1907 / 12 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 15 Jan 1907 18:00:01 GMT) scan diff

die Speisung w Schulkinder unter Mithilfe von Privat⸗

wohltätigkeit mit Erfolg eintritt, Im Jahre 1854s0s wurden von Vereinen in London 26 851 Schulkinder regelmäßlg gespeist, außerdem

bat die Heilsarmee im Winter des genannten Jahres etwa 7öb oö) Mahlzeiten an Schulkinder verabreicht. Cine Relhe

l bie Wugwahl einem Ausschuß bon Aerzten WJ

langen, . 2 . , dm ,,, ungen durch die Allgemeinbeit anerkennt,

daß diefe dag ganze Jahr bindurch und mindestens einmal an jedem

j Staaten von Amerika ist schon sehr Il den. R e m sten Speisung hungriger Schulkinder r 3h is * * tg ö. f über nielne ersuch? n inaus⸗ 3 bi rel nach den in einselnen Städten angestellten Er⸗ bebungen daz Clend der Schulkinder in den großen Mittelpunkten der , noch ärger als in der alten Welt zu sein scheint. Nach einer von ärztlicher Seite in Chicago, Philadelphia, Buffalo und New Jork vorgenommenen Untersuchüng waren von 46 745 Schul, kindern 3d 6h oso . jedes oder doch ohne ausreichendes Frühstück. In den Schulen der ärmsten Gegenden bon New York flieg diese Zahl auf S3 Mg der Schulkinder,

In Frankreich gibt es seit etwa 25 Jahren Einrichtungen zur Spesfung derartiger Kinder. Heute bestehen dort zahlreiche antines Seolairgs, die als mustergültig angefehen werden. Sie ruhen materiell auf den caisses d6coles, den Schulkassen, deren Be⸗ gründung durch Gesetz aus dem Jahre 1885 den Gemeinden zur 56 g3zmacht wird. Die Verwendung der Beträge dieser Kaffen

eht im Belieben der Gemeinden, die mit ihnen vielfach jene Schul speisungen unterstützen. Es hat fich dabei die Regel herausgehil det, daß die Speisung gegen Marken erfolgt, für die daz Kind 15 Cents zu zahlen bat. Sind die Eltern bedürftig, so, erhalten die Kinder sie zu einem ermäßigten Preis; sind sie gänzlich arm, so gibt man die Marken unentgeltlich. Durch dieses Martensystem erreicht man, daß es unter den Kindern nicht bekannt wird, welches von ihnen bezahlt und welches umsonst speist. Das verabreicht Essen bestebt aus Suppe, reichlichem Gemüse und Fleisch; etwa 80 ao der Tehrer nehmen an den Schulspeisungen freiwillig teil. Fehlbeträge der Schulkantinen werden durch Zuschüsse der Gemeindebehörden gedeckt; in Paris waren zu diefem Zweg seit einer Relhe von Jahren regelmäßig etwa 1000 0690 Fr. erforderlich 2

Auch in Belgien gibt es zahlreich Einrichtungen zur Speisung der Schulkinder; i unbemittelte ist diese frei, andere haben einen kleinen Betrag zu zahlen. Jedes der gespeisten Schulkinder wird dort alle zehn Tage durch den Shularzt untersucht und erhält Stärkungè⸗ mittel, wenn es als besonders schwächlich befunden wird.

In Norwegen stnd gleichfalls von manchen Gemeinden, so bon Cbrifsiania, Trondsem ufw., . der Schulkinder einge⸗ richtet, an denen diese sämtlich teilnehmen können, auch wenn ihre Eltern sich nicht in bedürftiger Lage befinden. Man will durch diese allen Kindern obne Unterschled gewährten Mahlzeiten von der Schul- speisung das Merkmal des Almosens fernhalten. Die Kosten dieser Einrichtung tragen die Gemeinden. ö

In Italien hat sich die Schulspeisung in manchen Semeinden fast zum Extrem entwickelt. So ist in der etwa 25 go0 Einwohner zählenden Stadt Vercelli die . der Teilnahme völlig auf⸗ gehoben; es ist durch Ortsgesetz eine zwangsweise Spelsung der Schulkinder eingeführt, an der jedes Kind teilnehmen m und von Der nur ärztliche Anordnung befrest. Außerdem werden samtliche Schul. kinder ärztlich beaufsichtigt, und bei Krankheiten wird ihnen freie ärzt— Lich! Behandlung zu tell.

In der Schweiz sind manche Gemeinden in den letzten Jahren zu der Schaffung eigener Speiseeinrichtungen für Schulkinder über= gegangen, in anderen Octen ist dies Aufgabe von privaten Vereinen, denen, wenn es erforderlich ist, die Gemeinden Zuschüsse geben. SGrundsatz ist dabei überall, vaß die Kinder wirklich armer Cltern! um sonst, die r ö sie teilnehmen wollen, gegen eine geringe

ezabhlung gespeist werden. ; . . 83 ähnlich liegen die Verhältnisse in Deutschland. Im Reich ist uns kein Oct bekannt, in dem die Speisung der Schulkinder allgemein oder die Teilnahme an ihr gar Zwang wäre,. Doch bestehen bekanntlich in zahlreichen gößeren und auch in mittleren Stãdten Vereine, die sich der hungrigen Schulkinder annehmen. Oft reichen die Mittel nicht so weit, wie die Not, oft geben die Gemeinden Zu, schüffe, Hin und wieder erfolgt die Speisung auch gänzlich auf städtische Kosten, wie . B. in Mannheim, wo im Jahre 190405 etwa 30090 Schulkinder mit einem städtischen Aufwande von 19 000 46 Frühstück erhielten. . ö 3 e . so wird zu dieser internationalen Uebersicht in der Soziallorresponden bemerkt, können wir uns mit dieser Speisung notleidender Kinder durch Staat, Gemeinde oder Schule nicht recht befreunden. Geholfen werden muß ihnen natürlich, aber man sollte versuchen, die Not schon in der Familie zu bekämpfen. Ein hungriges Schulkind läßt stets den Schluß zu, daß in seiner Familie etwas nicht in Ordnung ist. Hier an der Quelle der Not sollte daher die Hilfsgarbeit beginnen. Es braucht dies nicht etwa durch die öffentliche Armenpflege zu ge— scehen. Die Wege, dringende Rot zu lindern, sind, wie diese selbst, so viesfeirig, daß bie öffentliche Armenpflege, nach Zhserem Gefühl, immer‘ erft der letzte Ausweg sein sollte. 264 allem muß natürlich durch die gerigneten Organe 6

cht werden, Hoher die Not Cigentlich fiammt, nnter der das bungrig in die Schule geben muß. Man muß feststellen,

are Krankheit, Aibeilslofigkeit, geringer Verdienst, Trunk

Ätescheu ober eine andere Ürsache vorliegt. Nach ihr wären

. ilfsmaßregeln zu ergreifen. Jedenfalls sollte man sich be= prlcge Schule nicht zu einer Institution. . 1dr un erden zu saffen und die Speisung bedürftiger Schulkinder

in . 2. un a g fe oder durch Staat und Gemelnde möglichst über

Kunst und Wissenschaft.

. t. ö Radierungen“ eff den die alten ; und Zeichnungen werden

. deieigt, lib ge, . wie sie damals aus 3 den dam ige Ränstlern gesehen wurden, daran auf den & lättet, die das Leben und Treiben. ber Bebblkerung uanb im its raßen und in den Häufern, in ihren alltäglichen Geschäften er ns hen Festen schildern, un endlich find auch die markantesten Mitte in ziten von Anfang des vergangenen Jahrhunderts bis zu seiner Ke ran sbltelhen Sortrg s fett alten, Ln, elch liestellang. die * e. Zeit und einen böflimmten Ort anschaul ich macht, wird . r ke onders bezeichnend fein, wenn nur Künstler, die an jenem Ort 6 in jener Zelt tätig waren, zu Worte kommen. Denn nschts kann * äInnachahmlichen Stimmüngshauch erfetzen, der solchen Arbeiten

Bfhsist, und der ang n feinen Hann zwang. mehr al. e, mit noch 9 feinem Verstandniz ausgeführte Arbeit einer späteren Zeit. Diefe . ö, ist bier befolgt, und fo wird es dem Beschauct nicht schwer an. sich vor diesen Blättern in die Bledermeierzest, far die ja gerade . ein so lebhaftes Interesse erwacht ist, zurück uversetzen; dazu ommt, daß diese ganze Epoche für uns mit den wichtigsten Erinnerungen

verknüpft ist, historisch so vohl wie literarisch, die das Interesse noch steigern müfsen. . ; .

Berlin hat seinen ganz ausgeprägten, eigenen Charakter in der Biedermeierz-it gehabt, die lokale Farbung ist außerordentlich ent⸗ schieden. Aehnliche Ausstellungen etwa in Bresden, in München oder in Wien würden wieder einen ganz anderen Gzfamteindruck ergeben. In Berlin ist die ganze Mischung entschieden eine sehr eigentümliche. Nüchterne Sachlichkeit überwiegt; man sehe die mit fast pedantischer Genauigkeit gezeichneten Straßenzüge, die so gar nicht auf das Malerische oder Künftlerische hin gearbeitet wurden, und die für uns doch eigentümlich reizvoll sind Dann ist besonders charakteristisch ein schlagfertiger, immer lebendiger Humor, der scharf und sicher einjelne Typen erfaßt und sie mit Liebe ausgestaltet, und der ohne Schärfe über die eigene Enge und Beschränktheit zu lachen versteht. Hier sind die Blätter von Schoppe, Schroedter und Hosemann besonders hervorzuheben, die mit löstsscher Laune, aber derb genug das Straßenleben schildern. In dieser Enge einer kleinen . die von ihrer künftigen Bedeutung noch nichts ahnt, ist jedoch das Bezeichnendste das rege geistige Lehen und Kunstinteresse, das schon damals die bedeutendsten Begabungen heranzieht. Besonders auf dem Gebiet des Theaters. Welch stattliche Reihe von Bühnensternen, deren Namen uns noch heute geläufig sind! In zum Teil künstlerisch vollendeten Lithographien sehen wir die Bildnisse der Ugzelmann, Frelinger, Schröder, Devrient. Henriette Sonntgg u. A. m, Die innige Lieblichkeit, die die Frauenhildnisse jener Zeit besitzen, ist auch ihnen eigen. Sanfte Scheitel, klare, sorglose Stirnen, treuherzig lindliche Augen, ein hold lächelnder Mund, das alles wird mit entzückender Lieblichkeit und Einfachheit gegeben. Sehr zahlreich sind auch die Porträtg der Prinzen und Prinzessinnen, Friedrich Wilhelms II. und Friedrich Wilhelms LV. mit ihren Gemahlinnen. Luise, die Unver⸗ gleichlicher, ist öfter dargestellt und von der Königin Elisabeth ist ein sehr reizendes Jugendbildnis zu sehen. Die Mehrzahl dieser Litho⸗ raphien rühren von Franz Krüger her, dessen Arbeiten überhaupt ö der Ausstellung durchaus vorherrschen. Sein treff liches Können, sein klarer Blick, sein unermüdlicher Fleiß wird durch all diese Blätter von neuem auf das beste gekennzeichnet. Auch der jugendliche Menzel ist vertreten mit Helischnitten zu altmodischen Neujahrskarten und Festblättern, in denen der kaum Achtzehnjährige ei ganzes Funken⸗ werk von Geist aufsprühen läßt. Den . der Außstellung bilden ein paar Karrikaturen aut dem Jahre 43, die gegenüber den harm⸗ losen, in engem Kreis sich bewegenden Illustrationen von Schoppe und Schroedter nicht nur eine allgemeinere Bedeutung haben und einen größeren Blick verraten, sondern auch künstlerisch ungleich großzügiger und freier wirken.

George Minne, der belgische Bildhauer, und die Maler Ulrich Häbner, Max Beckmann und M. Hagen haben im Kunstsalon P. Cassirer eine größere Zahl ihrer Werke aus— estellt. Minnes hier vertretene Arbeiten kann man nach ihrer Auf⸗ assung in drei streng voneinandergeschledene Klassen teilen. Die weinenden Frauen! (gleich am Eingang links) gehen auf gotische Vorbllder zurück und zwar auf die leidtragenden Figuren des Grab⸗ denkmals Philipps des Kühnen von Claus Sluter. In gotsschen Nischen stehen dort 40 solche Alabasterfiguren rings um den Sockel der Tumba; sie sind ganz in weiche, kuttenartige Gewänder ge⸗ hüllt, eine schwere Kapuze, verhüllt vielen, auch das Antlltz. Gleich bei dem ersten Anblick der Minneschen Gruppe faflen uns diese jetzt im Museum zu Dijon befindlichen Arbzten ein, betrachten wir dann aber die Arbeiten der zeitlich fo weit getrennten Künstler genauer, werden wir bald einsehen, daß in der Ausführung, der feineren Durchbildung und in dem Reichtum der ER findung die Figuren Sluters der Minneschen Holzskulptur weit über— legen sind. ie fein sind dort die Gewänder beobachtet, unter deren streng architektonisch gejogenen Falten die Körperformen, wie Kopf, Schultern und Hände, durchzuschimmern scheinen, wie mannigfaltig und abwechslungsreich sind die Kapuzen und Mäntel bei aller detail- verneinenden Einfachheit gegeben! Hier ist alles völlig gleichgeblldet. Die Ränder der Kopfhüllen kräuseln sich in symmetrischen Der, e. linien, die in ihrer absichtlichen Strenge wenig zu den fast impressionistisch frei behandelten Röcken passen. In einer weiteren Reihe, von Werken, meist, vortrefflichen Porträtbüsten, wandelt der Bildhauer in den Bahnen seiner FLandsleute van der Stappen, Lagae, Lambeaux. ei aller Straffheit in den Um- rissen ist der 52 selbst wejch behandelt, die Bildnisse König Leopolds und der verstorbenen belglschen Königin zeigen uns Köpfe von einer jwingend ähnlichen und dabei großen und vornehmen Auffassung. Eigene Wege geht Minne in den Werken, in denen er den mensch⸗ lichen Körper in gewisse tektonisch starre Linien und Maffen zwingt; die feinbewegte Außenkontur wird gerade wie eine Gebäudelinie, die weichen Biegungen und Krümmungen des Körpers und der Gelenke werden vermieden; alles ist rechtwinklig hart gebrochen; die Knochen sind nur spärlich mit rundendem IFleisch und schlaffer Haut überzogen, um den Eindruck des Tektonischen noch zu verschärfen. Aut dieser Tendenz; heraus sind die kniende Figur“, der Maurer. und die eigentümlich archatsch wirkende Männerfigur, Auferstehung , betitelt, entstanden. Wie eine absichtliche Neglerung der natürlichen Pose wirkt diese gewalisame Gliederverrenkung, die fo, bei aller Achtung des guten Wellens, wieder jur Pose wird, nur nach der anderen Sesle hin. Natürlich entstehen bei diesem Zwingen des Aktes in gewisse Linien eine ganze Reihe von Fehlern und keassen Unmöglichkeiten, die heute frellich oft als nebensächlich überfehen werden. Bei der knienden Jüngling sigur 6 B. ruht der rechte Ellenbogen genau vor der linken Schulter, eine widernatürliche Stellung, die, wenn sie überhaupt ausführbar ist, dennoch nie dauernd sein kann. Eine andere Arbeit ist, wie schon er. wähnt, ‚Auferstehung! genannt. Ohne diese Bezeichrung im Tert würde gewiß niemand ahnen, daß Minne, gerade dies Motio im Sinn hatte. Doch das it Nebensache. Nicht nebensächlich dagegen ist es, wenn sich der Känstler, einer eigensinnigen Aufsaffung zulichr, geradezu bizarre Dinge leiftet. Auf breitem konisch zulaufendem Halse sizt ein viel zu schmaler Kopf, der mit seinem wie eine dicke Summi= kahpe wirkenden Hagr falt an äginetische Giebelfiguren erinnert. Der ruhende Körp:r perschwindek nach rechts unter einem massigen Ye. , diesem Anblick muß man lächeln, So strecks cine Brettldiwa ihr schunales Fußerl. durch die Spalte des schweren Vorhangs, wenn si⸗ am Schluß ihres Auftretens vom dankbaren Publikum gar zu sturmi ch wird. ö. ;

5 Berliner Maler Ulrich Hübner ist mit einer Reihe toniger Arheilen vertreten, deren Motihe meist aus Travemünde und Umgebung flammen. Tiefe, weite Blicke üer das atmende Meer, stille Winkel unter hohen Bäumen oder in grünen Hecken versteckt sind bie Lieblings motlve des Künstlers. An klaren, durchst tigen Herhst. und Nobembertéagen beobachtet er die Natur, wenn die Konturen sich scharf gegen den kalten Himmel abheben, am besten jedoch gelingt ihm bie malerisch. Wiedergabe weicher Frühlings- und Sommertage; ein feiner Dunsthauch löst alle harten Umrisse und Lokaltöne auf, das Meer llezt friedlich vor unz in schimmerndem Perlmutterglanz, die Segel der r 2 werfen grünliche Reflex: auf das nn, n daruber wölbt sich wollenlos der blaugrau Himmel. anchmal hat der Gesamtton der Bilder tas Säßliches, Kokettes; manch. mal werden wir an Manet, Liebermann und Trübner erinnert; Leistikorv bat ähnlich? Marinen gemalt; trozdem betrachten wir die Werke des Känstlers, auch wenn ihm die lÜltzie persßnliche Note fehlt, mit Freude und stillem Bebagen. Zwei Interieurs mögen noch hervorgehoben werden, vor allem aber ein vorzügliches Stilleben, das in feinen gedämpften Farbenharmonien ungemein wohltuend auf sen⸗ irkt.

ih . g Fan n ist ebenfalls mit zwei guten Stilleben vertreten; vor dem dunklen Grunde stehen die blauen Pflgumen auf leuchtend weißem Teller oder die goldenen und rotbäckigen Aepfel ausgezeichnet in der Farbe. Tem FKünstler scheinen ahnliche Arbeiten Willem Kalffs vor= geschwebt zu haben, als er diese Fruchtstücke malte, Bei einem anderen Stilleben lösen sich die seldenwelchen, sonnigen Blätter der Primeln sehr

vornehm bon einer den Hintergrund abschließenden Portiere los. Seine Porträts und Figuren holt Beckmann kräftig aus blauschwarzem Dunkel heraus, der Ausdruck der Dargestellten ist kühn und un geschminkt wieder⸗ gegeben. Häßlich wirkt bei dem „Bildnis der Schwester das gelbrote Haar und der aschfahle kränkliche Fleischton. Das Selbstvorträt“ vor dem hellen Fenster mit weitem Blick auf glänzende Schieferdächer ist in seiner tonigen Helligkeit sehr anziehend. Die Landschafteg, als impressionistische Stizijen betrachtet, erfreuen durch die reiche Abtönung der grünen Laubmassen, das sonnige Meer“ ist wohl eher eine An= häufung grüner nebeneinandergepreßter Würmer; es fehlt jede intimere . der reizbollen Bewegungen des brandenden Wassers. Das große Gemälde Junge Männer am Meer“ erinnert stark an die Raumkompositionen H. von Mars; auch die schlanken Körper mit den übertrkeben langen Gliedern und die im Vordergrunde sitzenden, gegen die übrigen Akte viel zu kleinen Figuren sind über nommen. Die Akte selbst sind in ihrer dunklen Modellierung vielleicht in trübem Atellerlicht möglich, nicht aber am hellen Strande und am reflektierenden Waffer. Die Sterbestene⸗ wirkt brutal. Ebenso unmöglich wie abstoßend hockt mit nach rechts und links gespreizten Beinen ein Weib vor dem Bette, auf dem der Tote ur che Warum die Klagenden in diesem kahlen Schlafraum alle fast nackt sind, ist unverständlich. Vor dem Fenster reckt fich eine bänderingende Person als dürres Gespenst. Nichts Ergresfendes, nichtz von dem heiligen Ernst dieser letzten Augenblicke nur wilde, zügellose Uebertrelbung! Die „Kreuzigung“ Überbietet aber alles! An dünnen Brettern winden sich 3 Akte, nicht etwa der Herr und die Schächer. In Wirklichkeit würden diese Kreuze zumindest sich tief unter der Last der Gemarterten beugen. Vorn zerrt ein Mann ein renitentes Weib den Abhang herunter, den Hintergrund schließt ein farbiges 3 das wie eln leuchtendes Tulpenbeet autzschaut. Gs sind aber Menschen, die im Schmerz die Arme emporzuheben scheinen. Der Hesamtton ist ein kalkiges Weißrosa, die Konturen sind an den Schattenpartien kaallrot, die Schatten selbst giftiggrün und das Gan heit: „Kreuzigung!“ Derselbe Maler hat, wie erwähnt, treffliche Stilleben und Porträts gemacht; wäre er doch dabei 1e r, ö ch =.

Theater und Mufik.

Konzerte.

Im Königlichen Opernhause fand am Donnerstag der VI.. Symphonie abend der Königlichen Kapelle unter Weingartners Leitung statt. Der erste Tell wurde mit der flott vPorgetragenen, in ihrer Ursprünglichkeit stets erfrifchend wirkenden

Duvertüre zu Smetanag Oper „Die verkaufte Braun⸗ eröff et und brachte dann zwei Neuheiten: eine Symphonie Rr. 1 in E- Moll, von Sibeliuß und eine fymphonische Dichtun

Pompejlt! von Paul Ertel. Der Berliner Komponi sicht in einer Traumphantaste ein neu erstandenes Pompejt im Glanze der Gegenwart; er schildert in lofe aneinander gereihten Bildern Serenaden, Volktgetümmel, Schauspiele und Tänze. Zu den Aeußerungen froher Lebenslust ertönt ein ge Male in Pauken⸗ wirbeln und drohenden Posaunenstößen das mabnende Grollen des Vesubg, das, durch eine Bittprozefston fich nicht bannen läßt. In dem wilden Taumel einer Tarantella bricht schließlich die Katastrophe berein, und ein lange nachzitternder Tamiamschlag macht Pompest und der symphonischen Dichtun ein Ende. Herr Ertel beweist in dieser Arbeit aufs neue, daß er si auf den Kontrapunkt versteht und außerordentlich geschickt zu instrumentieren weiß. Im übrigen leidet fein Werk an ben S wächen, die dieser Gattung von Masik überhaupt anhaften. Solche musfkalische Schllderungen äußerer Vorgänge enthalten etwag dem Wesen der Musik Fremdes und vermögen, obgleich äußerlich wirkungsvoll, keine rechte innere Teilnahme zu erwecken. An der Ausführung des Werks dürfte der Komponist seine Freude gehabt haben; der Bei⸗ fall war lebhaft. anz anders geartet ist die Symphonie von Sibelius. Saz ist keine Symphonie, wie wir sie gewöhnt sind, und wie wir sie in unseren Meistermwerken lieben. Zwar ift die Vierzahl der Sätze und ihr all gemeiner Charakterunterschled gewahrt, aber der Bau der Sätze weicht wesentlich von den klassischen Vor⸗ bildeyn ab., Es werden nicht einige Haupt, und Nebenthemen auf⸗ gestellt, in rn n. gere g. und durchgearbeitet, sondern Fine große Anjahl von Themen und kleineren mottbischen Ge— bilden zieht schnell wechfelnd an ung vorüber; das eine ver⸗ schwindet, daz andere, meist mit veränderter Instrumentation, taucht auf, um bald wieder einem anderen . zu, machen. Trotz dieses rhapsodischen ige ist die Cinbeit der Stimmung gewahrt, und darin liegt die überzeugende Kraft dieser Musik. Die Stimmung ist ernst, fast düster; ein Hauch aus der nordischen Heimat des Kom- ponisten weht uns dargußz entgegen. ie einzelnen Themen sind immer ausdrucksboll, und wo sse ch etwas breiter entwickeln, von großer melodischer Kraft. Ein starket Empfinden spricht sich in dieser Musik aus, und mag man damit vmpathisteren oder nicht, der Wahrheit und dem überzeugenden künstlerischen Ernst kann man seine Anerkennung nicht versagen. Ven zweiten Teil des Programmz bildete Beethoven? C-⸗-Moll⸗Symphonte in der kaum zu erreichenden, nie zu berbietenden Ausführung, wle wir sie von der Königlichen Kapelle unter Weingartner gewohnt sind. Der geradezu überwältigende Beifall, der nach dem ersten Satze daz Haus erfüllte, hatte wohl kaum eiwas Demonstratlves, es war die nach der vorhergegangenen Programmusik um so machtvoller sich äußernde, zu Herzen dringende Gewalt der Beethopenschen Tonfprache. = Im Beęthoven⸗ Saal führte, gleichfalls am Donnertztag, der Pianist Ignaz 9 rie dim an den Klapierpart in dres Drchesterwerken mit gläniender trtuosität durch. Die Großzügigkeit der Intentionen und die Sicherheit des Spiels ließen den Meister pianistischer Kunst erkennen; des Küastlerz stürmisches Temperament bevorzugte freilich starke Klangeff ke, wobei dem metallischen Glanz

des Forte gern der zarte Schmel! ging., Überaus luftig Planissimo i n g gn. wurde. Trotzdem fehlten fein abgetönte dynamische S attierungen keineswegs; besonders die Wieder

gabe des Chopin, Konzerts war reich daran. Bem charakteristisch durch⸗ geführten Konzert in B. Moll von Tschaikoweky, dasz an . des Programms stand, lich der Künsller eine Neuheit, eine preisgekrönte Arbtit der Rubinstein, Konkurrenz, folgen, das Konzert in G.-Moll für Klavier und Orchester von S. Melcer; ein bedeutendes formales Können, ein feiner Gefchmack für orchestrale Klangwirkung und ein nalür. licher Melodienfluß, der sich darin betätigte, boten den Brern zahlreiche Anregungen. Die schwungbolle Wiedergabe durch den Solisten und das Yhil harm onische Occhester verhalf dem Werk zu glücklicher Wirkung. Von den vortrefflichen künstlerischen Eigenschaften, des Gelgers Alfred Wittenberg konnte man sich an demselben Abend im Mojart⸗ Saal wieder einmal überzeugen. Er spielte in Gemelnschaft mit dem von Paul Prill schwungvoll und umsichtig geleiteten Orchester des Hauses die Konzerte bon Bach und Mojgrt sowie das D. Moll Konzert von Wieniawekl und außerdem für Violine allein Präludium und Fuge in A. Moll von Bach. In allen Stildrten war er zu Hause und fand von seiten der zahfreichen Zuhörerschaft leb⸗ hastestw Bäfal.! Im Saal Bechstein stellte sich zu gleicher Zeit Nanny Merzenich als Sängerin vor. Sie verfügt über einen wohlllingenden Mezzosopran, der richt gut gebildet schrint, und zeigt im Vortrag auch Auskruck und Empfinden. Ehe sie Vollendete leistet wird sie ihre Studien freilich noch fortsetzen müffen.

An dem sweiten der von Ferruceis Bufoni veranstalteten Abende mit dem Philharmonischen Srchester, an denen neuere und selten . Werke zu Gehör gelangen, führten am Donnerstag m. Beet hoven⸗Sagl jwel hier bisher unbekannte Komponisten seibst ihre Werke vor. dirigierte zwei Sätze, ein Adagio und ein Scherzo, aut einer Symphonie in CMoll, die den. Eindruck richt eben eigenartiger, aber gediegener mustkalijcher Arbeit machten und viel Beifall fanden. Weniger Eigenes hatte freilich Johann Wagengaar guts Utrecht in seiner Tondichtung Saul und Bavid. (nach Ftembrandtt Gemalde) zu sagen, die sich von Programmustten ähnlicher Art und deutscher Hertunft nicht wesentlich unterschied. Die Tondichtung war da' am

Hermann Behr