vaterland, wie, wir es heutzutage in der Presse. die sonst ihn zu unterstützen pflegt, in der fort⸗ schrittlichen und freisinnigen Preffe, nach allen Seiten hin zu spüren hahen. Wo man irgend etwas ausfindig machen kann, einen Stein, den man in den Garten det Reichs werfen kann, wo man irgend einen fremden Intriguanten oder Reichs feind bemerkt den man unterstützen kann, fo greifk man mit beiden Händen zu und ist begeistert, wenn man einen Vorwurf findet, dem eigenen Vater⸗ lande irgendwie Unannehmlichkeiten und Verlegenheiten zu bereiten.
und nur um zwischen ihm und dieser reichsfeindlichen, vaterlandslosen Presse eine breite Scheidewand zu ziehen, habe ich in diesem Sinne das Wort ergriffen.
Abg. von Kardorff; Wenn gesagt sei, daß der deutsche Handel eigentlich keine Vortheile von den Kolonien hätte, so seien gerahe die Mittheilungen des Abg. Woermann über die englische Royal Niger⸗Campany eine gute Illustration gegen jene Behauptungen. Auch die Verhältnisse in Ost⸗Jndien sprächen für die ger lhwen ken einer deutschen Kolonialpolitik. Wenn man dieser überhaupt die Ausdehnung geben wolle, die das Deutsche Reich seiner ganzen Stellung als Weltreich nach beanspruchen könng, dann müsse noch viel mehr gethan werden. Seine Partei sei jedoch einverstanden mit der vorsichtigen Haltung in Kolonialfragen, denn so weit der Fürst Bismarck die Kolonien i , habe, werde ihm die ganze deutsche Nation mit Freuden folgen. Wenn Richter die Kosten der deutschen Kolonialpolitik heranziehe, so seien diese nichts gegen die Summen, die Frankreich dafür ausgebe. Ohne der Milliarden für den Panama⸗-Kanal zu gedenken, verwende es für einen Kriegshafen an der ostafrikanischen Küste allein 80 Millionen Francs. Was sollten dagegen die 565 000 6, die der Abg. Richter bemängele? Glaube er, daß die deutsche Nation so weit hinter der französischen zurückstehe, um nicht mindestens gleiche Mittel aufwenden zu können? Deutschland sei noch viel zu ängstlich in Kolonialsachen; das Deutsche Reich sei stark genug, um in der Organisation und dem Schutz von Kolonien noch viel weiter gehen zu können. Die Spiritusfrage betreffend, wünsche er auch, daß die Einfuhr geistiger Geiränke in den Kolonien erschwert werde. In Ost—⸗ Afrika spiele diese Frage aber keine Rolle, weil unter
dem Einfluß der muhamedanischen Kultur auch nicht— muhamedanische Völker in Genuß geistiger Getränke sehr enthaltsam seien. Der Abg. Richter glaube die
deutschen Interessen in Ost-Asrika durch die letzten Vorgänge schwer geschädigt. Diese Schädigung hänge nur zusammen mit der Erschwerung der Einfuhr von Munition und Waffen. Deutsche Häuser in Zanzibar hätten sich auf diesen Handel ge— worfen und bisher großen Vortheil daraus gezogen. Er hoffe, daß man die einmal begonnene Kolonialpolitik auch zu einem glücklichen Ende führen werde.
Abg. Woermann; Die Rede des Abg. Richter zeige zum Theil eine solche Fülle von Unkenntniß der thatsächlichen Ver⸗ hältnisse, daß er selbst nicht wisse, ob er lächeln solle oder sich wundern, daß ein Mann, wie der Abg. Richter, über Dinge sprechen könne, von denen er nichts wisse. Er meine, wenn man den Branntweinhandel nach Afrika verbiete, bliebe wenig von dem gesammten Handel übrig. Das sei durchaus nicht der Fall. Wenn man den gesammten Import in West— Afrika mit dem Branntwein⸗Import vergleiche, sehe man, daß letzterer eine geringe Rolle spiele. Die Nothwendigkeit der
Von dieser Tendenz spreche ich den Herrn Abgeordneten ja gan i denn sonst hätte er ja das Mandat zum Reichstage nicht , .
Kolonien sei dadurch erwiesen. Der deutsche Handel müsse für den Import von Artikeln sorgen, die jetzt zum großen Theil aus England bezogen würden. Wolle man aber den Branntweinhanbel verbieten, so sei das allein durch internationale Abmachungen möglich. So lange die Engländer damit handelten, könne man nicht hindern, daß auch die Deutschen diesen ,, nicht unglücklichen Handel betriehen. Der Branntweinhandel mache ungefähr den vierten Theil des deutschen Imports aus. Während für englische und französische Häuser fast nur Branntwein und Pulver gehandelt werde, könnte er durch sein Geschäftsjournal beweisen, daß in den deutschen Schutzgebieten noch viele andere Waaren Absatz fänden. Er könne aber Hrn. Richter zur Be⸗
ruhigung sagen, daß schon jetzt in den Kolonien ein hoher
Einfuhrzoll hestehe, daß hier von vornherein das Verbot er⸗ lassen gewesen, Hinterlader einzuführen. Es sei nur erlaubt gewesen, ein dem Europäer ziemlich ungefähr— liches Gewehr einzuführen. Hr. Richter hätte sich in dem Kamerun⸗Panorama überzeugen können, daß die Eingeborenen mit diesem Gewehre zielten, indem sie das Gesicht abwendeten. Die Kosten der Kolonialpolitik betreffend, meine der Abg. Richter, daß sie durch Aus— gaben für Marine und andere Dinge größere seien, als die Summen, die direkt für die Kolonien verlangt würden. Der westafrikanische Handel sei nun aber so bedeutend, daß es auch ohne Kolonien dort nöthig wäre, Schiffe zu halten. Es sei dieses auch früher schon der Fall gewesen. Wie in Ost⸗ Indien zum Schutz des deutschen Handels Schiffe nöthig seien, so auch in West-Afrika. Der Abg. Richter liebe es nun ganz besonders, in der „Freisinnigen Zeitung“, ihn (Redner) mit seinen Hamburger Geschäftsfreunden in Widerspruch zu setzen. Er habe dies namentlich in der Frage des Zollanschlusses ge⸗ than, wo er ihn (Redner) in Widerspruch mit dem Vorsttzenden einer Versammlung gebracht habe. Dieser Vorsitzende habe
nun, einen Brief an die „Freisinnige Zeitung“ geschrieben,
worin er gebeten, zu berichtigen, daß er (Redner) persönlich als Mit vorsitzender dieser Versammlung präsidirt habe. Diese Be⸗ richtigung habe sich aber Hr. Richter gehütet aufzunehmen. Hr. Richter sage ferner, daß der Hamburger Handelskammer⸗ bericht nichts über Kolonialpolitik enthalte. Das sei erklärlich. Der Bericht enthalte immer nur Sachen, mit welchen die Handelskammer im Laufe des Jahres Gelegenheit gehabt habe, sich zu beschäftigen: Vorlagen des Senats, Über welche ihr Gutachten gefordert werde, Sachen, die aus ihrer Mitte heraus vorgebracht würden, die Angelegenheit der Royal Niger Com- pan. Es habe Burchaus kein Anlaß vorgelegen, sich mit Kolonialpolitik zu beschäftigen, und es sei deshalb natürlich, daß der Bericht auch nichts davon enthalte. Hr. Richter sage nun, die Hamburger hielten in Kolonialsachen die Taschen zu. Richtig sei, daß in ganz Deutschland verhältnißmäßig ein geringer Theil sich wirklich an der Kolonialpolitik betheilige. Was die Hamburger veranlasse, die Taschen zuzuhalten
jei der Umstand, daß sie nicht auch an der Verwaltung ich betheiligen wollten. Sie seien Handeltreibende, sie machten wirthschaftliche Unternehmungen, aber sie seien stets weniger ge= neigt, da vorzugehen, wo es sich um eine Verwaltungsthätigkeit
handele, die sie nicht kennten. Es liege in unserer ganzen
Kolonialpolitik noch Vieles, was die Sache für Deutschland
schwer mache, Es sei dieses nicht nur das Kapital. Ungefähr
6 Millionen Mark seien von Deutschland bis jetzt für kolonial
politische Unternehmungen hergegeben. Man sei noch zurück haltend und vorsichtig. Er sei aber überzeugt, die Sache werde
anders werden, wenn erst ein Erfolg vorliegen werde,
liege auch in anderen Dingen begründet, daß die Hamburger zurückhaltend seien. Sie sähen in Deutschland in den überseeischen Fragen wesentlichPersonenfragen. Es sei ihm immer vorgekommen, als wenn das Geld weit eher zu beschaffen sei, als die nöthigen Personen. . Noth fänden sich noch Personen, welche hin ausgehen wollten bei hohem Gehalt. Aber ebenso wenig, wie es viele Kapitalisten gebe, welche große Summen in Dingen
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