als ob durch die neuen Verträge eine grundstürzende Umwälzung unserer ganzen Bezlehungen mit dem Ausland — soweit wir bis jetzt Verträge geschlossen haben — eintreten werde. Das ist nicht richtig. Aus den sieben Vertragsstaaten beziehen wir Waren im Werte von jährlich etwas über 2 Milliarden, genau 2123 Millionen. Von diesem Warenwert sind durch die Verträge im Zoll erhöht 370ͤ⸗, im Zoll ermäßlgt 104 060, und für 51 oo unseres Warenaustausches ist der bisherige Zustand unverändert geblieben. Unter den im Zoll er—⸗ höhten Waren — und das möchte ich den Herren von der Land— wirtschaft sagen, damit sie sich etwas mehr mit unserem Werke be—⸗ freunden möchten — befinden sich landwirtschaftliche und ähnliche Artikel im Werte von 1499 Millionen, und hierzu sind rund die Hälfte, nämlich Erzeugnifse im Werte von 750 Millionen, im Zoll erhöht worden.
Wag nun unsere Ausfuhr betrifft, so führen wir jährlich für 1831 Millionen nach den sieben Vertragsstaaten aus, und hiervon haben wir 57 so durch die Verträge festgelegt, haben dadurch eine feste 12jährige Grundlage für unseren Handelsberkehr mit jenen Staaten geschaffen. Von diesen festgelegten 57/9 haben 470/‚0 gar keine Aenderung er— fahren, Too sind gegen früher ermäßigt, und 460j0 im Zoll erhöht worden. (Hört, hört! links) — Meine Herren, ich komme darauf noch zurück, die Sache stellt sich nämlich noch anders. — Die— jenigen Waren, die wir nach den sieben Vertragsstaaten ausführen, und die autonom geblieben sind, die also gar nicht Gegen⸗ stand der Vertragsberhandlungen waren, haben einen Wert von 781,2 Millionen; davon sind 33 , durch die autonomen Tarife der Vertragsstaaten erhöht, 8 0 ermäßigt und 59 ooo in den Zollsätzen unverändert geblieben. Aber diese Zahlen geben auch noch kein zutreffendes Bild von der Sache; denn in diesen Zahlen sind eine ganze Reihe von Roh und Hilfsstoffen sowie Halbfabrikaten enthalten, die entweder im Zoll gar nicht oder nur ganz minimal erhöht sind, weil sie für die Vertragsstaaten unbedingt nötig sind. Ziehen wir deshalb den Wert dieser Roh⸗ und Hilfsstoffe von unserer gesamten Ausfuhr nach den sieben Vertragsstaaten ab, so müssen wir noch 353 Millionen von dieser Bilanz in Abzug bringen, und dann stellt sich das Exempel so, daß bei den Handelsvertragsverhandlungen, soweit es sich um unsere Ausfuhr nach den sieben Vertragsstaaten handelt, nur noch 1478 Millionen in Betracht kommen, und von diesen sind 1050 Millionen oder 71 00 durch die Verträge in ihren Zollsätzen festgelegt.
Meine Herren, ich habe mich für verpflichtet gehalten, Ihnen diese etwas trockenen Zahlen zu geben, um zu beweisen, daß eine voll⸗ kommene Umwäljung unserer Handelsbeziehungen durch die Vertrags⸗ schlüsse an und für sich nicht eintreten kann, da große Gebiete unserer Gütererzeugung auf dem status quo geblieben sind.
Ich möchte zunächst mit einigen Worten auf die landwirt— schaftlichen Zölle eingehen. Man hat mir vor kurzem von der linken Seite des Hauses zugerufen, ich züchtete auch nur Millionäre. (Heiterkeit in der Mitte) Ich habe mich dagegen gewehrt. Es war mir wenigstens nicht bekannt, daß meine Tätigkeit bisher diese Wirkung gehabt hat in Deutschland. Das eine kann ich aber be⸗ stimmt sagen: in der Landwirtschaft habe ich Millionäre noch nicht gezüchtet. (Zurufe. Heiterkeit) Man muß gerecht sein auch in wirt- schaftlichen Fragen und unbeeinflußt von politischen Tendenzen, nament- lich wenn es sich um einen so großen und wichtigen Stand handelt, wie die Landwirtschaft. Wo sind denn die großen Vermögen in den letzten zwölf Jahren erworben worden, die amerikanischen Vermögen, wie man jetzt häufig in der Zeitung liest? Zeigen Sie mir doch einmal ein Beispiel, wo wirklich in der Landwirtschaft große Vermögen erworben worden sind! (Zuruf links) Kennemann! Meine Herren, dessen Ver⸗ hältnisse kenne ich ziemlich genau; Kennemann hat seine landwirt⸗ schaftliche Tätigkeit in der Probinz Posen zu einer Zeit begonnen, wo man dort noch billige Waldgüter kaufen, durch den Verkauf der Hölzer brillante Geschäfte machen konnte, wo das Holz durch bessere Verbindungen allmählich wertvoll geworden war; in dieser Ausnützung der alten Holzbestände hat er meines Wissens den Grundstock zu seinem Vermögen gelegt (Zuruf links), in Verbindung mit einer allerdings ganz ungewöhnlichen landwirtschaftlichen Fähigkeit und ge⸗ schäftlichen Tüchtigkeit.
Der Herr Vorredner hat erklärt, die landwirtschaftlichen Arbeiter wollten auch höhere Löhne mit der Zelt haben. Gewiß, meine Herren, dieses Bestreben ist auch berechtigt. Deshalb müssen wir aber auch die Landwirtschaft mehr schützen, damit sie in der Lage ist, solche Löhne im Wettbewerb mit der Industrie zahlen zu können. (Sehr richtig! rechts Woher soll es denn sonst die Landwirtschaft nehmen bei niedrigen Preisen? Wie soll sie konkurrieren mit den an ihrer Grenze liegenden Fabriken, wenn sie nicht in der Lage ist, auch höhere Löhne zu zahlen? Ich habe noch vor wenigen Tagen einen Besitzer gesprochen, der mir klagte, daß sich in der Nähe selnes Gutes eine Industrie etabliert hätte; es sei ihm nicht mehr möglich, seine Leute zu halten und die Löhne zu zahlen, die in der benachbarten Fabrik bezahlt würden, da höre jeder Reinertrag unbedingt auf. Nun, meine Herren, kann man doch nicht leugnen wenn Sie weitere Perioden anf ehen, daß die Preisverhältnisse der lanb⸗ wirtschaftlichen Erzeugnisse sorigefetzt eine sinkende Richtung gejeigt haben, während die öffentlichen Lasten und ganz besonders die Leute⸗ löhne fortgesetzt gestiegen sind. Wenn Sie nun diese beiden Faktoren gegenüberstellen, so gibt es nur zwei Mittel, um die Frage zu lösen: entweder man gibt die dandwirtschaft preis und tröstet sich damit, daß man ja Getreide vom Augland her billiger bekommen kann. Wenn man so„ folgert, so kann man schließlich je den Erwerbszweig preisgeben; denn irgend woher bekommt man die Erzeugnisse vielleicht immer noch billiger. Oder aber, man muß die Landwirischaft in die Lage versetzen, höhere
Erlöse für ihre Erzeugnisse zu bekommen, um den gesteigerten An- forderungen der öffentlichen Lasten und der Leutelöhne gerecht zu werden, und man muß sie in die Lage setzen, bessere Löhne al bisher zu zahlen, um mit der wachsenden Industrie in Wettbewerb treten zu können. Dann muß man aber auch die Zölle erhöhen als den einzigen Weg, um die Landwirtschaft ertragsfähiger zu machen. Aber außerdem, meine Herren, wenn ich hier landwirtschaftfeindliche Aeußerungen höre, so muß ich doch sagen: niemand kann es als ein erfreuliches wirt⸗ schaftliches Zeichen betrachten, diese fortwährende Abwanderung vom platten Lande in die großen Städte und in die Industrie. (Sehr richtig! rechts) Niemand kann es als ein erfreuliches Zeichen be⸗ trachten, daß wir unsere Arbeiter zu Hunderttausenden über die Grenze kommen lassen müssen, um überhaupt noch den heimischen Boden zu bestellen. (Sehr richtig! rechts) Dann aber, meine Herren, gibt es
kein anderes Mittel — kein polizeiliches Mittel wird da helfen —, die lanndwirtschaftliche Bevölkerung auf der Scholle zu erhalten, als ihr bessere Lebensbedingungen zu schaffen. (Sehr richtig! rechts) Ich werde mir erlauben, bei der weiteren Beratung meines Etats Ihnen statistische Zahlen vorzuführen, nämlich von Berlin und der Propinz Brandenburg, dem 3. Korpsbezirk; da— durch ist, durch die Statistik, die wir aufgenommen haben bei Gelegen⸗ heit des Ersatzgeschäfts, unzweifelhaft erwiesen, daß die Beschäftigung in den Fabriken und in den großen Städten auf die Wehrpflicht un⸗ günstig einwirkt. (Hört, hört! rechts und in der Mitte) Die Land⸗ wirtschaft ertragreich zu erhalten, ist also nicht nur eine Frage des Nutzens des einzelnen, sondern auch eine Frage der Wehrhaftigkeit unseres ganzen Landeg. (Sehr richtig! rechts.)
Ich will auf einige Einzelheiten sofort eingehen, um nicht Mißverständnisse in das Land dringen zu lassen. Es ist hier so oft die Rede von der Differenzierung der Malz⸗ und Futter—⸗ gerste gewesen und von den Zollsätzen, die Malz in Zukunft zu zahlen haben wird. Es ist das eine wichtige sächsische und auch süddeutsche Frage. Darüber kann nach dem Vertrag, den wir mit Rußland geschlossen haben, nicht der geringste Zweifel be⸗ stehen, daß wir bereit und befugt sind, auf unsere Kosten all die zum niedrigen Zollsatz eingeführte Gerste zu denaturieren, von der die begründete Vermutung vorliegt, daß sie zu Malzzwecken verwendet werden könnte; wir haben selbstverständlich das dringendste fiskalische Interesse, diese Maßregel auch streng durchzuführen. Man hat auch vielfach geklagt, daß der Zoll für Futtergerste zu niedrig bemessen sei. Ich glaube aber, die Landwirtschaft könnte diese Klage fallen lassen. Deutschland möchte, soweit als möglich, sein eigenes Holz erzeugen. Wir haben ferner den Pferdezoll sehr erheblich erhöht, um in Deutschland namentlich die Zucht des warmblütigen Pferdes zu heben, und wir haben endlich die Getreide, und Viehzölle erhöht, um möglichst auch das Getrelde oder jedenfalls das Vieh, was Deutschland braucht, auch in Deutschland selbst zu erzeugen. Will aber die Landwirtschaft diese vielseitigen Zwecke wirklich erreichen, so muß eine Voraussetzung jeden⸗ falls erfüllt sein: fie muß billiges Futter haben, und gerade im Westen Deutschlands, glaube ich, wird man deshalh mit dieser Ermäßigung des Futtergerstenzolls durchaus zufrieden sein.
Wenn ich auf die Getreidefrage im ganzen noch einmal zu sprechen kommen darf, so spricht man immer nur von dem Konsumenten, der mehr zahlen solle. Ich habe bei Gelegenheit des Zolltarifs im Reichstag eine Nachweisung vorgelegt von 1600 Landwirtschaften mit der allersorgfältigsten Berechnung des Reinertrags auf Grund der ge—⸗ prüften Bücher, Berechnungen, deren Richtigkeit nicht widerlegt ist. Ich frage nun: bekämpft man die Forderung irgend eines anderen Gewerbes,
üblichen Zinsfuß verzinsen will, und zweitens, daß die Arbeit, die der Führer des Gewerbes zu leisten hat, auch angemessen vergütet wird? (Sehr richtig! rechts) Bei keinem Gewerbe wird man die Be— rechtigung dieser Forderung in Zweifel setzen. Dann kann man es aber auch nicht bei der Landwirtschaft. Darauf hat kein Konsument Anspruch, daß die Landwirtschaft mit Verlust arbeiten soll (sehr richtig! rechts), darauf hat kein Konsument Anspruch, daß der Landwirt nicht sein Kapital verzinst und nicht seine Arbeit vergütet erhält. Würden wir die Zölle erhöht haben über die Grenze hinaus, erst dann würden die Klagen der Konsumenten be rechtigt sein, aber diesem Nachweise können wir mit Ruhe entgegen⸗ sehen. Es ist auch getadelt worden, daß das Zollverhältnis zwischen Mehl und Getreide ein wesentlich ungünstigeres geworden sei wie bisher. Ich bin selbstverständlich nicht in der Lage, Ihnen hier die eingehenden Berechnungen hierüber vortragen zu können, es würde das zu lang sein, ich kann aber nur behaupten, daß diese Annahme eine irrtümliche ist; im Gegenteil, der Zollschutz für das Roggenmehl ist um 59 3 pro Doppelzentner und der Zollschutz für Weizenmehl ist um 24 3 für den Doppelzentner durch die jetzigen Zollfestsetzungen erhöht worden.
Es ist ferner der geringe Malzzoll bemängelt. Wir wären nie zu einem Vertrag mit Oesterreich Ungarn gekommen, wenn wir auf diesem Gebiete nicht Konzessionen gemacht hätten. Es war gegenübr den Zollerhöhungen, die Oesterreich Ungarn uns zugestehen muße, die für uns conditio sine qua non waren, eine unbedingte Vorbedingung Desterreich, Ungarns, daß wir den Zollschutz für Malz ermäßigten. Der Zollschutz für Malz war bisher 32 3 und ist jetzt auf 42 3 ermäßigt worden, aber früher schon — und zwar von 1879 bis 1885 — genoß Mali nur einen Zollschutz von etwa O, 533 6, und die Malzindustrie hat sich auch in dieser Zeit durchaus günstig entwickelt. Der Zollschutz, den die Malzindustrie jetzt genießt, wird also um bo 3 niedriger sein. Ich nehme aber an, daß es der Malzindustrie möglich sein wird, auch bei diesem Zollschutz noch konkurrenzfähig zu bleiben, um so mehr, da, wie Sie aus der Bekanntmachung in der Nordd. Allg. Ztg. ersehen haben, Desterreich, Ungarn bereit ist, die bisher für den Transport von Mal; aus Desterreich⸗ Ungarn nach Deutschland gezahlten Eisenbahnrefaktien fallen zu lassen.
Was demnächst den Holizoll betrifft, so haben wir auch diese Frage nicht so ängstlich ansehen können, wie das hier zum Teil geschehen ist. Denn die Tatsache bleibt bestehen, daß der Holzbestand unserer Nachbarlän er immer dünner wird, und daß Rußland sogar schon sehr ernsthaft mit dem Gedanken umgegangen ist, einen Ausfuhrzoll auf Holz zu erheben. Dann möchte ich aber auch die Tatsache heivorheben, die bisher nicht genug beachtet worden ist, daß nämlich der Zoll für hartes geschlagenes Holz für einen Festmeter statt 130 M in Zukunft 1.92 M und für gesägtes hartes Holz für einen Festmeter statt 80 M in Zukunft 5.5 6 betragen wüd. Außerdem ist die Sbannung, wie sie bisher jwischen Rundholz und gesägtem Holz be. stand, eine günstigere geworden, und wir hoffen deshalb, daß es auch . Zukunft möglich wird, mit den fremdländischen Sägeindustrien zu
onkurrieren.
Auf dem Gebiet der Viehzölle haben wir freilich nicht alles er⸗ reicht, was man vielleicht erwartet hatte; das war unbedingt aus⸗ . Aber trotzdem wird unsere Landwirtschaft jetzt imstande ö 6. Differenz auszugleichen, die in den Kosten der Vieh⸗
zwischen unseren Konkurrenzläödern und Deutschland besteht. . ö. Angriffen ist die Vie hseuchenkonvdentlon ausgesegt ge= an, . auch hier sazen, daß der Abschluß eines Handels, esterreich. Ungarn ohne Abschluß der Vichseuchenkonvention
*
daß es erstens sein im Gewerbe angelegtes Kapital nach dem landes⸗
daß die Vorbedingung für den Abschluß eines Handelevertrags der Abschluß einer Viehseuchenkonvention sei. Und ich glaube, wir haben den Wünschen der deutschen Landwirtschaft entsprochen, wenn wir die Repressivsperre in eine Präventivsperre umgewandelt haben. Aber darüber haben sich die Interessentenkreise auch unbedingt klar sein
müssen, daß, wenn wir nur wegen der Gefahr einer Einschleppung
einer Sperre verfügen, wir unmöglich Desterreich⸗Ungarn zumuten konnten, uns wie bieher bel der Repressipsperre das freie Ermessen einzuräumen, die österreichisch- ungarische Monarchie für die Vieheinfuhr nach Deutschland zu sperren vom Bodensee bis zur türkischen Gente. Wollten wir die Präpentivsperre durchsetzen, so blieb nichts anderes übrig, als die örtlich begrenzte einzuführen. ;
Und waß beim Studium der Viehseuchenkonvention bis jetzt noch nicht gan durchgedrungen zu sein scheint, ist doch die Tatlache daß wir für den freien Viehverkehr raumlich vollkommen unbeschränkt sind, daß es nur bei der Präven tiv sperre gegenüber der xungenseuche und gewissen schwer übertragbaren Krankheiten bestimmte Sperrbeziike ib. daß wir aber außerhalb dieser Falle keine räumlichen Grenzen für die Sperre von Nutzpieh im freien Verkehr innezuhalten haben. Die Sperrgebiete beziehen sich hiernach, abgesehen bon obigen Ausnahmen, lediglich auf die Einfuhr in deutsche Schlachthäuser. Das wird sich freilich nie verhindern lassen, daß auch hin und wieder ein Fall von Seuche eingeschleypt wird. Aber ich glaube, wenn wir jetzt die Präventivsperre einführen, und wenn wir den vollen Erfolg dieser Maßregeln in Deutschland haben wollen, muß eins in den deutschen Schlachthäusern geschehen: es muß unbedingt verboten sein, daß in den Schlachthäusern, wo auslaändisches Schlachtvieh eingeführt ö J ein Markt für Nutzbieh stattfindet. (Sehr richtig! rechts.
Ich habe bei der letzten Erhebung festgestellt, daß in einer Reihe von Schlachthäusern, wo fremdes Schlachtvieh eingeführt wird, gleich⸗ zeitig ein Nutzhiehhandel stattfindet, und das deutsche Schlachtvieh, welches als solches eingebracht wurde, nachher häufig nicht zum Schlachten benutzt wird, sondern als Nutzvieh welter verbracht wird. Darin liegt ein großer Nachteil. (Sehr richtig! rechts) Wenn wir der Einschleppung von Seuchen nach der Viehfeuchenkonbention wirk- sam entgegentreten wollen, müssen wir verlangen, daß in jedem Schlachthof, wo fremdes Vieh eingeführt wird, eine besondere böllig abgeschlossene Abteilung eingerichtet wird für das eingeführte fremde Vieh. (Sehr gut! rechts.)
Es ist behauptet worden, unsere Industrie hätte durch die neuen Handelsverträge wesentlichen Schaden erlitten. Ich glaube, daß diese Angaben ganz außerordentlich übertrieben sind. Meine Herren, ich habe hier eine Nachweisung vor mir liegen allein von den Abschnitten des Zolltarisg, nach denen die Industrie teilweise besser gestellt ist als bisher. Ich erinnere nur an die chemische Industrie, an die zahlreichen Verbesserungen in der Textil- industrie, an die Wollindustrie, wo auch einige Artikel wesentlich besser geschützt sind, an die Flachg⸗ und Hanfindustrie, an die Leder⸗ industrie, die Kautschukindustrie, Holzwaren, auch zum Teil Eisen waren, Maschinen usp. Wenn die Industrie sich bei näherer Kalku⸗ lierung eine Bilanz ziehen wird einerseits zwischen den Verbesse⸗ rungen, die der deutsche Zolltarif gegenüber der fremden Einfuhr bietet, und anderseits zwischen den erhöhten Zöllen, die sie an unsere Vertragsgenessen zu zahlen haben wird, so wird die Industrie, glaube ich, zu einem wesentlich günstigeren Urteil über die Verträge gelangen.
Aber außerdem, meine Herren, konnte sich doch niemand zweifelhaft sein, daß die Staaten, mit denen wir jetzt Ver⸗ träge geschlossen haben, und die überwiegend Agrarstaaten sind, wie Rußland, Rumänien, Serbien, DesterreichM Ungarn, selbst⸗ verständlich im Laufe von zwölf Jahren auch auf dem Gebiet der Industrie Fortschritte machen mußten, und daß diese Re⸗ gierungen, namentlich, wenn sie unsere erhöhten Getreidezölle annehmen sollten, selbstverständlich einen höheren Schutz für ihre aufblühende Industrie fordern würden. (Zuruf bei den Sozlal⸗ demokraten.) — Nicht „nur deshalb?! — auch wenn wir keine er⸗ höhten Getreidezölle hon diesen fremden Staaten gefordert hätten würden sie ebenfalls im Interesse ihrer Industrie ganz unzweifelhaft auf erhöhten Schutz jöllen für dieselbe bestanden haben. (Sehr richtig! in der Mitte und rechts Meine Herren, Rußland hat gan; kolossale
; ür seine Industrie gemacht. In Rumänien staatliche Aufwendungen für se ; , . ist, ich kann wohl sagen, unter der weisen Fürsorge er ortigen Re enten, eine Industrie im Entsteben begriffen. In Oesterreich hat sich de l, die Industrie gehoben, teilweise freilich ist sie auch unter der Konkurrenz zurückgegangen. Das war also ganz natürlich, daß die Slaaten, die in diefer Weise die Industrie in, zwölf Jahren entweder entwickelt hatten oder gesehen hatten, daß einzelne Industriezweige nicht welter bestehen können — ich erinnere z. B. an die altberühmte österreichische Silberindustriĩ—= ich. sage/ eg war also ganz natürlich, daß diese Staaten unbedingt verlangen würden, daß ihre aufblühenden oder ihre sinkenden Industrien besser geschützt würden wie bisher.
Wenn man unseren Konventionaltarif ganz gründlich beurteilen will, darf man auch eins nicht vergessen. In einer Anzahl von Ver= trägen sind Zollsätze für gewisse Positionen ermäßigt, welche in ge—⸗ wissen Beziehungen zu anderen Posirionen stehen, für die sie Halbstoffe oder Halbzeuge sind; und wenn deshalb solche Positionen ermäßigt sind, ziehen sie notwendig Ermäßigungen für andere Positionen nach sich, die in dem Tarif an und für sich gar nicht zum Ausdruck kommen. Wir sind uns darüber keinen Augenblick im Zweifel gewesen, daß, wenn wir das Vertragswerk beendet hätten, wir vielen Tadel zu hören be⸗ kommen würden. Aber das ist ganz unmöglich, daß der eine vertrag⸗ schließende Staat alle seine Forderungen durchsetzt, seine Landwirt⸗ schaft schützt, seine Industrie schützt, und außerdem für den Export alle seine Forderungen erfüllt werden, die die Exportindustrie gestellt hat. Meine Herren, wenn ein Staat (inen solchen Vertrag abschlösse, müßte er bereit sein, mit uns eine societas l0oning einzugehen; dazu ist aber kein Staat bereit. Wer deshalb die Verträze gerecht beurteilen will, darf sie nie be— urtellen vom Standpunkt einer einzelnen Positton oder einzelnen Industrie aus, sondern er muß sich die Diagonale der gefamten Ver— träge ziehen und sich dann fragen: sind die Verträge für unsere Volks⸗ wirtschaft im ganzen noch vorteilhaft, oder sied sie es nicht? Gin französisches Sprichwort sagt: on ne peut pas contenter tout le monds et son por. Man kann nicht alle Welt und seinen Vater zufrieden stellen. Wir hoffen aber, meine Herren, daß wir einen großen
Teil der deutschen Welt mit unserem Vertragswerk zufriedengestellt haben. (Lebhafter Beifall.)
Schluß in der Zweiten Beilage)