er auch den Grundsatz kennen: Quod non est in actis, non est in mundo. Das ist eben der Fehler, meines Erachtens, daß sehr viele Dinge, die in den Akten stehen sollten, nicht darin stehen; das liegt daran, daß vielfach die Rentenanträge in den unteren Instanzen nicht mit der Gründlichkeit und Sorgfalt behandelt werden, die meines Erachtens im Interesse der sozialpolitischen Gesetz= gebung aus moralischen und finanziellen Gründen notwendig ist.
Es fällt mir gar nicht ein, einen unberechtigten Einfluß üben zu wollen auf den Rückgang der Renten; ich will nur einen Einfluß üben dahin, daß nur da Renten festgesetzt werden, wo der Anspruch ein gesetzlich gehörig begründeter ist. Mein Bestreben geht deshalb auch seit jeher dahin, die Vorbereitung der Anträge in den unteren In⸗ stanzen wesentlich zu verbessern, und darin, meine Herren, sollten Sie mich unterstützen! Ich versichere Ihnen, es ist dringend notwendig. Wegen solcher Kleinigkeiten, wie der Herr Vorredner erwähnt hat, find Renten nicht entzogen worden, sondern die Fälle, wo Renten auf Grund der Revision entzogen worden sind, waren sehr flagrante Fälle, wo die Bewilligung der Renten mit den Vorschriften des Gesetzes unbedingt unvereinbar war.
Uebrigens ist mir auch nicht eingefallen, einen Angriff gegen die deutsche Aeriteschaft zu richten; ich habe nur einzelne amtlich festgestellte Fälle hier mitgeteilt und freue mich auch, daß, während bisher gerade von der Partei des Herrn Vorredners sehr heftige Angriffe gegen die Aerzteschaft gerichtet worden sind, er im Gegenteil heute für die Aerzteschaft eingetreten ist. Ich habe hier oft gehört, daß die Herren gesagt haben, die Aerzte wären befangen, ständen unter dem Druck des Unternehmertums; heute hat er gerade eine Rede zu Gunsten der Aerzte gehalten und ich kann seinen Aut⸗ führungen im allgemeinen nur vollkommen beistimmen. Dadurch wird aber der Wunsch nicht beseitigt, daß eine bessere Vorbereitung der Anträge der unteren Instanzen stattfinden möge.
Ich möchte nun auf eine Anzahl von Fragen eingehen, die an mich gerichtet worden sind. Ich halte mich für verpflichtet, auf jede Anfrage, die im hohen Hause an mich gerichtet wird, auch eine sach⸗ liche Antwort zu erteilen.
Was zunächst die Sonntagsruhe in der Binnenschiffahrt an—⸗ betrifft, so habe ich mich ja wiederholt geäußert, daß ich eine An- ordnung zu Gunsten der Binnenschiffer in dieser Richtung für not-
wendig halte. Die Erhebungen des Beirats für Arbeiter ⸗ statistik über die Dauer der täglichen Arbeitszeit in der Binnenschiffabrt sind aber bis jetzt noch nicht beendet,
und man kann selbstwverstäöndlich auch in einer so schwierigen Materie keine Vorschriften über die Sonntagsruhe in der Binnenschiffahrt treffen, wenn nicht gleichzeitig die Erhebungen über die tägliche Arbeitszeit in der Binnenschiffahrt beendet sind. Ich will mir an gelegen sein lassen, darauf hinzuwirken, daß diese Erhebungen des Arbeiterstatistischen Beirats mit möglichster Beschleunigung ju Ende geführt werden, da ich die Dringlichkeit, die Frage im Wege der Ver- ordnung zu regeln, mit dem Herrn Vorredner aus der Mitte des Hauses durchaus anerkenne.
Was ferner das Verbot der Sonntagsarbelt im Gewerbe betrkfft, so ist eine allgemeine Rebision der vom Bundesrat mit Bekannt⸗ machung vom 5. Februar 1895 zugelassenen Ausnahmen vom Verbot der Sonntagsarbeit in Angriff genommen. An Hand der von den Bundesregierungen angestellten Erhebungen und auf Grund kom⸗ missarischer Beratung ist in sämtlichen in der erwähnten Bekannt machung enthaltenen Gruppen ein vorläufiger Entwurf aufgestellt und den Bundesregierungen mitgeteilt worden. Nach Ver⸗ arbeitung der hierauf von den Bundesregierungen eingehenden Gut⸗ achten wird voraussichtlich im kommenden Winter dem Bundes⸗ rat eine Vorlage zur Abänderung der erwähnten Ausnahmebestim⸗ mungen zugehen. Soweit sich übersehen läßt, wird allerdings, wie ich bereits vorgestern ausgeführt habe, eine Reihe von Ausnahmen von der Verpflichtung zur Sonntagsruhe nicht mehr aufrechterhalten werden können.
Wie bereits von einem der Herren Vorredner ausgeführt worden ist, sind die Gewerbeinspektionen aufgefordert worden, über die Verhält⸗ nisse der Glasindustrie im allgemeinen zu berichten. Den Anträgen, die in dieser Beziehung vorliegen, wird erst dann stattgegeben werden können, wenn jene Berichte eingegangen sind. Ich bemerke aber, daß mit Rücksicht auf die Sonntagsruhe in den Glashütten doch schon sehr einschneidende Bestimmungen ergangen sind, die meines Erachtens eine wesentliche Besserung des bisherigen Zustandes bedeuten. So⸗ bald die Berichte der Gewerbeinspektoren vorliegen, werden alle diese Fragen, die hier im hohen Hause und in den vorliegenden Anträgen angeregt worden sind, zum Gegenstande der Erwägung gemacht werden.
Ich komme jetzt mit einigen Worten auf die Submissionsfrage, die ja bereits sehr eingehend erörtert worden ist. Ich bemerke zunächst, daß die preußischen Bestimmungen im Reichsdienst bereits Anwendung finden; nur in der Heeres., und Marineverwaltung nd . sie noch nicht angewendet, weil dort eigenartige Berbältnisse vorliegen. Ich babe mich aber erneut an die Herren Chefs der Reichsmarlne, und der Heeresverwaltung mit der Bitte gewendet, die Einführung dieser neuen Submissions. bedingungen möglichst zu beschleunigen und mir auch die Aenderungen mitzuteilen, die sie gegen die allgemeinen Submissionsbedingungen einführen wollen.
Ich möchte dazu bemerken, daß ein Teil der Wünsche, die hier geäußert sind, in den preußischen Bedingungen bereits erfüllt ist. So heißt es z. B.:
Bei der Auswahl der Unternehmer ist nach Möglichkeit iu wechseln. Auch sind dabei die orteangesessenen Gewerbetreibenden vorzugsweise zu berücksichtigen
(Bravo! rechts.) Es heißt ferner in den Submissionsbedingungen, die also jetzt auch für das Reich maßgebend sein sollen.
Bei der Vergebung von Bauten sind im Falle gleicher Preisstellung die am Ort der Ausführung oder dessen Nähe wohnenden Gewerbtreibenden vorzugswelse zu berücksichtigen, wenn sie die Arbeit im eignen Betriebe ausführen.“ erner:
Liegen von mehreren Handwerkern gleichwertige Angebote
vor, so sind bei der Zuschlagerteilung diejenigen Bewerber vorzugs-
. zu berücksichtigen, die berechtigt sind, den Meistertitel zu
hren.“ (Sehr gut! rechts.)
⸗. Es find aber noch weitere Wünsche geäußert worden. Es ist nächst eine Beruͤckschtigung der Tarifverträge gewünscht worden, die
sich allerdings in den preußischen Bestimmungen nicht findet. Jedoch, meine Herren, schützt gegen Unterbietung der Leistung folgende Be⸗ stimmung der preußlschen Ausführungsbestimmungen: Die niedrigste Geldforderung als solche darf für die Ent⸗ scheidung über den Zuschlag keineswegs den Ausschlag geben. Der Zuschlag darf nur auf ein in jeder Beziehung annehmbares, die züchtige und rechtzeitige Ausführung der betreffenden Leistung oder Lieferung gewährleistendes Gebot erteilt werden. Ausgeschlossen von der Berücksichtigung sind solche Angebote, die eine in offen⸗ barem Mißderhaͤltnis zu der Leistung oder Lieferung stehende Preis forderung enthalten, sodaß nach dem geforderten Preis 69 und für sich eine tüchtige Ausführung nicht erwartet werden kann. Welter ist eine vorjugswelse Berücksichtigung der Genossenschaften nicht vorgesehen. Die Berücksichtigung der kleinen Gewerbtreibenden ist jedoch durch folgende Bestimmungen gewährleistet: Die Ausschreibungen sind tunlichst derartig ju zerlegen, daß auch kleineren Gewerbtreibenden und Handwerkern die Beteiligung an der Bewerbung ermöglicht wird. Bei größeren Arbeiten oder Lieferungen, die ohne Schaden für die gleichmäßige Ausführung getrennt vergeben werden können, hat daher die Vergebung in der Regel in den verschledenen Gewerbg⸗ und Handwerks;jweigen ent⸗ entsprechend zu erfolgen; auch ist in geeigneten Fällen die Ver⸗ dingung nach den Arbeiten und zugehörigen Lieferungen zu trennen.“ — Das ist auch eine besonders wichtige Bestimmung —
„Bei besonders umfangreichen Ausschreibungen sind die auf die
einzelnen Gewerbs⸗ und Handwerkszweige entfallenden Arbeiten oder
Lieferungen in mehrere Lose zu teilen.“ Meine Herren, das sind aber nur formale Bestimmungen. Ob indet diejenigen Wünsche, die hier im hohen Hause geäußert worden sind im Interesse der Handwerker und die ich vollkommen teile, erfüllt werden, hängt davon ab, wie diese Bestimmungen ausgeführt werden. Man muß sich hierzu die Mühe nehmen, diesen Verhältnissen nach⸗ zugehen, solche Fragen müssen mit einer gewissen Liebe, mit einem gewissen inneren Interesse für den Zweck zur Ausführung gebracht werden, nicht rein bureaukratisch; man muß immer das eigentliche Ziel vor Augen haben, welches durch diese Submissionsbedingungen erfüllt werden soll. Es ist natürlich für den, der die Arbeiten leitet, viel leichter, mit einem großen Unternehmer zu verhandeln, der die ganze Sache übernimmt, der alles besorgt, der einem keine Schwierig- keiten macht. Haben wir aber eine Reihe von kleinen Unternehmern, bei denen man dann dafür sorgen muß, daß Lieferungen und Arbeiten rechtzeitig ineinandergreifen, um auch die rechtzeitige Fertigstellung des gesamten Werkes zu ermöglichen, so ist die Bauleitung wesentlich schwieriger. Das macht dem einzelnen Beamten, der die Arbeit zu leiten hat, natürlich erheblich mehr Arbeit und verursacht ihm viel mehr Sorge, aber ich meine, sozialpolitisch ist eine liebevolle Detail- arbeit hier sehr wertvoll. (Sehr richtig) Solche Be—⸗ stimmungen wie die verlesenen können nur einen formalen Cha— rakter haben; hier kommt es eben darauf an, daß die Bestimmungen auch in dem Geiste ausgeführt werden, in dem sie gegeben sind.
Was die Arbeitsverhältnisse des Bureaupersonals der Rechts anwälte und Notare betrifft, so ist im Reichstage bereits in der Sitzung vom 3. Februar 1906 mitgeteilt worden, daß die von dem Herrn preußischen Justizminister eingenommene Stellung den übrigen Bunderegierungen zur Kenntnis gebracht worden sei. Dle dazu ein⸗ geforderten Aeußerungen der Regierungen liegen aber noch nicht voll⸗ ständig vor; deshalb kann ich mich über die Sache auch noch nicht endgültig äußern. ; ĩ ĩ -
Es ist auch eine allgemeine Regelung der Beschäftigung von
Arbeiterinnen und von jugendlichen Arbeitern bei gesundheitschädlichen
Arbeiten angeregt worden. Ich habe mich dieserhalb mit den Bundeg⸗ regierungen, insbesondere mit dem preußischen Herrn Minister für Handel in Verbindung gesetzt. Der Herr preußische Minister für Handel erklärt aber, ein Bedürfnis für die Regelung nicht anerkennen zu können. Auch ist er der Ansicht, es bestehe auch bei dem jetzt in Aussicht genommenen Vorgehen die Gefahr, daß Beschäftigungen verboten würden, die im ein— zelnen und nicht etwa nur in vereinzelten Fällen zulässig seien. Daz ist der Standpunkt, den vorläufig der Herr preußische Minister für Handel eingenommen hat. Ich werde aber die Frage nicht fallen lassen, sondern mich weiter mit dem Herrn preußischen Minister für Handel darüber unterhalten.
Eine wichtige Frage, die hier im Hause schon oft behandelt worden ist, ist die Erhebung von Beiträgen einerselts wegen Zugehörigkeit zum Handwerk, anderseits wegen Zugehörigkeit zu den Fabriken, und ferner die Anwendung der Arbeiter schutzbest imm ungen der Gewerbeordnung auf die Einzelbetriebe.
Was zunächst die Anwendung der Arbeiterschutzbestimmungen der Gewerbeordnung betrifft, so habe ich darüber kürzlich mit dem Herrn Handelsminister mündlich verhandelt und wir haben uns bis jetzt dabin geeinigt, daß es der einfachste Weg ist, um diesen zahllosen Zweifeln entgegenzutreten, die streitige Frage, ob ein Gewerbebetrieb oder ein Handwerkbetrieb vorliegt, nach der Zahl der in den einzelnen Betrieben beschäftigten Gehilfen zu entscheiden. Maßgebend würde noch sein, ob in den einzelnen Betrieben motorische Kraft verwandt wird oder nicht. Ich glaube aber, man wird zu einer befriedigenden Regelung dieser Frage nur kommen, wenn man sich schließlich an äußere Merkmale hält, die jeder individuellen Er⸗ wägung entzogen sind.
Nun welter die Frage der Beiltragsleistung, die noch erheblich schwerer zu entscheiden ist. In der Reichttagssitzung vom 3. Februar 1906 habe ich ausgeführt, daß es zur Beseitigung der Klagen Über die zweifache Heranziehung einzelner Betriebe zu den Beiträgen sowohl der Zwangtorganisationen des Handels als derjenigen des Handwerks vielleicht zweckmäßig sei, eine einheitliche Schluß⸗ instanz zu schaffen, die sowohl für die Handelskammer wie für die Handwerkskammerorganisationen zu entscheiden habe. Grund⸗ züge ju einer in dieser Richtung sich bewegenden Gesetzesvorlage sind ausgearbeitet. ;
Eine inzwischen bei den Bundesregierungen gehaltene Rundfrage hat aber ergeben, daß das Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung nicht überall in gleichem Maße besteht. Zunächst werden nicht in allen Bundesstaaten Beiträge zur Handwerkekammer erhoben, sodaß insoweit in den betreffenden Bundesstaaten eine Doppelbesteuerurg nicht vorkommen kann; in einer Reihe von anderen Bundesstaaten entscheiden schon jetzt die nämlichen Behörden endgültig über die Zu⸗ gehörigkeit zu beiden Organisationsgruppen. Auch für Preußen, wo verschiedene Behörden entscheiden, kann ein dringendes Bedürfnis
nach einer gesetzlichen Regelung von dem Handelsminister zur Zeit nicht anerkannt werden. Nach der neueren Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts können Handwerksbetriebe nicht aus dem Grunde allein für handelskammerpflichtig erklärt werden, weil sie in das Handelsregister eingetragen sind. Es muß vielmehr für die Handelskammerpflicht noch die unabhängig von der Eintragung in das Handelsregister festzustellende Tatsache hinzukommen, daß der Betriebsinhaber Kaufmann ist. Die Kaufmanntzeigen⸗ schaft ist jedoch zu verneinen, wenn dem Betreffenden mit Rücksicht auf seine gesamten Betriebsverhältnisse die Gigenschaft eines Hand—⸗ werkers zukommt. Auf diese Rechtsprechung werden die Handels- kammern hingewiesen, und es wird ihnen die Freistellung hiernach zwelfelloser Handwerksbetriebe anheimgestellt werden.
In anderen Fällen, in denen die Natur eines Betriebs es zweifel⸗ haft erscheinen läßt, ob er zum Handwerke oder zu den Fabriken ge⸗ hört, will der Handelgminister im Verwaltungswege eine Anordnung treffen, wonach ein Gewerbebetrieb, der durch rechtskräftige Ent⸗ scheidung der Verwaltungsgerichte als Fabrik erklärt ist, von der Heranziehung zu den Organlsationen des Handwerks frei zu lafsen ist. Gleichzeitig sollen die Regierungspräsidenten angewiesen werden, in allen derartigen zweifelhaften Fällen auf eine Beiladung der Handwerkskammerndurchdie Verwaltungsgerichte hinzuwirken. Den Handwerkskammern wird damit Gelegenheit gegeben, beim Verfahren mitzuwirken und eventuell auch Rechtsmittel einzulegen.
Endlich kommt in Betracht, daß die hier in Rede stehenden Fragen kaum zu regeln sein werden, ohne daß man übersieht, wieweit gleichzeitig etwa die Wünsche der Handwerker befriedigt werden können, die dahin gehen, die Fabrikbetriebe, die handwerks mäßig ausgebildete Arbeitskräfte beschäftigen, anteilig zu den Kosten heranzuziehen, die die Handwerkskammern für das Gesellen, und Lehrlingswesen auf⸗ gewendet haben. In dleser Beziehung schweben statistische Erhebungen, die noch nicht zum Abschlusse gelangt sind.
Meine Herren, auch die Frage der Gefangenenarbeit ist gestern be= rührt worden. Wie der Staatssekretär des Reichsjustizamts am 23. Februar 1906 im Reichstage erklärt hat, soll dem Reichstage eine Statistik über Art und Umfang der Gefangenenarbelt mitgeteilt werden. Die statistische Erhebung ist durch ein Rundschreiben des Reichtjustizamts an die Bundesreglerungen vom 19. Juli 1905 mit dem 1. Dezember 1905 als Stichtag in die Wege geleitet worden. Eine Zusammenstellung des Materials ist dem Reichttage und auch dem Reichtz⸗ amte des Innern noch nicht zugegangen. Die Vertretung der Sache im Reichstage wird bis auf weiteres dem Reichszjustizamte zu überlassen sein.
Auch die Aenderung der Gastwirtsberordnung ist wiederum angeregt. Ich kann nur wiederholen, daß kaum eine Verordnung des Bundes rats so eingehend auch von den lokalen Instanzen in den einzelnen Bundestzstaaten geprüft worden ist, wie gerade diese Gastwirttzperordnung, und wir konnten zu einer anderen Regelung schließlich nicht kommen. Wie Sie wissen, wurde auch im preußischen Abgeordnetenhause ein Antrag gestellt, eine Resolution zu fassen auf Aenderung dieser Ver⸗ ordnung; dieser Antrag hat aber die Zustimmung des Abgeordneten hauses nicht gefunden.
Ich möchte nun noch einige allgemelnere Fragen berühren. Es ist hier wieder über die Schädlichkeit deg Hausierhandels ge— sprochen. Ich gestehe ohne weiteres zu, daß ein Teil des Hauster⸗ gewerbes, soweit es sich auf das Angebot von Waren bezteht, eigent- lich eine überlebte Einrichtung ist, ebenso überlebt meines Grachtens
wie der allergrößte Teil der Jahrmärkte. Jahrmärkte und Warenhausierer stammen aus einer Zeit, wo das Land noch
sehr schwach bevölkert war, wo wir wenige Verbindungen hatten; ietzt kann man aber von jedem Teile des Deutschen Reichs in kürzester Zeit nach irgend einem Platze gelangen, wo wenigstens die mittleren und unteren Volksklassen alle ihre Bedürfnisse an Waren für das tägliche Leben befriedigen können. Daß von den Hausierern viel fach auch mangelhafte, minderwertige Waren verkauft werden, mag richtig sein. Aber andererseits, glaube ich, wenn die verbündeten Re— gierungen sich entschließen sollten, eine Aenderung zur Gewerbeordnung einzubringen, wonach das Warenhausieren wesentlich erschwert oder ganz verboten wird, würde sich kaum eine Mehrheit in dem hohen Hause für einen solchen Gesetzesvorschlag finden; beim Hausierhandel
heißt es eben auch, jeder muß die Augen aufmachen für die Waren, die er kauft.
Et sind hier zwei Fragen erörtert worden, betreffend die Er— richtung neuer Reichsinstitute: erstens die Errichtung einer gewerblich technischen Reichsanstalt. Darüber kann ich heute keine Auskunft geben, weil diese Frage noch so neu ist, daß sie noch nicht genügend vertieft werden konnte. Aber weitere Erörterungen haben schon ge⸗ schwebt über die Errichtung einer chemischtechnischen Reichsanstalt. Ich lasse jetzt den Interessenten meine Ansicht zu der Sache schriftlich zugehen; da aber die Frage auch in der Oeffentlichkeit so vielfach erörtert ist, möchte ich heute einiges aus diesem Bescheide mitteilen. Bei solchen wissenschaftlichen Anstalten liegt bei rein bureaukratischer Organisation immer die Gefahr vor, daß die Personen, die an solchen Anstalten arbeiten und die wissenschaftliche Forschung im Interesse der praktischen Industrie fördern sollen, ihre Fühlung mit der Praxis und der Industrie verlieren, und daß dadurch ihr Erforschungetalent und ihre praktische Auffassung der Dinge, ihr Verständnis dessen was die Industrie braucht, allmählich verblaßt. Nehmen Sie einmai an. wir würden rein bureaukratisch eine chemisch · technlsche Reichtanstalt gründen; vergleichen Sie damit, welche Anregung ein Chemlker in einem großen industriellen Betriebe hat, wo er täglich auch die Be= dür fnife des Publikums kennen lernt, wo er täglich den wechselnden Bedür nissen der Industrie aus eigenster Anschauung nahe tritt, wo er täglich neue praktische und technische Erfahrungen erwirbt. Nun wird so ein err in das Laboratorium einer Reichganstalt verpflanzt. Zunächst ist bei allen diesen Dingen ein kleines Hindernis: hervor- ragende Techniker, hervorragende Chemiker bekommen Gehälter in der Industrie, die Sie nie bewilligen würden (Sehr richtig ) und die wir schon mit Rücksicht auf die anderen Beamtenkategorien nicht hewilltgen können. Also gerade die hervorragendsten Kräfte für den Reichs dien st zu gewinnen, die man für ein solches Institut braucht, wird außer. ordentlich schwer sein. Ich leide darunter, daß ich ö. geradezu hervorragende Kräfte, die ich mich ö ö. . . 1 Relchsdienst zu gewinnen, nicht bekommen kann, weil es mir nicht wubglich in ihnen elne Gutschäbigung für daz, was sie schon besitfn, auf Grund des Etats zu bieten. Sehr viele hervorragende Kräfte konnte ich deshalb für den Reichedienst trotz langer Verhandlungen nicht gewinnen. Außerdem leide ich auch darunter, daß bitzwellen