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Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 35.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Dann hat der Herr Abgeordnete Heine, um, wie ich annehme, die ungleichmäßige Behandlung der Gefangenen in derartigen Fällen zu verurtheilen, noch darauf hingewiesen, daß bei dem Transport des Bredenbeck, der von Dortmund nach Münster erfolgt ist, dieser Ge⸗ fangene und ein anderer Gefangener, der auch transportiert werden mußte, gefesselt worden seien, der dritte dagegen ungefesselt dorthin gebracht worden sei. Es haben darüber Erhebungen stattgefunden, die ein ganz sicheres Resultat freilich nicht ergeben, weil die Dinge schon zu weit hinter uns liegen; die betreffenden Beamten können sich der Sachlage nicht mehr genau erinnern. Aber es ist mit großer Wahr⸗ scheinlichkeit anzunehmen, daß in der That der Fall vorgekommen ist. Mit Herrn Bredenbeck sind, wie man annehmen darf, zwei andere Gefangene transportiert worden: der eine von ihnen war, wie er, ge⸗ fesselt; der zweite war gegen die ausdrückliche Bestimmung, die der Transporteur erhalten hatte, nicht gefesselt worden. In diesem Falle hat sich der Transporteur aus einem — wie ich nicht anstehe anzu⸗ erkennen — berechtigten Mitgefühl mit der Lage des betreffenden zu transportierenden Gefangenen über den Befehl hinweggesetzt, und zwar deshalb, weil es sich um einen 70 Jahre alten Berginvaliden handelte, der wegen gichtischer Anfälle kaum zu gehen im stande war, den man also den anderen rüstigeren Leuten nicht gleichstellen konnte, der vermöge seines körperlichen Zustandes jeden Verdacht eines Flucht- versuches ausschloß. Damit erhellt also der Grund für die ver—= schiedene Behandlung der drei Transportierten, und ich meine, Sie werden daraus dem betreffenden Transporteur nicht einen Vorwurf machen wollen, daß er in formell unberechtigter Weise hier Einen vor dem Andern begünstigt habe.
Das, meine Herren, habe ich sachlich auf die Ausführungen des Herrn Abg. Heine zu antworten. Seine allgemeinen Ausführungen kann ich, glaube ich, unbeschadet der Sache, der Würdigung des hohen Hauses überlassen. (Sehr richtig! rechts.)
Von den Abgg. Gröber (Zentr) und Genossen ist
inzwischen folgende Resolution zur Duellfrage eingegangen:
„Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstag
einen Gefetzentwurf vorzulegen, welcher die den Zweikampf bevor
zugenden Strafbestimmungen des 15. Abschnitts des zweiten Theils des Reichs-Strafgesetzbuchs aufhebt und an deren Stelle
IJ den Zweikambf, fowie die im Zweikampf verübte Tödtung und warnen, . den allgemeinen, Strafhestimmungen des 165. und I7. Abschnittz des zweiten Theils des Reichs- Strafgesetz= . über Verbrechen und Vergehen wider Leib und Leben unter stellt
3) diesen allgemeinen Strafbestimmungen Vorschriften hinzu⸗ fügt, welche a. die Herausforderung zum Zweikampf und die An⸗ nahme einer solchen Herausforderung, b. die Bezeigung von Ver⸗ achtung wegen Unterlassung einer Herausforderung zum Zweikampf sder wegen Nichtannahme einer solchen Herausforderung mit Gefängnißstrafe bedrohen; .
3) wegen der genannten strafbaren Handlungen neben einer verwirften Freiheitestrafe von mindestens 3 Monaten auch den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte dann zuläßt, wenn der Thãter sich einer ehrlosen Handlungsweise schuldig gemacht hat.“
Abg. Gröber (Zentr); Die besonderen eigenartigen Bedürfnisse der Preffe wegen des Gerichtsstandes haben schon wiederholt Ver⸗ anlaffung gegeben, auf eine gesetzliche Regelung zu dringen. Wie steht es mit den bezüglichen Arbeiten? Im Falle Bredenbeck sind die vorgekommenen Ausschreitungen mißbilligt worden; es wird, aber bestritten, daß der Fall zu unserer Kompetenz gehöre. Das können wir nicht gelten lassen. Im Punkte der vorläufigen reglementarischen Ordnung des Strafvollzuges kann ich nur dem Staatssekretär beitreten; der eigentliche Strafvollzug ist Landessache, und nur wenn reichtrechtliche Bestimmungen darüber nicht sinn⸗ gemäß ausgeführt würzen, hatten wir Grund zur Klage. Solche Bestimmungen sind aber eben noch nicht vorhanden. Ich sehe die erfolgte , . Vereinbarung als Vgrarbeit jür das künftige Reichs-Strafvollzugsgesetz an; Ke hat auch erfreuliche Fort⸗ schritte gegen die bisherigen landesgesetzlichen Bestimmungen gebracht. Cine communis opinig auch nur der gelehrten Welt über die beste Regelung der Strafvollstreckung ist, nicht vorhanden, die Strafoll⸗ zugsbeamten gehen in ihren Meinungen noch weiter auseinander. Die Vorbereifung wird wohl noch eine Reihe von Jahren in An⸗ spruch nehmen In erster Rei ö interessiert die Frage der Be⸗ strafüng jugendlicher Verbrecher ö ist, daß die Vorarbeiten für die Revision des Strafgesetzbuches schon im Gange sind. Aber wie mit dem fliegenden Gerichtsstand gesondert vorgegangen werden soll, so würden sich auch verschiedene Materien des eigentlichen Strafrechts vor dieser allgemeinen Redision regeln lassen, und dazu gehört vor allem die Frage des Zweikampfes. Hierzu haben wir den angekündigten Antrag eingebracht. Es liegen ja andere Anregungen vor. Eine derselben will beim Militär⸗-Ctat Fie Frage zur Verhand⸗ lung stellen; damit wird der Gesichtskreis zu sehr verengt; der Gesetz entwurf, den der Abg. Schrader eingebracht hat, dürfte noch lange auf feine erste Lesung zu warten haben. Darum sind wir mit dieser Resolution gekommen. Das geltende Strafrecht enthält Begünstigungen des Duellwesens, indein es sie unter besondere Bestimmungen stellt. Gewisse Stände erachten sich besonders befugt, in ihren Kreifen das Duell zu pflegen, sie haben auf baldige Be⸗ gnadigung zu rechnen; das sind ungefunde Zustände. Das Haus ist n der Verurtheilung dieser Bevorzugung inig, anders der Bundes⸗ rath. Ser Kriegs-Minister huldigt der Auffassung, das Duell sei esetzlich vorgeschrieben; diese seine auffallende Erklärung ist seiner eit auffallender Weise unwidersprochen geblieben und hat erst später Ang Zurückweifung erfahren, indem ich an den Kriege herrn selhst appellierte, ob die Auslegung des Kriegs⸗Ministers richtig war. Es ist uns ber weiteres nicht bekannt gewarden;. Wir, legen jener Auffassung gegenüber die unsrige in, der Resglution dar. Andere Gesetzgebungen sind nicht so zimperlich wie die deutsche gegen das JDueslunwefen aufgetreten, Auch die deutsche gerichtliche Praxis faßt noch immer das Duell allzusehr mit Sammethand chuhen an. Die Festungsstrafe wird in Fällen verhängt, wo nach allgemeinem Urtheil durchaus eine Gefängnißstrafe am Platze gewesen wäre. Die Straf⸗ rechtslehrer sind gegen die Bevorzugung. Die Tödtung im Duell kann ein ganz , Mordfall sein, t Binding, wo nur einige äußere Formalitäten beobachtet worden sind. Die Festungsstrafe, ist eigentlich überhaupt keine Strafe. Gine hesondere Strafart für diese strafbhare Handlung ist nicht angezei t, darin stimmen die Urtheile der Strafrecht autoritaten überein. ir wollen die ö, den Zwellampf abgeschafft und, den allgemeinen Bestimmungen über Körperverletzung unterworfen wissen. Die Bezeigung von e . wegen Richtannahme einer Herausforderung muß mit Gefängniß
bedroht werden.
Berlin, Montag, den 10. Februar
Abg. Dr. Esche (nl): Der Stagtssekretär hat erfreulicher Weise die Nothwendigkeit einer Revision des Strafgesetzbuches anerkannt, aber leider foll es noch lange dauern, bis wir eine solche Porlage erhalten. Das Wrnf zend e n fe wäre ein neues Strafgesetzbuch, aber dann würde die Verabfchiedung sich wohl sehr lange Ferzoͤgern. Es möchte sich daher auch nach meiner Meinung mehr einpfehlen, nach dem Vor⸗ gange bei der Gewerbeordnung mit Nobellen borzuqehen, Die Be⸗ stimmungen über die Strafmündigkeit sind dringend der Abänderung bedürftig; die untere Grenze muß auf das 14. Lebensjahr hinauf⸗ l werden. Auch die jetzt im Gesetz gegebenen Kriterien
ür die Verurtheilung eines jugendlichen Verbrechers sind unhaltbar. Dem Richter muß auch die Möglichkeit gegeben werden, nach eng⸗ lischem Muster sogleich an Stelle der Strafe auf Ueberweisung an eine Befferungsanstalt zu erkennen, Ferner sind die Vorschriften über die Beleidigung durchaus reformbedürftig Schwere Beleidigungen, Verleumdungen, üble Nachrede kommen jetzt vielfach mit zu geringen Strafen davhn, weil die Strafmaxima zu niedrig sind. Hier müssen durchaus höhere Strafen eingesetzt werden. Durch Verleumdungen können nicht allein moralisch, sondern auch wixthschaftlich, ganze ECxistenzen vernichtet werden; für Verleumdungen, bei denen die Ehr⸗ abschneidung bewußte Absicht war, sollte sogar Zuchthausstrafe ver⸗ hängt werden. Nichtswürdig ist, die Nation, die nicht ihr alles freudig setzt an ihre Ehre. Damit will ich nicht dem Duellwesen das Wort reden; ich begrüße mit Freuden die Vorschläge Gröber und Schrader. Eine ungemein dringliche Reform ist diejenige der Bestimmungen über den groben Unfug, die durch die neuere Recht⸗ sprechung ganz ihrem ursprünglichen Inhalt entfremdet worden sind. Wenn ein Reichs- Strafvollzugsgesetz noch keine Aussicht hat, so sollte doch ein Reichskommissar zur Repision der einzelstaatlichen Straf⸗ anflalten bestellt werden, damit wir auf diesem Gebiete etwas weiter kommen. Die Strafprozeßordnung erfüllt auch noch nicht alle be= rechtigten Ansprüche. Wir brauchen die großen Schöffengerichte, welche im Volke viel Anklang finden würden. ;
Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:
Meine Herren! Ich habe vorher versäumt, auf eine Anfrage Auskunft zu geben, die der Herr Abg. Gröber im Laufe seiner Dar— legungen an mich gerichtet hat; ich möchte das jetzt nachholen.
Der Herr Abgeordnete hat auf die Verhandlungen Bezug ge⸗ nommen, die im vorigen Jahre hier gepflogen worden sind über den sogenannten fliegenden Gerichtsstand der Presse, und er hat mich an die Erklärungen erinnert, die ich damals abgegeben habe zu der Frage, wie die legislatorische Behandlung dieses Gegenstandes stehe. Seine Bezugnahme auf die vorjährigen Verhandlungen war durchaus zu⸗ treffend. Bei der Berathung des Urhebergesetzes war ein Antrag ge⸗ stellt worden, dieses Gesetz zu benutzen, um die Frage des fliegenden Gerichtsstandes zu einer von der Revision der Strafprozeßordnung ab⸗ sehenden selbständigen Erledigung zu bringen. Ich konnte damals
nicht empfehlen, diese Frage mit dem ihr fremdartigen Gegen⸗ stande des Urheberrechts zu verbinden; ich habe aber meine Bemühungen zugesagt, damit die Frage baldmöglichst zu einer Er⸗ ledigung komme. Der Reichstag hat daraufhin von einer Verbindung der Materien abgesehen und sich darauf beschränkt, eine Resolution zu fassen, die von neuem die Regelung des fliegenden Gerichtsstandes ab⸗ gesondert von der Strafprozeßordnung verlangt.
Meine Herren, wenn auch durch diese Resolution ohne weiteres den verbündeten Regierungen die Sache nahegelegt war, so habe ich doch auch mein Versprechen, das ich damals abgegeben habe, halten wollen und meinerseits die Sache bei den hohen Regierungen zur An⸗
regung gebracht. Das ist auch, wie ich dankbar anerkenne, insofern nicht auf unfruchtbaren Boden gefallen, als Ver⸗ handlungen unter den Regierungen eingeleitet wurden. Ich
muß aber erklären, daß diese Verhandlungen zur Zeit noch nicht zum Abschluß gekommen und noch nicht bis zu einem Entwurfe ge⸗ diehen sind, der für die Vorlage an das hohe Haus geeignet wäre. Sie haben inzwischen aber doch den Erfolg gehabt, daß in der Praxis die Verfolgung von Strafthaten, die mittels der Presse begangen werden, außerhalb des Ortes, an denen das betreffende Preßerzeugniß erschienen ist, im wesentlichen beseitigt ist. Im Großen und Ganzen wird dort verfolgt, wo das Blatt erscheint, mit Ausnahme der Privat⸗ klagen. Auf die Verfolgung der Privatklagen, meine Herren, hat ja die Staatsverwaltung keinen Einfluß; da liegt es in der Hand des Klägers, wo er die Verfolgung einleiten will. In diesem Punkte haben aber auch die verschiedenen Resolutionen, die der Reichstag gefaßt hat, und die Beschlüsse der Kommission zur Strafprozeßordnung an⸗ erkannt, daß hier eine Ausnahme gerechtfertigt sei. Soweit aber da⸗ mals eine gesetzliche Regelung im Sinne eines einheitlichen und einzigen Gerichtsstandes zur Erörterung stand, sind von mir die Schritte gethan, die erwartet werden konnten.
Was die vielfachen Anregungen betrifft, die in den Ausführungen des letzten Herrn Vorredners enthalten waren, so möchte ich nur einen Punkt berühren, weil ich glaube, ihn berühren zu müssen, damit nicht über meine Stellung zu der betreffenden Frage hier im hohen Hause ein Mißverständniß sich ergebe. Es betrifft das die Heraufsetzung des strafmündigen Alters bei den Kindern. Dieses Alter beginnt be⸗ kanntlich nach dem Strafgesetzbuch mit dem 12. Jahre. Der Herr Vorredner hat sich zum Anwalt derjenigen Meinung gemacht, welche es für richtig hält, eine gerichtliche Bestrafung überhaupt erst im späteren Lebentalter eintreten zu lassen, also diejenigen Kinder unter diesem Alter, die gegen die Strafgesetze fehlen, nicht vor den Straf⸗ richter zu verweisen, sondern anderweiter Besserung zuzuführen. Er hat dabei Bejug genommen auf eine Erklärung, die ich hier vor einigen Jahren abgegeben habe, in der ich nicht Anstand nahm, für mich persönlich zu sagen, daß ich diesem Gedanken freundlich gegenüberstehe. Das Reichs-Justizamt hat denn auch über die Frage ausführliche Erörterungen mit den Einzelregierungen an⸗ gestellt und hat namentlich auch statistische Unterlagen erbeten, um die Frage maßgebend beurtheilen zu können. Nun habe ich bereits im vorigen Jahre auf eine Anfrage hier im Hause sagen können, daß die zahlenmäßigen Erhebungen zum Abschluß gekommen wären, daß sie aber keineswegs — wie ich nochmals zu meinem großen Bedauern konstatieren muß — das günstige Resultat bezüglich der Kriminalität der Jugend ergeben hat, von dem ich früher ausgegangen war, und das mich bestimmte, in diesem Punkte der Auffassung des Herrn Vor⸗
strafe
redners zu folgen. Meine Herren, wir haben feststellen lassen — das wird
18902.
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das hohe Haus für die Würdigung dieser Frage interessieren — wie⸗
viel Strafthaten in den Jahren 1894 = 1898, in diesen 5 Jahren,
von Kindern im Alter von 12 —=14 Jahren verübt sind im Deutschen Reich, und welcher Art diese Strafthaten waren. Da hat sich nun
zu unserer schmerzlichen Ueberraschung Folgendes ergeben: Es sind in
diesen 5 Jahren im Ganzen bestraft worden wegen Vergehen und
Verbrechen — Uebertretungen lasse ich fort, ich rechne hierher auch die
bekanntlich unter der Jugend sehr zahlreichen Delikte des Forstfrevels und Felddiebstahls — 45 510 Kinder, sodaß auf die Kinderwelt unseres Vaterlandes im Durchschnitt dieser 5 Jahre jährlich 9000 Straffälle: abgerundet — es kommt auf die kleineren Ziffern ja nicht an — fallen. Von diesen 9000 Fällen jährlich sind nur durchschnittlich /o, also etwa 900 von den Gerichtshöfen so angesehen worden, daß die Zurechnungs⸗ fähigkeit der Kinder, um es kurz auszudrücken, nicht so weit nach⸗ gewiesen war, um sie zur gerichtlichen Bestrafung zu ziehen, sie wurden infolge dessen auf Grund des 556 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs frei⸗ gesprochen. In den übrigen neun Zehntel Fällen haben aber die Gerichte angenommen, daß die Kinder strafrechtlich verantwortlich gemacht werden könnten, und deshalb die im Strafgesetz vorgesehenen Strafen eintreten müßten. Zur näheren Charakterisierung führe ich noch an, daß die Strafthaten, die im Bereich der Kinderwelt vor⸗ gekommen sind, keineswegs immer leichte Delikte gewesen sind. Es ergaben sich bereits unverkennbare Spuren dafür, daß hier auch Keime des gewohnheitsmäßigen Verbrechens sich ausbilden. Unter den Diebstahlsfällen finden sich 223 Fälle, bei denen die Kinder wiederholt, wegen Rückfalls, zur strafrechtlichen Ver⸗ antwortung gebracht werden mußten. Aber noch weiter, meine Herren, es sind auch zahlreiche. Fälle vorgekommen, aus denen sich er⸗ giebt, daß Kinder bei sehr schweren Verbrechen ihre Mitwirkung ge⸗ liehen haben. Es sind Kinder überführt worden in 8 Fällen bei Mord, in 15 bei Münzverbrechen, in 116 bei Raub und räuberischer Erpressung, in 19 bei vorsätzlicher Gefährdung eines Eisenbahnzuges, in 222 wegen vorsätzlicher Brandstiftung und zuletzt der traurigste, in 726 Fällen wegen Unzucht mit Gewalt oder an Kindern. Meine Herren, wenn man sich diese erschreckenden Zahlen vergegenwärtigt, muß man stutzig werden, ob es richtig sein würde, eine Erhöhung des strafmündigen Alters so, wie es der Herr Abg. Esche im Auge hat, und zu der, wie ich nicht leugne, auch ich früher neigte, eintreten zu lassen. Es wird Gegenstand
weiterer Erwägung sein müssen, ob in anderer Weise hier eine Rück⸗ sicht auf das Kindesalter genommen werden kann, etwa derart, daß man Kinder nicht, alten Verbrechern gleich, öffentlich vor dem Richter zur Rechenschaft zieht. Das aber haben diese Zahlen begründet, daß von seiten des Reichs-Justizamts zur Zeit der Gedanke nicht weiter verfolgt werden kann, alle Kinder bis zum dreizehnten oder vierzehnten Lebensjahr der strafrechtlichen Verantwortlichkeit völlig zu entziehen. Wir würden, glaube ich, angesichts der Zahlen, die ich die Ehre hatte vorzutragen, damit einen nicht zu verantwortenden Schritt thun.
Abg. Dx. von Dziem bęwski⸗Pomign (Pole): Besonders reformbedürftig ist die genaue Abgrenzung der Kompetenz, zwischen den ordentlichen und den Verwaltungegerichten. Damit erst wird der Justiz⸗ reform der Schlußstein ö t. Eine der wundesten Stellen in unferer Rechtspflege ist die Möglichkeit für die Regierung, nach ihrem Belieben den n,, zu erheben, wodurch die Rechtsprechung der Gerichte sehr bequem n . werden kann. Redner verbreitet sich dann über die Frage der Vorbildung der Juristen und verlangt, daß der, Schwerpunkt auf das Privatrecht gelegt werde. Er rügt ferner die fortgefetzte Verwendung von Gerichts il essoren als Hilfs⸗
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richter bei wichtigen Fragen, auch solchen mit politischem Hintergrunde, wie es im Wreschener Schulprozeß wieder geschehen sei. Der i f sei nicht unabsetzhar, wie es der erkennende Richter nach der Verfaffung sein solle. Auch bei der Urtheilsausfertigung werde nicht immer den Vorschriften entsprechend verfahren.
Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:
In den einleitenden Bemerkungen seines Vortrags ist der Herr Vorredner auf einen Gegenstand gekommen, der voraussichtlich in kurzer Zeit das hohe Haus aus anderer Veranlassung beschäftigen wird. Der Herr Vorredner hat sich darüber beschwert, daß von den an und für sich mit privatrechtlichem Charakter bekleideten Streitsachen, die vor die Zivilgerichte gehören würden, in einzelnen Staaten — er hat da namentlich wohl Preußen im Auge — ein gewisser Theil an andere Instanzen ver= wiesen werde. Ich, kann demgegenüber nur verweisen auf den 5 13 des Gerichtsverfassungsgesetzts mit den bezüglichen Be⸗ stimmungen der Zivilprozeßordnung. Diese reichsgesetzlichen Vor⸗ schriften gestatten es den Einzelstaaten, in gewissem Umfange Privat⸗ rechtssachen an andere Behörden wie die ordentlichen Zivil behörden zu verweisen. Das ist nicht nur in Preußen, das ist auch in anderen Staaten geschehen, aber auf dem Wege der Bundesgesetzgebung und der Mitwirkung der Stände. Es liegt hier also ein reichsrechtlich und landesrechtlich normaler Zustand vor, und wenn die Angriffe des Herrn Abgeordneten begründet sind, dann muß er sie richten gegen die einschlägigen, von mir angezogenen Vorschriften im Gerichtsverfassungs⸗ gesetz und in der Zivilprozeßordnung. Materiell ist da allerdings nichts entschieden, und für jeden einzelnen Bundesstaat ist es bis zu einer bestimmten Grenze in das Ermessen der Landesgesetzgebung gestellt, welche Streitfragen dem Richter und welche anderen Behörden über⸗ wiesen werden sollen. In der That ist das auch in den einzelnen Bundes⸗ staaten in sehr verschiedenem Umfang geschehen. Diese Frage ist bei der Be⸗ rathung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Sprache gekommen, und damals ist von dem hohen Hause der Wunsch ausgesprochen worden, eine Uebersicht über den einschlägigen Rechtszustand in den einzelnen Bundes⸗ staaten zu bekommen. Diese Uebersicht ist dem Hause auch bereitwillig versprochen worden, und sie ist jetzt so weit gediehen, daß wir sie in kurzer Zeit dem Hause werden vorlegen können. Die meisten Staaten haben das nöthige Material in wohl vorbereitetem Zustande geliefert, auch der größte Staat, Preußen, hat das Material bereits vorgelegt; es fehlt nur noch aus einem Bundesstaat. Sobald es auch von diesem eingegangen sein wird, werden wir nicht zögern, dem Hause die
entsprechende Vorlage zu machen. Das Haus wird dann die Frage,