1904 / 56 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 05 Mar 1904 18:00:01 GMT) scan diff

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Aber dabei, meine Herren, ist das Merkwürdige: in denselben Blättern liest man bei anderer Gelegenheit ich will nur an unseren Zu · sammenstoß mit Venezuela erinnern die Armee taugt gar nichts, denn das Offizlerkorps nimmt eine durchaus ungeachtete Stellung ein, das hat nicht die gesellschaftliche Stellung, die ihm zukommt. Hier bei uns aber werden die Offiziere heruntergerissen, obgleich man ganz deutlich erkennt, daß der Offizter der Führer des Volkes in Waffen ist. (Lachen bei den Sozialdemokraten und Widerspruch

Von meinem Standpunkt aus muß ich sagen, daß der Offtiiersstand durch das, was er im Kriege geleistet hat, sich den Dank der Nation für alle Zeiten gesichert haben sollte. (Sehr wahr! rechts. Zurufe von den Sozialdemokraten.) Aber, meine Herren, die langen Friedeng⸗ jahre lassen derartige kriegerische Verdienste vergessen. und was hat er getan, um die feindselige Meinung gegen ihn hervor⸗ zurufen? Weil er in unentwegter Treue, Hingebung und Arbeit seinen Dienst getan, selne Pflicht erfüllt und fest zu seinem Allerhöchsten Kriegsherrn gestanden hat! (Bravo! rechts.)

Meine Herren, noch nie ist ein Stand so mit Schmutz beworfen worden, wie in letzter Zeit der Offiziersstand in dem Baudissinschen Buche, und wie es im „Simplieissimus“ geschehen ist. (Sehr wahr! rechts Ich kann nur dem beistimmen, was die National ⸗Zeitung einmal geschrieben hat:

Der „Simplieissimus“ stellt den tödlichen Bazillus dar, der jedes Ideal, eines nach dem anderen, zu ertöten sucht. (Sehr wahr! rechts und in der Mitte.)

Meine Herren, wenn Zeiten kommen, die schwer sind, dann werden an den Offizier die Anforderungen gestellt, wieder voranzugehen, die Führung zu übernehmen. Ich glaube, daß ein Offizierkorps, das in gedrückter Lage, das nicht geachtet war, das in der Gesellschaft und im Staate eine untergeordnete Rolle spielte, über⸗ haupt nie imstande wäre, eine solche Führerrolle zu übernehmen. Nicht, wenn der Offizier die Uniform anzieht, hat er schon seine Stellung, sondern er soll sich auch sagen, und zwar jeder einzelne: Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu be= sitzen er soll sich in die Tradition des Heeres einleben, er soll in sich aufnehmen den Geist der Armee, und dieser Geist er ist heute noch ein guter! (Lebhaftes Bravo! rechts.)

Auf alle die Sachen: Luxus, Liebesmahl, Geschenke usm. werde ich heute nicht eingehen; ich werde vielleicht noch Gelegenheit daiu haben. Ich möchte nur ganz kurz noch die Manbver berühren, die der

Abg. Bebel ja auch in den Kreis einer Betrachtungen ge⸗ 4. hat, um wieder einen bekannnten Militärschriftsteller als seinen

Kronzeugen anzuführen.

Meine Herren, erhalten, das jetzt neu ers behandelt. Ich habe keine Aufschlagen fiel mir ganz zu

ich habe gestern vom Generalstab ein Buch chienen ist und den südafrikanischen Krieg Zeit gehabt, es durchzulesen; aber beim fällig folgendes in die Augen: ĩ ä ĩ i Omdurman äußerte sich N einem glänzenden Siege bei ö ; Lord e. dahin, die Ausbildung der englischen Führer würde mangelhaft bleiben, solange man sich nicht entschlösse, größere Ma⸗ nöper anzulegen. Er bewundere die großartig angelegten deutschen Manöber. Das sei doch die einzige Art, wie sich ein Führer in der Handhabung größerer Massen üben könne. Sobald er nach dem afrilanischen Kriege zum Oberkommandierenden in Indien ernannt worden war und freie Hand hatte, war es eine seiner ersten Maß⸗ nahmen, die Anlage von Manßbvern einzurichten, wie man sie weder in England noch in den Kolonien je gesehen. . Oi een dieses vielbewährten, in Feldzügen und, Gefechten siegreich gewesenen Mannes stelle ich dem Urteil jenes Kritikert gegenüber. Meine Herren, es ist ungemein leicht, Manbveranlage und Manöverausführung zu kritisieren. Heute noch streiten sich die Ge⸗ lehrten, ob det Aufmarsch des preußischen deeres im Jahre 1866 durch den General Moltke ein Meisterstück oder ein Vergehen gegen die Kriegskunst gewesen sei, trotzdem er zum Siege von Königgrätz . Wenn Sie weiter in der Kriegsgeschichte zurüdblicken, so sueen ie, daß in der schlesischen Armee, die ganz wesentlich unter ö. Führung eines Blücher und Gneisenau zu den großen Erfolgen , kriege beigetragen hat, die schlimmsten Streitigkeiten, Kritiken 3. Widerwärtigkeiten zwischen dem Hauptquartier und den J. . Pork und Langeron, die auch gerade keine Dummköpfe waren, sta e aben.

ö a. 1870 richtete der Generalfeldmarschall 3 Briefe an ben General von Moltle, . 4 . . ö. . e Ihre Strategie nicht. (Heiterkeit. ĩ e nur ö meine Herreñ, wie äußerst . man sein muß in seiner

j Fßerer Truppenanlagen und Führungen. ; 5 nicht, wer der Freiherr von . o , ine itik durchaus nicht für richtig. Wenn ie g ; . Mansveranlage, mit jeder Durchführung ,,. . wesen wäre, dann srren Sie sich. Ich habe mir n,. mit meinen Herren sehr . . fan, . . te das für salsch. machen, warum tut er das, ich ba , i ĩ ner Ansicht dieses oder nie geglaubt, daß, weil nach me hee, dg 6. war, nun etwa das Wohl des Deutschen ; g. nieine, man muß bei derartigen , in . . ich ü derartige namentlich ältere Offiziere, die über , ner un noch in einem solchen Artikel der 5 äanwungen, mich so auszudrücken, aus Liebe zum . ich diese fürchterlichen Schäden sehe, . . 6 Sules“ und als Unterschrift steht ein Oberst a. X . ben po ste ein Gruseln. (Heiterkeit) Macht es ö. . außerdem leicht und sagt: nehmen Sie kant, e , ich' werde Ihnen mal beschreiben, wie das Manbver ĩ t., w das nicht . . natürlich: es ist lauter Unsinn. ö ö 36. man sich einfach nach der Karte richten könnte, wie im Kr ge,

der vollkommene Unsinn? Da sagt

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preujischen Staatsanzeiger. 3 56

Berlin, Sonnabend, den 5. März

wäre die Sache vielleicht einfach, aber wir haben Rüchsichten zu nehmen auf die Bevölkerung, die Bebauung (sehr richtig! rechts), wir müssen beachten, ob das Manöver im vorigen Jahre schon in derselben Gegend war, auf tausenderlei Dinge, die der Betreffende, der kritistert, gar nicht beurteilen kann, von denen er nichts weiß. Dann können etwas gequälte Anlagen vorkommen. Das schadet aber nichts, und alle diese Dinge, die der Herr Abg. Bebel hervorgebracht hat, kann ich als zutreffend und richtig in keiner Weise anerkennen. Unsere Manöver entbehren niemals eines großen Zuges in ihrer Anlage, und ihre Durchführung geschieht, soweit das überhaupt im Frieden möglich ist, kriegsgemäß. Daß ein Manbber gelegentlich mißglücken kann, ist nicht nu leugnen, namentlich ein großes. Wir sind dabei abhängig von Wind und Wetter, von den Wegeverhältnissen, genug, von allerhand Friktionen, die auch im Kriege eintreten können. Nun aber kurzweg den Stab zu brechen und zu sagen, diese Manöver taugen nichts, das geht doch viel zu weit und entbehrt einer objektiven, sachgemãßen und richtigen ritt. (Sehr richtig! rechts.) Ich möchte also auch in dieser Beziehung bitten, borsichtiger zu sein. Die preußische Armee ist vor dem Kriege 1866 kritisiert, schlecht gemacht und getadelt worden nach allen Richtungen, und sie ist marschiert über Königgrätz bis ien, und wenn sie Gelegenheit hat, für das Vaterland wieder sich ein⸗ zusetzen, dann bin ich der festen moralischen Ueberieugung, daß sich derselbe gute Geist in uns finden wird und die Kriegstichtigkeit auch. Das ganze Gefüge des Heeres im kleinen und großen wird zusammen⸗ gehalten durch die sittliche Pflicht; diese muß mitgebracht . als Frucht der Erziehung und unserer sotialen ,, 6. Herren, wirke doch jeder an seinem Teile, daß diese sitt . des einzelnen dahin geht, sich zu unterwerfen, nicht gegen den . zu löken, sondern wirklich in seinem Innern aus Freude am . lande seinen Dienst zu tun und sich das zu sagen, was unser Dichter

ausgesprochen hat: . : ; Ans Vaterland, ans teure schließ Dich an,

Das halte fest mit Deinem ganzen Herzen, Da sind die starken Wurzeln Deiner Kraft.

(Lebhaftes Bravo!) . Te er Hb Freiherr Heyl zu Herrnsheim (ul); Wenn der Abg. . . . daun müßte er dieselben n f die er für die Armee für maßgebend hält, . auf seine eigene artei an= wenden, dann müßte er die Schippelsche gritik in bezug auf die agrarsschen und wirtschaftlichen Verhältnisse fur die sozialdemokratische . är nützlich erkidren. Wir baben guch erlebt, daß ein ann wie Göhre, lediglich weil er Herrn Bebel nicht gefällt, auf feine Kandidatur berzichten mußte. Zu meiner Freude hat Herr Bebel erklärt, daß die Armee ein noli me tangere sei⸗ Dargus muß ich schließen, daß er auch seinerseits sich der revisionistischen Richtung feiner Partei angeschlossen hat. 1893 vertrat er auf dem Parteitage einen anderen Standpunkt. Gewundert hat mich, daß * Bebel seinen Finger nicht in eine ganz andere Wunde gelegt at. Der Unteroffizterftand leidet an dienstlicher Ueberbürdung, an einer zu langen Arbeitszeit und zu geringer Löhnung, Ich hoffe, daß der Abg. Müller⸗Fulda die vollen Folgerungen seines Standpunktes ziehen wird. Bei dem jetzigen Zustande . es begreiflich, wenn einzelne Unter⸗ offiziere in einen Zustand der Ueberreizung gelangen, der den dienst⸗ lichen Verhältnissen nicht günstig ist. Der Unteroffizierstand trägt eine große Verantwortung, er muß sein Leben in iner gewissen Ge⸗ bundenheit führen; er ö dafütr auch eine Löhnung haben, die mindestens derjenigen eines Aufsehers in einer großen 6 leich kommt. Tatsaͤchlich steht aber seine Löhnung ganz erheblich, bis zu 600 MS, dahinter zurück. Wir können unserseits nicht posttive Vor= schläge machen; das ist Aufgabe der verbündeten Regierungen. Am besten wird die bessere Löhnung dadurch erreicht, daß dem Unter⸗ offizier ein gesichertes Aufrücken ermöglicht wird. Entgegen den Er⸗ klärungen des Aßg. Müller. Fulda bitten wir außerdem, die geforderten Mittel für Vermehrung der Unteroffizierstellen voll zu bewilligen. Pen Bebürfriffen des Knteroffiierstande; muß um so mehr endlich entgegengekommen werden, als man die Anforderungen an ihn immer 26 gesteigert, ihm immer mehr Lasten auferlegt hat. In diesem Sinne kann man auch in der Armee von einer sozialen Frage sprechen. Seit langen Jahren ist ihnen keine Verbesserung zu teil geworden, während die Töhne der Arbeiter sich stetig gehoben haben. Herr

Bebel hat dafür in zwei Stunden kein Wort übrig gehabt.

Abg. von Normann, Id. kons): Herr Bebel hat uns eine lange llitar· ritif Hide gehalten, aber sein altes Steckenpferd, die Milz i er in diesem Jahre etwas weniger warm wie sonst gefeiert. Ich bellage den Inhalt dieser mehr als zweistündigen Rede in allen ihren . Herr Bebel sprach seine Freude aus über das endliche e deko nen einer Resolution seltens aller Parteien gegen die Il, lungen. Biese Freude hätte Herr Bebel schon lange haben können; wir derurtellen die Mißhandlungen aufe entschiedenste, ee wir dies immer getan haben. Wir haben uns immer nur da⸗ 36 gesttäubt, daß bel der Kritik dieser Mißhandlungen in einer ie einseitig, vorgegangen wurde die die Gerechtigkeit vermissen ließ. Jeder kleine Stoß wird als Mißhandlung behandelt; das halten pot nscht für richtig. Wirkliche Mißhandlungen werden bestraft und hart beftraft. Der Unteroffizier verbüßt nicht nur seine Strafe, fond ern ruiniert eventuell auch sein ganzes, ferneres Leben. Dann haben wir uns, dagegen gesträubt, daß diese Verfehlungen auch in ber Weise einseitig behandelt wurden, daß immer nur die Schuld des Vorgesetzten, nicht die Schuld des Untergebenen in Betracht ge⸗ ogen wurde. Wir zren immer hier im rn und in der Presse Unteroffizier als Verbrecher als Scheunsal schildern; wenn das allgemein wird, so sehen wir darin eine ernste Gefahr für den Unter— ofstzierstand. Der muß dadurch allmählich niedergedrückt werden und seine Lust und Wiebe zum Beruf einbüßen, in der allgemeinen Achtung abnehmen. Einzelne Vorkommnisse können nie und nimmer unser Vertrauen und unsere Anerkennung für den Unteroffizier⸗ ö. erschültern, für inen Stand, der unentwegt mit un⸗

behingter Treue seine Pflichten erfüllt, auch nachdem eine

nheilen durch die zweijährige Dienstzeit sehr gesteigert sind. a, daher die Absicht des Kriegsministers mit Freuden, die Unteroffizlere besser zu stellen, und werden ihn auf diesem Wege gern und bereitwillig unterstützen. In Lieser Besserstellung sehen wir das beste Mittel, den Soldatenmi handlungen entgegenzuarbeiten. Was die traurigen Verhältnisse in den ffizlerskreisen betrifft, die an manchen Stellen zu Tage getreten sind, B bedauern wir diese aufs tiefste, ebenso wie der fftziersstand selbst. Kein Stand ist unfehlbar; schlechte Elemente müsfen entfernt werden. Das tut auch das Offizier korps mit Hilfe seiner Vorgesetzten; mehr kann man nicht verlangen. Auch diese traurigen Vorkommmniffe wird das Offizierkorps zum Anlaß nehmen, schärfere Selbstzucht zu üben. An einzelnen Stellen mag

auch ein zunehmender Luxus zu bemerken sein; anderseits wird der

in 6. ! . 26 Fi das Leben dez Offizierkorps noch so viel traditionelle Ein- 9 . daß eine solche Verallgemeinerung der Klage nicht

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statthaft ist. Ein übertriebener Luxus bildet meist die erste Grundlage für Verfehlungen und Verirrungen der verschiedensten Art. Ent⸗ schiede nsten Widerspꝛuch erhebe ich gegen die Verallgemeinerung, in ber auch heute Herr Bebel sich wieder en, hat. Das deutsche DOffifier. und Ünterofftzierkorps sind die besten der Welt und werden es ewig bleiben, trotz trauriger Einzelfälle, . absprechender Kritiker, die entweder die Armee nicht kennen, oder alles verloren haben, was fie früher mit der Armee, verband. Die beiden Korps werden die besten bleiben, troß der Schmähschriften, die bei uns nur tiefste Ent⸗ rüstung und Abscheu hervorrufen.

Abg. Dr. Müller- Meiningen (fr. Vollep): Im Interesse des deutschen Bürgertums muß ich der einseitigen Beurtellung des Kriegs⸗ ministers bezüglich der Vorgänge von 1805 bis 1813 entgegentreten. Er spricht von einem kosmopolitisch angehau ten Bürgertum. Die Königin Luife hat viel vorurteilslofer die Sachlage beurteilt. Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen, Der ein gerostete Gamaschenknopf hat ung Jena zugezogen. (Zwischenruf rechts: Was geht Ste das an?) Well es das liberale Bürgertum angeht, darum werfe ich diese Frage auf. Erinnern Sie sich doch an die schmachvollen Kapitulationen von Spandau, Magdeburg usw., die den , vervollständigten, und dann wiederholen Sie diese Frage. Ohne, das liberale Bürgertum würde die preußische Monarchie 1813 jämmerlich zu Grunde gegangen sein. Gegen den Willen des preußischen Königs haben das Bürgertum und der Bauern stand den preußischen Staat herausgehauen. Die konservative Beckersche Weltgeschichte weist sehr deutlich auf den Geist der Verknöcherung als den Schöpfer der Niederlage von Jena hin. Die Armee gehorcht, aber sie raisonniert nicht, ist ein alter preußischer Grundsatz. Aber heute raisonniert die Armee, und nicht mehr lediglich im inaktiven, 6 auch schon im aktiven Teil. Drei hervorragende Generäle haben öffentlich gegenüber offenbaren Mängeln Stellung genommen. Eine Unzufriedenheit, wie sie ähnlich noch nicht im Offizierkorps vor⸗ handen war, hat in den letzten 53 namentlich über die nervöse Veränderungswut in der äußeren Ausstattung Platz gegriffen, wie die . aller Parteien, von der ‚Kreuzzeitung. und der „Schlesischen

Leitung,, die ganz besonders vorzügliche Artikel gebracht hat, bis zum Vorwärts beweist. . trat man meinen Hinweisen entgegen, man meinte, ich wolle eine ganz neue Meiningerei, eine neue Armeeeinfachheit einführen, heute hallt es in der ganzen Presse von Klagen über den Luxus und die Uniformänderungen wider. Ich habe mit meinen usstellungen bei militäͤrischen Autoritäten mehr Verständnis gefunden als bei einem Teil der liberalen Presse. Der Kriegsminister schwieg damals auf meine Andeutungen, und man sprach in der Presse von dem Kräutlein Rühr⸗mich⸗nicht -an, von der Kommandogewalt des Kaisers auf diesem Gebiete. Heute müssen wir denn nun doch genauer uns nig der Zuständigkeit des Kriegsministers Nicht nur die Bekleidung der Truppen, fondern auch die der Offiziere gehört zur Zuständigkeit des Reichs- tages. Wenn man die seltsamen Trachten mancher Kavallerieoffiziere sieht, kann man den Simplieissimus n begreifen, kann man auf den Zwelfel kommen, ob man in diesen einzelnen Eremplaren noch Mit⸗ glieder jenes großartigen deutschen Offtzierkornßß zu sehen hat. Gerade diese einzelnen Exemplare sind eg, die das böse Blut machen. Es ist in die äußere Haltung des Offizierkorps eine Art thea⸗ tralischer Pose und dekorativer Schauspielerei hineingetragen worden. Diesen theatralischen Charakter hat der Kriegsminister selbst, wie aus seinen Ausführungen bei, der ersten Lesung des Etats hervorgeht, gefühlt. Er wird genährt durch dien nervösen, oft lächerlichen Aenderungen in der Uniform. Es gibt keinen Teil der Uniform, der nicht in den letzten 15 Jahren irgend welche Aenderung erfahren hätte, und es ist charakteristisch, daß Teile der Aenderungen in der Adjustierung aus Rußland übernommen sind. Ich glaube nicht, daß der Kriegsminister ein Vergnügen an diesen fortgesetzten Aenderungen hat, aber irgend jemand i doch daran ein Vergnügen haben. Der Kriegsminister hat in der Budgetkommission gesagt, die Aenderungen hätten sich bewährt, sodaß man sie jetzt bermissen würde. Ich möchte ihn fragen, welchen besonderen hohen Wert die neuen großen Lack⸗ stiefel, die neuen Reithosen usw. haben. Es kann gar nicht fehlen, daß mit derartigem Luxus auch andere Verschwendung Hand in Hand 6 t. Ich erinnere nur an die Liebesmähler, die verschiedenen Ge= . die Festlichkeiten aller Art, die Kastnos, die nach unserer Meinung Prunkstätten sind, wo der Geist der Verschwendung und des Luxus heraufbeschworen wird. Ein armer Kerl muß n en, Aus⸗ gaben machen wie der Reiche. Wie groß die Unzufriedenheit über alle diese Dinge ist, dafür möchte ich nur einen typischen Fall an⸗ führen. Die Augsburger Abendzeitung, ein gut nationalliberales und militärfrommes Blatt, forderte vor einiger Zeit zu einer ver⸗ nünftigen Obstruktion der bayerischen Heeresverwaltung gegen diese fortgesetzten Aenderungen seitens der preußischen Heeresverwaltun auf. as läßt tief blicken. Muß man ö. so au k mit Kinkerlitzchen und Aeußerlichkeiten beschäftigen, daß man der . Uniformierungsfrage der deutschon Armee viel zu wenig ufmerksamkeit zuwendet? Selhst der konservativste aller Militär⸗ chriftstellen, General von Bogutlawski, sagte im Anschluß an meine f n im vorigen Jahre u. a.: es sei empfehlenswert, eine Farbe einzuführen. Auch die Einführung nicht blanker Knöpfe wäre praktisch. Die Geheimnistuerei, die gerade auf diesem Gebiete herrscht, sollte vor allem aufgehoben werden. Die Industrie hat alles Interesse daran, bei Zeiten zu wissen, was sie von beabsichtigten Aenderungen zu

halten hat. Ein wesentlicher Faktor bei diesen Aenderungen soll das

hiesige Warenhaus fur Armee und Marine sein. Es wurde mir mitgeteilt, daß der Chef der Abteilung , von dem all diese Anregungen zu Uniformänderungen gusgingen, fortgesetzt dabei sei Neuhelten in der Uniformierung zu ersinnen und sie dem Kriegsministerium vorzulegen. In weiten Kreisen wird die Konkurrenz des Warenhauses für die Armee und Marine sehr empfunden. Wir bekämpfen nur unsinnige, mit der Kriegstüchtigkeit nicht im Zusammenhang stehende, dekorative, fortgesetzte Aenderungen. Wir sind ö. unserer Meinung noch nicht bei Jena angekommen, und ich hoffe, daß wir unter keinen Umständen dorthin kommen werden. Wir sind der lieberzeugung, daß im weitaus rößten Teil der Armee noch der Geist von 1870 wach sst, aber das ann ung nicht verhindern, auf die Mißstände hinzuwelsen, die gerade bezüglich der Adjustierungsfrage bestehen.

Kriegsminister von Einem genannt von Rothmaler:

Meine Herren! Um eine Legendenbildung nicht aufkommen zu lassen, möchte ich erklären, daß es geschichtlich festgestellt ist, daß die preußische Armee im Jahre 186 bei Jena geschlagen wurde, weil sie nicht auf der Höhe der kriegsmäßigen Ausbildung stand. (Zuruf links) Ich habe nichts weiter gesagt und nur bemerkt: die Ehre hat die Armee nicht verloren, sie hat tapfer gekämpft, aber in der Tat war sie der neuen Kriegsweise des französischen Heeres nicht gewachsen. Daran ist sie zu Grunde gegangen. Ferner ist geschichtlich festgestellt, daß der Aufschwung des Volkes im Jahre 1813 das Großartigste und Erhabenste ist, was je eine Nation geleistet hat. Ich glaube, wir alle können stolz auf daß sein, was das preußische Volk in allen seinen das Vaterland getan hat. (Bravo) Weiter habe ich 12. ersten Ausführungen nichts sagen wollen. 6

Teilen, vom Bürgerstande bis zum Adel, in jener schweren Zeit für

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