1898 / 59 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 09 Mar 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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Wißbegierde der Polizei sei auch jetzt noch immer sehr * und sogar die Steuerbehörde folle fich wegen der Steuer um die Postsendungen be⸗ kümmert haben. Das Mißtrauen gegen die Post beruhe auf diesen Erfahrungen der früheren Zeit. Wenn der Stagtssektetär das Brief⸗ geheimniß ernstlich wahren wollte, so wäre das sehr erfreulich.

Abg. Lenzmann: Daß die Privatanstalten kein privatrechtliches jus quaesitum haben, ist felbstverständlich; dazu braucht man aber kein Rechtsgutachten einzuholen. Dem Minister von Miquel habe ich nicht eine Aenderung seiner Anschauungen vorgeworfen: ich habe ihn nur als Autorität zitiert, denn ich kenne seine heutigen Anschauungen über diese Krage garnicht.

Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski:

Meine Herren! Die große Mehrheit dieses Hauseßz wird mir darin zustimmen, daß, welche Erklärung ich auch betreffs des Brief⸗ geheimnisses abgebe, sie doch auf der linken Seite einem Mißtrauen begegnen wird. Meine Herren, wenn ich erkläre: die Wahrung des Hriefgeheimnisses ist meine vornehm te Pflicht, so glaube ich, wird die Mehrzahl des Hauses zu diesem Ausspruch wohl volles Vertrauen haben.

Daß es aber auch meine Pflicht war, meinen Vorgänger zu vertheidigen, wird mir gegenüber den Angriffen, die von jener Seite ihm entgegengebracht wurden, wohl zugegeben werden. Dies war für mich um so mehr eine vornehme Pflicht, als ich aus den Akten des Reicht, Postamts, aut einer ganzen Reihe von Verfügungen klar be— weisen kann, daß seit 40 Jahren die Reichspostverwaltung sich immer und immer wieder dagegen gewehrt hat, den Polijeibehörden auf ihr Anstnnen hin Briefe herauszugeben.

In den strafgerichtlichen Untersuchungen hingegen ist der Richter und der Staatsanwalt befugt, jede Auskunft über Postsendungen von der Post zu verlangen. (Zuruf links.)

Nein, den Polizeibehörden darf eine solche Auskunft in straf⸗ gerichtlichen Untersuchungen nur dann ertheilt werden, wenn der Richter oder der Staatsanwalt die Post ausdrücklich ersucht haben, der Polizeibehörde eine derartige Auskunft zu geben.

Außerdem hat die Polizei der Presse gegenüber noch eine andere

Stellung, aber in Betreff des Briefgeheimnisses das ist ja auch durch die Erkenntnisse des Reichsgerichts klargelegt worden haben nur die ordentlichen Gerichte und der Staatsanwalt ein Recht auf die Herausgabe solcher Postsendungen. Nach diesen Grundsätzen werde ich verfahren, und ich kann nur konstatieren, daß es auch in

früherer Zeit fo gewesen ist. Meine Herren, Sie würden

mir gewiß noch eine vlel reichere Blüthenlefe entgegenhalten, wenn Sie es könnten. Ich bitte zu bedenken: diese Sache ist jm Januar 18753, also vor 26 Jahren pafsiert, unmlttelbar nach dem Kriege. Herr von Stephan ist im Jahre 1870 General-⸗Postmeister geworden. Ich habe heute zum ersten Mal von diesem Erkenntniß gehört, und ich kann thatsächlich nach eingehender Prüfung aller Ver⸗ hältnisse konstatieren, daß daz Briefgeheimniß von Herrn von Stephan unbedingt hoch gehalten und jeder Zeit ver—⸗ theidigt worden ist. Ich stehe auf demselben Standpunkt, daß ich es als meine vornehmste Pflicht ich kann es nur wiederholen betrachte, dieses Briefgeheimniß zu wahren, und gegen jeden Beamten vorzugehen, der eine Verletzung detsselben begeht.

Ich bin dann weiter gefragt worden über meine Stellung zu den Hamburger Versammlungen. Ob an dieser Versammlung Beamte theilgenommen haben, ist eine Frage der Feststellung, und ich werde

vielleiht bei; der dritten Lesung darüber Auskunft geben können. Die Fragen, wie sie gestern der Herr Abgeordnete Wurm erwähnt hat, habe weder ich noch das Reichs

postamt gestellt. Ich habe nur verfügt, nachdem die Sache zu meiner Keunntniß gekommen war, daß die Angelegenheit aufgeklärt werde. Das ist meine Pflicht, und danach werde ich auch handeln. (Beifall.)

Damit schließt die Diskussion. Die Vorlage wird einer Kommission von 14 Mitgliedern überwiesen.

Es folgt die dritte Lesung des Gesetzentwurfs über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

In der Generaldebatte wendet sich der

Abg. Stadthagen (Sor) gegen die Beschlüsse der Kommission und der zweiten Lesung im Plenum, die seinen. Wünschen nicht ent⸗ ,,, und empfiehlt eine Reihe von Anträgen, die er für die

pezialberathung gestellt habe.

Abg. von Czarlinski (Pole) erklärt sich einverstanden mit einem Antrage des Vorredners wegen der Verwendung der fremden Sprachen, insbesondere der polnischen Sprache, vor Gerccht. eitdem viele Richter sich dem H. K. T.-Verein angeschlofsen hätten, hätten die Richter vielfach bei den Polen, die nicht deutsch sprechen könnten, bösen Willen vermuthet,

Abg. Wel l stein (Zentr ): Man konnte eine längere Debatte heute nicht erwarten, well die Vorlage in zweiter Lesung bereits en bloe angenommen worden ist. Herr Stadthagen hätte wohl voraussehen können, daß fein Antrag keinerlei Aussicht auf Annabme habe. Aehn= fiche Äbänderungganträge sind auch in der Kommisston schon vorgelegt, aber nach eingehender Berathung abgelehnt worden.

Kommissar des Bundesraths, Ober, Landesgerichts Präsident Dr. Küntzel: Meine Herren! Ich will nur mit einem Paar kurzer Worte dem Herrn Abg. von Czarlinski erwidern. Der Unterschied zwischen den Kommisstonzbeschlüsfen und den Anträgen zu 5 176 be— steht im wesentlichen darin, daß nach den Kommisstonsbeschlüssen der

ichter in denjenigen Fällen, in welchen vor ihm die Kenntniß der deutschen Sprache fälschlich verleugnet wird, in denen der Richter weiß, daß ein Betheiligter der deutschen Sprache mächtig ist, befugt sein soll, es abzulehnen, in fremder Sprache unter Zuziehung eines Dolmetschers zu verhandeln, während er nach den Anträgen in diesem Fall nicht befugt sein soll, die Verhandlung in fremder Sprache abzulehnen ondern verpflichtet sein soll, mit der Person, von der er weiß, da

e Deutsch kann, unter Zuziehung eines Dolmetschers in fremder vrache zu verhandeln. Ich glaube, man braucht nur den Gedanken herguszuschälen, der die, Differen; zwischen den Kem= misstonsbeschlüssen und den Anträgen bildet, um ch von der Unannehmbarkeit der Unträge iu überzeugen. Von den elnzelnen Fällen, die der Herr Abg. von Czarlinski erwähnt hat und die dafür sprechen sollen, daß das geltende Gesetz von den Gerichten nicht richtig gehandhabt wird, ist mir zufällig hier aus meinen Akten der eine Fall bekannt, naͤmlich der zuerst angeführte vom Amtsgericht Kulmsee. Darüber ist berichtet worden, daß in der Schöffengerichtssitzung am 7. Deiember 1897 die Angeklagte, eine Ihsahrige Arbeiterin, ihrem mitangeklagten 14jährigen Bruder, welcher bie an ihn gestellten . deutsch beantwortete, zurief, er solle mur polnisch sprechen, und infolge dessen ist sie in eine Ordnungsstrafe genommen worden. in diesem Falle der mitangellagte Bruder in der That nicht der deutschen Sprache gewesen sei, ist in den Akten nicht festgestellt. Ein

tig e nher ist nach Lage der Akten nicht eingelegt worden; es ist in

biesem Falle bet der Entscheidung des Amtsgerichts verblieben. Es versteht sich aber von selbst, daß zu unterscheiden sind, und ich be— haupte, daß auch in der Praxiz die Gerichte wohl unterscheiden werden diesenigen Fälle, in welchen Angeklagte oder Zeugen, weil sie sich nicht hinreschend sicher der deutschen Sprache mächtig fühlen, nicht hinreichend sicher fin daß sie die deutsche Rede richtig verftehen, und wenn sie deutsch antworten, Überall den rich- tigen Ausdruck treffen, sich der polnischen Sprache bedienen,

und diejenigen Fälle, in welchen in chikanöser und frivoler Weise die Richtkenntniß der dentschen Sprache vorgegeben wir. Rur in den letzteren Fällen behaupte ich, daß die Gerichte Ungebührstrafen eintreten laffen, und diefe Ungebührstrafen sind in den meisten Fällen auch in der Beschwerdeinstanz aufrecht erbalten. Wenn das die Präxls der Gerichte ist, so meine ich, daß dagegen nichts eingewendet werden kann. .

Äbg. von Czarlinski führt aug, er erkenne an, daß die Be⸗ schlüffe der Kommisston eine kleine Besserung gegenüber der Vorlage enthielten; aber es sei nicht festgestellt, wie ermittelt werden solle, ob Jemand genügend Deutsch verfstehe, ö

Abg. Szmülg (Zentr) schlicßt sich den Ausführungen des Vorredner an, K

Damit ist die Generaldiskussion beendet.

Schluß nach i. Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr (Fortsetzung der Berathung der Antraͤge, betr. die ein⸗ getragenen Berufsvbereine).

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 41. Sitzung vom 8. März 1898.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗ Etals für 1898,99 wird im Etat des Min isteri ums der geistlichen, Unterrichts- und. Medizinal⸗An⸗ 6 ect dem Ausgabetitel „Gehalt des

r ortgesetzt.

ö 36 Theil der Debatte ist schon berichtet wor Dr. Böttinger (ul) bespricht, wie hier kurz wiederholt sei, die Aus. und Weiterbildung der Chemiker. Die Chemie sei eine wesentlich deutsche Wissenschaft, und die chemische Industrie sei in Deutschland am allerweitesten vorgeschritten. Trotz dieser großen Bedeutung der Cbemie fehle es an den nöthigen Lehrkräften zur Aus, bildung von Chemikern. Redner schildert eingehend den Bildungt⸗ ang der Ehemiker, erwähnt die dazu vorbandenen Mittel an den uidersitäten und verlangt die Errichtung eineg Ordinarlats für chemische Technologie, Es handle sich darum, die wissenschaftliche Forschung für das praktische Leben nutzbar zu machen. Redner wünscht schließlich die Cinführung eines Staats und Doktorexamens für Chemiker.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Meine Herren! Die Unterrichts verwaltung ist dafür sehr dankbar, daß auch hier in diesem hohen Hause die Interessen der chemischen Wissenschaften und der Industrie, die ja in unserer Zeit ganz be⸗ sonders in den Vordergrund treten, eine so lebhafte Unterstätzung finden, wie das durch den Herrn Abg. Dr. Böttinger geschehen ist. Ich kann dem Herrn Abg. Dr. Böitinger versichern, daß wir bestrebt sind, nach allen den Richtungen hin, die er hervorgehoben hat, dem Bedürfniß der Industrie wie der Wissenschaft auf diesem Gebiete gerecht zu werden. Ich will nur auf zwei Punkte etwas näher eingehen. Wenn Herr Dr. Böttinger ein Examen für die chemischen Techniker als ganz unerläßlich erklärt hat, so muß ich doch hervorbeben, daß eine ganze Reihe sehr hervor⸗ ragender Techniker, sowohl von Universitäts⸗-Professoren wie in der Industrie uns händeringend gebeten haben, wir möchten von diesem Staatzexamen vorläufig die Hand lassen, welche dankbar dafür sind, daß es doch noch ein Gebiet in der Welt giebt, wo man nicht bloß durch Examina gequeischt wird. (Sehr wahr) Ich lasse dahin gestellt sein, ob die Forderung eines Examens richtig ist oder nicht; die ganze Entwickelung unserer Zeit drängt ja dahin, daß man Legiti⸗= mationen fordert, und das ist auch auf diesem Gebiete der Fall. Aber ob die Legitimation nicht anders zu erreichen ist, als durch diese Examina, und ob es richtig ist, für diese Examina nun auch Diplome auszustellen natürlich knüpft sich daran auch gleich wieder die leidige Titelfrage das alles möchte ich zur Zeit noch dahingestellt sein lasse . Wir sind sehr dankbar dafür, daß der „Verein deutscher Chemiker“ sich mit uns in Verbindung gesetzt hat, und daß wir dadurch eine sehr lebendige Fühlung haben mit denjenigen Interessen, die hier in Frage kommen, und wir sind fortwährend sehr lebhaft im Gange, durch Verkehr und durch Rückfragen an die bethelligten Herren uns darüber zu ver— gewissern, welchen Weg wir zu gehen haben. Diese Verhand⸗ lungen schweben noch, und es läßt sich augenblicklich noch nicht sagen, zu welchem Ergebniß sie führen werden; aber das kann ich dem Herrn Abg. Dr. Böttinger als gewiß versprechen das weiß er auch —, daß wir, was in unsern Kräften steht, thun, um diese Interessen zu fördern. Und er hat es ja selbst erfahren, unser elektro⸗chemisches Institut Göttingen steht einzig in der Welt da und kann mit jedem anderen in der ganzen Welt die Konkurrenz aus halten. (Sehr richtig Ebenso steht es auch mit unserem elektrolytischen Laboratorium in Aachen, was ganz eminente Resultate geieitigt hat. Dem entspricht auch der Ruf, den unsere Anstalten haben, und wir können wirklich im ganzen Großen, glaube ich, sehr dankbar sein, daß wir die Kräfte im Untversttätsdienst und im Dienst der technischen Hochschulen haben, die der chemischen Wissen⸗ schaft und der chemischen Technik bei uns den Glanz verliehen haben, dessen sie sich erfreuen. Meine Herren, wir werden fort⸗ fahren, unser ganzes Interesse diesen Dingen juzuwenden, und ich zweifle garnicht daran, daß wir auch zu immer besseren Resultaten kommen werden. (Bravo h

Abg. Johannsen (Däne) beklagt die Unglei schull htig Alter in . und . . dieser Materle. Der Minister habe schon einmal die Erfüllung dieses Wunsches zugesagt, aber darüber seien inwischen vier Jahre ver— flossen, ohne daß die Neuregelung in Angriff genommen sei.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Die Frage des Herrn Abg. Johannsen möchte ich mit jwei Worten beantworten. Ich kann nicht gerade sagen, daß die Sache ad acta geschrieben wäre zur sorgfältigen Beachtung in vorkommenden Fällen, sondern wir sind dieser Frage in der That näher getreten. Aber die Sache liegt nicht so, wie der Herr Abg. Johannsen annimmt, daß etwa die schlezwigsche Bevölkerung überhaupt mit dem jetzigen Zustande unzufrieden wäre. Im Gegentheil: die Bevölkerung ist mit dem gegenwärtigen Zustand außerordentlich zufrieden. Das haben uns die schleswig holsteinischen Abgeordneten und unsere Behörden auß— drücklich gesagt. Die Unzuträglichkeiten, von denen der Herr Abg. Johannsen spricht, existieren garnicht. Nun, meine Herren, wenn das richtig ist und nach unseren Informationen ist es richtig —, giebt es nur eine einzige Klasse von Leuten in Nord- Schleswig, die sich dieser angeblichen Unzuträglichkeiten bemächtigt haben, das sind die Leute, die für die dänische Agitation thätig sind (hört! hör; denen ist das ein ganz willkommener Grund, um damit Unzuträglich. keiten hervorzurufen, und daß wir diese Bestrebungen nicht fördern

können, sondern daß wir in Nordschlegzwig alles Mögliche thun, um

die Bevölkerung in Frieden zu erhalten, liegt, glaube ich, auf der Hand. Deghalb kann ich dem Herrn Abg. Johannsen nicht in Aus- sicht stellen, daß ich nun sofort mit einem Gesetz über die Schulpflicht in Nordschleswig hier vor das hohe Haus treten würde, und zwar um so weniger, als das Gesetz für die Schul⸗ pflicht nach manchen Richtungen auch für andere Theile der Monarchie sehr nöthig wäre. Aber es ist auch ein sehr heikles Gesetz, an welches sich außerordentlich schwierige und heikle Fragen anknüpfen, und dek⸗= halb möchte ich Ihnen dies Gesetz gerade jetzt nicht in Aussicht stellen. Ich kann nur sagen, ich bin sehr gern bereit, noch einmal in Schleswig anzufragen bei unseren dortigen Behörden und bei sonstigen Vertrauensmännern, die wir dort haben, ob die dortige Bevölkerung im allgemeinen unzufrieden ist mit den Zuständen in Bezug auf die Schulpflicht. Ich glaube das nicht, und wenn das nicht der Fall ist, meine Herren, dann lassen wir es so, wie es jetzt ist. (Gravoh

Abg. Jürgensen (ul) beftätigt, daß besondere Unzuträglich keiten sich nicht ergeben haben. Wenn aber ein Gesetz vorgelegt werde, dann . das schulpflichtige Alter für den ganzen Staat gleichmäßig festgesetzt werden. .

Abg. Pr. Borfch (Zentr); Herr Stöcker sagt, von Döllinger habe später feine Ansicht Über die Reformation geändert. Ich kann das nicht als richtig anerkennen. In von Böllinger's späteren Schriften ist keine Stelle zu finden, in denen er seine früheren Teußerungen über die Reformatien zurückgenommen hat; er nimmt sogar in feinen späteren Vorträgen auf diese Aeußerungen Bezug. 63 babe Freihelt für die Kirche verlangt jum Kampf ee, den Umstur, aber ich habe die Aufhebung der Maigesetze n 4. als Vorbedlngung für diefen unseren Kampf hingestellt. N bel den Wahlen wird diefer Kampf ausgefochten. Dag ist nur ein kleines Kapitel in dem großen Kampf gegen den Umsturz; aber die Kirche bedarf noch größerer Freiheit, um ihre , . egen den Ümfturz voll entfalten zu können. Ueber die Frage des Verhalteng bei den Stichwahlen haben wir im vorigen Jahre bis zum Ueberdruß verhandest; wir haben schon im vorigen Jahre auf die Unterstüßzung soßsaldemokratischer Wahlen durch die Nationalliberalen hingewsesen. . von Eynern will bei den neuen Stichwahlen einen Zentrums andidaten unterstützen und will abwarten, wie wir uns stellen. Ich habe schon früher unserer Auffassung darüber Ausdruck gegeben, die Herrn von Eynern vollkommen befriedigen kann. Wenn die Zahl der geeigneten Kandidaten für Staatzämter sich vermindert hat, so sind die jungen Leute eben durch die Zurlicksetzung der Katholiken zurückgescheucht worden. Herr von Hertling hat erst außerhalb Preußens Professor werden müffen und wird üns nun immer als Autorität vorgehalten. Herr von Eynern hält die Redemptoristen nicht für harmlos. Hat er schon jemals einen Redemptoristen gesehen? Die Augwessung der Redemp⸗ koristen aus Frankreich kann nns nicht vorgehalten werden, denn nicht allez, was Frankreich in Kirchlicher Hinsicht gethan hat; ist anzu— erkennen. Die Redemptoristen sind durchaug harmlosse Leute, deren Niederlassung nicht den Frieden stören wird. Kann mir Herr von Eynern Beispiele von Frtedensstörungen durch die Orden nennen? Viele Gegner der Orden haben, alt sie sie erst kennen lernten, ihre segensreiche Thätigkeit anerkannt. Noch nicht einmal die Kranken⸗ pflegeorden können eine genügende Thätigkeit in unserem Lande ent falten. In Belgien bin ich auch gewesen und habe niemand über das Ordengwesen klagen hören. Fürst Bismarck hat die Aufhebung der Verfassungsartikel damit begründet, daß die Bildung eines katho, lÜischen Staates im Staate verhindert werden müsse, Ken er damit Recht hätte, dann müßte sich doch auch in katholischen Ländern ein Staat im Staate gebildet haben, das ist aber nicht der Fall.

Abg. Dr. Friedberg (ul); von Döllinger ist keine unanfechtbare Autorität, denn er hat seine Ansichten wiederholt gewechselt. Die Aus. druckzweise des Papstes in der Canistus⸗Eneyklika hat weite Kreise des deutschen Volkes auf das ärgste erregt; er hat dabei die internationale Höflichkeit außer Acht gelassen. Daz steht in großem Widerspruch mit der Empfindlichkeit der Katholiken bei Angriffen gegen die katholische Kirche. Ich erinnere nur an die Prozesse . den Pfarrer Thümmel und gegen diejenigen, welche den Trierer Rock kritisiert haben. Das Zen⸗ trum 1 in dieser Beziehung nicht bereit, ,, nach der anderen Seite zu Üben. Von den Maigefetzen ist außerordentlich wen ig noch übrig. Sie Freiheit der Kirche ist in Preußen am allergrößten von allen Staaken der Welt. Der moderne Verfassungsstaat kann verlangen, daß die Kirche sich ihm unterwirft; das Jenkrum verlangt aber eine 5 Freiheit der Kirche, die ihr nicht gegeben werden kann.

ie Verfassang der Orden geht über das hinaus, wag unsere Vereinsgesetzßzebung zuläßt. Die Orden wollen sich aber nicht dem Bereinsgefeß unterwerfen, sich nicht in den modernen Verfassungs⸗= staat einordnen. In Bezug auf den Kampf gegen den Umsturz stehen die Thaten des Zentrums mit seinen Worten im Wider spruch. Seit 35 Jahren geht durch die Zentrumspreffe das Gerücht, daß der Erz⸗ bischof Melchers im Gefängniß mit Strohflechten beschã ligt worden sei. Der FJustiz-Minlfter hat das neulich richtiggestellt, und trotzdem geht dieses Gerücht noch weiter durch zie katholische reg die sich diese Sache nicht entgehen lassen will, (Rufe im Zentrum: Wo denn ?) Erst neulich habe 1 in der „Kölnischen Volkszeitung.! wieder einen solchen Artikel gelefen. Die Parole: Der Erzbischef Melchers als Strohflechter wird noch lange in der katholischen Bevölkerung fortleben, Mit feinen Parifätsbeschwerden hat untz das Zentrum diesmal wohl nur verschont, weil ihm nach der vorjährigen Debatte das Pulver ausgegangen ist. Was, die Anstellung wen Beamten, Lehrern ze. be⸗ trifft, fo haben bei der verfassungsmäßigen Gleichberechtigung der Konfessionen Stagttanstalten überhaupt keinen konfesstonellen Charakter. An ber Üniversität Halle haben wir viele katbolische ,, wir evangelischen Hrofessoren nehmen daran keinen Anstoß, wir fragen nur lach der wiffenschaftlichen Tüchtigkeit. Aber die Stagtgregierung nimmt bei ihren Anstellungen leider noch immer eine angstliche Rück sicht auf die Katholiken, und es ist eine berechtigte Paritatsbeschmerde ber Evangelischen: der Katholik kommt immer durch. Für die Freiheit der Kirche freten wir auch ein, aber nur innerhalb der Staatsgesetze.

Abg. Neubauer hel bestreitet, daß in Posen und West- preußen poln sche Win kelschulen bestehen, und sucht nachjuweisen, daß die polnischen Privatschulen auf Grund der bestehenden Gesetze und ec e, e, nicht als . Schulen, die der behördlichen Ge— nehmigung bedürfen, betrachtet werden können, da ein Vertrag zwischen Gltern und Lehrern nicht vorliege, der Unterricht unentgeltlich ertheilt werde und somit jede Voraussetzung fehle, daß der Umnterricht gewerbe mäßig ertheilt werde. Diese Auffassung sei bisher auch von der Recht. sprechung geiheilt worden. Der M anisterial⸗Direktor Dr, Kuegler habe sich alfo neulich mit seinen Ausführungen über den Charakter der polnischen Schulen im Irrthum befunden.

Ministerial⸗ Direktor Dr. Kuegler: Die Verordnung von 1880 ist mit gutem Grunde auf Posen beschränkt worden; für e , war sie nicht erforderlich. Ob der Unterricht gewerbsmäßig ertheilt wird, darauf kommt es hier nicht an. Die angezogene Kabinetsordre bezieht sich auf den Privatunterricht, die Polen haben aber Schulen errichtet. In diesen sind Lehr- und Lesebücher eingeführt, deren Ge= brauch wir unseren Kindern ö. gestatten , es würde da⸗

durch ein scharfer nationaler Gegensatz in diese Schulen hineinge den wir nicht dulden können. m Kreise . . 9. ee fg. deutsche Kinder in den polfstschen Unterricht gebracht worden. Wir fon g n . gf n nicht dulden.

g. Fieiherr von Plet ten berg (kons.): Der Abg. dem Evangelischen Bunde Hetz rei . Das ö . Mitglied des Bundes zurückweisen; wir stehen grundfätzlich auf dem Boden der Gleichberechtigung und Toleranz. Wir wollen uns aber nicht zurückdrängen und äbertrumpfen lassen. Wir bedauern, wenn jemand von unz sich von seinem Temperament hinreißen läßt, aber wir bedauern auch, daß das evangelische Gefühl von autorltativer katholi⸗= scher Seite gekränkt. wird. ie Entrüstung der Protestanten Über die Caniszus-Eneyklika zeigt, welche gewaltige evangelssche Krast in

unserem Lande herrscht. Halten wir Fri meinsam gegen den Umsturil tar, n m,