Verordnung, betreffend die Tiefladelinie, ausgearbeitet hat, daß diese Verordnung bereits dem Reichsversicherungsamte zugegangen ist, und daß sie auf der nächsten Generalversammlung der Seeberufs⸗ genossenschaft im Mai d. J. Gegenstand der Beschlußfassung sein wird. Die Seeberufsgenossenschaft gibt sich der Hoffnung hin, daß bei Gelegenheit dieser Generalversammlung im Mai d. J. die wichtige Frage der Tiefladelinie eine gründliche und befriedigende Lösung finden wird.
Meine Herren, der Herr Abg. Jäger hat gestern auch über die Wohnungsfrage gesprochen und den Wunsch ausgedrückt, daß dem Reichs⸗ tage bei seinem nächsten Zusammentreten eine Denkschrift vorgelegt werden möchte, aus welcher heworgeht, was in den Einzelstaaten zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse der unbemittelten Klassen ge schehen ist. Meine Herren, wenngleich das Buch, was der Herr Abg.
Jäger geschrieben hat, eine so gründliche und umfassende Arbeit darstellt, daß dort eigentlich schon das maßgebende Material fast vollständig vereinigt ist, so bin ich doch gern bereit, dem hohen Hause eine der⸗ artige Denkschrift bei seinem nächsten Zusammentritt vorzulegen. (Bravo! links) Es hat mich namentlich gefreut, daß der Abg. Jäger in seinen Ausführungen auch zu der Ueberzeugung gekommen zu sein scheint, daß der geeignetste Weg sowohl für das Reich, wie für Staat und Kommune, den unbemittelten Bevölkerungsklassen billige Woh⸗ nungen zu schaffen, in der Tat in der Anwendung des Erbbaurechts liegt. Nur wenn Reich, Staat und Kommunen in dieser Weise dauernde Eigentümer des Grund und Bodens bleiben, auf dem im Wege der Genossenschaftsbildung billige Wohnstätten für die unbemittelten Klassen errichtet werden, wird es möglich sein, der Grundstücksspekulation in der Umgebung der Städte, namentlich der Großstädte, wirksam und dauernd entgegenzutreten. Werden aber die Preise für Grund und Boden in der Umgebung der sich ent⸗ wickelnden Städte weiter in die Höhe getrieben, so wird es auf die Länge der Zeit geradezu unmöglich werden, für die ärmeren Bevölke⸗ rungsklassen noch billige Wohnstätten in erreichbarer Nähe ihrer Arbeitsstätte zu schaffen (sehr richtig; denn nicht in den Kosten des Baues des Wohnstätten, sondern im steigenden Preise des Grund und Bodens liegt dann eine solche Erhöhung der Mieten, daß sie von den ärmeren Klassen nicht mehr aufgebracht werden können. Ich glaube deshalb auch, die Kommunen, die der Wohnungsnot der unbemittelten Klassen abhelfen wollen, täten gut daran, sich ausreichenden Grund und Boden in erreichbarer Nähe der Stadt noch zu einer Zeit zu sichern, wo derselbe zu annehmbaren Preisen zu erwerben ist, und diesen Grund und Boden in Form des Erbbaurechts an Baugenossenschaften zu überlassen. Wenn von den Genossenschaften nur ein Bebauungs—⸗ recht erworben wird, verbleibt Eigentümerin des Grund und Bodens die öffentliche Korporation, die so einen dauernden sozialpolitischen Zweck auch für kommende Generationen erreichen kann. Ich freue mich, daß in der Wissenschaft sich die Auffaffung, daß dieser Grundsatz ein richtiger ist, immer weiter Bahn bricht, und daß dieser Auffassung
gestern auch der Herr Abg. Jäger Ausdruck gegeben hat.
Der Herr Abgeordnete der sozialdemokratischen Partei, der eben gesprochen, hat meine gestrigen Ausführungen angegriffen, die nachzuweisen suchten, daß aus dem Proletariat, aus den ärmeren Volksklassen nach dem urkundlichen Nachweise der Steuer⸗ veranlagungen progressiv eine große Anzahl von Personen in die Klassen übertreten, deren Einkommen dem Einkommen des Mittelstandes entspricht. Ich will Sie nicht mit Statistik be⸗ lästigen; aber daß in der Tat sich die Lohnverhältnisse bei der Arbeiterklasse in Deutschland objektiv verbessert haben, wird namentlich durch die Statistiken, die von der Bergbauverwaltung aufgestellt sind, in überzeugender Weise nachgewiesen. Wenn bei⸗ spielsweise in Oberschlesien der durchschnittliche Jahresbetrag des Arbeiterlohnes im preußischen Skeinkohlenbergbau im Jahre 1880 olß Ss betragen hat und im Jahre 1899 Sol M, so meine ich, liegt darin der Nachweis, daß die Lohnverhältnisse der Arbeiter sich wesentlich gehoben haben, und wenn Sie die ganze Statistik der Bergbauverwaltung durchgehen, so werden Sie sehen, welche erhebliche Steigerung des Einkommens gerade in dieser größten unserer Industrien stattgefunden hat. Wenn man z. B. bei der Altersversicherung berechnet, wieviel anrechnungsfähige Löhne auf einen Versicherten fallen, so betrug durchschnittlich der anrechnungsfähige Lohn im Jahre 1838656 für einen Versicherten 624, im Jahre 1398 aber 735 6 Das sind Zahlen, die man nicht ignorieren darf. Der Herr Abgeordnete, und nicht nur er, sondern auch ein Parteigenosse von ihm, hat darauf hingewiesen, daß eigentlich das, was im letzten Jahre auf dem Gebiete der sozialpolitischen Gesetz⸗ gebung geschehen sei, nicht so gar viel wäre. Meine Herren, ich liebe es nicht, hier ruhmredig anzuführen, was seitens der Regierung auf dem Gebiete der Sozialpolitik geschehen ist. Ich habe hier das Ver⸗ zeichnis vor mir, und, meine Herren, wenn Sie sich einmal die Mühe
geben wollten, die Reichsgesetzsammlung seit dem Jahre 1902 durch⸗
zusehen, werden Sie finden, daß doch mehr geschehen ist, als Sie in Ihren Reden zugegeben haben.
Wenn speziell der Herr Vorredner auf die Krankenversicherung zu sprechen kam und meinte — ich habe das auch in einem sozialdemokra⸗ tischen Blatte gelesen — man begreife nicht, daß ein so kleines Gesetz so lange Zeit erfordert habe, das hätte man ja schon bei der Be⸗ ratung des Gesetzes über die Invalidenversicherung machen können —, so kann ich Ihnen sagen, ich bin sehr froh, daß es so weit gekommen ist, daß dieses Gesetz dem Bundesrat bereits vorliegt. Die Auf⸗ fassung über das, was auf diesem Gebiete zu geschehen hat, ist sehr geteilt, und die Kunst besteht nicht darin, ein Gesetz zu entwerfen, sondern ein Gesetz so zu machen, daß es die Zustimmung der gesetz⸗ gebenden Faktoren an allen Stellen findet. (Sehr richtig) Ich meine, das Gesetz ist so gefördert, daß sich die hohen verbündeten Regierungen in allernächster Zeit im Bundesrat darüber schlüssig machen werden. Das ist ein wesentlicher sozialpolitischer Erfolg, der — ich gebe Ihnen, meine Herren, mein Wort darauf — nicht so leicht zu erreichen war.
Der Herr Abg. Hoch hat auch versucht, einen Widerspruch zwischen meinen früheren und meinen letzten Erklärungen heraus
zulesen über die Frage der Verkürzung der Arbeitszeit für weibliche Personen. Ih habe damals ganz offen zugestanden, daß die meisten Gesichte punkte, die fäͤr die Beschäftigung verheirateter Frauen zutreffen, auch auf die Veschäftigung von Mädchen zutreffen; denn es handelt sich bei der Beschaftigung von weiblichen Personen im allgemeinen darum, wie lange der weibliche Organismus widerstandsfähig ist gegen. über einem gewissen Nehermaß von Arbeit, und diese Frage besteht selbstverständlich ebenso für welbliche verheiratete wie für ledige Frauen.
Darum waren erneute Erhebungen kaum notwendig, um zwischen diesen beiden Klassen einen Unterschied herauszufinden. Die Er hebungen waren notwendig, weil die Verkürzung der Arbeitszeit der weiblichen Arbeiter eingreift in unsere Industrie überhaupt, weil die Beschäftigung der weiblichen Arbeiter zum Teil Hand in Hand geht mit der Beschäftigung der männlichen Arbeiter, und weil man, ehe man sich entschließt, eine solche Maßregel anzuordnen, selbstverständ⸗ lich zunächst beide Teile hören muß. Man muß die Arbeiter hören, aber auch die Arbeitgeber. Also ein Widerspruch zwischen meinen früheren und meinen neueren Erklärungen liegt in keiner Weise vor.
so werden sie im Reichsamt des Innern gerade so abgedruckt, wie sie uns von den Regierungen geliefert werden, und ich versichere, daß auch die einzelnen Regierungen durchaus auf dem Standpunkt stehen, daß die Gewerbeinspektoren objektiv ohne jede Scheu nach irgend einer Richtung hin die Tatsachen berichten sollen, die sie während ihrer Berufsführung bemerkt haben. Es ist mir nicht bekannt, daß irgend eine der verbündeten Regierungen in dieser Beziehung einen Einfluß auf die Gewerbeinspektoren geübt hätte. Jedenfalls drucken wir in der Reichsinstanz einfach die einzelnen Berichte ab, wie sie uns vor⸗ gelegt werden.
Der Herr Abgeordnete ist dann noch auf eine Frage zurück⸗ gekommen, die eine tiefere politische Bedeutung hat. Er hat gesagt, ich hätte einmal erklärt, seitens des Reichs würden keine Beamte als Kommissare zu Arbeiterversammlungen geschickt werden, wo durch die äußere Ausschmückung des Raumes ihr monarchisches Gefühl verletzt würde. Diesen Standpunkt halte ich auch heute noch aufrecht. (Sehr gut) Sie können nicht verlangen, daß ein monarchischer Beamter einem Kongreß, einer Versammlung beiwohnt, wo die äußeren Abzeichen eine andere Staatsform ver⸗ berrlichen, als die, auf welche er den Treueid geschworen hat. Das werden wir unter keinen Umständen tun. Wenn der Kongreß in Stuttgart beschickt war von der württembergischen Regierung und von dem Reich, so war dort die Ausschmückung des Raumes eben nicht eine derartige, die geeignet gewesen wäre, das monarchische Gefühl der abgesandten amtlichen Delegierten in irgend einer Weise zu verletzen. Davon hat sich die Königlich württembergische Regierung vorher ausdrücklich überzeugt und hat auch die nötige Gewährleistung hierfür bekommen. ;
Der Herr Abg. Hoch hat sich auch weiter über den Bauarbeiter⸗ schutz ausgesprochen. Meine Herren, seit der Zeit, wo das letzte Mal diese Frage hier verhandelt wurde, haben die Sektionen , VI und VII der Rheinisch⸗Westfälischen Baugewerksberufsgenossenschaft je
einen technischen Aufsichtsbeamten neu angestellt, so daß die Zahl dieser Beamten auf 34 gestiegen ist. Ob diese tech⸗ nischen Aufsichtsbeamten, die zunächst bestimmt sind, die
Bauten zu beaufsichtigen, auch als Rechnungsrevisionsbeamte benutzt werden, ist mir nicht bekannt. Ich werde mich über diese Verhältnisse
näher unterrichten, aber ich könnte darin auch keinen Nachteil sehen, wenn im Winter, wo die Bauten ruhen, die technischen Aufseher beauftragt werden, die Kassen der Berufsgenoffenschaften zu prüfen. Wahrscheinlich würde man sonst gar nicht wissen, wie man im Winter diese Beamten überhaupt beschäftigen sollte.
Die Vorstände der Sektion VIII der Rheinisch⸗Westfälischen und der Sektion W der Nordöstlichen Bauberufsgenossenschaft haben sich trotz des Vorhaltens des Reichsversicherungsamts, durch berufs⸗ mäßige Beamten die Kontrolle der Bauten zu üben, hierzu bisher nicht bereit erklärt; sie halten daran fest, daß die Kontrolle auch durch ehrenamtliche Organe ausgeübt werden könne. Ich muß aber doch feststellen, daß das Reichsversicherungsamt der Ansicht ist, daß die bis⸗ herige Anzahl der Baukontrolleure nicht ausreicht. Das Reichs⸗ versicherungsamt ist vielmehr der Ansicht, daß diese Zahl bedeutend größer sein müßte, und drängt fortgesetzt auf die Berufsgenossen⸗ schaften, daß sie sich entschließen, eine größere Anzahl von Bauaufsichts⸗ beamten anzustellen; ein Zwangsrecht hat das Reichsversicherungsamt indes nicht.
Was die Kontrolle der Polizeibehörden betrifft, so habe ich mich fortgesetzt mit den verbündeten Regierungen in Verbindung gehalten, um darauf hinzuwirken, daß diese Kontrolle der Bauten eine schärfere sein möge. Was speziell die Kontrolle in Bayern betrifft, so hat die bayerische Regierung sich dahin geäußert, daß die neu eingerichtete Baukontrolle bisher im allgemeinen zur Zufriedenheit wirke.
Wenn schließlich die Arbeitszeit in der Bijouterieindustrie be⸗ mängelt ist, so möchte ich zunächst bemerken, daß im letzten Jahre in Hanau Ueberstunden überhaupt nicht gewährt zu sein scheinen. Ich finde in dem Bericht des Gewerbeaufsichtsbeamten des Regierungs⸗ bezirks Cassel folgendes bemerkt:
Der im Namen von 64 Fabrikanten gestellte Antrag des Vor⸗ standes des Kunstgewerbevereins in Hanau um Ueberarbeits« genehmigung für die erwachsenen Arbeiterinnen an 30 Tagen bis zu 13 Stunden täglich und um Zulassung von Sonntagsarbeiten in den Monaten November und Dezember für erwachsene Arbeiter und Arbeiterinnen wurde abgelehnt, weil ein Bedürfnis dafür nicht an⸗ erkannt werden konnte.
Also, falls es sich hier um die Bijouterieindustrie handelt, hat die Behörde gerade in dem Sinne entschieden, die Ueberarbeit nicht zu gewähren. Allerdings ist im Jahre 1898 Ueberarbeit für diese Arbeiterinnen gewährt worden und daneben gleichzeitig auch eine ver⸗ längerte Sonntagsarbeit. Das halte ich nicht für zulässig, und das wird wahrscheinlich auch nicht wieder geschehen. Im übrigen bin ich gern bereit, die Verhältnisse der Bijouterieindustrie einer erneuten Untersuchung durch die beteiligten Regierungen zu unterziehen. Ich bemerke aber, es handelt sich um eine Saisonindustrie, eine Industrie, wo eine Arbeiterin mindestens drei Jahre lernen muß, um mit Erfolg darin tätig zu sein. Es wird sehr häufig auch für ganze Fabriken Ueberarbeit nachgesucht, aber einzelne Arbeiter und Arbeiterinnen machten nur davon Gebrauch. Weil sich die Bestellungen nur auf wenige Monate zu er— strecken pflegen, auf die Zeit vor Weihnachten und vor Ostern, und häufig für den Export so knapp gemacht werden, daß die Ware bis zum Abgang eines ganz bestimmten transatlantischen Dampfers geliefert werden muß, liegen diese Verhältnisse in der Bijouterieindustrie ganz außerordentlich schwierig. Wir haben früher schon mit der preußischen, württembergischen und badischen Regierung darüber konferiert. Die Arbeiterinnen in der Juwelierindustrie, namentlich in Baden, in Pforzheim, haben zum Teil nebenbei auch ländliche Beschäftigung und werden in der stillen Zeit des Jahres
entweder gar nicht oder nur ganz kurze Zeit beschäftigt, während sie
Meine Herren, was die Berichte der Gewerbeinspektoren betrifft,
in der Zeit der Saison, vom Oktober bis Januar ganz außerordent⸗ lich stark herangezogen werden. Es handelt sich nun darum, die Verhältnisse so zu gestalten, daß diese Exportindustrie, die mit so kurzen Lieferungszeiten arbeitet, nicht geschädigt wird, und anderseits die Arbeiterinnen den Schutz finden, der für sie notwendig ist. Ich bin also bereit, diese Verhältnisse nochmals in Erwägung zu ziehen, kann aber heute eine feste Zusicherung in einer bestimmten Richtung nicht machen.
Abg. Dr. Pagsche (al): Nach mir sind noch 26 Redner zu diesem Titel gemeldet, wenn wir die Redefreiheit ausnützen, würden wir mit dem Etat nicht vorwärts kommen. Ich selbst werde mich auf das Notwendigste beschränken, Die Sozialdemokraten üben an allen sozialpolitischen Fortschritten die schärfste Kritik und nehmen dag Verdienst ür sich in Anspruch, daß auch diese Fortschritte nur der Furcht vor
er Sozialdemokratie zu verdanken . Ich lege demgegenüber mein Bekenntnis für den Fortschritt der sozialen Reformarbeit ab und werde mich durch alle Verdächtigungen, Uebertreibungen und Angriffe nicht irre machen lassen. Der Staatssekretär des Innern hat ebenfalls be⸗ wiesen, daß er sozialpolitisch denkt; aber wir wissen auch, daß eine ganze Reihe von Reibungswiderständen zu beseitigen sind; deshalb wollten wir ihn nicht durch immer weitere Anträge auf. der Bahn der Sozialreform zu stark vorwärts drängen. Es liegen eine Anzahl solcher Anträge vor. Der Antrag von Heyl⸗Trimborn war kaum vorgelegt, da kommen die Herren Sozialdemokraten, verlangen das Doppelte und schreien, daß unser Antrag nur der Furcht vor der Sozialdemokratie entspringt. Sie fordern den zehn⸗ und nach kurzer Frist den achtstündigen Arbeitstag. Hätten wir den acht stündigen Arbeitstag gefordert, so hätten sie sofort den sechsstündigen beantragt. Ein gesetzlicher Maximalarbeitstag empfiehlt sich nicht, wo er nicht aus hygienischen und sanitären Gründen geboten ist. Ich bin gegen einen solchen und habe deshalb auch lebhafte Bedenken gegen den weniger weit gehenden Antrag. In einer ganzen Reihe don Industrien arbeiten Frauen und Männer nebeneinander, so in der Textilindustrie; wird der Arbeitgeber gezwungen, die Hälfte oder zwei Drittel der Arbeiterschaft zu einer bestimmten Stunde zu entlassen, so müssen ö. die übrigen entlassen werden. Man sollte doch auch die Frauen nicht allzusehr beyormunden. Die Tendenz geht doch sonst dahin, die Vormundschaft, unter welche die Frau gefallen ist, möglichst zu be⸗ schränken. Die Gewährung einer größeren Freiheit in diesem Sinne liegt auch im Interesse der Arbeiter selbst. Die Ausdehnung des Schutzalters ist gar nicht nach meinem Geschmack. Der Junge, der seine Knochen in der frischen Landluft gebrauchen gelernt hat, soll doch nicht J werden, bis zum achtzehnten Jahre nicht voll sich zu betätigen. Die Art, wie die ö. Linke gegen die Antraͤge überhaupt polemisiert, ist tief beschämend für das deutsche Volk. Männer wie Trimborn, Gröber, Freiherr von Heyl ꝛc. wollen Sie mit Ausdrücken wie papierne Resolution“ 2c. in der offentlichen Meinung herabsetzen. Sie übertrumpfen jeden Antrag mit unmöglichen Forderungen, deren Ausführbarkeit Sie selbst be⸗ zweifeln. Sie nennen den Zentrumsantrag von der Witwen⸗ persicherung eine Witwen- und Waisenverhöhnung‘. Was soll das heißen? Gewiß geht er nicht weit genug, denn unsere Beamten, niedere wie höhere, bedürfen dieser Versicherung auch; aber von Verhöhnung“ zu sprechen, das ist ein Vorgehen, welches wir aufs entschiedenste zurückweisen müssen. Herr Wurm hat in geradezu unerhörter Welse die Verhältnisse der Pensionskasse der Firma Krupp in Essen entstellt. Die Kasse wird erhalten durch Beiträge, welche 20 9 des Lohnes der Arbeiter und 2400, also ebenso viel, Zuschuß der Firma betragen. Heute hat die
Kasse 12 Millionen Vermögen. Der Arbeiter hat vom 20. Jahre seiner Mitgliedschaft Pensionsansprüche; vielfach wird schon vom a5. Jahre ab gezahlt. Die Militärdienstzeit wird nicht abgezogen. Die Mitglieder sind nicht im geringsten schlechter gestellt in ihren An⸗ sprüchen, als die Staatsbeamten. (Redner verliest Teile aus dem Ge⸗ schäftsbericht der Kasse für 1901) Die Pension für den Mann, den einfachen Arbeiter, ist 899 6 im Jahre, und diese erreicht er, wenn er 40 Jahre im Dienst ist, also mit 58 Jahren, viel früher als der Beamte. Die Witwenpensionen steigen bis zu 715 6; bei einer ganz jungen Witwe beträgt die mindeste Pension 1099 6, die wird sich voraussichtlich wieder verheiraten. (Heiterkeit links) Sie werden doch zu⸗ eben, daß solche Verhältnisse vorkommen. Wo haben Sie solche erhältnisse bei unseren Bauern und Handwerkern? Es besteht aller⸗ dings ein Zwang zum Beitrag, wie bei den Staatsbeamten. Dann hat man hingewiesen auf die 7734 entlassenen Arbeiter. Es sind tat⸗ sächlich nur 1100 entlassen worden; jene 7734 sind freiwillig gegangen. Nach 19 jähriger Mitgliedschaft scheiden tatsächlich auch noch einige aus, aber dann liegen besondere Gründe vor, Uebernahme einer Gastwirt⸗ schaft und dergleichen. Außerdem zahlt die Firma aus einem beson⸗ deren Fonds, den sie gestiftet hat, Beihilfe an solche, die keinen . die Kasse haben. Die Firma trägt die Kosten der ge⸗ samten Verwaltung; nur ein ganz kleiner Betriebsfends wird von der Firma verzinst; die 5 o/o Zinsen für Baugelder haben gar nichts mit Arbeiterhaäusern zu tun, sondern es handelt sich um ein Terrain der Firma, auf dem die höheren Beamten der Firma ihre Villen bauen können. Aus dieser Tatsache macht man die Behauptung, daß die Firma die Gelder der Kasse mit 40j0 verzinst und sich von den Arbeitern 50/o zahlen läßt, Freiwillig hat die Firma 22 Millionen in 10 Jahren hinzugezahlt; dafür sollte man Anerkennung haben aber nicht die Staatsgewalt dagegen aufrufen. Herr Wurm ha gar nichts weiter gesagt, als was der Vorwärts“ vorher schon ver⸗ öffentlicht hatte. Man hat behauptet, es wäre alles Wucherpolikik, auch der Betrieb der Kruppschen Konsumanstalt. Der Preis für das Kilo— gramm Schwarzbrot sinkt im Laufe der Zeit des Betriebes von 18 auf 12 Z; das sind die Wucherzöll:. Dasselbe gilt von Mehl. Also keine Brotverteuerung. Die Löhne zeigen eine LCeichmäßige Steigerung bis auf 459 6 Durchschnittslohn. Ich lege diesen Nachweis auf den Tisch des . nieder. i. Crüger agen er bedauere, daß Herr Wurm so übertrieben habe. as unterschreibe ich vollständig. Wenn Herr Wurm sagte, zwischen Besitzenden und Besitzlosen gebe es nur Kampf, so ist das eine Kriegs- erklärung gegen die Besitzenden. Das ist der Dank für alles, was hier für die Arbeiter geschehen ist. Sie (links) wollen keinen Frieden, sondern den Kampf, weil Sie pom Kampf leben. Sie wollen Haß und Unzufriedenheit säen, das ist Ihr Zweck. Wir nehmen den Kampf. 39 und glauben, daß es möglich sein wird, den sozialen Frieden her⸗ zustellen. Aber die bürgerlichen Parteien fordere ich auf: Tun Sie sich zusammen und kämpfen Sie gemeinsam!
Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fr. Vollsp.): Es ist ja sehr leicht, ein Kampfprogramm gegen die Sozialdemokraten zusammen⸗ zustellen; ob es aber einen Erfolg haben wird, ist eine andere Sache. Wir haben uns an dem Wettlauf mit Anträgen vor dem Wahlkampf nicht beteiligt. Es kommt bei diesen Anträgen kaum etwas Positives heraus. Durch dieses Vorgehen, ganze Gesetze als Resolutionen zum Etat einzubringen, wird es ermöglicht, solche Gegenstände, die sonst nicht erledigt werden könnten, hier zur Beratung zu bringen. Das ist doch geschäftsordnungsmäßig sehr bedenklich. Gefährlich erscheint uns der Antrag von Heyl bezüglich des Mitnehmens von Arbeit
nach 6st Das könnte als Dangergeschenk wirken Der sozial⸗ demokratische Antrag ist ein Agitationsantrag. Wir meinen, es ist besser, wenn die Gewerbeinspektion nicht losgelöst wird von ihrer
Landesbehörde. Der Antrag Gröber entspricht unseren eigenen Initiativy⸗ anträgen. Daß die Gewerkschaften nicht die juristische Perfönlichkeit erbalten sollen, hat Herr Crüger nicht gesagt, sondern nur, daß die Gewerkschaften als Kampforganisationen dem anzustrebenden Ziele hinderlich sein würden. Wir werden für den Antrag Pachnicke und Roesicke· Dessau stimmen. Was den Wohnungsantrag Jäger betrifft, so wünschten wir, daß ihm die Spitze gegen die staͤdtischen Ver⸗ waltungen genommen würde. Der Antrag Stötzel hat wohl nur einen agitatorischen Zweck. Wenn darin gesagt wird: regelmäßige
aximalarbeitszeit', so0 macht das den Eindruck: man wollte wohl, aber man kann nicht. Derr Wurm hat am Sonnabend vielfach über
die Schnur gehauen. Seine Rede und die des Abg. Hoch hatten